Unendliche Schmerzen
„Nami, aufwachen. Wir sind da.“ Etwas, oder besser gesagt, jemand rüttelte sie sanft am Arm, worauf Nami langsam und verschlafen die Augen öffnete. „Hä?“, war alles was sie heraus brachte, während sie sich wieder gerade hinsetzte. Sie hatte nämlich ziemlich schief auf ihrem Sitz im Flugzeug geschlafen.
„In einer halben Stunde landen wir in LA und ich würde dir raten deine Haare nochmal zu kämmen und dein Make-up aufzufrischen. Du möchtest doch so nicht von Reportern überrascht werden, oder?“, erklärte Robin lächelnd. Sie saß neben ihr und war es auch, die sie geweckt hatte.
„Hhm, nicht wirklich.“ Mit diesen Worten stand sie dann auf und streckte sich erst mal, ehe sie ihre Tasche holte. Mit dieser in der Hand ging sie dann schnell auf die Flugzeug-Toilette ihres Privatjets.
Dort angekommen begutachtete Nami sich erst einmal richtig im Spiegel. Also normal war was anderes. Ihre Haut war extrem blass und unter ihren Augen waren tiefe Ringe zu sehen, während ihre Haare in alle Richtungen abstanden. „Oh mein Gott…“, murmelte sie nur fassungslos. Dann schnappte sie sich aus ihrer Tasche ihren Kosmetikbeutle und machte sich daran wieder wie ein Mensch auszusehen.
Wieso hatte sie auch nur so wenig Schlaf bekommen? Nami hatte bestimmt nicht einmal vier Stunden in der Nacht schlafen können. Und wieso? Wegen diesen zwei Idioten von gestern Abend. Sie hatte sich noch lange über die beiden aufgeregt gehabt. Und dann wurde sie auch noch von schlimmen Alpträumen geplagt.
Ganz ehrlich, in diesem Augenblick hatte sie keine Ahnung, wie sie den heutigen Tag überstehen sollte. Am liebsten würde sie einfach nach Hause in ihr großes Apartment gehen und schlafen. Mehr nicht.
Aber wie sie schon von Robin erfahren hatte, als sie zum Flughafen gefahren waren, konnte sie sich das erstmal abschminken. Nach dem Landen ging es sofort zum Chef der Plattenfirma, wo sie unter Vertrag stand. Und die Sängerin wusste, was ihr dort blühte…
Anschließend musste sie an ihrem Album weiter arbeiten, welches noch vor der Tournee in zwei Wochen fertig sein musste. Zum Abschluss dieses Tages war dann noch ein Essen in einem neuen Restaurant geplant. Sie, als großer Star, sollte es einweihen und dann verkünden, wie fantastisch das Essen dort war. Alles gegen genügend Geld, versteht sich.
Sie seufzte, als ihr der bevorstehende Tag bewusst wurde. Wieso könnte sie auch nicht einmal machen, was sie wollte? War das wirklich zu viel verlangt?
Nach zwanzig Minuten kam Nami wieder aus der Toilette, nun mit frischen Klamotten und wieder „hübsch“. Doch die Müdigkeit war ihr immer noch anzusehen.
„Sag mal, wie lange warst du gestern eigentlich noch wach? Heute Morgen habe ich dich ja kaum wach bekommen. Und kaum sitzen wir im Flugzeug schläfst du ein.“, fragte deshalb ihre Managerin sofort, doch wie immer hob sie ihren Blick nicht von ihrem Buch. In diesem Fall war es ihr Terminkalender, wo Namis gesamte Termine eingetragen waren.
„Frag nicht.“, war alles was sie antwortete und stöhnte. Dann nahm sie sich eine Zeitschrift aus ihrer Tasche und blätterte gelangweilt darin. Keiner dieser Artikel interessierte sie wirklich. Sie waren alle gleich. Irgendein Getratsche über irgendeinen Promi. Sie hasste das, diese Hetzerei.
Doch dann blieb ihr Blick doch an einem Artikel hängen. Die Überschrift lautete: „WIRD DIE KAISERIN DES GESANGS VON IHREM TRHON GESTOSSEN?“ Darunter war ein Bild von einer schwarzhaarigen Frau, die so etwa um die Dreißig war, abgebildet. „Sag mal, Robin, ist das etwa DIE Boa Hancock. Die Sängerin die schon seit Jahren immer an der Spitze ist? Ich hab nämlich noch nie ein Bild von ihr gesehen.“, wollte sie daraufhin von ihrer Managerin wissen, die nun endlich von ihrem Buch, ja mittlerweile war es ein Roman, aufblickte und auf die Zeitschrift schaute.
„Ja, das ist sie. Diese Zeitschrift hat es nämlich als erste geschafft, ein Bild von ihr abdrucken zu dürfen.“, war alles was sie antwortete.
„Wow, also die Gerüchte stimmen. Sie ist wirklich umwerfend hübsch. Aber sie schaut ja mal total hochnäsig.“, meinte Nami naserümpfend, während sie sich den Text durchlas.
Mit Erstaunen stellte sie fest, dass er auch um sie selbst ging. Anscheinend war sie, Nami, dabei Hancock von ihrem Thron zu vertreiben. Auch wenn sie eigentlich keine Ahnung davon hatte. Doch Hancock sei außer sich, so hieß es, und ziehe die ganze Zeit über Nami und ihre Unfähigkeit, Talentlosigkeit und Unerfahrenheit her. Eine Unverschämtheit! Wie konnte sie es wagen so was zu behaupten?! Immerhin war sie die erfolgreichste Sängerin des letzten Jahres gewesen! Und so was erreichte man nicht mit Unfähigkeit oder sonst was!
Pah! Dieser Schnepfe würde sie es noch beweisen. Wenn sie erstmal auf Tour war, würde sie alles geben und die angebliche Kaiserin des Gesangs vertreiben! So viel stand fest!
„KANNST DU MIT MAL ERKLÄREN, WIESO DU KEIN KONZERT GEGEBEN HAST?! IMMERHIN HAST DU EINEN VERTRAG UND DU WEISST WAS PASSIERT, WENN DU DICH NICHT DARAN HÄLST!“ Arlong war außer sich und schrie ohne Punkt und Komma Nami an. Diese stand nur versteinert da, während sie mit Mühe die Tränen zurück hielt. Oh ja, sie wusste, was passierte, wenn sie etwas tat, was sie nicht durfte. Und das konnte einfach nicht passieren. Nicht jetzt.
Also sagte sie nichts und hoffte, Arlong, der Boss der Plattenfirma, würde es heute bei Geschrei belassen. Sie war jetzt einfach nicht stark genug für mehr. Doch wann bitte wurden ihre Wünsche schon erhört?
„HALLO? ANTWORTE MIR GEFÄLLIGST, DU MISTSTÜCK!“, befahl er und schaute sie zornig an. Sie hingegen biss sich auf die Lippe und schluckte. Würde sie jetzt den Mund aufmachen, würde sie die Tränen nicht zurück halten können. Also schwieg sie und schaute weiterhin auf den Boden. KLATSCH!. Ein lauter „Knall“ ertönte und Nami hob zitternd ihre Hand zu ihrer nun roten Wange.
Die salzigen Tropfen suchten sich währenddessen den Weg aus ihren Augen und liefen in Bahnen ihre Wangen herab. „HAST DU NICHT GEHÖRT? ANTWORTE AUF MEINE FRAGE!“, wiederholte er sich schreiend und sie fing schrecklich an zu zittern. „Ich- äh, ich k-konnte… nichts d-dafür. Die Halle… s-sie ist…d-da ist ein F-Feuer ausgebrochen. E-ein U-unfall…“, brachte sie schließlich schluchzend und mit leiser Stimme hervor.
„Ein Unfall? Und du denkst, ich glaube so ein Schwachsinn? Du hast es am Ende vermutlich selbst gelegt! Weil du dir zu fein dafür warst, aufzutreten. Aber du weißt, du kleines Miststück, dass das Konsequenzen haben wird, oder?“, fragte er Nami eindringlich, endlich wieder mit ruhiger Stimme und mit einem wiederwertigen Blick. Sie schaute ihn angsterfüllt an. Er würde nun doch nicht-nein, er durfte nicht!
„Oh, doch. Genau das wird jetzt passieren.“, lachte er schmierig, als hätte er ihre Gedanken gelesen und packte sie grob am Arm. Ihre Augen weiteten sich vor Angst, während er sie unsanft auf das Sofa in einer Ecke des Büros warf. Dann ging er zur Tür und schloss sie ab. „Nein- b-bitte nicht.“, wimmerte sie unter Tränen, doch es hatte keinen Sinn.
Er lachte nur verächtlich und kam wieder auf sie zu, während er sein Hemd aufknöpfte. „Ach, meine liebe, süße Nami, du willst das doch auch. Sonst hättest du ja gestern wie abgemacht dein Konzert gehalten.“, meinte er nur eklig grinsend. Anschließend beugte er sich über sie und drückte sie unsanft in das Sofa.
Irgendwann ließ er endlich von ihr ab, nachdem er ihr noch eine Ohrfeige gegeben hatte. Sie solle aufhören zu weinen und sich anziehen, so Arlong völlig genervt. Schnell tat sie wie ihr geheißen und versuchte mit all ihren Kräften die Tränen zu unterdrücken. Irgendwie gelang ihr dies und sie wischte sich die nassen Spuren vom Gesicht.
Als Arlong wieder komplett angezogen war schloss er die Tür auf und meinte nur noch: „Du weißt was passiert, wenn du jemandem was sagst?“ Sie nickte. „Und du weißt, was passiert, wenn du dich wieder schlecht benimmst?“ Wieder ein Nicken ihrerseits. „Gut. Und nun geh, Nami. Du hast gleich noch an deinem Album zu arbeiten.“, lachte er zum Abschluss schmierig und sie tat alles daran schnell weg zu kommen.
Wie jedes fragte sie sich, wieso denn niemand was merkte. Wieso niemand kam und sie rettete. Denn ein einziger Mensch musste das doch hören. Doch durch die dicken Wände würden ihre Schmerzen wohl niemals die Außenwelt erreichen. Und mit diesem Gedanken fing sie wieder an zu weinen.
Und der Frage, wann denn endlich ein Prinz kommen und sie retten würde!