Schweigen
Ich sitze neben dir, ziehe abwesend an meiner Zigarette, die ich mir vor einigen Minuten angezündet habe. Viel ist nicht mehr von ihr übrig, das Meiste allerdings ist von selbst verglüht, da ich im Moment einfach nur meinen Gedanken nachhänge.
Meinen Blick habe ich zum Fenster gerichtet. Draußen ist es bereits dunkel, doch das grelle Licht der Neonleuchten strahlt noch genauso unaufhörlich wie am Tag.
Die Vorhänge sind nur halb zugezogen und so kann ich genau die penetrant flackernde Leuchtreklame gegenüber deiner Wohnung sehen, die schon seit einigen Wochen kaputt zu sein scheint. Niemanden kümmert es.
Ich nehme einen weiteren tiefen Zug meiner Zigarette, genieße es den Rauch in meiner Lunge zu spüren. Doch bereits nach wenigen Augenblicken stoße ich ihn wieder aus und merze die Reste des Glimmstängels lieblos im Aschenbecher neben dem Bett aus.
Ich schließe kurz meine Augen.
Die Stille macht mich fast wahnsinnig.
„Kyo?“
Es ist nicht mehr als ein leises Hauchen, doch ich bin mir sicher, dass du es gehört hast.
„…“
Ich bekomme keine Antwort.
Ich seufze leise.
Wie immer.
Auch jetzt noch ist mein Blick nach draußen gerichtet und nur langsam kann ich mich von dem flackernden Licht lösen, welches meine Sinne bereits total benebelt hat, mich im Dunkeln kleine, flackernde Punkte sehen lässt.
Fest kneife ich meine Augen zusammen, öffne sie danach wieder und schaue neben mich - dort, wo du liegst. Ich muss mich erst wieder an die Dunkelheit gewöhnen. Neben mir ist es düster und keiner der künstlichen Lichtstrahlen dringt dorthin.
„Bist du wach?“
„…“
Meine Augen haben sich mittlerweile den Lichtverhältnissen angepasst und ich sehe zu dir, betrachte dich, wie du neben mir liegst und einfach nur vor dich hinstarrst, keine Miene verziehst oder gar Anstalten machst auf meine Frage zu reagieren.
Es ändert sich nicht.
Unsicher beiße ich mir auf die Unterlippe, drehe mich ein wenig mehr zu dir und lasse meinen sehnsüchtigen Blick über deinen Körper streifen.
Der Anblick lässt mich lächeln.
Du siehst so zerbrechlich aus.
Deine tätowierten Arme hast du eng an deinen Körper gezogen, deine schlanken Finger krallen sich in ein Stück der Decke, das du fast wie ein Kuscheltier an dich drückst.
Mein Blick wandert weiter über deinen schmalen, mit farbigen Motiven verzierten Rücken. Ich merke die leichte Gänsehaut auf ihm, greife nach der Decke und ziehe sie etwas weiter über deinen Körper.
„Ich will nicht, dass du frierst.“
Ich versuche mich zu rechtfertigen.
„…“
Keine Antwort.
Was habe ich auch erwartet?
Doch ich bemerke auf deinem Gesicht eine Veränderung. Du siehst entspannter aus. Du hast wohl wirklich gefroren.
Noch immer liegt mein Augenmerk ganz auf dir und ich betrachte dich weiter.
Deine blonden Haare sind leicht feucht, hängen dir in Strähnen ins Gesicht. Sanft streiche ich sie zurück, bemerke, wie du dabei die Augen schließt.
Du scheinst es zu genießen.
„…“
Doch wieder kommt kein Ton über deine Lippen.
Ich habe mich daran gewöhnt.
Langsam ziehe ich meine Hand wieder zurück, bette sie auf meinem Schoß und schaue wieder nach draußen. Nur kurz lasse ich mich vom farbigen Neonlicht einlullen, dann sehe ich wieder zu dir.
Ich kann mich einfach nicht von deinem Anblick losreißen.
Du hast dich neben mir eingerollt, ein ruhiger Ausdruck ziert dein Gesicht.
Mir entkommt ein leises, fast schon zufriedenes Seufzen und ich beuge mich mehr zu dir, damit ich dich noch besser betrachten kann. Ich merke, wie du mich mit deinen Augen fixierst, nur um kurz darauf wieder den Blick abzuwenden.
Ein kleines Lächeln legt sich dabei auf meine Lippen und ich hauche dir einen sanften, fast liebevollen Kuss auf die Stirn, streiche erneut durch dein weiches Haar.
Du versteifst dich.
Doch ich merke, wie du dich kurz darauf wieder entspannst, ein fast lautloses Seufzen entweicht dir.
Langsam löse ich mich von dir, bemerke, dass du deine Augen geschlossen hast.
„Ich liebe dich.“
Leise, zärtlich gehauchte Worte.
„…“
Schweigen.
Doch ein kleines, fast unwillkürliches Lächeln huscht über deine Lippen.
Mein Herz pocht wild in meiner Brust.
Es fällt mir schwer mich ganz von dir abzuwenden, doch ich tue es. Fast wie in Zeitlupe erhebe ich mich und gehe zum Fenster.
Ich spüre deinen Blick auf mir und eine Gänsehaut legt sich bei dem Gedanken, dass du mich gerade so nackt betrachtest, auf meinen Körper.
Lautlos ziehe ich die Vorhänge zu, tauche den Raum in völlige Dunkelheit.
Vorsichtig gehe ich zurück zum Bett, lasse mich neben dich sinken und ziehe mir die Decke über den Körper. Ich habe mich dabei nah an dich gelegt, will deine Wärme spüren, dich weiter betrachten, was mir ob der Dunkelheit nun schwer fällt.
Ich hauche dir einen sanften Kuss auf die vollen, noch immer leicht geschwollenen Lippen.
Keine Erwiderung.
Doch ich muss lächeln.
Dein Atem ist mittlerweile ruhig und entspannt.
Du bist eingeschlafen.
„Schlaf gut, Tooru.“
Darauf bedacht dich nicht zu wecken, lasse ich mich in mein Kissen sinken, ziehe dich noch näher zu mir und schließe die Augen.
Und es beginnt von Neuem.