Zum Inhalt der Seite

Vertrau mir deine Flügel an

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Talent des Püppchens

Schweigend sahen Erenya und Lhikan zu Mizu, die ruhig und in Gedanken versunken ihre Stäbchen nutzte um imaginäre Reiskörner in ihren Mund zu schaufeln.

“Seit wann ist sie schon so?”, fragte der Händler und sah das Puppenmädchen, das ihn einfach in die Wohnung gezerrt hatte, als er sie abholen wollte, an.

Schweigend sah Erenya auf Mizu, die immer noch versuchte Reis aus der leeren Schüssel zu fischen.

“Seit gestern… als sie von der Arbeit kam. Meinst du, es ist etwas vorgefallen?”

Fragend sah das Mädchen mit den amethystfarbenen Augen zu ihrem Arbeitsgeber, der die Arme verschränkte und nachdachte.

Doch so sehr er darüber auch nachdachte, er konnte sich keinen Grund ausmalen, warum seine langjährige Freundin so war. Fest stand, Mizu verhielt sich seltsam. In diesem Zustand hatte er sie noch nie gesehen.

“So kann das nicht weiter gehen! Ich muss mit Okita-kun reden!”

Erschrocken zuckten Erenya und Lhikan zusammen, als Mizu mit einem Mal die Stäbchen laut auf dem Tisch ablegte. Es schien so, als hätte sie genug über eine Sache, oder besser über Okita Souji nachgedacht und nun einen passenden Entschluss gefasst.

Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden, stand sie auf und ging zur Tür.

“Warte! Mizu!”

Obwohl sich Erenya schnell genug umgedreht hatte, konnte sie nur noch den linken Fußballen Mizus sehen. Sie war weg, ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben.

“Und weg ist sie…”, flüsterte Lhikan und erhob sich ebenfalls.

“Komm, wir räumen schnell auf und gehen dann arbeiten. Um Mizu brauchen wir uns keine Sorgen machen.”

Nachdenklich sah Erenya noch dahin, wo Mizu verschwunden war. Sie wusste ja, dass Mizu eine starke Frau war und sicher als letzte Dame auf diesem Planeten gegen einen Rônin verlieren würde.
 

Verwirrt sah Erenya Lhikan an, als sie mit ihm vor seinem Geschäft stand und Harada Sanosuke dort bereits wartete.

“So, hier ist sie. Gib mir eine Sekunde und du kannst meine Angestellte entführen.”

Sie verstand nicht, was hier vor sich ging und warum Harada vor Ort war. Irgendwas hatte Lhikan geplant, soviel stand fest.

“Also Erenya, hier ist euer Bento. Habt Spaß. Und sie junger Mann, passen sie gut auf meine Angestellte auf. Ich will sie heute Nachmittag in einem Stück wieder haben.”

Noch immer wusste Erenya nicht, was sie von dieser Szene halten sollte. Doch eines wurde immer klarer. Lhikan wollte ihr einen Tag frei geben.

“Aber der Laden?”

Sofort wollte Erenya dagegen andebattieren, doch da spürte sie schon die kräftigen Hände des Händlers auf ihren Schultern.

“Kein ‘Aber’. Du wirst nun mit diesem jungen Herren einen freien Tag genießen. Das ist deine wichtige Aufgabe für heute.”

Lächelnd sah Lhikan das Mädchen an, dass immer noch nicht so recht wusste, was sie davon halten sollte, weswegen sie zweifelnd zu Harada sah, der sie aber ebenfalls nur anlächelte.

“Danke, Lhikan…”, wisperte sie schließlich, denn ein Nein hätte der Händler nicht akzeptiert.

Schon gar nicht, wenn Harada vor Ort war. Sie beschloss, dass es wohl besser war, nachzugeben und den schönen Tag einfach zu genießen.
 

Obwohl Erenya zugestimmt hatte und nun mit Harada auf dem Weg durch die Stadt war, war sie sich immer noch nicht sicher, ob er es wirklich richtig war Lhikan alleine im Laden zu lassen. Noch dazu hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil Lhikan sie dennoch für diesen Tag bezahlen wollte.

Doch das allerschlimmste war, dass sie nicht wusste worüber sie mit Harada reden sollte.

‘Worüber sollen wir nur reden? Über das Wetter? Nein, dass wäre doch peinlich. Oder über die Roshigumi? Nee, davon verstehe ich doch sowieso nichts.’

“Du scheinst ja angestrengt über etwas nachzudenken. Lässt du mich an deinen Gedanken teilhaben?”

Erschrocken sah das Puppenmädchen zu dem Mann auf, der sie sanft anlächelte. Mit seinen Worten hatte er sie sanft und doch irgendwie gewaltsam aus ihren Gedanken gerissen.

“Ich… hab darüber nachgedacht, worüber wir reden könnten. Aber mir fällt einfach nichts ein.”

Ein Seufzen kam über die Lippen des Mädchens. Sie war wirklich ahnungslos, was sie sagen sollte.

“Denk einfach nicht darüber nach. Sprich mit mir über den ersten Gedanken der dir einfällt, egal wie sinnlos er zu sein scheint. So können wir ungezwungen ein Gespräch führen und einander besser kennenlernen.”

Erenya fand es erstaunlich, wie einfach es doch scheinbar war sich zu unterhalten. Jetzt musste ihr nur noch ein Thema einfallen, dass ihr als erste in den Sinn kam.

Erneut senkte das Mädchen ihren Kopf und starrte nachdenklich auf den Weg.

“Du denkst schon wieder zuviel nach”, wisperte Harada amüsiert und betrachtete den sanften Rotschimmer, der sich, wegen seiner Worte, auf ihre Wange legte.

Irgendwie stand es ihr, doch er entschied, dass es besser war dies noch nicht zu sagen.

“Ich hab ein Schwert!”

Vollkommen unerwartet kamen die Worte aus Erenyas Mund. Noch dazu waren es Worte, die er nicht erwartet hatte oder die zu einem so zierlichen Mädchen wie ihr gepasst hätten.

“Also… eigentlich ist es nicht mein Schwert. Ich habe es…”

Kurz hielt sie inne. Sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken konnte, ohne dass man ihr dafür die Hand abhacken wollte.

“… wohl geklaut, wobei ich es viel mehr gefunden habe. Es gehörte einem Mädchen, das mir geholfen hat. Ich möchte ihr gerne das Schwert wiedergeben, aber ich weiß nicht wo sie ist.”

In aller Kürze erzählte sie Harada, woran sie sich noch erinnerte.

“Wie sieht das Mädchen aus? Wo kommt sie her?”

Harada verurteilte seine Wegbegleiterin nicht. Viel mehr wollte er nun genauere Infos über das Mädchen, das Erenya suchte, erhalten, damit er ihr helfen konnte.

“Ich erinnere mich nur noch an ihre weißen Flügel”, flüsterte Erenya leise und versetzt Harada wieder in einen Zustand der Verwirrtheit.
 

Seufzend sah sich Yuki auf der Straße um und suchte in der Menge nach der Person, die sie vor einiger Zeit verloren hatte. Doch auch heute spürte sie, dass sie keinen Erfolg haben würde.

‘Vielleicht sollte ich der Roshigumi einen Besuch abstatten. Ich war schon lange nicht mehr dort.’

Einen Moment lang blieb Yuki stehen und wandte sich in die Richtung, in die sie gehen musste, um das Hauptquartier der Roshigumi zu erreichen.

‘Wie sollen sie das Engelchen finden, wenn nicht einmal ich dazu fähig bin? Noch dazu konnte ich ihnen keine exakte Beschreibung von ihr geben.’

Mit einem erneuten Seufzen schüttelte Yuki den Gedanken ab, die Roshigumi erneut zu belästigen. Stattdessen wollte sie heute nach einer Waffe suchen, mit der sie sich vielleicht einigermaßen verteidigen konnte.

‘Mal sehen wie viel Geld ich noch habe…’

Vorsichtig zog der Engel einen rosafarbenen Beutel aus seinem Yukata und öffnete diesen um sein Vermögen einigermaßen zu erfassen.

‘Ich sollte mir bald wieder welches besorgen. Die Reserven neigen sich langsam dem Ende zu.’

Egal wie Yuki versuchte das ganze zu kalkulieren, sie wusste, dass es nicht für ein neues Schwert reichen würde. Von dem was sie besaß, konnte sie sich auch den Gasthof nicht mehr lange leisten.

Die Frage war nun, wie sie an Geld herankommen sollte. Das einzige was sie konnte war kämpfen und…

Mitten in ihren Überlegungen hielt Yuki inne, als sie in der Menge ein vertrautes Gesicht entdeckte. Grimmig sah sich der Mann unter all den Menschen um und spähte nach etwas, dass nur er sehen konnte.

Fast schon etwas verängstigt zog sich das Mädchen in eine düstere Gasse zurück und beobachtete das vertraute, suchende Gesicht. Sie sah, wie sich der Mann umdrehte und langsam, fast wie in Zeitlupe, in ihre Richtung lief.

Panisch zog sie sich tiefer zurück und drückte ihren Körper so fest an die Holzwand des Hauses, dass sie glaubte damit zu verschmelzen. Doch je mehr sie sich bemühte nicht entdeckt zu werden, desto näher kamen die Schritte des bekannten Mannes. Er wusste wo sie war und egal wie schnell sie lief, er würde sie aufspüren. Immerhin war das seine Bestimmung.

“Komm raus, gefallener Bastard! Mach es uns nicht schwerer als es ist! Wir finden dich sowieso!”

Aufgeregt klopfte Yukis Herz. Ihr Atem ging schneller und selbst das Blut in ihren Adern schien so laut wie das Rauschen des Meeres zu sein.

“Sei gefälligst nicht so laut, du Schoßhund. Ich befinde mich aus vollkommen legitimen Gründen hier. Deswegen, will mir nicht in den Sinn kommen, warum ihr mich sucht.”

Nur zu deutlich erkannte Yuki Kojis Stimme und fragte sich woher dieser so plötzlich gekommen war.

Vorsichtig lugte sie aus ihrem Versteck heraus und sah wie sich der Gefallene mit schwarzer Federrüstung aus den Schatten löste.

“Nach dir habe ich nicht gesucht. Ich suche den ehemaligen Schneeengel und habe wohl ihre Spur mit deiner verwechselt. Ihr gefallenen Bastarde seid euch immerhin verdammt ähnlich.”

Unbeeindruckt von Kojis Erscheinen, sah sich der Erzengel um, doch er spürte nichts, außer die Fährte eines Gefallenen. Und dieser stand vor ihm.

“Wie du siehst bin ich kein Schneeengel. Da musst du wohl woanders suchen. Vielleicht hast du da, wo auch immer das sein sollte, mehr Glück.”

Frech grinste Koji den Engel vor sich an, der ihn mit einem angewiderten Gesichtsausdruck bedachte. Es war deutlich zu sehen, was er von diesem Schönling hielt. Dennoch lockerte sich seine Haltung und er wandte sich von dem Gefallenen ab.

“Wenn du deine Aufgabe vernachlässigst, bring ich dich um!”, zischte der Erzengel und verließ die Gasse.

Einige Sekunden lang starrte Koji seinem Gegner in spe nach, ehe er sich umwand und in Yukis Richtung sah.

“Du hattest Glück, dass ich in der Nähe war. Sonst wärst du jetzt ein hübsches Häufchen heilige Asche. Und das wäre tragisch gewesen, denn die Farbe Aschgrau steht dir nicht.”

Obwohl Yuki bewusst war, dass Koji zu ihren Gegnern gehörte, war ihr auch klar, dass er für sie keine Gefahr darstellte. Selbst wenn sie nicht verstand wieso, hatte er sie gerettet und das hätte er nicht getan, wenn er sie aus dem Weg hätte schaffen wollen. Deswegen kam sie aus ihrem Versteck heraus und präsentierte sich ihrem Retter.

Argwöhnisch sah sich der Gefallene das Mädchen an und bemerkte, dass etwas seltsam war. Etwas fehlte und schnell wusste er auch was.

“Wo ist dein Schwert? Ich glaube kaum, dass du ohne Schwert auf die unsicheren Straßen Kyotos gehst.”

Er kannte Yuki gut genug um zu wissen, dass sie immer gut vorbereitet war und nie ein Risiko einging.

“Sag mir, wo dein Schwert ist. Du brauchst es für den Fall, dass sie dich wieder aufspüren. Ich kann nicht immer in deiner Nähe sein und dich vor ihnen beschützen.”

Betreten sah Yuki zu Boden. Sie wusste, dass der Gefallene Recht hatte, doch gleichzeitig machte sie das wütend. Es war aber keine Wut, die gegen Koji gerichtet war, sondern Wut, die sie auf sich selbst hatte.

“Ich hab es verloren… Und wahrscheinlich… Hat das Püppchen es bei sich.”

Leicht biss sie sich auf die Unterlippe, denn es war schon schwer genug zugeben zu müssen, dass sie das Püppchen verloren hatte. Das dies aber auch für ihr Schwert galt und es sich wohl im Besitz des Mädchens, war das Schlimmste.

“Seltsam… Sie trug es nicht bei sich, als ich ihr begegnet bin…”

Kurz dachte Koji nach und legte seine linke Hand ans Kinn.

Auch Yuki, die Kojis Worte deutlich gehört hatte, versank in Gedanken. Da sie das Schwert nicht bei sich hatte, oder nicht dauerhaft trug, machte ihr eine Sache klar. Sie war bei irgendwem untergekommen.

“Egal!”

Yuki schreckte aus ihren Gedanken auf, als Koji die Stimme erhob und sein Schwert zog.

“Hier, nimm meines.”

Mit einer galanten Bewegung hob Koji seine Hand und warf Yuki das Schwert so zu, dass sie es am Griff erfassen und fangen konnte, was sie auch tat.

Verwirrt sah sie zu dem Schönling, der sich nun abwandte und ihr nicht die Chance gab abzulehnen.

“Wir sehen uns. Pass bis dahin gut auf das Schwert auf, ich will es wieder.”

Mit diesen Worten verließ er die Gasse und ließ den Schneeengel, der das Schwert ehrfürchtig in den Händen hielt, alleine zurück. Denn jetzt konnte er sich sicher sein, dass sie sich zur Not gegen die Erzengel verteidigen konnte.
 

Obwohl Erenya etwas lockerer geworden war, fiel es ihr nicht leicht mit Harada diese ungezwungenen Gespräche zu führen. Wahrscheinlich war das der Grund, warum sie mehr schweigend als redend nebeneinander herliefen. Es war aber keine unangenehme Stille, die zwischen beiden herrschte.

Und komplett schwiegen sie ja auch nicht. Wenn Harada eine witzige Anekdote von sich und seinen Freunden erzählen wollte, tat er dies. Genauso zögerte Erenya nicht damit, ihn mit Fragen zu löchern wenn sie welche hatte. Im Prinzip redeten sie nicht weniger als die anderen Menschen auf der Straße.

“Nanu…”

Verwundert hielt Erenya in ihrer Bewegung inne, als Harada stehen bleib und geradeaus zu einem vertrauten, jungen Mann sah.

“Yo! Wenn das mal nicht Ryunosuke ist!”

Lächelnd winkte der Krieger seinem Freund zu und ging zu ihm. Verwundert folgte Erenya ihm, denn etwas schien mit Ibuki nicht zu stimmen, was auch Harada schnell bemerkte.

“Was ist los?”

Kaum, dass er seine Frage ausgesprochen hatte, wandte der junge Mann seinen Kopf um und offenbarte einen roten Handabdruck. Irgendwas war geschehen und sowohl Erenya als auch Harada wollten wissen was es war.
 

“Du Idiot!”

Wütend donnerte Harada seine Faust auf Ibukis Kopf, als dieser geschildert hatte, was zwischen ihm und Kosuzu-chan vorgefallen war. Doch weder Erenya noch Ibuki, der seinen Zorn über die Kopfnuss laut Luft machte, verstanden, wofür diese eigentlich gewesen war.

“Du hast diesen Schwachsinn wirklich zu der kleinen netten Maiko gesagt? Kein Wunder, dass sie dir eine Ohrfeige gegeben hat!”

Fragend sahen Ibuki und Erenya zu dem Krieger, der vollkommen fassungslos wegen dem Tun des Jungen war. Das Ibuki nicht verstand warum Harada wütend war, lag daran, dass er einfach naiv im Bezug auf Frauen war. Erenya hingegen verstand einfach zu wenig von dieser Welt um es wirklich nachvollziehen zu können.

“Unglaublich… wir gehen!”, brummte Harada und packte Ibuki am Kragen, wobei er Erenya einen Blick zuwarf, der bedeutete, dass sie auch mitkommen sollte.

“Gehen? Gehen wohin?”

Nun selbst erbost, wehrte sich Ibuki gegen den Griff der Samurais, von dem er sich ungerecht behandelt fühlte.

“Du wirst zu der kleinen Dame gehen und dich entschuldigen!”

Obwohl Ibuki sich weiter vehement wehrte, weil er nicht einsehen konnte, wofür er sich entschuldigen sollte, zerrte Harada ihn weiterhin in Richtung Shimabara.
 

Staunend sah sich Erenya vor dem großen Gebäude um und ignorierte Harada und Ibuki, die beide nach der Maiko Kosuzu suchten. Sie war noch nie so weit in das Rotlichtviertel, das Abends meist mit lautem Gelächter und unterhaltsamer Musik lockte, eingedrungen.

Im Gegensatz zur späten Abendstunde, hatte sie jetzt nicht das Gefühl, bedroht zu sein. Sie wollte nun noch mehr von dieser Gegend sehen, wo sie eigentlich nichts zu suchen hatte.

Stück für Stück, und ohne, dass die Männer es bemerkt hatten, lief Erenya ihrem Gefühl folgend, tiefer in das Herz der Wohngegend für Geikos und Maikos. Irgendwo dahinten war etwas, dass sie magisch anzog und wo sie einfach hinwollte.

Erst als eine Tür ihr den Durchgang verwehrte, blieb sie stehen und ließ ihren Blick auf dem gut geschleiften Holz haften.

Langsam hob sie die Hand und legte diese am Türöffner und schob die Tür vorsichtig auf.

Staunend sah sie auf das, was im inneren des Raumes ruhte.

Hier lagen die Stoffe für edle Kimonos und Instrumente, welche die Geikos und Maikos für ihre Darbietungen nutzten.

Ehrfürchtig betrat Erenya den kleinen Lagerraum und lief zu einer Koto, über die sie fasziniert ihre Finger gleiten ließ.

In ihr erwachte der unzähmbare Trieb, diesem Instrument den ein oder anderen Ton zu entlocken und eine Melodie zu zaubern, die nur sie und der stumme Wind hören konnten.

Zaghaft berührte sie eine Saite der Koto und ließ den Klang des Tones in sich fließen, als sie ihn hörte.

‘Mehr…’, wisperte sie sich in ihren Gedanken zu und griff zur nächsten Saite, um auch dieser einen Ton zu entlocken.

Wie in Trance berührte sie eine Saite nach der anderen und begann, ohne es selbst zu bemerken, eine Melodie zu spielen.
 

Daren war gerade auf dem Weg zu einem seiner Freunde, oder viel mehr Angestellten, die sich hier in Shimabara niedergelassen und der menschlichen “Sünde” verschrieben hatten. Zumindest würden die Engel es als Sünde bezeichnen. Ein Grund mehr, warum man das Geflügel verabscheuen musste.

Während Daren den vertrauten Weg entlang lief, drang eine Melodie zu seinem Ohr vor. In der Regel hätte eine einfache Melodie nicht sein Interesse geweckt, denn um diese Tageszeit war es nur normal, dass die Geikos für den Abend übten. Diese Melodie war aber anders.

‘Musik aus dem Himmelreich… hier?’

Neugierig, wer diese Melodie an so einem Ort spielte, folgte er den Klängen zu einem kleinen, eigentlich immer verschlossenem Lagerraum.

Weit stand die Tür offen, so das Daren das Mädchen, im inneren erkennen konnte.

“Welch Überraschung. Das Mädchen, dass mich so unhöflich angerempelt hat, ist also eine Geiko aus dem Rotlichtviertel.”

Zu deutlich merkte er, dass er das Mädchen erschrocken hatte, denn abrupt endete die Melodie des ihm so verhassten Himmelsvolkes.

Ertappt drehte sich das Mädchen zu ihm um. Er konnte die Angst in ihren Augen sehen. Ein Anblick den er mehr genoss, als ein Schälchen mit kühlem Sake.

“Es tut mir leid, ich wollte nicht… Ich war…”

Genüsslich leckte sich Daten über die Lippen und genoss die Angst, die er spürte und hörte.

“Es ist egal was du wolltest. Du wirst nun mit mir kommen!”

Bedrohlich baute sich Daren vor dem Mädchen auf und versperrte die Tür, um ihr jegliche Fluchtmöglichkeit zu nehmen.

Langsam streckte er seine Hand gezielt zu dem Mädchen aus. Das war eine wohl seltene Gelegenheit, die er unbedingt ergreifen wollte.
 

“Wenn du noch mit deinem Kopf auf den Schultern diesen Grund und Boden verlassen willst, dann solltest du die Griffel von dem Mädchen lassen.”

Klar und deutlich spürte er die scharfe, kalte Klinge der Geiko, die vor allen bei den Rônin in Kyoto einen gefürchteten Ruf genoss.

Für ihn war dieses Mädchen eigentlich kein Problem, aber es war helllichter Tag, weswegen er sich entschied den Rückzug anzutreten. Das Engelchen konnte er sich auch später noch holen.

“Verzeiht. Natürlich ist es dumm von mir, ein Mädchen unter eurer Nase wegstehlen zu wollen. Verzeiht mir meine Dummheit.”

Mit einer Verbeugung drehte sich Daren zu der Geiko und machte deutlich, dass er nun gehen würde.

“Bis zum nächsten Mal, junge Lady. Dann sind wir ungestört.”

Ein leises Lachen kam von dem düsteren Mann, als dieser die angsterfüllten Augen des Engels sah.

Vollkommen zufrieden löste er sich von dem Mädchen und lief weiter dahin, wo er eigentlich vorgehabt hatte hinzugehen.
 

Erleichtert sank Erenya zu Boden, als der düstere Mann endlich weg, und sie alleine mit der Geiko war.

“Und nun zu dir! Ich habe dich noch nie hier gesehen. Also, was suchst du hier?”

Obwohl Chia ihr Kodachi nun gegen Erenya richtete, schien diese keine Angst zu haben. Im Gegensatz zu dem Mann, war die Geiko nicht so furchteinflössend. Auch wenn sie das gefährliche scharfe Schwert gegen sie richtete.

“Ich weiß nicht, was ich hier suche. Ich war mit einem Freund und seinem Bekannten auf dem Weg zu einer Maiko und da zog es mich plötzlich magisch hier her.”

Misstrauisch sah die Geiko zu Erenya, ließ das Schwert aber schließlich sinken. Sie hatte die Musik gehört, immerhin hatte diese sie hergeführt. Sie konnte dem Mädchen also glauben.

“Sag, wie lange spielst du schon die Koto?”

Noch immer sah die Geiko das Mädchen an, das sich langsam erhob und den Staun von den Sachen klopfte.

“Nun eigentlich erst seit heute”, flüsterte sie leise und errötete.

Sie glaubte, dass sie vielleicht etwas falsch gemacht hatte und nun wegen ihrer Unwissenheit Ärger bekam.

“So, so. Seit heute also. Dan hast du wirklich Talent. Wie ist dein Name?”

Erleichtert darüber, dass sie scheinbar nichts falsch oder kaputt gemacht hatte, atmete Erenya auf und stellte sich der fremden Geiko vor.

“Mein Name ist Chia. Also, Erenya, dann bringen wir dich mal zurück zu deinem Freund. Der vermisst dich sicher schon.”

Erst jetzt, wo Chia es erwähnte, wurde Erenya bewusst, dass die Geiko Recht hatte. Sicher suchte Harada sie schon, weil sie ohne ein Wort zu sagen einfach gegangen war.
 

“Ein Glück. Da bist du ja, Eri-chan!”

Erleichtert ging Harada auf Erenya zu, die neben Chia herlief um nicht noch einmal verloren zu gehen.

“Wo warst du denn? Ich habe mir schon Sorgen gemacht, als ich bemerkt habe, dass du nicht mehr bei mir und Ryunosuke warst.”

Ein Seufzen kam von Chia, als sie die Worte Haradas hörte und für sie für sich interpretierte.

“Soso, du hast also nicht bemerkt wie deine Freundin verschwunden ist. Das nenne ich doch mal wahre Liebe.”

Kaum, dass Chia das ausgesprochen hatte, erröteten Erenya und Harada. Scheinbar hatte die Geiko etwas vollkommen falsch verstanden.

“Nein, nein. Wir sind kein Paar. Wir sind nur Freunde”, erklärte Erenya schnell um ihr eigentliches Verhältnis mit Harada klarzustellen und Missverständnisse zu vermeiden.

Sie merkte nicht, das Harada leicht das Gesicht verzog, denn er glaube nun zu verstehen, wie Erenya wirklich für ihn empfand.

“Freunde? So nennt man das also heute. Na schön, mir egal. Ich wollte dem tapferen Krieger nur sagen, dass dies nicht der richtige Ort für so ein junges Mädchen ist. Ihr solltet also besser gehen.”

Sofort verstand Harada, was Chia meinte. Sie befanden sich im Rotlichtviertel und nur weil gerade helllichter Tag war, war es hier nicht sicherer. Seine Aufgabe als Mann war es, dieses Mädchen zu beschützen.

“Danke, dass du dich um Eri-chan gekümmert hast. Solltest du mal Hilfe brauchen, zögere nicht und komm zur Roshigumi. Ich und meine Freunde werden uns darum kümmern.”

Lächelnd verbeugte sich Harada leicht und legte seinen Arm sanft um das Mädchen. Es wurde langsam Zeit, dass er sie zurück zu Lhikan brauchte.

Erneut seufzte Harada, denn wenn er genau darüber nachdachte, hatte er sich diesen Morgen mit Erenya anders und vor allem romantischer vorgestellt.
 

Der Nachmittag brach langsam an, als Chia in ihrem persönlichen Trainingsbereich stand und wie gewöhnt ihre Angriffskata übte. Nur weil sie besser als die meisten Rônin kämpfte, wollte sie sich nicht auf ihren Erfolg ausruhen. Da draußen gab es genug Kämpfer, die besser als sie waren.

Das hatte ihr dieser Nagakura Shinpachi von den Roshigumi bewiesen.

Mit ihren Gedanken bei dem etwas unterbelichtet erscheinenden Samurai, führte sie weiter ihre Übungen aus. Doch mitten in der Bewegung hielt sie inne.

‘Ich muss die Frauen hier beschützen. So wie Mi-chan uns damals beschützt hat. Aber… Kann ich das mit meinem derzeitigen Wissen und meiner Kampferfahrung?’

Stumm sah die blonde Geiko auf das Holzschwert in ihrer Hand.

“Ich kann dir ein paar Tricks für die Verteidigung beibringen. Natürlich nur, wenn du willst. Komm einfach zur Roshigumi.”

Als ob Nagakura noch bei ihr wäre, vernahm sie dessen Stimme klar und deutlich in ihrem Kopf. Seufzend ließ sie das Holzschwert sinken und sah Himmel. Bis zum Abendgeschäft hatte sie noch genug Zeit um vielleicht mal außerhalb zu trainieren. Die Frage war nur, ob es wirklich Sinn machte in die kämpferische Welt barbarischer Männer einzudringen nur um besser zu werden.

‘Vielleicht bin ich aber auch schon zu tief in ihre Welt eingedrungen’, dachte sie, als sie das rote Haarband aus ihrem blonden Haar löste und sich dem Gehen zuwandte.

Viel zu lange trug sie schon ihr Schwert bei sich und kämpfte gegen das blutrünstige Pack, das nicht verstand, was “Nein” bedeutete. So gesehen war sie der einzig ehrenhafte Samurai, der Shimabara verteidigen konnte. Und sie musste stärker werden, wenn sie das auch weiterhin tun wollte, selbst wenn es bedeutete tiefer in die Welt der Rônin, wie die Mibu Wölfe, zu dringen.
 

Als Chia endlich bei dem Hauptquartier der Roshigumi ankam und über den Hof lief, sah sie schon die glücklichen Gesichter der Krieger, die ihr verrieten, dass etwas Gutes geschehen war.

Zum Glück besaß sie nicht genug Neugierde, weswegen ihr eigentlich egal war, warum sich dieses Gesindel so freute.

Sie konzentrierte sich lieber auf ihre Mission. So schnell wie möglich wollte sie Nagakura-kun finden und sich von ihm ein paar Kniffe zeigen lassen.

“Oh, richtig! Ibuki-kun, warum nutzt du nicht die Gelegenheit und beginnst dein Schwerttraining?”

Schon von weitem hörte Chia die freundliche Stimme eines etwas älteren Mannes. Kaum, dass Chia um die Ecke gekommen war, erkannte sie auch schon ein bekanntes Gesicht. Es war der Rothaarige, dessen Freundin sie beschützt hatte.

Er stand bei einem kleinen Hänfling, der sich gerade mit einem älteren stattlich wirkenden Mann unterhielt. Sie war sich sicher, dass dieser einer der Anführer der Roshigumi war. Zumindest strahlte er so was aus.

“Ich?!”, fragte der Hänfling und wirkte verwundert, denn scheinbar hatte er nicht mit diesem Angebot gerechnet.

“Ja! Ich bin gewillt dich persönlich zu unterrichten.”

Nun war Chia klar, dass dieser Mann einer der leitenden Persönlichkeiten war. Zumindest schienen seine Worte es klar und deutlich zu sagen.

“I-Ich verzichte. Ich meine, wegen der kommenden Kämpfe. Wäre es da nicht besser, wenn du das Training der anderen überwachst?”

Unwillkürlich klappte Chia der Mund runter, als sie hörte, was dieser Waschlappen von sich gab. Wäre sie an seiner Stelle gewesen, hätte sie das Angebot mit Kusshand angenommen.

Empört wagte Chia einen Schritt auf die Gruppe zu, doch weiter kam sie nicht, denn sie spürte eine Hand, die sie mit sanfter Gewalt zurückhielt.

Fragend wandte sich die Geiko zu dem Brillenträger um, der sie daran gehindert hatte, sich in das Geschehen einzumischen.

“Guten Tag, die junge Dame. Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?”

Mit einem fast schon gruseligen Lächeln sah der Brillenträger sie an. Es war eines dieser Lächeln, die Chia das Blut in den Adern gefror, denn sie wusste nicht, was ihr Gegenüber dachte.

“Ich bin hier um mit einem Mitglied der Roshigumi zu trainieren. Ich will meine Kampffertigkeiten verbessern.”

Selbst jetzt wo Chia erklärt hatte, was sie hier einem Rudel unerzogener Wölfe wollte, wich das Lächeln ihres Gegenübers nicht.

“Frauen gehören nicht auf ein Schlachtfeld.”

Kurz und knapp antwortete der Brillenträger der Geiko und machte klar, dass niemand sie hier trainieren würde.

“Gehören sie nicht? Warum? Angst, dass eine Frau dem starken Geschlecht den Ruhm abringen könnte, Vierauge?”

Kalt sah Chia den Brillenträger an, dessen Mundwinkel kurz zuckten, als hätte sie einen wirklich empfindlichen Nerv bei ihm getroffen.

“Sagen wir einfach, dass jeder in der Welt seinen Platz hat. Und der Platz der Frauen sollte ein friedlicher sein, wo ihre Schönheit bewahrt werden kann. Blaue Flecke würden eurer Haut nicht stehen.”

Chia fiel immer mehr von ihrem Glauben ab. Sie war es zwar gewohnt, dass die Männer sie unterschätzten, dass man aber mit so einem Grinsen so abfällig über sie sprach, schlug dem Fass den Boden aus.

“Na schön… Dann wirst du Blindschleiche eben mein Trainingspartner.”

Blitzschnell zog Chia ihr Schwert und holte zu einem Schlag aus, den der Mann nicht so schnell vergessen sollte. Gerade rechtzeitig bemerkte dieser aber ihr vorhaben und wich aus, so dass sie ihm nur ein paar unbedeutende Haare abschnitt. Sein Lächeln aber war nun verschwunden.

“Na schön… Trainieren wir. Aber nur mit dem Holzschwert, ich will ihnen ja nicht zu sehr wehtun.”

Chia verstand wirklich nicht, was in seinem Kopf vorging, denn erst verwehrte er ihr das Training und nun wollte er es höchstpersönlich in die Hand nehmen.

“Das könnte doch mal interessant werden”, flüsterte er, als er ihr mit einer Handbewegung klar machte, dass sie ihm folgen sollte.
 

Erschöpft kam Nagakura Shinpachi von dem Training zum Vorhof. Er suchte seine Freunde Toudou Heisuke und Harada Sanosuke, die beide durch seine übliche Schaustellung seiner Muskeln gegangen waren.

Vorsichtig tupfte er mit seinem Handtuch über jede Partitur seiner Muskeln und seufzte. Das Training mit seinen Männern hatte wirklich gut getan und er fühlte sich nun in der Lage gegen Saito gewinnen zu können.

“Oi! Shinpatsu-san!”

Verwundert sah Shinpachi auf, als er Heisukes Stimme vernahm. Hier hätte er den jüngeren als letztes vermutet. Genauso wie Saito und Souji, die ernst zum Mittelpunkt des Geschehens sahen, was der Muskelprotz durch die anderen umstehenden Krieger nicht sehen konnte.

Was ist denn los?”, fragte er, während er sich zu Heisuke vorkämpfte.

“Sannan-san hat einen Trainingspartner gefunden.”

Kaum, dass Shinpachi das gehört hatte, musste er auflachen. Jeder wusste, was für ein herausragender Sadist Sannan war. Niemand, außer den führenden Männern der Roshigumi und Neulinge, die nichts wussten, hätte sich mit ihm angelegt.

“Wer ist dieser dämliche Idiot, der sich mit Sannan-san anlegt?”, fragte er belustigt und sah nun zu dem Geschehen, da er endlich bei Heisuke angekommen war.

Sein Lachen verstarb aber, als er die blonde Schönheit sah, die mit schmerzverzogenem Gesicht am Boden hockte und sich die rechte Schulter hielt.

“Würden wir mit richtigen Schwertern kämpfen, könntest du dein Schwert nun nicht mehr halten.”

Ernst und kampfbereit fixierte Sannan die Geiko, die ihm nichts weiter als einen hasserfüllten Blick schenkte.

“Ob sie noch mal aufsteht und weiterkämpft?”

Entsetzt sah Shinpachi neben sich, wo einer von Heisukes Einheit stand und scheinbar mit seinem Kumpel Wetten über den Kampf abschloss.

Erneut wandte er seinen Blick zur Geiko, die damit zu kämpfen hatte wieder auf die Beine zu kommen. Es war erst diese Moment, wo er den Schmutz auf ihrer Kleidung und die Schürfwunden an ihren Händen bemerkte. Der Kampf schien also schon um einiges länger zu gehen.

“Wie lange geht das schon so, Heisuke?”

Ernst sah Shinpachi seinen Freund, der diesem Trainingskampf scheinbar schon länger bewohnte, an.

“Einige Minuten. Sannan-san hat sie schon einige Male zu Boden gerungen. Soweit ich es mitbekommen habe, gewinnt Sannan-san wenn sie das Bewusstsein verliert oder aufgibt.”

Shinpachi schluckte, als er die Siegbedingungen hörte. Obwohl er die Geiko erst einmal getroffen hatte, wusste er, dass sie niemals freiwillig aufgeben würde. Dafür war sie einfach zu kämpferisch veranlagt.

“Das kann so nicht weiter gehen!”, fluchte Shinpachi und löste sich von Heisuke um diesen Kampf zu beenden.

Was wäre er für ein Mann, wenn er diese Geiko nicht vor ihrem sadistischen Kommandanten beschützte?

“Sannan-san! Das reicht jetzt!

Bereit sich im Fall der Fälle mit Sannan-san anzulegen, stürmte Shinpachi ins Kampfgeschehen und stellte sich schützend vor Chia.
 

Chia war gerade wieder aufgestanden, als sich der gesunde Muskelprotz vor sie stellte und sich als ihr Held aufspielte. Sie hasste diese ehrenhaften Männer, die meinten, dass eine Frau nicht fähig war alleine auf ihre eigenen Beinen zu stehen.

“Geh aus dem Weg, Nagakura-san!”

Synchron sprachen sowohl Chia als auch Sannan auf Shinpachi ein, der zusammen zuckte. Die Worte der Beiden trafen ihn gleichermaßen hart und er wusste, dass es besser war auf Beide zu hören. Dennoch konnte er nicht zulassen, dass Chia noch mehr passierte.

“Chia, ich bitte dich. Ich weiß, dass du deinen Stolz hast, aber gegen Sannan-san hast du keine Chance. Gib auf.”

Flehend sah Shinpachi die Geiko an, die ihn stumm anstarrte. Er hoffte, dass sie seine Worte und seine Sorge verstand und nun vernünftig wurde. Sie ließ seine Hoffnung auch aufblühen, indem sie Stück für Stück die Hand hob.

“Geh aus dem Weg, habe ich gesagt!”

Unsanft schob die Geiko den Krieger beiseite, der ihr den Blick auf Sannan versperrte. Aufgeben stand nie zur Debatte, und es würde auch niemals eine Option für sie werden.

“Du musst wirklich masochistisch veranlagt sein, wenn du Nagakura-sans weisen Ratschlag so einfach ignorierst. Du hast noch nicht einmal darüber nachgedacht.”

Obwohl Chias rechter Arm schmerzte, umklammerte die Kriegerin das Holzschwert und fixierte Sannan.

“Nein, ich bin einfach nur sadistisch genug um dir dieses Grinsen aus dem Gesicht wischen zu wollen.”

Es war nun Chia, die ein freundliches, undeutbares Lächeln aufsetzte und Sannan in Erstaunen versetzte. Er hatte ihr genug Schläge versetzt, die einem gewöhnlichen Krieger gereicht hätten. Doch sie, war alles andere als gewöhnlich.

“Du bist wirklich eine interessante Person. Aber… lass uns das beenden. Ein Angriff, mehr nicht.”

Sannan erwiderte das Lächeln des Mädchens, dass ihn mit diesem entschlossenen Gesichtsausdruck ansah.

“Mehr werde ich nicht brauchen”, erwiderte sie und ging in eine defensive Grundhaltung.
 

Ungläubig stand Shinpachi noch förmlich im Kampfgeschehen, als Heisuke und Saito ihn zurückzerrten, damit dem Muskelprotz nichts geschah.

“Warum haltet ihr ihn nicht auf?”

Der Große konnte es nicht glauben, dass seine Freunde dies wirklich zuließen. Vor allem von Saito hätte er das nicht erwartet.

“Beide haben klar gestellt, dass sie nicht gestört werden wollen. Schau dir das Mädchen doch an. In ihren Augen spiegelte sich die Entschlossenheit eines wahren Kriegers wieder. Würdest du einen Krieger daran hindern, einen Kampf auszutragen?”

Erneut sah Shinpachi zu dem Mädchen, dass Sannan kampfbereit fixierte. Er kannte diesen Blick, denn er hatte ihn schon bei vielen ehrenhaften Kriegern gesehen. Niemals hätte er einen Mann mit diesem Blick aufgehalten.

“Ihr habt Recht”, willigte er schließlich leise ein und spürte, wie seine Freund von ihm abließen.

Wenn Chia so entschlossen war, dann wollte er das respektieren, selbst wenn ihr Gegner der sadistischste Mann der Gruppe war.
 

Siegessicher ging Sannan in Angriffsposition und sah zur Geiko, die sich für seinen Zug bereit machte und in ihrer Verteidigungsposition verweilte.

“Ich habe dir einen Angriff zugestanden und du willst ihn vergeuden?”

Eigentlich hatte Sannan gedacht, dass die Geiko ihn angreifen würde, doch stattdessen vergeudete sie diese Gelegenheit für eine sinnlose Verteidigung. Doch etwas irritierte ihn. Das Mädchen lächelte, als ob sie bereits gewonnen hätte. Er fragte sich, was sie vorhatte.

Stetig stieg seine Verwirrung als sie, trotz defensiver Haltung, auf ihn zu lief und scheinbar doch auf diese Art einen Angriff versuchte. Hatte er sie etwa dazu provoziert?

Es war das erste Mal, dass Sannan das Handeln seines Gegners nicht nachvollziehen konnte. Zumindest verhielt sich Chia nun ganz anders als zuvor. Etwas hatte sich geändert, doch darüber konnte er nicht nachdenken. Jetzt musste er irgendwie auf den Angriff der Geiko antworten, auch wenn er keinen anderen Weg wusste, als seine geplante Offensive einfach fortzusetzen.

Mit Schwung und voller Kraft, holte er aus und zielte auf eine Körperpartie, die durch Chias Defensive nicht geschützt war. Auch wenn ihn ihre Haltung überraschte, hatte sie verloren und das schon von dem Augenblick an, als sie das Holzschwert zur Hand genommen und seine Herausforderung angenommen hatte.
 

Verwundert sah Sannan zu dem Mädchen herab, als er das Geräusch von aufeinander treffenden Holz hörte. Seine Augen weiteten sich, denn verstohlen grinsend sah die Blonde ihn an, als wäre er ihr in die Falle gegangen.

Vorsichtig folgte sein Blick ihrer Körperhaltung, damit er verstehen konnte, was geschehen war. Doch was er sah, konnte er einfach nicht verstehen. Das Mädchen war noch bevor er sie treffen konnte in eine etwas unkonventionelle, aber doch effektive Angriffshaltung gegangen und hatte so seinen Angriff abgeblockt und sich vor weiteren Schmerzen bewahrt.

“Nun bin ich dran!”

Ein Blick in Chias Augen verreit Sannan, dass sie zu allem entschlossenen war. Doch er wusste nicht, was sie nun vor hatte, weswegen es plötzlich kam als sie ihn von sich stieß und erneut in eine defensive Position ging.

Doch während sie sich noch bewegte, spürte er einen stechenden Schmerz in seiner rechten Seite, woraufhin ihm die Beine nachgaben. Es war ein Anblick der genauso selten war wie der Schmerz den er spürte und der ihm tatsächlich sein Lächeln aus dem Gesicht gewischt hatte. Der Kampf war vorbei und die Geiko hatte zu ihrem Wort gestanden, auch wenn er sich schwer tat, dass zu realisieren.
 

“W-Was ist da genau passiert?”

Obwohl Heisuke genau hingesehen hatte, schien er nicht zu verstehen, was genau passiert war. Doch er hatte ja noch seine Freunde, die vielleicht mehr verstanden als er.

“Sie hat Sannan-san in Sicherheit gewogen, als sie in die Defensive ging und angriff. Dadurch kam sie nahe genug an ihn ran. Sein Angriff kam ihr gelegen, denn so konnte sie die Position einnehmen, die sie für ihren eigentlichen Angriff brauchte. Als sie zum zweiten Mal in die Defensive ging, nutzte sie den Schwung der Bewegung, um Sannan-sans ungeschützte Seite anzugreifen.”

Kurz und knapp legte Saito die Technik der Geiko dar. Als Krieger waren sie sich zwar einig, dass die Umsetzung ihres Treffers nicht gerade von kämpferischen Können zeugte, sie aber dennoch Erfolg hatte.

“Ich muss mich entschuldigen, Gnädigste. Zwar bist du eine Frau, aber auf einem Schlachtfeld, könntest du ohne Probleme mithalten.”

Langsam erhob sich Sannan vom Boden und sah die Geiko an, die ihn nun mehr als zufrieden anlächelte.

“Solange ich in Shimabara bestehen kann, reicht es mir.”

Lächelnd reichte Chia dem Brillenträger ihr Holzschwert und genoss die entsetzten Blicke ihrer Zuschauer. Denn bis auf Shinpachi schien keiner bemerkt zu haben, wer sie war. Und das obwohl sie vor einiger Zeit mit ihnen in einem Raum gesessen hatte.

“Shi-Shimabara? Das Rotlichtviertel?”

Entgeistert sah Heisuke das Mädchen an, dass nur nickte.

“Ah… Wusste ich es doch, dass sie mir bekannt vorkommt. Sie trug damals eine schwarze Perücke und saß ziemlich anteilnahmslos in der Ecke.”

Schnell war Souji ein Licht aufgegangen, was ihn nun noch mehr amüsierte. Wer hätte schon gedacht, dass Sannan-san nicht nur von einer einfachen Frau, sondern gleich noch von einer Geiko einen Treffer einkassierte?

“Also, bin ich nun gut genug um mit euren Männern trainieren zu können?”

Kurz sahen sich die Hauptmänner der Roshigumi an. Sie fragten sich wirklich, wie die Geiko jetzt noch nach diesem Trainingskampf weiter machen konnte.

“Wer hat dir eigentlich gesagt, dass du mit uns trainieren könntest?”

Kaum, dass Sannans Stimme verklungen war, hob Chia ihre Hand und zeigte auf Shinpachi, der nun die fragenden Blicke seiner Freunde erntete.
 

Summend saß Akazumi, das Ninjamädchen, in ihrem Gasthauszimmer und kämmte sich ihr langes, braunes Haar. Sie musste schließlich gut aussehen, für den Fall, dass sie wieder ganz zufällig auf ihren geliebten Saito Hajime traf.

Natürlich wäre diese Begegnung nicht so zufällig, denn sie wusste ja, dass er heute noch auf Patrouille gehen musste.

‘Ich geb ihm den Talisman und wünsche ihm viel Glück für Morgen! Genauso mache ich das.’

Schon seit Tagen vernachlässigte das Ninjamädchen ihren Auftrag für ihre Liebe. Und so hatte sie auch herausgefunden, dass die Roshigumi eine Vorführung ihres Könnens für die Verantwortlichen des Aizu-Clans planten. Zwar war dies nur eine interne Information, aber es interessierte sie nicht im geringsten, dass Saito sich über ihr Wissen wundern würde. Wichtig war doch nur, dass sie ihm nahe sein konnte.

“Musst du für deinen Auftrag so hübsch sein?”

Erschrocken fuhr Akazumi zusammen, als sie Darens Stimme klar und deutlich hinter sich hörte. Sie spürte seinen kalten Atem, der ihren Nacken streifte, was ihr nur deutlich machte, wie dicht er an ihr dran war. Er war ihr so bedrohlich nahe, dass ihr ein eisiger Schauer über den Rücken lief.

“I-Ich habe sie noch nicht gefunden. Kyoto ist immerhin sehr groß”, erklärte das Ninjamädchen und schluckte schwer.

Sie traute es sich nicht, sich zu dem Mann mit den bedrohlich roten Augen umzudrehen. Ihr reichte schon die leichte Berührung seines Armes, als er an ihr vorbei griff und ein Stäbchen vom Schränkchen nahm. Das Herz rutschte ihr fast in die Hose, denn sie wusste, dass dieses Stäbchen, was sie für gewöhnlich in den Haaren trug, vergiftet und scharf war. Ein kleiner Kratzer an ihrem Hals könnte sie das Leben kosten.

“Das ist aber seltsam. Das Püppchen ist mir nun schon zweimal über den Weg gelaufen. Noch dazu verbringt sie viel Zeit bei der Roshigumi, die du doch jeden Tag beobachtest. Erkläre mir das, Akazumi.”

Vorsichtig steckte Daren Akazumi die Haare mit dem Stäbchen hoch und ließ nur eine einzelne Strähne verspielt herunterfallen.

“Nun… Ich…”

Das Ninjamädchen wusste nicht, wie sie ihr Fehlverhalten erklären sollte, denn sie musste gestehen, dass Daren Recht hatte. Oft genug hatte sie Gelegenheit gehabt, sich das Mädchen zu schnappen, doch jedes Mal war sie in Gedanken bei Saito gewesen.

“Du bist für eine Auftragskillerin sehr amateurhaft. Wenn deine Mutter genauso stümperhaft wie du war, ist es kein Wunder, dass die Onis sie zerfleischt haben.”

Näher war Daren mit seinem Gesicht an Akazumis Wange gekommen, so dass nur noch wenige Millimeter Platz zwischen ihren rosigen Bäckchen und seine kalten Lippen war.

Vorsichtig griff Akazumi unter ihren Yukata, zu ihrem Oberschenkel, wo vom Stoff verborgen, ihre Stäbchen befestigt waren. Doch sie hielt in ihrer Bewegung inne, als Darens Hand sanft über ihren Arm strich.

“Man beißt nicht die Hand, die einen füttert”, flüsterte Daten ihr ins Ohr und jagte Akazumi erneut einen Schauer über den Rücken.

“Hör mir gut zu, Liebes. Wenn ich noch einmal höre oder sehe, dass du deinen Auftrag aus den Augen verlierst, bringe ich dich höchstpersönlich um. Vielleicht lernst du so, was ein wahrer Mörder alles kann.”

So kalt wie Darens ganzer Körper zu sein schien, waren auch seine drohenden Worte von denen Akazumi wusste, dass er sie wahr machen würde.

Erleichtert atmete sie auf, als Daren sich wieder von ihr löste und entfernte.

“Eigentlich war ich hier, um dich zu warnen. Hinter dem Püppchen sind noch andere her. Du solltest dich besonders vor dem mit der schwarzen Rüstung in Acht nehmen. Er ist immer in ihrer Nähe, bring ihn um wenn er stört. Für seinen Kopf zahle ich auch extra.”

Ohne Akazumi eines weiteren Blickes zu würdigen, lief Daren zum Fenster, durch das er geschickt schlüpfte, nachdem er es geöffnet hatte. Er verschwand in die kalte Nacht und ließ Akazumi alleine zurück. Doch die Angst, die er ihr bereitet hatte, blieb und ließ die Gänsehaut auf ihrem Körper nicht weichen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2013-06-02T19:03:49+00:00 02.06.2013 21:03
Ja, Mizu nur kurz am Anfang da und Erenya war auch nur ein Nebencharakter. Aber trotzdem fand ich es auch weiterhin sehr unterhaltsam. Mir hat der Teil mit Chia sehr gut gefallen. Hoffe sie kommt auch weiterhin noch vor.

Bin auch gepannt was aus Akazumi wird. Ich finde sie ziemlich süß, aber da sie ihre Aufhabe ja nicht auf die Reihe bekommt wird Daren sie sicher töten. Aber ich hoffe nicht.
Von:  Miss-Tony-Prime
2013-02-07T20:37:19+00:00 07.02.2013 21:37
Ich es erst jetzt!? QoQ

tolles kapi.
Chia mag ich jetzt schon, eine frau die auf dem Tisch haut. Gefällt mir!
aber soooo wenig Mizu? wieso? Q_Q
im nästen kapi kommt sie doch wider vor oder??? *auf mich zeig* Mizu fan....
Antwort von:  Erenya
07.02.2013 21:39
Keine Ahnung wieviel Mizu im nächsten Kapitel dran kommt X'D Soviel wie das Kapitel mir erlaubt


Zurück