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Unsichtbar im eignen Haus

Eine Deutsch-Hausaufgabe
von

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Und Schuld ist das Licht.

Es gibt etwas, was ich wohl niemals begreifen werde. Mit welcher Macht ist er ausgestattet, der helle Fleck an der Wand? Es macht mich verrückt wie er nur da sitzt, zittert und wartet. Er fordert mich heraus! Ja, jedes Mal auf's Neue! Weil er weiß, dass ich nicht gewinnen kann. Also, was macht ihn so besonders? Es ist natürlich, dass ich mich jedes Mal auf ihn stürze um meine Krallen tief in ihn hinein zu bohren, damit er mir nicht entwischt! Aber jedes Mal ist er schneller als ich. So auch dieses Mal. Und dieses Mal wird das letzte Mal gewesen sein, dass ich so dumm war um mich auf sein Machtspielchen einzulassen.
 

Ich höre ein Geräusch. Ist es das wert, den Kopf zu heben? Schon wieder ein Geräusch und noch immer sitze ich hier. Umgeben von Finsternis und einer erdrückenden Stille. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mir diese Geräusche nur einbilde in der ewigen Hoffnung vielleicht doch gerettet zu werden. Aber wahrscheinlich wird es wieder nur Collin der Dackel sein, der seine Nase an die Mauer presst um den Dunst meiner Hinterlassenschaften einzuatmen. Widerliche Töle! Zurecht schimpfen sich die Hunde dumm unter den Katzen! Oder ich lasse es einfach an diesem Gedanken aus, wie frustrierend es jedes Mal ist dass Collin nicht um Hilfe kläfft. Schließlich sind wir Nachbarn und ich kenne ihn seit er ein Welpe war. Aber ich werde mich dennoch nicht erheben und wieder bitterlich miauen. Alles was er will, ist seine Neugierde befriedigen. Darum belasse ich meinen Kopf dort, wo er sich befindet. Auf meine Tatzen gesenkt und mit angelegten Ohren, bereit dazu jeden Moment zu explodieren wenn nicht endlich etwas geschieht!

Der Raum, in dem ich mich befinde, bietet zu meinem Nachteil nicht viel Bewegungsfreiheit. Das ist leider der Grund, weswegen ich und alles hier drinnen inzwischen nach meinem eigenen Urin stinkt. Es widert mich an durch mein Fell zu lecken, darum lasse ich es bleiben. Heißt, dass ich wahrscheinlich verklebt und ungekämmt vor meinen Gott treten werde. Oder komme ich in meine Hölle? "Kater, beruhige dich, sie werden dich hier rausholen.", rede ich mir zu und schließe die Augen. Wenn ich so darüber nachdenke, also, dass sie mich retten kommen, ich bin mir nicht sicher. Ehrlich gesagt zweifle ich sogar verdammt sehr daran! Wie alt bin ich nun? Sieben, denke ich. Und sie haben mich Cally getauft. Mich! Einen Kater!

Aber wer bin ich, dass ich mich beschweren? Ich sollte mich glücklich schätzen, kein Junge namens Sue zu sein. Und vielleicht haben sie mich ja doch gern. Vielleicht holen sie mich hier raus. Vielleicht. Ich hasse dieses Wort. Es ist mir zu ungenau. Ich will gerettet werde! Nein, sie retten mich! Kein vielleicht mehr!
 

Ich habe geschlafen. Leider ist dem Sonnenstand hier drinnen nicht zu entnehmen wie lange. Weil es keinen Sonnenstand hier gibt. Weil es gar kein Licht hier gibt. Und die Dunkelheit ist kalt. Oder haben wir inzwischen eine neue Jahreszeit? Es war Sommer, glaube ich, als ich eingesperrt wurde. Also müsste Herbst sein und der ist eben kalt. Oder ich bilde mir das alles nur ein.

Seit einiger Zeit höre ich auch kein Geräusch mehr. Ich schätze mal dass mein Gehirn keine Lust mehr hatte, mich zur hören wie ich um Hilfe schreie und jetzt lieber auf physische Folter umgestiegen ist. Oh Hirn, du verrückter Bösewicht, du. Man betone verrückt. Allerdings ist dies mein geringstes Problem. Der Gestank, die kalte Luft und die Dunkelheit! Das alles sind nur kleine Details, die es mir unangenehmer machen mich hier zu befinden. Viel schlimmer ist mein Hunger. In regelmäßigen Abständen zieht sich mein Magen so extrem zusammen, dass es mich beinahe schon schmerzt und ich das Gefühl habe erbrechen zu müssen! Aber man kann nichts erbrechen, was man nicht gegessen hat.

Um mich abzulenken lecke ich geistesgegenwärtig über meine verklebten Pfoten. Der Geschmack auf der Zunge brennt und setzt mir ein Schaudern durch den ganzen Körper, als ich mich erinnere weshalb ich mich eigentlich nicht ablecken wollte. Schlechte Idee, Cally. Die Strafe dafür ist der Geschmack, der sich nicht von meiner Zunge entfernt. Salopp ausgedrückt befinde ich mich nun endgültig bis zum Hals in der Scheiße!
 

Erneut war ich dem Schlaf verfallen. Es gab ja aber auch nichts anderes zu tun hier drinnen, als in der Ecke zu gammeln und über das Sein oder das nicht Sein zu philosophieren. Ob sie überhaupt gemerkt haben, dass ich fort bin? Ich habe Durst. Und Hunger. Ich will meine Decke wieder schnuppern können.

So viele Gedanken! Ich sollte mit denken aufhören, um nicht noch verrückter zu werden. Es reicht schon dass ich mir nicht sicher bin, ob ich mir alles einbilde!

Am besten, ich Schlafe weiter. Vielleicht habe ich Glück und wache nie mehr auf.

Und schon wieder dieses vielleicht.
 

Der helle Fleck an der Wand ist rot. Alles ist in Farben gehalten, seltsamerweise. Als sei ich plötzlich ein Mensch, mit diesen magischen Augen.

Plötzlich schnellt er zur Seite! Mir bleibt keine Zeit zum Nachdenken, ich muss ihn kriegen! Wie ein Irrer renne ich ihm nach, bereite meine Krallen darauf vor ihn zu zerreißen! Sie sind aus Stahl, bemerke ich zufrieden und werde schneller. Er sitzt in dem kleinen Spalt fest, zwischen dem Schrank und dem Sofa. Sein zittern wird stärker, denn er merkt dass er keine Chancen hat. Ja, endlich sitzt er fest, endlich bekomme ich meine Rache, endlich-

wache ich auf. Es hat sich gar nichts verändert. Immer noch ist es finster und riecht unangenehm. Ich bilde es mir wahrscheinlich bloß ein, aber mir kommt es vor, als sei der Gestank stärker geworden. Mein Fell ist feucht, und bald schon bemerke ich dass ich im Rausche meines wilden Traumes wohl über den Boden gerollt bin. Genau in die Pfütze, die ich vor kurzem erst dorthin gesetzt hatte. Was heißt, dass ich mein voriges Argument, ich säße in der Scheiße, revidieren muss. Um genau zu sein, bin ich von einer Pfütze umgeben, also muss ich wohl eher bis zum Hals in der Pfütze stecken. Nett formuliert.

"Nun sei nicht so pessimistisch!", zwitschert eine Stimme vor mir. Wer ist da? Moment- Es ist jemand hier?

Ich stehe auf, zitternd am ganzen Körper, und starre in die Finsternis.

"Wer ist dort?", erschrocken zucke ich, als ich mich miauen höre. Meine Stimme klingt rau und leise. Sie kratzt im Hals, aber die Hoffnung tröstet darüber hinweg als ich eine Antwort erhalte.

"Ich bin hier!"

"Wer ist Ich?"

"Du bist ich!", es lacht. Ich wüsste nicht was witzig sein sollte, an meiner Situation.

"Wo bist du?", frage ich, ohne auf den trockenen Witz einzugehen.

"Hier! Komm!", ruft es, "Ich habe einen Fisch. Du magst Fisch, richtig?"

Unsicher ob es eine Falle ist trete ich näher. Umrisse in der Finsternis werden klarer zu erkennen. Dieses Wesen, ich kann es einfach nicht einordnen...

Ein lauter Krach ertönt, so ungewohnt laut dass ich zusammen zucke und einen Satz zur Seite mache! Es kommt mir vor, als sei das der längste Sprung gewesen, den ich je in meinem Leben tat! Wie in Zeitlupe sehe ich Steine zu Boden fallen und durch ein winziges Loch, weit über mir, erkenne ich einen hellen Fleck an der Wand. Dieser Fleck. Ich hasse ihn. Wütend fauche ich ihn an: "Verschwinde! Ich brauche dich nicht!", egal, ob es meine Stimmbänder zerreißt.

Wieder ertönt ein Krachen und der Fleck wird größer. Ich fauche, spüre wie mein Fell sich sträubt und weiche vor ihm zurück. War es nicht Folter genug, mich in der Finsternis zu lassen?

Ein weiterer Krach und das dumpfe Geräusch eines Metalls, welches im Gras landet.

Irritiert sehe ich zu dem Schatten auf, der sich über mich beugt. Das Licht grellen Sonnenscheins brennt wie Lauge in meinen Augen. Hände schließen sich um meinen Körper und meine Pfoten verlassen die Erde. Ist es mein Gott, der mich zu sich holt?

Nach geraumer Zeit erkenne ich ihn endlich. Es ist nicht Gott. Und irgendwie macht es mich glücklich, stattdessen das Gesicht meines Halters zu sehen. Meiner Familie, die sie mich hier einsperren lassen haben! Er redet mit mir, aber ich verstehe kein Wort. Ich bin so müde... Ich möchte nur an meiner Decke schnuppern. Und etwas Wasser trinken. Vielleicht esse ich ein oder zwei Happen. Und alles wird so sein wie früher, alles wird jetzt gut, ich bin mir ganz sicher. Es macht mir nichts aus, wenn sie mich nun in die Dusche stellen. Es macht mir auch nichts aus, dass Lilly, die Tochter meines Halters, mich zu einem Dauerstreichelprogramm einlädt.

Ich weiß, sie werden denken: "Das arme Tier, eingesperrt, aber jetzt ist alles wieder gut!"

Sie werden nur nie erfahren wie es für mich war.

Niemals.

Miau.



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