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My own supernova

von

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Kapitel 4. Ein verschrobenes Ausweichmanöver

Der nächste Morgen bricht an und zum Glück treffe ich Kai nicht an. So schnell ich kann verlasse ich die Wohnung. Einfach deshalb, weil ich nicht Kai über den Weg laufen will. In der uni konzentriere ich mich voll und ganz auf den Unterricht. Marcel wollte mit mir reden,doch selbst den Versuch habe ich geblockt. Zumindest will ich nicht in der Uni reden. Als dann die Uni zu ende ist, machen wir uns auf den Weg in den Judo Club. In der Umkleide haben wir dann Zeit zum reden.
 

„Also ganz ehrlich? Es tut mir Leid, dass ich dich gestern so überfallen habe. Ich hätte dich nicht einfach küssen sollen.“ sagt Marcel und zieht sich das Hemd über den Kopf. „Wie gesagt, ich weiß warum du es gemacht hast. Ich würde es vielleicht auch machen, wenn es funktionieren würde.“ meine ich und lächle zerknirscht. Oh ja, ich würde es wirklich tun wenn es klappen würde. Doch wie groß ist denn bitte dafür die Wahrscheinlichkeit? „Trotzdem. Das hätte man mir auch als Sexuelle Belästigung auslegen können.“ erklärt Marcel und kichert leicht. Ich verdrehe die Augen.
 

„Natürlich. Aber so kleinlich bin ich nicht. Dann müsste ich jeden Kerl, der mir auf den Hintern haut Anzeigen und jede Frau die mich küsst auch.“ sage ich und winke ab. Marcel hat sich endlich seine Kleidung angezogen und bindet sich den Obi. „Stimmt. Und was ist nun gestern gewesen? Wie ist das passiert?“ fragt er mich. Ich weiß was er meint, aber irgendwie ist mir nicht danach darüber zu reden. „Ich hab dir alle gesagt, was gestern gewesen ist. Ich habe den Typen gesehen mit einer Frau und er hat mit ihr rum gemacht. Und dann hat es bei mir ausgesetzt. Ich habe mir gewünscht ich wäre es. Tja und dann war ich irgendwie an der Stelle der Frau. Das ist so peinlich. Und mies fühle ich mich auch noch.“ gestehe ich widerwillig. Marcel nickt nur. „Das kenne ich nur zu gut. Du siehst die Person und denkst drüber nach, was du alles mit ihr machen könntest. Aber du weißt es wird nie dazu kommen. Wo wir beim Thema sind, willst du mir nicht die ganze Geschichte erzählen?“ fragt er mich aus heiterem Himmel.

„Ich weiß nicht was du meinst.“ antworte ich vielleicht etwas zu monoton.
 

„Willst du mir wirklich erzählen, dass du ein schlechtes Gewissen hast, weil du dir vorgestellt hast, dass du die Frau wärst?“ fragt er mich leicht ungläubig. Ach so, darauf will er hinaus. Ich hatte für den Moment schon einen Schrecken bekommen, er könnte wissen wer der Typ ist. Ob ich ihm das nun sage oder nicht, wird wohl keinen Rolle spielen. „Na ja, nein. Ich habe mir vorgestellt, was weiter passieren könnte und so. Am ende war ich so erregt, dass ich...“ weiter wollte ich nicht reden. Es ist schon peinlich genug, dass ich überhaupt darüber nachdenke. Die bloße Erinnerung lässt mich schon rot werden. Den Rest kann er sich ja wohl denken. „Oh. Doch so schlimm.“ stellt er fest. Aber er hat den Anstand nicht weiter drauf ein zu gehen.
 

Das Training ist wirklich anstrengend. Aber ich bin froh über die Ablenkung. Marcel ist schnell wieder in alter Form. Er ist zwar immer noch nicht so gut wie ich, aber er ist bedeutend Besser als am ersten Tag. Da jetzt auch noch andere Leute dabei sind, können wir mit denen trainieren. Marcel und ich bleiben sogar bis zum Abend da, während alle anderen am späten Nachmittag schon weg sind. Herr Schmidt ist kurz davor uns raus zu schmeißen. Doch vorher will er noch etwas los werden. „In ein paar Wochen ist ein Judo Turnier. Wollt ihr daran teil nehmen?“ fragt er gerade heraus. „Klar, warum nicht.“ sage ich leicht hin. Ein Turnier würde mir sicher gut tun. So kann ich mich gut ablenken von Kai.
 

Marcel meldet sich auch für das Turnier an und nach dem wir einen Meldebogen ausgefüllt haben, gehen wir unter die Dusche. Ich ziehe mich einfach aus und geniere mich nicht davor, dass Marcel mich sehen würde. Dann allerdings klingelt mein Handy. Es ist Kai. Ich will nicht ran gehen. Mir ist das sogar peinlich seine Stimme zu hören. Das weiß ich selbst jetzt schon, Doch Marcel gibt mir das Handy, also bleibt mir gar keine andere Wahl als ran zu gehen. „Hallo Kai, was gibt’s?“ frage ich möglichst unbefangen. „Ich wollte nur sagen das ich in der Bar bin, wenn du willst, kannst du auch kommen. Ich bin dann allerdings mit Monique unterwegs. Du müsstest dann alleine nach Hause.“ erklärt er mir in ruhe.
 

„Ich weiß noch nicht ob ich komme. Aber mach das ruhig. Wir sehen uns dann Morgen oder so. Bis dann.“ verabschiede ich mich. „Bis dann.“ sagt Kai. Es hörte sich allerdings merkwürdig an, als würde er ahnen, dass ich ihm etwas nicht sagen will. Dann lege ich auf und atme ein. Marcel sieht mich aufmerksam an. „ist etwas?“ fragt er besorgt. „Nein nicht wirklich. Kai hat nur gemeint ich kann in den Club kommen, aber er würde dann bei einer Monique bleiben oder so. Es ist schon echt erschreckend was für einen Frauenverschleiß er hat.“ gestehe ich dann und versuche dabei nicht verletzt zu wirken. Aber das bin ich definitiv. Aber darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen.
 

Also marschiere ich nackt in die Dusche. Ich habe Marcel schon so viel erzählt, dass es mir eh nichts ausmacht. Ich stelle das Wasser an und lasse es über mich fließen. Ich fühle mich etwas besser. „Willst du in die Bar?“ fragt mich Marcel einfach. Ich zucke mit den Schultern. Ich weiß es einfach nicht. „Vielleicht. Aber irgendwie bin ich auch total fertig.“ sage ich dann und gähne sogar. „Lass uns doch einen Absacker da trinken gehen, danach bringe ich dich auch nach Hause.“ bietet er sich an. „Ich weiß nicht ob das so gut ist, denn immerhin ist Kai nicht dein größter Fan. Aber wenn du meinst, dass du es machen musst.“ sage ich, doch so ganz kann ich mich nicht begeistern für die Idee.
 

In der Bar angekommen sehe ich mich erst einmal nach Kai um. Der ist allerdings nicht zu finden. Basti weiß auch nicht wo er ist, er weiß nur das Kai da ist. Als Basti Marcel bei mir sieht, wirkt er auf einmal etwas Bedrückt, auch wenn Marcel freundlich lächelnd Hallo sagt. Damit wir Kai nicht zwingend über den Weg laufen gehen wir in die Disco. Es ist nicht wirklich voll, denn es ist immerhin mitten in der Woche, aber trotzdem sind hier gut und gerne 20 Leute. Wenn wir uns unter sie Mischen werden wir nicht so schnell gesehen. Damit Marcel nicht per Zufall Kai über den Weg läuft, gehe ich uns trinken besorgen. Basti mustert mich aufmerksam, mixt uns aber die Getränke. „Wo ist Kai?“ frage ich ihn einfach. „Das weiß ich nicht wirklich, er muss hier irgendwo sein. Vielleicht bändelt er aber auch irgendwo mit dieser Monique an.“ antwortet er mir und lässt seinen Blick durch die Menge schweifen.
 

„Wie kommt es das ihr heute die Disco geöffnet habt?“ erkundige ich mich. „Heute ist ein besonderes Event. Der DJ der nach her kommt, ist ein Kumpel von Kai und mir. Es wir sicherlich voll werden.“ gibt Basti zurück und zuckt mit den Schultern. „Ach so und was hat es mit Monique auf sich?“ frage ich weiter nach und sehe mich um, ob ich Kai doch noch sehe. Wirklich hoffen tue ich es aber nicht. „Ich weiß es nicht. Kai hatte mal was mit ihr und dann ist sie in eine Andere Stadt gezogen, vielleicht erhofft er sich ja etwas.“ erklärt mir Basti und reicht mir die Cocktails. Ich bedanke mich und gehe zu Marcel, der nahe bei der Tanzfläche steht. Ich reiche ihm seinen Cocktail und er lächelt mich dankend an. Schweigend nippe ich an meinem Cocktail rum.
 

So ganz wohl fühle ich mich nicht. Immerhin kann Kai jeden Moment auftauchen. Und aus mehreren Gründen bin ich nicht so scharf auf ihn zu treffen. Er ist nicht sonderlich ein Fan von Marcel, ich kann ihm nicht in die Augen sehen wegen gestern Abend und dann habe ich auch nicht sonderlich Lust ihn und seine neue Eroberung zu sehen. Es pikt leicht in meiner Brust. Verdammte Eifersucht. Mit einem großen Schluck vom Cocktail versuche ich es runter zu spülen. Marcel beobachtet mich von der Seite und versucht mit mir Blickkontakt auf zu nehmen, aber darauf habe ich so gar keine Lust. Er meint es sicherlich gut.
 

Dann sehe ich ihn. Kai läuft mit einem verbissenen Gesichtsausdruck zur Tür, die zur Bar führt. Marcel hat es auch gesehen und zieht mich mit sich zur Tür. Kai ist längst in der Bar und scheint eine Lautstarke Auseinandersetzung zu haben mit jemanden. Ein Schwung Leute gehen in die Bar und wir gehen mit ihnen raus, immer darauf bedacht sie zwischen uns und Kai zu haben. Und dann ist es auch nicht mehr zu überhören was da los ist. Eine brünette Frau steht hinter Kai und mustert kritisch die Person, mit der Kai offensichtlich streitet. Basti steht hilflos hinter dem Tresen und versucht die Leute zu bedienen.
 

Aber am liebsten würde er dazwischen gehen. „Ich will mit dir ALLEINE reden.“ ruft nun eine Frau vor Kai aus. Sie ist kleiner als er und hat kurze rote Haare, irgendwie sieht sie hinterhältig aus. „Und ich sage dir, dass es da nichts zu reden gibt.“ fährt Kai sie an. „Ich gehe lieber, du hast hier ja anscheinend einiges zu klären.“ meint die brünette zu Kai und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. „Nein, du musst nicht gehen Monique. Nicole wollte gerade gehen.“ sagt er und versucht Monique davon ab zuhalten zu gehen. „Nein, ich wollte nicht gerade gehen, Kai. Ich will mit dir reden. Dafür musst du grade stehen. Und dabei stört Monique nur.“ meint diese Nicole hochnäsig und wirft Monique einen abfälligen Blick nach.
 

Monique ist dann allerdings schon weg und jetzt sieht Kai richtig wütend aus. „Na toll. Siehst du, was du angerichtet hast mit deiner dummen Behauptung?“ faucht Kai sie an. Nicole stricht ihre Haare hinter ihr Ohr und sieht nicht so aus, als würde sie sich von ihm beeindrucken lassen. „Das ist mir egal, ob es dir gefällt oder nicht. Steh dazu, was du gemacht hast du alles ist in Ordnung. Und von Behauptung kann da keine Rede sein.“ antwortet sie Kai. Kai sieht sie jedoch nur angewidert an. „Das kannst du ja gerne glauben, doch solange nichts bewiesen ist, tue ich gar nichts! Immerhin weiß eigentlich jeder, dass ich nicht der einzige war.“ zischt Kai aufgebracht. „Kann sein, aber in diesen Zeitraum, warst leider nur du es. Aber wenn du es testen willst, dann können wir das gerne machen. Solange das Resultat das selbe bleibt.
 

Ach ja, an deiner Stelle würde ich ja auch m,al die Füße still halten. Immerhin bist du ja auch nicht gerade für deine Keuschheit bekannt. Es ist ja nur eine Frage der Zeit gewesen, bis das passiert.“ kommentiert sie seine Worte und lächelt süffisant. „Ist es nicht! Ich achte im Gegensatz zu dir immer darauf zu Verhüten! Ich benutze immer ein Kondom und bis jetzt ist nicht eins gerissen oder so. Obendrein hast du ja auch noch behauptet, dass du die Pille nehmen würdest, also wie um Himmelswillen soll das passiert sein?“ brüllt er nun aufgebracht. Die Leute haben sich schon in einer Traube um die beiden versammelt und tuscheln wild. Aber selbst ich weiß nun um was es geht. So allmählich leitet mir der Boden unter den Füßen weg. Es fühlt sich an, als würde die Welt sich um mich drehen. Das kommt jedoch nicht vom Alkohol.
 

Ich hoffe nicht, dass es das ist was ich denke. Doch dann spricht sie genau diesen Satz aus. „Hätte, würde könnte, müsste. Tatsache ist, dass die Pille anscheinend nicht gewirkt hat und das Kondom defekt war. Denn sonst hättest du nicht eine süße Tochter namens Lena. So sieht es nun mal aus.“ sagt sie und verschränkt lässig die Arme vor der Brust. Mir wird schlecht, doch kotzen muss ich zum Glück nicht. Marcel stützt mich auf einmal. Und das ist auch gut so, denn ich habe das Gefühl jeden Moment sonst umkippen zu müssen. „Ob das Kind wirklich von mir ist, werden wir ja noch sehen. Nur weil du es sagst, werde ich es dir noch lange nicht glauben.“ sagt Kai mit kühler Miene. Nicole stößt einen verächtlichen Laut aus und betrachtet gespielt interessiert ihre Fingernägel. Das scheint sie wohl aus irgendwelchen Filmen zu haben.
 

Aber statt cool zu wirken, sieht sie einfach nur peinlich dabei aus. Alleine deswegen kann ich nicht nachvollziehen, warum Marcel je etwas mit der hatte. „Mach, was du nicht lassen kannst, aber eines ist klar, ich will bei dir Wohnen. Platz hast du ja genug. Ich habe ja nicht immer Zeit, mich um Lena zu kümmern. Das kann ja auch mal ihr Vater tun.“ sagt sie einfach dahin. Das ist wie ein schlag in die Magengrube. Jetzt soll auch noch diese ekelhafte Person bei uns einziehen mit ihrem Baby? Das kann noch nicht wirklich gerade passieren, oder? „Sicher nicht. Noch ist nicht klar ob ich der Vater bin. Also kannst du mich nicht dazu zwingen den Vater zu spielen und dich auch noch bei mir wohnen lassen.“ wehrt sich Kai.
 

„Ich kann ja wohl schlecht mit Lena unter der Brücke schlafen.“ regt sich Nicole nun auf. „Ist das mein Problem? Wo ist denn jetzt Lena? Sicherlich an einem Sicheren Ort. Und genau an diesen Ort kannst du auch schlafen.“ kontert Kai gelassen. Doch die rothaarige schüttelt den Kopf. „Eben nicht. Ich bin bei meinen Eltern raus geflogen, weil sie der Meinung sind, dass der Vater sich auch um das Kind kümmern kann, nach dem sie erfahren haben wer der Vater ist. Im Moment ist Lena bei einer Freundin. Aber die Wohnt in einer WG und da ist beim besten Willen kein Platz für einen Mutter mit ihrem Baby. Für heute ist das kein Problem aber so kann es nicht weiter gehen. Also würde ich sagen, wenn du kein kompletter Unmensch bist, lässt du mich und deine Tochter bei dir wohnen.“ sagt sie und scheint sich ihrer Sache furchtbar sicher zu sein.
 

Kai wird blass. Er ist zwar einiges, aber kein Mensch, der eine Frau mit ihrem kleinen Baby auf der Straße lässt. Mir ist so schwindelig, dass ich meinen Kopf gegen Marcels Arm fallen lasse. Marcel sieht mich an und mustert mich eingehend. Ich sehe wohl nicht gut aus, denn er bringt mich unbemerkt zur Tür raus. An der frischen Luft fühle ich mich etwas wohler, aber so richtig gut geht es mir auch nicht. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass wenn ich länger in der Bar geblieben wäre, wäre ich erstickt. „Willst du nach Hause?“ fragt mich Marcel besorgt. Ich schüttle den Kopf. Das ist der letzte Ort, an den ich jetzt will. „Gut, dann kommst du jetzt mit zu mir. Wenn du nach Hause willst, dann bringe ich dich. Aber so will ich dich einfach ungern alleine lassen.“ meint er und führt mich zur U-Bahn.
 

Die ganze Zeit über auf dem Weg zu Marcel denke ich nur wie schrecklich alles ist. Seit ich aus Amerika hier her gekommen bin, ist alles chaotisch geworden und geht den Bach runter. Wie soll es überhaupt weiter gehen? Diese Nicole scheint sich ihrer Sache sehr sicher, dass Kai der Vater ihrer Tochter ist. Wie soll das nun weiter gehen? Ich habe kein Geld um in eine eigene Wohnung zu ziehen. Aber mit Kai, Nicole und ihrem Baby will ich auch nicht in einer Wohnung leben. Das schlimme ist einfach, ich kenne Kai. Wenn wir beide etwas wollen, dann ist es eine intakte Familie. Kai würde sich mit Nicole arrangieren, damit er für Lea da sein kann.
 

Ich sehe schon richtig vor mir, wie Nicole sein hart verdientes Geld verprasst und er nichts gegen tun kann, weil sie ihm sonst damit droht seine Tochter weg zu nehmen. Er wird für das Mädchen alles tun. Und ich? Ich bin dann der liebe Onkel. Der bei ihnen wohnt bis er Geld verdient und dann aus zieht. Und das klägliche ist, dass ich alleine leben werde, weil keiner meiner Partner mit mir zusammen bleiben will, weil ich ihre liebe nicht erwidere. Und das wiederum auch nur deswegen, weil ich dann immer noch in meinen Bruder verknallt bin. Wie armselig ist das denn? Aber vielleicht sollte ich nicht den Teufel an die Wand malen.

Bei Marcel angekommen, setzten wir uns auf sein Sofa.
 

Er schaltet den Fernseher an und stellt uns zwei Schnapsglas hin. Dann holt er einen kleinen Feigling raus und kippt uns beiden etwas ein. Als ich das Glas in der Hand halte, sehe ich Marcel fragend an. Marcel kippt den Feigling einfach weg. Also mache ich es ihm nach. „Willst du reden?“ fragt er mich monoton und starrt auf den Fernseher. „Nein.“ sage ich schlicht. Er kippt den Schnaps nach und trinkt. Ich zögere nicht und leere das Schnapsglas mit einem Zug. Wieder kippt er nach und wieder kippe ich den Schnaps in mich. Langsam fängt er an zu wirken. Eine fast schon angenehme Taubheit macht sich in meinen Gliedern breit.Ich sollte nicht so viel trinken.
 

Es ist immerhin mitten in der Woche und außerdem ist Alkohol nicht gut für die Gesundheit, besonders nicht wenn man Sportler ist. „Das hat sich anscheinend sehr getroffen. Das mit Kai.“ fängt Marcel nach einer weile wieder an. Dummerweise hat sich durch den Alkohol meine Zunge sich gelöst. „Ja, natürlich. Ich komme aus Amerika nach gut vier Jahre und will Zeit mit meinem Bruder verbringen und dann passiert so etwas!“ beschwere ich mich. Marcel nickt und sieht mich ganz merkwürdig von der Seite an. „Ist das aber wirklich alles?“ fragt er mich auf einmal. Ich weiß gar nicht wirklich was ich darauf antworten soll. „Klar, was soll denn sonst noch sein? Ich meine sieh dir die Frau an. Die wird bei uns leben. Ich verstehe nicht, wie Kai etwas mit ihr haben konnte.“ sage ich Kopfschüttelnd. Dann kommt etwas mit dem ich so nicht gerechnet habe, weil ich nicht dachte, dass es so offensichtlich ist.
 

„Leif, ich glaube wir sind mittlerweile so etwas wie Freunde. Vielleicht sogar sehr gute Freunde. Ich sehe, dass dich etwas quält. Und ich glaube auch zu wissen, was dich quält. Ich will einfach nur, dass du ehrlich bist.“ erklärt er einfach. Ich hoffe nicht, dass er weiß was mich quält. Genau genommen weiß ich einfach das er es nicht weiß. Denn wenn es so wäre, würde er nicht hier sitzen uns mit mir reden, sondern mich angeekelt aus der Wohnung werfen. Ich ekle mich ja selbst an. Da ich nichts sage, seufzt Marcel nur. „Ok, wenn du es nicht aussprechen willst, dann sage ich es eben. Ich glaube, dass du in Kai verknallt bist.“ sagt er und wartet auf eine Reaktion von mir.
 

Aber ich kann nichts tun. Ich sitze paralysiert da und starre auf den Fernseher ohne etwas zu sehen. Es rattert in meinem Kopf. Was soll ich denn jetzt tun? Soll ich ihm sagen, dass das komplett verrückt und abartig ist, oder soll ich ihm die Wahrheit sagen. Eigentlich erübrigt sich die Antwort, denn ich bin ein grottenschlechter Lügner. Ich setze zu einer Antwort an, doch ich ersticke regelrecht an meinen eigenen Worten. Statt dessen bringe ich einfach nur ein kleines Schluchzen hervor. Erst jetzt merke ich, dass mir Tränen über die Wangen laufen. Oh man, wie armselig bin ich eigentlich?
 

Dann finde ich mich an Marcels Schulter wieder, weil er mich fest im Arm hält. „Du tust mir wirklich Leid.“ gesteht er und drückt mich. Stumm heule ich mich an seiner Schulter aus. „Warum ekle ich dich nicht an?“ frage ich leise. Marcel hält mich weiter im Arm und sagt erst einmal nichts. „Weil ich dich einfach verstehe. Ich würde sagen, da wo die liebe hinfällt. Du liebst ihn und es ist schon Strafe genug, dass du nicht mit ihm zusammen sein kannst. Da brauchst du nicht auch noch mich, damit dir jemand das Leben noch schwerer macht.“ antwortet er mir.
 

Etwas stimmt nichts daran. Es ist leider das natürlichste auf der Welt, dass Menschen nicht zwingend davon begeistert sind, wenn sie homosexuell sind, aber wenn der Bruder seinen eigenen Bruder liebt setzt es sogar bei den homosexuellen aus. Ich drücke Marcel von mir und sehe ihn prüfend an. „Und jetzt versuch es mir zu sagen, ohne zu lügen.“ vordere ich ihn auf. Marcel lächelt geknickt. „Ok, ich will ehrlich sein, nach dem du es ja auch zu mir warst. Ich liebe Basti.“ setzt er an. So ganz verstehe ich nicht wo das Problem ist, aber das wird er mich sicher noch verraten. „Es ist eine merkwürdige Geschichte. Du musst wissen, dass ich bei meinem Vater aufgewachsen bin. Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben. Bastis Mutter ist der Mann weggelaufen als sie schwanger wurde mit Basti.
 

Letztendlich haben unsere Eltern sich im Krankenhaus kennen gelernt, als wir beide krank waren. Basti war sechs und ich war fünf. Unsere Eltern heirateten und zogen zusammen. Basti und ich verstanden uns gleich auf Anhieb. Basti hat immer auf mich aufgepasst. Doch das Glück hat nicht lange angehalten. Basti war neun und ich acht als unser Vater an einem Herzinfarkt starb. Einfach so. Von heute auf morgen. Er ist einfach in seinem Büro umgekippt und wurde erst später gefunden. Unsere Mutter hat mich zum Glück schon adoptiert, weshalb ich bei ihr bleiben konnte. Aber sie war so unglücklich. Sie bekam Depressionen und nahm dann einen Mix aus Alkohol und Schlaftabletten.
 

Das war kein Jahr nach dem Tod unseres Vaters. So kamen wir dann zusammen in eine Pflegefamilie. Ab da an hingen wir nur noch zusammen. Keiner konnte uns trennen. Ich liebte Basti über alles. Aber irgendwann änderten sich meinen Gefühle von bloßer Bruderliebe zu etwas...größeren. Ich war wirklich ernsthaft angeekelt von mir selbst. Aber ändern konnte ich es nicht. Ich habe alles probiert. Ich habe versucht ihm aus dem Weg zu gehen, etwas mit Mädchen an zu fangen und dann letztlich mit Jungs. Ich meine schwul zu sein ist schon schwer genug aber dann auch noch den einen Bruder zu lieben ist doch wirklich hart an der Grenze. Im Prinzip versuche ich mich noch immer von Basti ab zu lenken, aber helfen tut es nicht.
 

Aber dann passierte es. Basti schien das selbe zu fühlen. Es ist jetzt kein Jahr her, da hat sich Basti mir einmal hin gegeben. Einmal gehörte er mir. Es war das Beste, was mir je widerfahren ist. Ich dachte das wäre der Durchbruch. Schließlich sind wir ja meine leiblichen Brüder. Doch Basti machte mir schnell klar, dass er nur dieses Einmal geben würde und das selbst das schon zu viel war. Er sei ja schließlich mein großer Bruder und will mir ja nicht das Leben versauen. Irgendwie hoffe ich ja, dass es doch noch ein Happy end für uns gibt, aber ich weiß auch wie starrsinnig mein Bruder sein kann.“ erzählt er mir und lacht trocken. Das ist wirklich eine harte Sache.
 

Es geht ihm also haargenau so wie mir. Das ist fast schon zu viel Zufall. „Also ich will nur damit sagen, dass ich dich sehr gut verstehen kann. Ich weiß wie es ist jemanden zu lieben, aber nicht zu dürfen.“ meint er und sieht mich zerknirscht lächelnd an. „Woher hast du es gewusst?“ frage ich nach. „Es war nicht zu übersehen. Deine Blicke in seine Richtung haben Bände gesprochen. Und du wirktest einfach zu betroffen wegen dem von vorhin. Ach und ich kenne keinen Kerl, der mit mehr Frauen etwas hat als Kai. Als du mir das mit dem Kerl und der Frau erzählt hast, die gefummelt haben sollen, war dass der erste Hinweis.“ zählt Marcel auf. Ich bin also so leicht zu durchschauen.
 

Das ist echt übel. Dann kann ich ja froh sein, dass Kai noch nichts bemerkt hat. „hilft es denn, sich mit anderen abzulenken?“ frage ich Marcel jetzt und sehe ihn nervös an. Er mustert mich eingehend und legt den Kopf schief. „Ja und nein. Für den Moment hilft es, aber es ist auch keine Dauerlösung. Aber man kann einfach nur versuchen und hoffen das man sich neu verliebt oder sich halt hinweg tröstet.“ erklärt er. Er scheint zu ahnen worauf ich hinaus will, bevor ich überhaupt richtig realisiere, was ich hier eigentlich mache. Andererseits, was kann es schaden? Schlimmer kann es nicht mehr werden. Warum also nicht? Aber erbärmlich ist es trotzdem. „Und du meinst, bei uns könnte es helfen?“ hacke ich weiter nach.
 

Marcel lächelt schief. „Kann durchaus sein. Wir beide sind in der gleichen Lage. Ich verstehe dich genau so gut wie du mich. Wobei du es schwerer hast als ich. Aber das Problem beliebt das selbe.“ meint er und kommt ein Stück näher. „Hm, Stimmt. Vielleicht sollten wir es einfach probieren.“ sage ich und rutsche näher an Marcel ran, wobei ich seine Lippen fixiere. Ich weiß was mich erwartet und irgendwie brauche ich das jetzt. Jemanden der mir die Zuneigung entgegenbringt, die ich nie bekommen werde. Und das werde ich auch für Marcel tun. Wir sitzen schließlich im selben Boot.
 

„Ja, wir sollten es probieren.“ murmelt er und legt schließlich seine Lippen auf meine. Erst sind wir beide noch recht zaghaft, doch dann brechen so ziemlich alle unterdrückten Emotionen los. Marcel zieht mich auf seinen Schoß und ich setze mich auf bereitwillig auf ihn. Mein einer Arm schlingt sich um seinen Hals während der andere in seien Haare greift. Marcels einer Arm liegt eng um meiner Taille, während die andere Hand meinen Kopf fixiert. Auch wenn wir uns leidenschaftlich küssen, so hat das wenig mit Liebe zu tun, sondern eher mit Verzweiflung und dem Wunsch den anderen zu trösten.
 

Auch wenn es nicht fair ist, so bin ich im Gedanken längst bei Kai und frage mich, wie es wäre ihn so küssen zu können. Marcel hat wirklich Recht. Was wir hier machen, macht unsere Situation nicht besser, aber es hilft für den Moment.



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