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Eine Romanze in Brighton

von

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Kapitel 10.
 

Kaum hatten Watson und Thurgood ihre Zimmer verlassen, wurde Holmes aktiv. Er öffnete den Kleiderschrank, entnahm das zweite Kissen und die Wolldecke und legte alles auf sein Bett. Dann holte er sein Werkzeug aus dem Koffer. Mit einem Bohrer bewaffnet, ging er ans Werk. In dem Schrank kniend begann er in Loch in das Holz zu bohren. Kein all zu großes Loch, nur ein kleines mit einem Durchmesser von zwei Zentimetern. Für die Wand dahinter, brauchte er etwas länger. Da aber in den meisten Hotels keine all zu dicken Wände zwischen den Zimmern gezogen waren, verlief auch diese Aktion reibungslos.

Fertig mit seiner Arbeit beseitigte er alle Spuren, legte Kissen und Decke zurück, welche das kleine Loch perfekt verdeckten. Dann holte er sein Einbruchswerkzeug und verschwand auf den Gang. Das Türschloss von Watsons Zimmer war keine große Hürde und schon stand er in einem völlig identischen Raum, in dem es sich der werte Doktor bereits wohnlich gemacht hatte. Das hässliche wenn auch dankbare Muster der Tapete verdeckte das kleine Loch auf Watsons Seite perfekt. Es war genau in der brauen Stelle einer Blume durchgebrochen und jetzt zupfte Sherlock die übrigen Papierfetzen um das Loch herum ab. Zufriedenheit durchflutete ihn, als er sich das Guckloch besah. Ein weiterer Teil seines Planes war erfüllt, jetzt wollte er losgehen und Watson suchen.
 

Der restliche Tag verlief ereignislos. John umsorgte seinen Freund Thurgood wo er nur konnte und dieser schien gefallen an der Patientenrolle gefunden zu haben. Als die Beiden zu Abend gegessen hatten, begleitete Watson seinen Patenten noch auf dessen Zimmer. Leider ein Risiko bei der Wahl des Zimmer, denn Holmes hatte gehofft, Thurgoods Räumlichkeiten zu beobachten wäre nicht so wichtig wie die von Watson. Jetzt aber schien es ihm so, als hätte er mehr erfahren können, wenn er Thurgoods Zimmer ausspionieren könnte.

Unzufrieden wartete Holmes darauf, dass die Dinge endlich in Gang kamen. Aber darauf wartete er an diesem Tag vergebens. John kam in sein Zimmer, holte sich ein Buch und ließ sich auf dem Sofa nieder. Sherlock beobachtete seinen Freund nur kurz, dann versteckte er das Loch wieder hinter dem Kissen. Hätte Holmes nicht über die große Tugend der Geduld verfügt, dann hätte er wohl schon nach diesem Abend bezweifelt, das John Watson wirklich ein Geheimnis hatte. Was nicht zu seinem eigenwilligen Verhalten in der letzen Zeit gepasst hätte. Was bewirkte bei den Menschen das Verhalten eines frisch verliebten wenn nicht die Liebe? Nein, irgendetwas hatte ihr harmonisches Zusammenleben gestört und Holmes würde erst ruhen, wenn der Herd dieser Störung ausgemerzt war.
 

Somit war Geduld unumgänglich. Die nächsten Tage verliefen genau wie der erste völlig unauffällig. Thurgood bekam das Frühstück auf sein Zimmer, danach holte Watson ihn für einen Spaziergang ab. Sie schlenderten durch den geschäftigen Ort, betrachteten Schaufenster und genossen Tee in einem kleinen Lokal. Alles ganz unauffällig. Die Beiden lachten oft vergnügt oder waren so tief in ihre Gespräche versunken, als würde die Welt um sie her nicht existieren. Danach war ein Besuch des Kurbades an der Reihe und das war der einzige Ort den Holmes in seiner Verkleidung nicht betreten konnte. Erholt und hungrig gönnten sie sich dann ihr Mittagessen und obwohl Holmes bemüht war, ins Gespräch mit den zwei Londoner Herren zu geraten, all seine Versuche wurden durch die undurchdringliche Zweisamkeit der Beiden blockiert. Nach dem Mittagessen ruhte sich Thurgood aus und Watson überbrückte diese Zeit in seinem Zimmer. Er las oder schrieb Briefe welche er an der Rezeption abgab. Pünktlich zum Abendessen erschien Thurgood und klopfte an Zimmertür Nr. 4. Den Abend genossen die Gentlemen meist mit dem Unterhaltungsprogramm von Brighton. Holmes der die Oper stets dem Theater vorzog, fand wenig Gefallen an diesen Abendprogrammen und schön langsam langweilten ihn die friedlichen Tage und er wusste wieder warum er den Urlaub als solchen nicht mochte.
 

Erst als fast eine Woche seit ihrer Ankunft in Brighton vergangen war, änderte sich etwas im Ablauf. Watson war ungewöhnlich Ruhig gewesen, bereits den ganzen Vormittag. Auch Thurgood begann auf ihrem morgendlichen Spaziergang kein Gespräch. Schweigend schlenderten sie an der Küste entlang. Der Tee viel aus und das Mittagessen fand unter ähnlich schweigsamen Bedingungen statt.

Holmes erste Theorie zu der neuen Situation war ein Streit. Aber wann wäre es dazu gekommen? Schließlich hatte er die Beiden stets beobachtet und nicht die geringsten Anzeichen für ein Streitgespräch gefunden.

Thurgood traute er einen Streit mit John auch gar nicht zu. Dafür verstanden sie sich zu gut und nichts Außergewöhnliches war geschehen, nichts was nicht auch die Tage zuvor geschehen war. Ein weiteres Rätsel gesellte sich hinzu und somit steckte Holmes fest. Außergewöhnlich gereizt kehrte der Detektiv vom Abendessen zurück und da sah er John im Gang stehen. Dieser wartete vor Thurgoods Tür und schenkte dem alten Mann aus Zimmer 2 ein Lächeln. In dem Moment trat auch Thurgood auf den Gang. „Mein lieber Doktor, kann ich dich zu einem späten Spaziergang überreden? Der Mond ist heute besonders schön und ein Strandspaziergang wäre jetzt genau das Richtige.“

„Ich komme gerne mit“, bestätigte Watson.

Holmes war bereits in seinem Zimmer verschwunden und belauschte die Unterredung bei leicht geöffneter Tür.

„Ich würde ohnehin gerne mit dir Reden“, kam es leicht stocken von Watson. Aha! Jetzt ging das ganze wohl erst richtig los. Holmes wirbelte durchs Zimmer, holte eine Tasche und schlich den beiden nach. Draußen angekommen entledigte er sich der auffallend hellen Perücke und stopfte sie in die Tasche. Dann kramte er nach einem schwarzen Überzieher und schon ging die Verfolgung los.
 

Die Wanderung durch die nächtlichen Straßen blieb ruhig. Erst als sie die Küste erreicht hatten und durch den Sand wanderten, begannen sie ein Gespräch. Holmes musste peinlichst genau darauf achten, nicht durch den Vollmond und seinen eigenen Schatten verraten zu werden. So musste er hinter einem Stein in Deckung gehen und bekam von der eigentlichen Konversation nichts mit. Ab und an wehte der Wind einige Gesprächsfetzen herüber.

Ach wenn die Zwei nur endlich weiter gehen würden, dann könnte er sich in eine besser geeignete Position bringen und jedes ihrer Worte verstehen.
 

*~*~*
 

„Eine herrliche Nacht, der Mond ist so klar…so ganz anders als in unserem guten London, nicht wahr John?“

„Hmm, ja ich stimme dir zu. Die frische Seeluft tut gut, dir besonders nicht wahr?“

„So, daher warst du heute den ganzen Tag so still. Es geht um Florida“, stellte Travis fest.

John blieb stehen, betrachtete eine Weile ruhig das Wasser.

Travis trat dicht neben ihn. „Ein Penny für deine Gedanken. Seit ich dir gestern von den Plänen meiner Schwester erzählt habe, bist du ungewöhnlich ruhig gewesen. Ich hab geschwiegen weil ich nicht aufdringlich erscheinen wollte.“

„Steht es wirklich fest?“ fragte John und sah dabei seinem Gegenüber fest in die Augen. Dieser nickte deprimiert.

„Aber“, begann John und blickte wieder aufs Meer hinaus, „warum so weit? Ich meine deine Gesundheit ist es wert aber…“ er brach resigniert seinen Satz ab.

Travis legte seinem Freund die Hand auf die Schulter und überlegte was er nun sagen sollte. „Ich gehe nur sehr ungern von hier fort John, doch jeder Arzt mit dem Rose sprach, sagte ihr dasselbe. Florida wäre für meine Gesundheit am besten geeignet. Viel frische Seeluft, milde Temperaturen das ganze Jahr…oh John wenn ich nur bleiben könnte.“

John schüttelte den Kopf, griff nach Travis Hand, die eben noch auf seiner Schulter geruht hatte und hielt sie fest. „Nein es ist schon richtig. Ich als dein Arzt empfehle dir ebenfalls das Leben in Florida.“

„Aha, der Arzt meines Vertrauens empfiehlt mir dies ebenfalls. Dann werde ich wohl gehen müssen.“

Noch immer hielt John Travis Hand in der seinen. „London wird trostloser sein, wenn du nicht mehr hier bist.“

Travis lächelte, „das heißt du wirst mich vermissen?“ und er drückte Watsons Hand in der Seinen. Wieder sahen sich die Beiden an, dann zog Travis John die wenigen Meter die sie beide trennten heran und umarmte ihn.

„Als dein Arzt muss ich dir raten zu gehen, aber als dein Freund werde ich dich vermissen“, sprach John leise und genoss die Umarmung.
 

Holmes wusste nicht was geschehen war. Er hatte seine liebe Mühe das Gespräch auf diese Distanz zu verstehen. Langsam und behutsam näherte er sich den Männern und als er die Umarmung sah, blieb er reglos sitzen. Dieses Bild zusammen mit den Gesprächsresten die er aufgeschnappt hatte, klang es verdammt nach Abschied. Immer wieder war Florida erwähnt worden und am Anfang hatte der Detektiv geglaubt, es ginge um die Schwester Rose, denn in diesem Zusammenhand hatte er ja den Zeitungsartikel noch im Hinterkopf, welchen er während des Stöberns in der Bibliothek gefunden hatte. Das war alles sehr verworren. Immer noch geduckt und vorsichtig näherte er sich weiter.
 

„John ich möchte dich etwas sagen. Etwas sehr privates und dennoch muss ich dir mein Herz einfach offenbaren, auch wenn ich nicht genau weis wie. Ich werde bald weit fort von hier sein und eigentlich liebe ich das Reisen aber dann…dann kamst du. Du warst so nett zu mir, hast mir stets beigestanden und darum muss ich dir etwas sagen…“ Travis brach ab und schluckte auffallend den Klos in seinem Hals hinunter. Er stand John nahe gegenüber, mied dessen Blick und rang nach Worten. „Ich hätte nie gedacht, jemandem wie dir zu begegnen…weißt du meine ganzen Reisen…und ich war auch nie verheiratet und…“

Mit einem Lächeln schüttelte John den Kopf und brachte Travis zum schweigen. „Ich weis was du mir sagen möchtest und ja, auch in dieser Hinsicht ähneln wir uns.“

Jetzt sah Travis auf und sein Blick traf den von Watson. „Ein Teil von mir war stets anders und neugieriger als unsere Gesellschaft es erlaubt. Ich teilte dieses Bedürfnis hin und wieder mit anderen, denen es genauso ging. Anonym, ohne Gefühle, einfach nur das stillen eines verbotenen Verlangens.“

„Ich…ich hätte nie gedacht dass wir den gleichen Lastern frönen. Aber du warst verheiratet.“

John nickte, „ja und ich habe meine Frau geliebt und wollte mit ihr alt werden. Jetzt bin ich allein und Holmes hatte Recht, ich schulde im wohl eine Entschuldigung.“

Travis sah John fragend an. „Wir hatten einen Streit, er warf mir vor mich wie ein frisch verliebter zu benehmen und ich stritt dies vehement ab.“

„Oh John, sobald ich gesund genug bin, werde ich dich für immer verlassen, wie kommt es nur das wir unser Glück beieinander fanden und jetzt keine Zeit bekommen es zu genießen?“

„Vielleicht ist es besser so“, schloss John. „Ich meine ich hab die Zeit mit dir genossen aber eine Beziehung wie solch eine nach der wir uns sehnen, ist einfach…“

„Schhh“, Travis legte einen Finger auf Johns Lippen und brachte ihn zum Schweigen. „Was gewesen wäre wenn ist nicht mehr von Bedeutung. Lass und diese Gefühle teilen solange wir noch Zeit dazu haben.“ Er zog John zu sich und küsste ihn sanft.
 

Holmes verlor das Gleichgewicht und fiel in den feuchten Sand. Hatte…war denn wirklich…was war gerade eben geschehen? Es war ihm nicht gelungen das ganze Gespräch zu belauschen, aber sehen konnte er John und Thurgood von seinem Versteck aus sehr gut. Sie waren sich langsam immer näher gekommen, die Umarmung und jetzt das…Thurgood hatte sich zu John gebeugt und mit vor Erstaunen weit geöffneten Mund hatte Holmes die Szene verfolgt. Er verstand die Welt nicht mehr, wie konnte dieser Travis Thurgood nur so aufdringlich sein und glauben…Halt! War jetzt nicht der Moment gekommen, an dem Watson den aufdringlichen Herrn mit aller Gewalt von sich stoßen sollte? Warum tat er das denn nicht? Noch immer ungläubig beobachtete Sherlock was vor seinen Augen geschah. Watson stieß Thurgood nicht von sich, im Gegenteil, er umfing ihn mit seinen Armen und intensivierte den…den…Holmes rang nach Worten und nach Luft. Langsam setzte sich sein Gehirn wieder in Bewegung, zog dünne Gedankenfäden zwischen den einzelnen Puzzleteilen und setzte ein schreckliches Bild zusammen. Watson war wirklich verliebt gewesen, all die Nachrichten, das ständige Lächeln immer als Vorfreude auf ein neuerliches Treffen…ja das Puzzle war vollendet und das Bild hätte keine größere Grausamkeit ergeben können als das.
 

Langsam entfernte sich Holmes vom Strand. Mechanisch setzte er einen Fuß vor den anderen und wusste nicht wohin. Wohin mit all dem Frust, dem Kummer und den Schmerzen. Er wollte nicht mehr denken, nicht mehr fühlen…

Mit dem verbliebenen Rest an Geistesgegenwart zog er seine Verkleidung wieder an und kurz darauf betrat Mr. Cartmill das Hotel.

Als die Zimmertür hinter ihm ins Schloss gefallen war, griff Holmes nach seiner Tasche. Nicht denken, nicht fühlen…all dies versprach ihm sein letzter, wahrer Freund mit bitter süßer Genugtuung und mit seinem für heute letzten klaren Gedanken drang die Spitze in seine weiche Haut und das Kokain erlöste ihn…



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sisilia11
2012-09-27T15:12:44+00:00 27.09.2012 17:12
Sherlock kann einem in deiner Geschichte wirklich leid tun; der Arme muss zusehen, wie sein John einen anderen küsst :(
Mal schauen wie er weiter darauf reagiert... Schreib bitte schnell weiter, ich bin neugierig :)
LG
Sisilia
Von:  Twinkle
2012-09-26T18:36:33+00:00 26.09.2012 20:36
O.O' Ich kann nicht mehr...
Erst das mit John und Thurgood, jetzt kifft Sherly schon wieder.....
Och neeee :0
Also jetzt befürchte ich tatsächlich das das alles in einem riesen Dilema enden könnte :/
Hab ich schon mal gesagt wie sehr ich deinen Schreibstil liebe? :D
LG Twinkle


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