Die ersten Sonnenstrahlen
Immer wieder versucht sie dagegen anzukämpfen. Doch kaum, dass sie die Oberfläche erreicht, zieht die Strömung sie wieder nach unten. Hin und wieder verliert sie dabei die Orientierung, was die jungen Frau lebenswichtige Zeit kostet erneut nach oben zu gelangen.
Mit großem Kraftaufwand schafft sie es erneut nach oben. Dort prasselt der Regen auf sie hinab. Gierig füllt sie ihre Lungen mit dem lebensnotwendigen Gas. Wie lange die Rothaarige schon mitgerissen wird, weiß sie nicht, aber dafür, dass sie nicht mehr allzu lange durchhält.
Mit den Kräften schon längst am Ende, schafft sie es irgendwie den Kopf länger an der Wasseroberfläche zu halten. Einzig allein ihr Überlebenswille lässt sie weiter machen. Doch wird die Frau gegen einen Felsen geschleudert. Der Aufprall presst die Luft aus ihren Lungen und ihre Sicht verschwimmt.
So nicht mehr gegen die Fluten kämpfend, drücken diese die Benebelte nach unten. Nicht in der Lage länger durchzuhalten, versinkt sie. Sich dem Schicksal ergebend, schließt sie ihre Augen. Plötzlich greift etwas nach ihrem Arm. Die schweren Lider ein Stück öffnend, erblickt sie verschwommen eine Gestalt. Doch ihr Geist verdunkelt wieder, während ihre letzten Gedanken einer brünetten Frau mit ebenso braunen Augen gehören und ihr Bewusstsein entgleitet.
Dunkelheit umgibt sie. Kälte hat von ihrem Körper Besitz ergriffen. //Wo bin ich?// Noch immer ist ihr Verstand vernebelt, doch bemerkt sie, dass etwas ihre Nase kitzelt. //Ich dachte, wenn man tot ist, fühlt man nichts mehr.// Ihre Nase rümpfend und damit wackelnd, verschwindet das Gefühl.
Langsam beginnt die Frau ein Geräusch wahrzunehmen. Mit ihren Fuchsohren zuckend, welche so rot wie ihre Haare sind, aber weiße Pinsel besitzen, versucht sie die Quelle und das Geräusch selbst zu identifizieren.
Auch der Schleier, welcher ihren Geist umhüllt, beginnt sich zu lüften. Dadurch nimmt sie auch wahr, wie etwas Nasses auf ihren Körper tropft. Nun erkennt sie, dass es sich um Regen handelt, welcher auf sie und die Umgebung niedergeht. Dieser ist aber viel schwächer als vorhin.
Als sie die Augenlider einen Spalt öffnet, erscheint grünes Gras vor ihren braunen Augen. So weit wieder bei Verstand, bemerkt sie, dass sie bäuchlings auf dem Boden liegt. Das Gesicht seitlich im Gras. Der Versuch ihre Beine zu Bewegen gelingt zwar, wird aber mit Schmerzen im Rücken begleitet. //Ich bin definitiv noch am Leben.// Trotz der Schmerzen bewegt sie sich erneut. Da sie eine Dreiviertelhose trägt, spürt sie rauen Sand. Erst dadurch nimmt sie das Geräusch eines ruhig fließenden Flusses wahr.
Mit Kraftanstrengung und Schmerzen im Rücken, wobei die Kitsune auf ihre Unterlippe beißt, richtet sie sich auf. Mit beiden Armen vom Boden abstützend, setzt sie sich auf ihren Hintern. Kaum dass die Rothaarige aufrecht sitzt, wird ihr schwindelig. Nach hinten fallend, spürt sie, wie sie von Jemandem aufgefangen wird, bevor alles wieder schwarz wird.
Stöhnend kommt die junge Frau zu sich. //Man, hämmert mir der Schädel.// Sich bewegend bemerkt sie, dass etwas über ihren Körper gelegt ist. Lediglich ihr Kopf ist nicht eingehüllt, ruht aber auf einem weichen Untergrund. Sich erneut leicht bewegend spürt sie diese Abdeckung am ganzen Körper. //Moment mal, bin ich etwa nackt?//
Nun hellwach hört sie ein Knistern und riecht den dazugehörigen Rauch. Sich auf die Umgebungsgeräusche konzentrierend versucht sie weitere ungewöhnliche Geräusche wahrzunehmen. In der Nähe hört sie jemanden kichern. „Na, endlich wach Prinzessin?“ Die Augen aufreißend, blickt sie geschockt Richtung Himmel. Die Stimme, welche sie gerade gehört hat, kennt die Frau nur allzu gut. Hört sie diese doch jeden Tag. Nämlich ihre Eigene.
„Was ist, sonst bist du doch auch nicht so wortkarg?“
„Halt die Klappe!“ Verärgert richtet die Kitsune sich auf. Laub und Moos fallen dadurch von ihr ab. Nun hat die Frau den Beweis. Sie ist nackt und zwar splitternackt.
„Ach komm, da ist nichts, was ich nicht schon längst kenne.“
Ihren Kopf und Oberkörper zur Quelle der Stimme drehend, weiten sich ihre Augen etwas. Hatte sie die Hoffnung, sie würde sich ihre eigene Stimme einbilden und Selbstgespräche führen, zweifelt sie jetzt um ihren Verstand. Auf der Wurzel eines alten Baumes sitzt tatsächlich ihr Spiegelbild.
Eine junge Kitsune etwa 20. Rote schulterlange Haare mit einer blauen Spange über dem rechten Auge. Diese braunen Augen blicken belustigt ihr entgegen. Dabei fällt ihr erst jetzt auf, dass einige ihrer Haare ihr rechtes Auge etwas verdecken. Sich an die eigenen Haare fassend, kann sie ihre Haarspange nicht fühlen. //Fuck.// Sich wieder ihrer Kopie zuwendend, vergleicht sie diese weiter. Die Länge der Fuchsohren und des Schwanzes sind identisch und genauso feuerrot wie die Haare, aber mit weißen Enden.
Ihr Ebenbild hat das linke Bein auf der Wurzel angewinkelt. Das rechte baumelt von der Wurzel hinab. Ihre Beine stecken in kniehohen Stiefeln. An der Sole und an der Wade befindlichen Seite sind diese blau. Die andere Hälfte ist schwarz, wobei diese Seite oben wenige Zentimeter höher ist. Mit einem schwarzen Band, das um die Kniekehle geht,
sind diese festgebunden.
Mit ihrer rechten Hand, welche in einen fingerlosen und orangefarbenen Handschuh mit braunen Bändern steckt, welcher bis zum Ellenbogen reicht, stützt sie sich auf der Wurzel ab. Ihre linke ist mit dem Ellenbogen auf ihrem linken Knie abgestützt. Die Handfläche auf ihrer linken Wange. Um dieses Handgelenk befindet sich ein schwarzer Handgelenkstabilisator.
Der Rest ihrer Kleidung besteht aus einer orangefarbenen Hotpants mit blauem Bund, welche einen braunen Streifen in der Mitte hat. So wie aus einem blauen BH mit Schnurverschluss vorne und kreuzende Bänder zwischen Brust und oberhalb des Bauchnabels. Darüber eine offene Anzugweste. Um den Hals trägt sie ein braunes Band mit einem blauen Kristall und ein schwarzes Halsband.
„Hast du genug gegafft?“
„Wo sind meine Sachen?“
Die Hand von der Wange nehmend, zeigt sie mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger hinter sie. Sich umdrehend erblickt die Kitsune eine Feuerstelle, an welcher mehrere Steine drumherum stehen. Auf diesen findet sich ihre Kleidung ausgebreitet wieder.
„Sie sollten bald trocken sein. Du kannst dich vorher noch waschen, wenn du möchtest.“ Nun zeigt sie mit dem Arm über ihre Schulter. Nur wenige Meter entfernt erhebt sich eine Felswand. An dieser fließt an verschiedenen Stellen Wasser hinab.
Langsam steht die am Boden Sitzende auf. Sich ihren Körper betrachtend stellt sie fest, dass sie keine oberflächlichen Verletzungen hat. Allerdings ist ihre Haut mit Resten von Waldboden, Moos und Laubwerk übersät. Mit der Selbstbetrachtung fertig, wendet die Kitsune sich der immer noch auf der Wurzel Sitzenden zu. „Wer oder was bist du eigentlich?“
Leicht lächelt die Gefragte. „Offensichtlich bin ich du. Also Taya Kanisi. Du kannst mich aber Ayat nennen.“
„Schön, du willst mir also nicht sagen was du bist. Aber was willst du?“ Ungeduldig tippt Taya mit ihrem Fuß auf den Waldboden.
„Da ich dir dein Leben gerettet habe, ist doch klar, dass ich dir helfe.“ Die Antwort von Ayat hinnehmend, geht sie auf die Felswand zu. Ihr selbst fällt auch kein anderer Grund ein, was diese Ayat sonst von ihr will.
Kaum, dass Taya am Baum vorbei ist und etwas Abstand genommen hat, erscheint auf dem Stamm des Baumes ein Gesicht. Ayat blickt dieses einen Moment an, bevor es wieder verschwindet. Danach lässt die Kitsune sich von der Wurzel des Baumes gleiten.
An ihrem Ziel angekommen, streckt Taya ihre Hände aneinandergelegt aus. Das Wasser auffangend, benetzt sie ihren Körper damit. Zu ihrer Überraschung hat das Wasser eine angenehme Temperatur. So entfernt sie nach und nach den Schmutz. Mit dem temperierten Wasser ihren Körper einreibend, entspannt sich Taya.
Darum ist sie umso überraschter, als eine Hand nach ihr greift und sie herumwirbelt. Mit dem Rücken gegen die Felsen gedrückt, presst sich ein anderer weiblicher Körper gegen ihren. Taya bemerkt, dass dieser ebenfalls unbekleidet ist. Geschockt weiten sich ihre Augen, als fremde Lippen sich mit ihren verschmelzen. Das Ganze geschieht so schnell, dass die Kitsune nicht reagieren kann.
Dabei blickt sie gerade in braune Augen. //Was zum...?// Aus einem ihr unerfindlichen Grund wehrt sie sich nicht. Stattdessen lässt sie es geschehen und erwidert sogar den Kuss. //Was mach ich hier gerade?//
So verharren beide Frauen an der Wand. Dabei läuft Wasser von dieser auf den Kopf von Taya. Von dort rinnt es über ihre Schultern den ganzen Körper hinab.
Als jedoch fremde Hände über ihren Körper auf Wanderschaft gehen, sträubt sich etwas in Taya. Schnell stößt sie die Aufdringliche von sich. Mit der Rechten ausholend will sie zuschlagen. Doch verharrt sie geschockt, als sie ihr Gegenüber erkennt. Ganz gegen das Wissen, dass es sich um Ayat handelt, steht nicht die Rothaarige, sondern eine brünette Frau vor ihr. //Merle?//
Auf Merles Gesicht verziehen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. „Was ist n los? Wolltest du nicht gerade zuschlagen?“ Kurz blickt Taya zu ihrer Faust und senkt sie. Ihren Blick wieder zu Merle richtend, stockt sie erneut. Steht vor ihr wieder eine bekleidete Ayat. „WAS SOLL DER MIST?“ Verärgert stürzt sich Taya auf die andere Kitsune.
Mühelos fängt Ayat jedoch den Angriff ab. Einen Arm schnappend, verdreht sie diesen hinter Tayas Rücken. Mit ihrem anderen Arm drückt sie Taya an sich. Widerstandslos lässt sich die Gehaltene von ihrem Zwilling festhalten. „Ich sagte dir doch bereits, ich helfe dir nur. Fang an endlich dein Herz zu öffnen. Was glaubst du denn, warum du nicht zugeschlagen hast, als du Merle sahst?“ Schweigend senkt Taya ihren Kopf. Leicht beißt sie auf ihre Unterlippe.
Seufzend löst Ayat ihre Umarmung. „Denk an meine Worte und hör tief in dich hinein.“ Freundschaftlich legt sie einen Arm auf Tayas Schulter. Noch immer steht diese regungslos da. „Denk einfach darüber nach, OK? Deine Sachen sind im übrigen trocken. Es liegt auch etwas Proviant dabei.“ Ihre Hand von der Schulter nehmend, dreht sie sich um. Nun stehen beide mit den Rücken zur jeweils anderen. „Um nach Hause zu kommen, folge dem Fluss stromabwärts. Danach findest du den restlichen Weg alleine.“
//Danke.// Sich umdrehend blickt Taya auf eine verlassene Stelle. Die Umgebung absuchend, fehlt jede Spur von Ayat. //Man verarsche ich mich selbst oder was?// Sich am Hinterkopf kratzend, zuckt Taya zusammen. Vorsichtig betastet sie die Stelle. //Wow, ich hab tatsächlich einen Dachschaden.// Nun zweifelnd, ob sie sich das Ganze eingebildet hat, geht sie zur erloschenen Feuerstelle.
Ihre Kleidung besteht aus einer grauen Dreiviertelhose mit Beintaschen, einem schwarzen T-Shirt und einer beigefarbenen Regenjacke. Ihre Schuhe kann sie nicht finden. Die Sachen sind zwar sauber, aber auch ziemlich in Mitleidenschaft geraten, da einige Stellen Löcher haben oder zerrissen sind.
Mit dem Einkleiden fertig, erblickt sie den in Blättern eingewickelten Proviant. //War es doch real?// Noch einen letzten Blick auf den Baum werfend, begibt Taya sich in Richtung des Flusses. Dank ihres guten Gehörs vernimmt sie das leise Rauschen auch aus 200 Meter Entfernung.
Auf der Wurzel des Baumes sitzt Ayat in der gleichen Pose wie am Anfang. Erneut ist das Gesicht auf dem Stamm erschienen. „Und was denkst du?“ Als Antwort erhält sie ein Knarzen und Ächzen vom Baum. „Ja, das denke ich auch.“
Langsam lichtet sich der bewölkte Himmel und die ersten Sonnenstrahlen brechen durch, um auf die Erde zu scheinen.
Ende