Zum Inhalt der Seite

in Flammen

oder: die Hexe
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ich bin bezaubert.

verzaubert.

verloren.
 

Geblendet von ihrer atemberaubenden Erscheinung.
 

Betört von ihren anmutigen Schritten, die sie scheinbar furchtlos macht.

Jeder einzige bringt sie dem Tod ein Stück näher. Ihr langes blondes Haar wallt mit jedem Schritt auf, die blasse Haut schimmert im Licht der untergehenden Sonne.
 

Ich stehe in der Menge, zwischen den Menschen, die sie tot sehen wollen. "Hexe", schreien sie und geben ihr schlimme Namen wie "Satansbraut" und "Wechselbalg".
 

Nichts davon scheint sie zu hören. Ihre Augen, die das Weinen schon seit Tagen verlernt zu haben scheinen, blicken in die Leere. Ihre Augen, einst von einem strahlenden Grün, abgestumpft.
 

Jemand wirft ihr eine faulige Tomate nach, er trifft sie am Hinterkopf. Die Flüssigkeit durchdringt ihr Haar.

In mir regt sich ein Fünkchen Wahnsinn. "Nein!", schreie ich. "Nein!" Nur noch wenige Schritte bis zum Scheiterhaufen. "Nein! Lasst mich durch!"
 

Meine Schreie schneiden durch die Menge wie ein Messer durch weiche Butter. Ich schubse die Menschen beiseite, die Panik gibt mir Kraft, der Wahnsinn nimmt mich gefangen. Ich denke nur noch an sie. Schritt für Schritt kämpfe ich mich durch die Leute.

Ihr Haar glitzert verführerisch im Licht, als sie vor dem Scheiterhaufen zum stehen kommt. Nur noch wenige Minuten trennen sie von der Ewigkeit. Ich schlage um mich wie ein Berserker. Nur ein Gedanke beseelt mich, nämlich der, dass sie jetzt nicht sterben wird. Dass sie es nicht darf! "Nein!"
 

Der Priester vor ihr bemerkt die Unruhe und sieht sich verärgert um. Er deutet mit dem Finger auf mich und ich erstarre, Angst durchfährt mich. Sie werden mich auch einsperren.

Aber sie blickt nicht zu mir. Geht auf den Scheiterhaufen zu, stellt sich darauf. Lässt sich anbinden. Ich stehe wie betäubt da, lasse es geschehen.
 

Ein Mann kommt mit einer Fackel. Da erwache ich wieder aus meiner Starre. Ich schreie, renne los, schubse Menschen aus meiner Bahn, komme erst vor ihr zum Stehen. Jetzt blickt sie mich an. Ein Funken der Wiedererkennung blitzt durch ihr Gesicht.
 

"Warum?", flüstere ich. Dabei weiß ich es. "Nur weil du nicht den Grafen heiraten wolltest?" Sie schweigt. Die Tränen steigen in mir hoch, ich kann sie kaum noch zurückhalten. "Darum?"

Tränenerstickt verstumme ich. Der Mann mit der Fackel kommt in Reichweite . Ich würde mich auf ihn stürzen, wenn er den Scheiterhaufen anzünden würde.
 

"Nein", flüstert sie. "Nein, es ist gut."
 

Sie blickt zum Himmel hinauf. "Der Herr will, dass ich sterbe, sonst wäre es nicht so weit gekommen. Ich bin eine Hexe." "Bist du nicht!", schreie ich. Der Platz wird still. Die Tränen kann ich nicht mehr halten. Heiß rennen sie über meine staubigen Wangen. Sie sieht mich nur traurig an.
 

"Weine nicht meinetwegen", sagt sie. "Männer weinen nicht."
 

"Ich schäme mich meiner Tränen nicht! Wenn sie dich jetzt aus dem Leben reißen, will ich es auch nicht mehr haben!" Der Mann zündet den Scheiterhaufen an.

"Bereust du deine Sünden?", fragt der Priester. "Ja", flüstert sie. Dann fällt ihr Blick auf mich. "Sag mir, dass du mich nicht geliebt hast", bittet sie mich. Ich schweige, die Tränen vermischen sich mit dem Staub auf dem Boden. "Das werde ich niemals sagen", entgegne ich ihr verzweifelt. Sie lächelt mich an, dann beginnt sie zu husten.
 

Ich halte den Anblick nicht aus. Ihr Haar beginnt zu brennen, als ich auf dem Boden zusammensacke. In mir breitet sich Verzweiflung aus, Hass, all das. Doch Minuten später wird das verschwunden sein, das weiß ich. Dann wird sich in meinem Kopf nur noch Leere befinden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück