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Herzstück

König und Königin oder doch nur Bauern?
von

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Ja, ich will

Daphne hob das Kinn an. In wenigen Augenblicken würde sie durch die große Tür hinaus in den Schlossgarten treten, den Weg über die in der Maisonne blühende Blumenwiese hinunterlaufen, während die Musik spielte. Sie würde den Weg entlanggehen, der sie in ihr neues Leben als Mrs. Caleb Warrington bringen würde. Ihr Leben als verheiratete Reinblut-Ehefrau und Mutter. Das war es, was man von ihr erwartete. Deshalb gab es dieses Arrangement ja.
 


 

Es war der Sommer nach ihrem Abschluss. Daphne war gerade von ihrem vierteljährigen Auslandsaufenthalt in Canada zurückgekommen, wo sie ein Praktikum als Fluchbrecherin gemacht hatte. Es war eine wundervolle Zeit gewesen und sie hatte seit sie wieder Zuhause war eine gute Laune, die sie sich nur damit erklären konnte, endlich einen Plan für die Zukunft zu haben, zu wissen, was sie einmal tun wollte, zu wissen, worin ihr Lebenszweck bestand.
 

Doch es sollte alles anders als geplant kommen. Sie kam gerade von einer Shoppingtour mit ihrer jüngeren Schwester Astoria zurück, die gerade Sommerferien hatte. Ihre Eltern riefen sie in den Salon des groß angelegten Herrenhauses. Verwundert schauten die Schwestern sich an. Daphne zuckte nur mit den Schultern, bedeutete Astoria nach oben zu gehen und lief selbst Richtung Salon. Sie erwartete, dass ihre Eltern mit ihr über ihre bevorstehende Ausbildung reden wollten. Doch als sie die Tür öffnete saßen da nicht nur ihre Eltern. Als erstes erblickte sie ein männliches Gesicht, das ihr nur allzu bekannt war. Caleb Warrington. Er war ein Jäger in ihrem ehemaligen Haus gewesen, ein angesehener Schüler, annehmbarer Abschluss, hervorragende Familie. Diese Fakten liefen in ihrem Kopf Parade, als sie ihn sah. Das war es, was sie in unzähligen Stunden über verschiedene reinblütige Familien hatte lernen müssen und was zu ihm auf Abruf stand.
 

Und jetzt saß er hier, in ihrem Haus. Obwohl sie eigentlich damit gerechnet hatte, ihn nie wieder zu sehen. Höchstens auf irgendwelchen offiziellen Anlässen. Eigentlich, wenn sie recht darüber nachdachte, hatte sie seit dem Abschluss nicht einmal an ihn gedacht. Wieso auch? Sie waren nie besonders gut befreundet gewesen, hatten nie viel miteinander zu tun gehabt.
 

Vorsichtig trat Daphne also ein und ließ sich auf der Vorderkante des Sofas, auf dem ihre Eltern saßen nieder. Mit einem Nicken und einem aufgesetzt freundlichen Lächeln begrüßte sie auch die beiden anderen anwesenden Erwachsenen. Sie nahm an, dass es sich um Calebs Eltern handelte.
 

„Guten Tag.“ Sie wandte sich an ihre Eltern. „Was kann ich für Sie tun?“ Ja, sie siezte ihre Eltern. Sie legten darauf großen Wert.
 

Doch es war nicht ihre Mutter, die ihr antwortete. Caleb räusperte sich. „Hallo Daphne. Wie geht es dir?“ Irritiert schaute sie ihn an, besann sich dann aber auf ihre gute Erziehung und lächelte. „Danke gut. Und dir Caleb?“ Auch er lächelte. „Danke gut.“
 

Schweigen breitete sich aus. Daphne wurde immer mulmiger zumute. Irgendwas stimmte hier nicht. Ihre Eltern benahmen sich so gar nicht, wie die perfekten reinblütigen Gastgeber, als die sie sich sonst gaben. Auch sie schienen sich nicht wohlzufühlen. Was war nur los? Die alte Standuhr in der Ecke tickte laut und machte das Schweigen nur noch schwerer.
 

Schließlich räusperte sich der Mann, von dem sie annahm, dass es sich um Mr. Warrington handelte. „Daphne, wir haben uns gefragt, was du…“ Doch sein Sohn unterbrach ihn. „Daphne, wir, das heißt ich, habe mich gefragt, ob du mir die Ehre erweisen würdest, und meine Frau werden würdest.“ Er schaute zu Boden.
 

Und Daphne verstand plötzlich. Natürlich. Ihre Eltern legten Wert auf ihre reinblütige Herkunft. Und damit diese bestehen blieb musste auch sie in eine reinblütige Familie einheiraten. Warum war sie nicht früher darauf gekommen?? Eigentlich hätte sie es doch sofort wissen müssen, als sie ihn gesehen hatte. Warum sonst sollte er mit seinen Eltern in ihrem Salon sitzen, wenn nicht, um ein „Geschäft“ abzuschließen? Denn genau das war es doch auch. Ein Geschäft. Ihre Träume zerplatzen vor ihren Augen wie Seifenblasen, denn den Antrag abzulehnen kam natürlich nicht in Frage. Das wäre eine Beleidigung der Familie, sie würde alles ruinieren. Aber sie machte sich auch keine Illusionen. Man würde ihr nicht erlauben eine Ausbildung anzufangen, zu arbeiten. Wahrscheinlich war die Reise nach Canada das, was ihre Eltern ihr als letzte Freiheitstat vor ihrer Hochzeit erlaubten.
 

Mit einem Ruck stand sie auf. „Aber natürlich.“ Sie hörte, wie ihre Eltern neben ihr laut aufatmeten. Hatten sie ernsthaft gedacht, Daphne zöge einen Korb auch nur in Erwägung? Kannten sie sie denn so schlecht? Waren nicht sie es gewesen, die sie zu absolutem Pflichtbewusstsein erzogen hatten?
 

„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich würde mich gerne zurückziehen. Mr. Und Mrs. Warrington, Caleb, Mutter, Vater.“ Mit gemäßigtem Schritt lief Daphne aus dem Raum. Ihre Füße trugen sie ins obere Stockwerk, doch Daphne achtete nicht darauf, wo sie sich befand. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Leben war bestimmt. Sie würde genauso enden wie ihre Mutter. Unglücklich, die perfekte Ehefrau mimend und den ganzen Tag nichts zu tun, als die Hauselfen zu befehligen.
 


 

Dieser Tag war nun fast ein Jahr her. Die Taubheit war gewichen und hatte Resignation Platz gemacht. Was konnte sie schon daran ändern, wenn sie sich ärgerte? So lief das Leben nun mal in ihrer Gesellschaftsschicht. Die Eltern entschieden, wen man heiratete. Sie hatte seit diesem Tag genau zwei Mal mit ihrem zukünftigen Ehemann gesprochen. Einmal, als sie einen Anstandsbesuch in seinem Haus bei seinen Eltern über sich hatte bringen müssen. Er war sehr höflich und zuvorkommend aber distanziert gewesen. Anscheinend war auch er nicht glücklich über die Verbindung. Doch wie sie schien auch er sein Schicksal anzunehmen. Das zweite Mal war bei der offiziellen Verlobungsfeier gewesen, wo sie den ganzen Abend aneinander kleben mussten und glücklich zu lächeln hatten. Sie hatten beide ihre Rollen gut gespielt und am nächsten Tag wurde von „der wohl glücklichsten Hochzeit des Jahres und DEM Event des Frühlings“ berichtet. Rita Skeeter überschlug sich fast mit Komplimenten für die wunderschöne zukünftige Frau und den stattlichen Bräutigam.
 

Erst heute Morgen war Daphne die Unüberwindbarkeit ihres Schicksals klar geworden. Sie würde nie einen anderen lieben dürfen. Niemals. Auch wenn ihre Mutter ihr versuchte klar machen zu wollen, dass sie durchaus Liebe oder Zuneigung zu ihrem angetrauten entwickeln würde. Doch nicht einmal ihre Mutter glaubte das. Sie konnte ihr seit dem Tag der Verlobung kaum noch in die Augen sehen und ihr Vater redete noch weniger als ohnehin schon mit ihr.
 

Einzig ihre Schwester Astoria war wie immer zu ihr, wenn man die mitfühlenden Blicke ausschloss, die sie ihr hin und wieder zuwarf. Daphne brachte es einfach nicht übers Herz ihrer kleinen Schwester klarzumachen, dass auch sie wahrscheinlich dasselbe Schicksal ereilen würde.
 

Die Musik setzte ein und Daphne setzte sich am Arm ihres mit erhobenem Kopf laufenden Vaters ebenfalls in Bewegung. Die Tore des Schlosses öffneten sich und vor ihr lag, genau wie sie es erwartet hatte, der Schlossgarten und der von weißen Orchideen und roten Chrysanthemen gesäumte Weg. Sie musste ein ironisches Auflachen unterdrücken. Verehrung und innige Liebe waren nicht gerade das, was ihre Gefühle beschrieb. Dann trafen doch eher die Blumen in ihrem Brautstraß zu. Sie schaute hinab auf ihre Hände. Gladiolen und Klatschmohn. Ja Stolz und Gefängnis. Das war eher, was sie von ihrer Ehe zu erwarten hatte. Sie glaubte daran, dass man mit Caleb leben konnte, sicher war er ein angenehmer Gesprächspartner, aber er war nicht das, was sie sich von einer Ehe wünschte. Liebe. Glück. Nein, das waren wohl Dinge, denen sie heute für immer versagte.
 

Inzwischen liefen sie den Gang zwischen den Sitzreihen der geladenen Gäste hinunter. Als sie erschienen war hatte sich zwar ein Murmeln unter den Gästen breitgemacht (das übliche, wie schön und glücklich doch die Braut war) doch das war schnell wieder erstorben und nun sah sie nur noch die Gesichter aller vor sich, die sie gespannt ansahen. Alter Kameraden aus Slytherin. Ihre Familie. Vorne am Altar ihre Brautjunger, ihre Schwester Astoria mit ihrer Freundin Pansy, Caleb und seine Trauzeugen, Blaise Zabini und Draco Malfoy.
 

In dem Bewusstsein dass die ganze gehobene Zauberergesellschaft sie in diesem Moment anschaute gab sie ihrem Vater, als er sie an Caleb übergab, einen züchtigen Kuss auf die Wange, ehe sie sich an ihren Bräutigam wendete und ihn anschaute. In diesem Moment brachte sie einfach kein Lächeln zustande. Er hielt ihre Hand und sie konnte die Wärme noch durch ihren Handschuh hindurch spüren.

Sie konnte der Rede des Ministeriumsbeamten nicht folgen. Ihre Gedanken wanderten zurück zum Morgen, als sie mit ihrer Schwester in ihrem Zimmer gesessen war und sie ihr geholfen hatte, das teure Designerkleid anzuziehen, aus traumhafter weißer Seide, importiert aus Italien und mit Blumen besetzt. Ihre Mutter hatte es ausgesucht.
 

Sie hatten sich in Stille zurechtgemacht. Daphne war in ihren eigenen Gedanken versunken und Astoria wusste wohl nicht, was sie sagen sollte. Als sie Daphne frisiert hatte brach Astoria das Schweigen.
 

„Ich habe etwas für dich. Kein Geschenk. Nur etwas, das, wie ich finde, zu einer Hochzeit dazugehört. Auch wenn es…. Anders ist, als wir es uns vielleicht vorgestellt haben.“ Aus einer Schublade zog ihre kleine, zierliche schwarzhaarige Schwester vier Dinge hervor und legte sie ihr an.
 

Ein blaues Strumpfband. Treue. Ein Glucksen stieg in Daphnes Kehle auf. Ja, Treue bis ans Lebensende. Sonst wäre sie ruiniert.
 

Ein altes Taschentuch ihrer Schwester. Das leuchtende, gestickte „A“ in einer Ecke blinzelte ihr geradezu spöttisch entgegen. Etwas Altes. Sie ließ ihr altes Leben zurück. Das Leben, das sie bis jetzt so glücklich mit ihrer Schwester als beste Freundin geführt hatte.
 

Die Handschuhe, die ihre Freundin Pansy an ihrer Hochzeit getragen hatte. Es waren wunderschöne bestickte Handschuhe, die bis zu den Ellenbogen reichten. Pansy hatte vergangenen Winter Blaise Zabini geheiratet. Eine Liebeshochzeit. Etwas Geborgtes, damit ihre Ehe ebenso glücklich würde wie Pansys.
 

Und zu guter Letzt ein frisch geprägter Silbersickel. Bei genauerem Hinsehen war er nicht gewöhnlich, denn er war auf beiden Seiten statt unterschiedlich, mit dem gleichen Motiv geprägt. Ein neuer Glückssickel. Ihr neues Leben, das hoffentlich glücklicher wurde, als sie befürchtete.
 

Tränen traten in Daphnes Augen als sie ihre Schwester fest umarmte.
 

Gerade rechtzeitig kehrten Daphnes Gedanken in die Gegenwart zurück. Mit fester Stimme antwortete sie. „Ja, ich will.“ Und auch Caleb sprach kurz darauf das „Ja“ aus und besiegelte damit ihrer beider Schicksal.
 

Vorsichtig nahm er ihr Kinn in die Hand und gab ihr einen vorsichtigen, repräsentativen Kuss auf die Lippen. Erneut traten Tränen in ihre Augen, doch diesmal hielt sie sie nicht zurück. Man würde denken, es seien Freudentränen. Er nahm sie am Arm und führte sie den Weg zurück Richtung Schloss, wo die Feier stattfinden sollte.
 

Sie waren außer Hörweite der aller, als er stehenblieb, sie am Arm festhielt und so dazu zwang, ihn anzusehen. Er schaute ernst, seine kantigen Gesichtszüge, die sonst reine Gleichgültigkeit widerspiegelten waren angespannt.
 

„Daphne, es tut mir leid, dass das alles so gelaufen ist. Ich hoffe du weißt das. Doch ich hatte genauso wenig eine Wahl wie du. Bitte verstehe das. Ich bin genauso unglücklich mit dem ganzen Arrangement wie du. Aber wir sind letztendlich doch nur Schachfiguren.“
 

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Sie brachte kein Wort heraus, ein Nicken war alles, was sie zustande brachte. Sie würden beide damit leben müssen. Beide unglücklich sein. Aber er hatte Recht. Er sprach genau das aus, was sie schon seit einem Jahr dachte. Sie waren nichts als Schachfiguren in dem Spiel aus Tradition und Werten, das ihre Familien, die Oberschicht, die Gesellschaft spielte.
 

Erst jetzt bemerkte Daphne mit verschleiertem Blick, dass am Ende des Weges, einen Meter von ihnen entfernt, ein Herz in den Weg gemalt worden war. Wahrscheinlich von einem der Kinder, die unter den Gästen waren.
 

„Lass uns das Beste daraus machen.“ Sie setzten ihren Weg in das Schloss wortlos fort. Caleb hatte gesagt, was er wollte. Er drängte sie auch nicht zu einer Antwort. Es war ein einvernehmliches Schweigen. Schweigen darüber, wie unzufrieden sie beide mit dem Arrangement waren.
 

Und an diesem Tag verschloss Daphne Warrington ein Stück ihres Herzens in einer Truhe. Die Liebe, würde für sie wohl für immer so unerreichbar bleiben, wie das Stück ihres Herzens für irgendeinen Mann.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Norrsken
2012-12-18T20:44:27+00:00 18.12.2012 21:44
Liebe Runya,
hiermit möchte ich dir ganz doll dafür danken, dass du mir so einen schönen One Shot geschenkt hast. ´//v//`
Als ich gesehen habe, welches Paar du dir ausgesucht hast, hat mein Herz sofort höher geschlagen! Neben Daphne & Terence war es ja das einzige Paar an das ich „Bedingungen“ geknüpft hatte, der du dich auch angenommen hat (danke, danke!). Dementsprechend hatte ich natürlich gewisse Erwartungen bzw. Vorstellungen… und du hast mich kein bisschen enttäuscht ;//v//;
Du hast, vor allem Daphne, sehr gut so getroffen, wie ich sie mir in dieser Situation auch vorstelle. Pflichtbewusst genug, um die Tragödie mitzumachen, aber bedauert den Verlust ihrer Freiheit und der Möglichkeit ihren eigenen Weg zu bestimmen, ihren Traumberuf auszuüben undundund. Die Idee des Auslandspraktikums als Fluchbrecherin fand ich übrigens eine sehr tolle Idee. :>
Caleb (danke, danke dass du ihn Caleb genannt hast! ´//v//`) kommt, dadurch, dass du aus Daphnes Sicht beschrieben hast, natürlich etwas kürzer, aber ich mag ihn trotzdem, so wie du ihn dargestellt hast. Er sitzt eben doch im selben Boot wie sie selber auch~ .v.
Sie tun mir schon beide irgendwie leid, aber ich danke dir auch dafür, dass du keine typische „sie wurden gezwungen und dann haben sie sich doch ineinander verliebt“-Story gemacht hast! xD Das Daphne ein Stück ihres Herzens immer vor Caleb verschließen wird, verbietet auch etwas den Gedanken so weiter zu spinnen, dass es vielleicht doch noch ein happy End wird. Ich weiß gar nicht wieso, aber hier mag ich das doch etwas bittere Ende sehr gerne.
Das einbringen der vielen Vorgaben möchte ich auch noch mal ganz doll loben! Du hast dir echt viel geschnappt und ich hab auch alles gefunden! :D Hehe ♥
Das Layout finde ich auch sehr schön geworden~ selbst die Reihung der Schachfiguren hat seinen Sinn bekommen, sehr toll! Das einzige, was mir hier aufgefallen ist. Bei den Texten von Daphne und Caleb sind ein paar Tippfehler passiert, schätz ich. Das ist aber nichts allzu tragisches ;)
Okay, ich würg mich jetzt mal zum Schlussstrich! xD Noch einmal vielen lieben Dank! Ich hatte beim Lesen wirklich viel Spaß und das Warten hat sich auch gelohnt. Mit Caleb x Daphne hast du mir einen ganz großen Wunsch erfüllt, danke! ♥

Liebe Grüße
Norrsken


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