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Pirates

von

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- Dreizack -

Ferne Stimmen ertönten und Killian und Isabela schwammen direkt in ihre Richtung. Nun war es jedoch zu spät, um den Schwanz einzuziehen und sich aus dem Staub zu machen. Entweder sie schnappten sich den Dreizack oder sie würden auffliegen.

Hook schien ihrer Meinung zu sein, denn auch er zögerte nicht. Er schwamm hinter ihr durch die verlassenen Gänge des Unterwasserpalasts, dessen Wände regelmäßig von unterschiedlich großen Öffnungen unterbrochen wurden. Sie gaben Sicht auf die muschelartigen Häuser, auf das kleine Königreich und den bunten Ozeanfischen, die ziellos umherglitten.

Isabela hatte nur einen unwirschen Blick für sie übrig, denn ihre Konzentration galt nur den anschwellenden Stimmen. Sie klangen klar und melodisch, abgesehen von der einzig tiefen, die ein Beben durch das Wasser schickte. Sie war wie ein Donnerschlag, der bei Isabela für eine Gänsehaut sorgte.

Noch bevor sie den Thronsaal erreicht hatten, wusste Isabela bereits, wem sie gehörte. Das Temperament von Triton, dem König der Meermenschen, war ein geläufiges Gerücht, das man in jeder Taverne unter den Seemännern mit etwas Rum in Erfahrung bringen konnte. Dabei stritten sie im nüchternen Zustand oft die Existenz des Meermenschennests ab. Isabela lebte noch nicht allzu lange in dieser zuckersüßen Welt mit ihrem Gesülze über die wahre Liebe und dem Guten, das stets über dem Bösen triumphierte, und wusste dennoch, dass es das Nest gab, während andere ihr ganzes Leben von Reichtümern und Abenteuern träumten ohne sie sich zu holen. Armselig.

Isabela stoppte ihre Schwimmbewegungen und sank lautlos auf den sandigen Boden, um am Ende des Ganges zu hocken, der in der riesigen Halle mündete. Auch Hook hielt inne und spähte stattdessen über ihre Schulter in den offenen Raum hinein. Säulen mit verschnörkelten Mustern stützten die hohe Decke und Korallen zierten die Ecken und Wänden und verliehen dem riesigen Zimmer Farbe und Leben mit ihren tänzerischen Bewegungen.

Drei Meermenschen befanden sich in ihm und debattierten miteinander. Obwohl Isabela nicht behaupten konnte, besonders viel Zeit in der Gegenwart der Reichen und Schönen verbracht zu haben, verstand sie sofort das Schauspiel, das sich vor ihren Augen abspielte.

„Sie haben deinen Werwolf“, murmelte Hook links von ihrem Ohr.

„Ich habe keine Tomaten auf den Augen, Darling“, flüsterte Isabela.

Rudolphus war nun wirklich unverkennbar, allein an seinem kräftigen Körperbau und seinem grimmigen Gesicht – vor allem jedoch seine zwei Beine ließen ihn unter diesen ollen Fischmenschen hervorstehen. Zwei von diesen zu groß geratenen Fischen hatten ihn in Gewahrsam genommen und mit ihren Speeren auf die Knie gezwungen. Mit gesenktem Kopf und angespannten Schultern, unter seinem nassen und hautengen T-Shirt deutlich sichtbar, kniete er vor Triton.

Die glänzende Krone aus purem Gold hatte Isabelas Aufmerksamkeit als erstes auf sich gezogen und tat es noch immer. Sie saß auf weißgrauem Haar, die dem König in leichten Wellen bis zu den Schultern hinunterreichten und sich kaum von den ebenso langen Barthaaren unterschieden. Der nackte Oberkörper des Meermannes war trotz seines reifen Alters muskulös und seine Schwanzflossen hatten dasselbe Blau wie seine Augen, in denen ein zorniges Funkeln lag.

„Wie hat er es hierher geschafft!?“, donnerte Triton, der sich ruckartig von seinem Thron abstieß und ein paar Meter auf seine Untertanen und seinen Gefangenen zuschwamm. „Wie bist du hierher gelangt? Und wie atmest du, Mensch? Da steckt Magie dahinter!“, brüllte er Rudolphus an, anstatt auf eine Erklärung seiner Wachen zu warten.

Ihre ängstlichen Gesichter sagten Isabela jedoch, dass sie keine Ahnung hatten. Das war gut. Vielleicht wusste noch niemand, dass Rudolphus nicht allein in das Nest eingedrungen war. Rudolphus gab keinen Mucks von sich, aber darum machte sich Isabela ohnehin keine Sorgen. Er hasste Autoritätspersonen und führte Befehle ohnehin nur nach seinem eigenen Ermessen aus, wenn er es überhaupt tat.

„Er wird uns nicht verraten“, wisperte Isabela in Hocks Richtung und sah aus den Augenwinkeln, wie er den Kopf zu ihr drehte.

„Aus Loyalität?“

Isabela musste ein belustigtes Schnauben unterdrücken. „Sturheit“, korrigierte sie und Hook zuckte mit den Schultern. Offenbar war ihm der Grund für Rudolphus’ Schweigsamkeit genauso egal wie Isabela, solange er weiterhin den Mund halten würde.

„Du willst nicht sprechen?“, fuhr Triton ihn an und kam ein weiteres Stück auf den Wolf zu, der desinteressiert den Blick hob. Beinahe so, als hätte er einen Todeswunsch, aber vielleicht lag Isabela damit gar nicht so falsch. Immerhin wusste sie rein gar nicht über seine Vergangenheit. Aber viel wichtiger, beherrschten Meermenschen die Kunst der Folter? Wenn ja, wie viel konnte Rudolphus wegstecken, bis ihm doch etwas herausrutschte? Und obwohl Isabela bezweifelte, dass sie ihn so einfach brechen konnten, wollte sie es eigentlich auch nicht herausfinden.

Sie stieß Hook den Ellenbogen in die Magengrube und deutete zum verlassenen Thron hinüber, der sich nicht unweit von ihnen befand. An seiner Seite lehnte der Dreizack und schimmerte in seinem ganz eigenen magischen Licht, fast so wie das Gestein der Palastwände. „Das ist unsere Chance!“

Hook hob die Brauen. „Willst du Rudolphus nicht retten? Ich hatte den Eindruck, dass ihr ein eingespieltes Team seid. Irgendwie zumindest.“ Ein neckendes Grinsen schaffte es trotz ihrer Lage auf seine Lippen, das Isabela ihm am liebsten mit ihrer Faust weggewischt hätte.

„Wie soll ich ihn retten, wenn mich dieser Königsfisch jede Sekunde mit seinem Dreizack in eine Mikrobe verwandeln kann? Erst der Dreizack, dann Rudolphus.“ Vielleicht war Rudolphus danach an der Reihe. Sie war sich noch nicht sicher, aber das musste Hook nicht unbedingt wissen.

„Okay“, erwiderte Hook. „Soll mir recht sein.“

Ihre Blicke richteten sich wieder in den Thronsaal hinein. Eine Säule trennte sie von dem Thron und dem Dreizack. Isabela packte Hook am Arm und zog ihn zu sich heran, bis ihre Lippen sein Ohr streiften. „Du wartest hier. Ich schnappe mir den Dreizack und schleich mich hierher zurück.“

„Ich komme mit dir“, antwortete er und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er vertraute ihr nicht, wurde Isabela klar. Diese Erkenntnis brachte sie zum Schmunzeln. Hook besaß einen gesunden Menschenverstand, das musste sie ihm lassen. Ihr zu vertrauen, wäre dumm gewesen. Letzten Endes stellte es keinen Unterschied dar, was für ein gutes Team sie abgaben oder nicht, denn nur einer von ihnen konnte der Königin den Dreizack überbringen und seine Abmachung erfüllt bekommen. Ansonsten hätte sich diese Regina nicht die Mühe gemacht, Hook und Isabela getrennt voneinander loszuschicken. Es gab keine Extrawünsche, dessen war sich Isabela bewusst.

„Du bewegst dich wie ein schusseliger Templer in einem Porzellangeschäft, Schätzchen“, fasste Isabela den Grund zusammen, weshalb Hook sie nicht begleiten konnte. „Aber wenn du dich erwischen lassen willst... bitte, schnapp ihn dir, Mabari.“

Eine Mischung aus Wut und Verwirrung zeichnete sich auf Hooks Gesicht ab. „Templer? Mabari? Du sprichst in Rätseln, Isabela!“

Doch sie hielt sich nicht mit sinnlosen Erklärungen auf, sondern erhob sich aus ihrer knienden Haltung. Das Wasser ließ jede Bewegung federleicht und um ein Vielfaches eleganter wirken. Es blieb nur zu hoffen, dass es ihre Schleichfähigkeiten nicht einschränkte und sich letztendlich als Hindernis herausstellte. „Ich zeige dir, was ich meine“, flüsterte Isabela und presste nasse Lippen auf seine ebenso nasse Wange.

Bevor Hook nach ihrem Handgelenk greifen konnte, entzog Isabela sich ihm bereits. Ihre Schritte waren stets lautlos, unter Wasser sogar ganz ohne ihr zutun. Doch sie musste aufpassen, dass sie das Wasser nicht aufwühlte und somit die Aufmerksamkeit der sich streitenden Meermenschen auf sich zog.

Sie glitt von ihrem gemeinsamen Versteck zur Säule hinüber. Ihr Gestein war rau unter Isabelas Fingerspitzen. Sie presste ihren Körper eng gegen sie, ehe sie sich langsam an ihr entlang schob. So auffällig sie sein konnte, hatte sie in all ihren Jahren auf See die Kunst des Unscheinbarseins perfektioniert. Mit kleinen Taschendiebstählen hatte sie damals angefangen und sich zu den richtigen Reichtümern hochgearbeitet – und nun war sie hier und kurz davor einem König etwas vor der Nase zu klauen.

Ihre Mundwinkel zuckten in die Höhe, als sie in einem unachtsamen Moment zum Thron schwamm und hinter dem massigen Ornament in Deckung ging. Ihre Finger streckten sich nach ihm aus und sie berührte das Silber. Aus der Ferne hatte es wie mehr von dem Gestein gewirkt, aber beim Genaueren hinsehen war der Thron glatter und glänzender. Wie hatten sie Silber hier hinunterbekommen und diesen Thron daraus angefertigt? Steckte da Magie dahinter? Oder ein längst verdrängter Handel mit den Menschen? Gab es einst doch einmal Kontakt zwischen den zwei Völkern?

Nein! Sie durfte sich nicht davon ablenken lassen.

Ihre Augen kehrten zu dem Dreizack zurück, der nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war.

Bevor sich Isabelas Finger um den langen Griff des Dreizacks schließen konnten, erfüllte eine helle Stimme den Raum. „Vater!“ Ariel kam schnell wie ein Blitz in die Halle geschwommen, ihre Augen verengt, obwohl ihre zusammengezogenen Augenbrauen eher Besorgnis als Wut ausdrückten. „Er hat nichts gemacht. Er ist unschuldig.“

In den Schatten verharrend beobachtete Isabela das Geschehen, während auch Hook sich etwas zurückzog, um nicht bei Versehen entdeckt zu werden.

Tritons Blick gehörte jedoch ganz allein seiner Tochter und seine Hände ballten sich zu Fäusten. „D-Du kennst ihn!?“, bellte er. „Sag mir, dass du ihm nicht geholfen hast, den Weg ins Nest zu finden!“

Die Wachen zuckten zusammen und Rudolphus drehte den Kopf zur Seite, um Ariel zumindest aus den Augenwinkeln mustern zu können. Seine Gesichtsmuskeln lockerten sich und für einen kurzen Moment öffnete sich sein Mund, als wollte er etwas sagen, tat es jedoch nicht.

Ariel straffte die Schultern, als sie vor Rudolphus, den Wachen und ihrem Vater auf der Stelle schwamm. „Er... er war am Ertrinken, Daddy“, entrann es ihr und ihre Stimme wackelte nur für den Bruchteil einer Sekunde. Würde Triton die Zornesröte nicht ins Gesicht steigen, wäre es ihm womöglich aufgefallen.

„Du warst schon wieder an der Oberfläche?“, brüllte er. „Wie oft soll ich es dir noch sagen, dass du dich unter keinen Umständen den Menschen annähern sollst? Sie sind machtbesessen und zerstören alles, was sie anfassen!“

„Das glaube ich nicht“, konterte Ariel und auch ihre Hände formten sich zu Fäusten, die Arme stramm an ihren Seiten herunterhängend. „Wie können sie schlecht sein, wenn sie ihr Leben riskieren, um einen Freund zu retten?“

Ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht, doch... Isabela kannte sich damit aus. Man steckte es weg und machte weiter. Ihre Finger schlangen sich um den Dreizack, um ihn in Zeitlupe zu sich heranzuziehen, weiter und weiter aus dem Sichtfeld der Anwesenden.

„Und wo sind diese Leute, die ihn retten?“, donnerte Triton und Ariel biss sich auf die Unterlippe.

„Sie...“, begann sie, beendete ihren Satz nicht, obwohl Isabela für einen Moment in der Vorstellung, dass Ariel sie verraten würde, erstarrte. Das war nicht der richtige Augenblick für die nackte Wahrheit, nicht mit Hook im Gang und Isabela hinter dem Thron. Triton brauchte sich nur nach dem Dreizack umzudrehen, um...

Isabela schüttelte den Gedanken ab und presste den Dreizack stattdessen dicht an ihren Körper, um ihn von fremden Augen zu verdecken.

„Ich kann nicht glauben, dass du schon wieder gegen die Regeln verstoßen hast“, fuhr Triton fort, als Ariel nicht weitersprach. „Und dann bringst du auch noch einen Menschen zu uns, obwohl du weißt wie gefährlich sie sind. Dass sie schon seit Anbeginn der Zeit hinter unserer Magie her sind und alles tun, um sie zu bekommen.“ Er schüttelte den Kopf und fuhr sich mit einer Hand resigniert über das Gesicht, während Isabela ungesehen zur Säule zurückhuschte, das Wasser still und bewegungslos.

Ariel bewegte sich in die Richtung ihres Vaters, hielt jedoch inne, als er die Hand sinken ließ. „Geh in deine Kammer und bleib dort, während ich... mich um diesen Menschen kümmere.“ Seine Stimme war fest und kälter als Eis.

„Aber Daddy, er ist...“

„Ich will kein Wort mehr hören!“, unterbrach er sie und Ariel zuckte zurück.

Isabela beobachtete es, bevor sie zu Hook um die Ecke schlich und somit aus dem Thronsaal hinaus.

Sogleich wurde sie von Hook an den Schultern gepackt und an die Wand gepresst, dessen Unebenheit sich in ihren Rücken presste. „Wurdest du gesehen?“

„Glaubst du, dass wir dann noch hier stehen würden, Darling?“, erwiderte sie und grinste. Der Dreizack befand sich wie ein weiterer Liebhaber zwischen ihnen, als sie sich anstarrten. Ihre Blicke hielten einander, bevor Hook sich vorlehnte und sein Mund mit ihrem kollidierte. In dem Kuss lag keinerlei Sanftheit, aber eine Wildheit, angespornt von diesem Abenteuer und dem Gefühl des Sieges.
 


 


 

Das hier war mehr, mehr als nur bloße Rache. Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit fühlte sich Killian wirklich lebendig. Der Kuss schmeckte nach Salz und den Algen, die sich noch immer in ihren Mündern befanden und ihnen das Atmen erlaubten.

Isabelas Hand an seinem Brustkorb schob Killian letztendlich weg und brach die Verbindung ihrer Lippen. Killian öffnete die Augen, während die laute Unterhaltung von Triton und Ariel wieder zu ihm vordrang.

„Ich würde das ja gern fortsetzen, aber ausnahmsweise bin ich nicht an Zuschauern interessiert, Darling“, säuselte die Piratin, aber die Erwiderung blieb Killian im Hals stecken, als die Stimme Tritons durch die Halle dröhnte.

„Bringt ihn weg, bis ich entschieden habe, was ich mit ihm mache.“

„Aber Daddy—“

„Kein Wort mehr Ariel!“

Sie mussten hier weg. Das war weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt, um nun leichtsinnig zu werden und sich zu etwas Dummen hinreißen zu lassen. Dieses Mal packte Killian Isabela am Handgelenk und zog sie den Gang hinunter.

„Lass uns durch eine der Öffnungen schwimmen und hier verschwinden“, schlug Isabela vor, doch Killian schüttelte den Kopf. „Was, entwickelst du dich nun, da wir den Dreizack haben, zum Angsthasen, Hook?“ Sie schnaubte, was unter Wasser einem Blubbern gleichkam.

Killian ließ sich nicht davon beirren, sondern zerrte sie weiter, den gesamten Weg zu einer Nische, die ihre Anwesenheit auf den ersten Blick vorerst verbarg. Seine Hand wanderte von ihrem Unterarm zur Ellenbeuge hinauf, sein Griff fest. Es verschaffte ihm Isabelas komplette Aufmerksamkeit, obwohl noch immer stille Belustigung in ihren dunklen Augen schwamm. Obendrein nahm er ebenso die Wachsamkeit in ihrer Haltung wahr. Sie lauerte dicht unter der Oberfläche und machte sie zu der Kämpferin, die sie war. Isabela war ein Raubtier, dessen Überleben an erster Stelle stand – und Killians Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt behaupten, dass du einen deiner eigenen Männer zurücklassen willst, Isabela.“

„Und das ist ein Problem, weil...?“, fragte sie. Ihre Finger waren noch immer um den Dreizack geschlossen. Sie würde ihn auch zukünftig keine Sekunde aus den Augen lassen. Eine Auseinandersetzung war unausweichlich, denn Killian würde Regina den Dreizack übergeben. Aber dieser Kampf musste warten. Das würde nur unnötig die Aufmerksamkeit auf sie ziehen. Es war ohnehin ein Wunder, dass der fehlende Dreizack noch nicht entdeckt worden ist.

„Wenn wir Rudolphus zurücklassen, wird er irgendwann etwas verraten“, entwich es Killian, als er Isabela trotz der Eile einen Moment langer zurückhielt. „Du verschwindest vielleicht in deine Welt, aber mein Ruf eilt mir hier voraus. Außerdem ist das Meervolk laut den Legenden nicht für ihr Vergessen und Vergeben bekannt.“

„Rede weiter und es werden ganz andere Gerüchte in Umlauf geraten“, erwiderte Isabela und riss ihren Arm los. „Nämlich, dass der böse Hook in Wirklichkeit Angst vor seinem eigenen Schatten hat und sich nur hinter seiner Piratenmaske und seinem Haken versteckt.“ Ein spöttisches Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen und Killian wollte es ihr am liebsten mit dem Handrücken aus dem Gesicht schlagen.

Bevor er seine Hand heben konnte, ertönten erneute Stimmen. Sie ließen sowohl Killian als auch Isabela einfrieren, die sich dicht aneinander in die Nische drängten, den Dreizack mit ihren Körpern abschirmend.

Killian hielt den Atem an und sein Herz pochte spürbar hinter seinem Brustkorb, als die Stimmen anschwollen. Er war ein Idiot. Er hatte sich von Isabela fast provozieren lassen, dabei wartete sie doch nur auf eine Gelegenheit, um ihn loszuwerden, auf einen Fehler seinerseits.

Die Wachen aus dem Thronsaal schwammen vorbei, vor ihnen Rudolphus, auf den noch immer die Speere zeigten. Wieso wehrte er sich nicht und versuchte sich zu befreien? Ließ er sich freiwillig abführen? Warum? War es aus einer merkwürdigen Loyalität zu Isabela, obwohl sie ihn ohne Bedenken den Haien zum Fraß vorwarf, sobald sie keinen Nutzen mehr aus ihm ziehen konnte?

Er drehte den Kopf in Isabelas Richtung, als ihre Stimmen verklangen. „Selbst als Pirat besitze ich noch einen gewissen Ehrenkodex.“ Mit diesen Worten schaute er um die Ecke und begann hinter ihnen herzuschwimmen. Killian riskierte sein Leben nur für zwei Dinge, Liebe und Rache. Die Rettung seines momentan Verbündenden schob er auf einen verquerten Akt der Rache, um sich selbst zu beweisen, dass nicht ganz so abgestumpft wie Rumpelstilskin war, welcher der Frau, die er angeblich geliebt hatte, aus Rache das Herz aus der Brust gerissen hatte.

Die Erinnerung an Milah sorgte für einen Stich im Herzen, doch Killian ignorierte ihn. Er würde diesen Rudolphus befreien und anschließend mit der Hilfe des Wolfs zu Isabela aufholen, um sich den Dreizack zu erkämpfen. Selbst der Werwolf musste einsehen, dass seine Loyalität der falschen Person gehörte, ihn davon zu überzeugen wäre nach der Rettung ein Kinderspiel.

Die Wachen schwammen mit Rudolphus durch etliche Gänge, die tiefer ins Innere des Palastes führten, weg von den Öffnungen in den Wänden, die ihnen jederzeit als Tore in die Freiheit gedient hätten. Zudem bewegten sie sich stetig tiefer, bis sie eine Kammer erreichten, die Ariels ähnelte.

Anstatt den Wachen hineinzufolgen, versteckte er sich hinter riesigen Korallen, die in der Form eines kleinen Waldes mitten im Gang standen, stumm und starr. Er duckte sich hinter ihnen und spähte um sie herum. Die Unterhaltung ließ sich nicht verfolgen, aber dass er sie hörte sagte Killian, dass sein Instinkt ihn nicht getäuscht hatte. Da vorn befand sich der sogenannte Kerker, was bedeutete, dass die Wachen hier entlang zurückkommen würden. Sein Versteck war nicht perfekt, aber die Korallen verbargen ihn mindestens genauso gut, wie die kleine Nische es getan hatte. Außerdem gingen sie noch nicht davon aus, dass sich mehr als ein Eindringling im Palast befand, was Killian nur in die Hände spielte.

Er wartete und wartete. Isabela war mit dem Dreizack garantiert schon über alle Berge. Hoffentlich hatte er sich in seinem Plan nicht geirrt, aber mit Rudolphus’ Sinne sollte es eigentlich einfach sein, Isabela wieder aufzuspüren.

Seine Gedanken wurden je unterbrochen, als sie Wachen die muschelartige Tür der Kammer zuschoben und in Killians Richtung schwammen. Er duckte sich hinter die Korallen und zog den Kopf ein, bis sie an ihm vorbei waren.

Erst als er sicher war, dass sie weit genug weg waren, bewegte er sich auf die Gefängniskammer zu. Seine Augen zuckten hin und her, aber es gab keinen Öffnungsmechanismus. Killian presste seine Finger in den winzigen Hohlraum zwischen der Muschel und dem Gestein, um sie aufzuziehen. Er zog und zerrte an der Tür, aber sie bewegte sich kein Stück. Machte er irgendetwas falsch? Bei den Wachen hatte es furchtbar einfach ausgesehen. Was hatten sie gemacht, damit sich die Kammer öffnete? Sie waren vor ihr zum Stehen gekommen und... einer von ihnen hatte die Hand nach der Muschel ausgestreckt. Und dann? Sein Körper hatte Killian die Sicht versperrt. Es musste einen Mechanismus geben, so viel stand jedoch fest.

Er presste seine Handfläche gegen die Muschel und spürte die Härte unter seinen rauen Fingern. Auch hier war Magie im Spiel, die Magie der Meermenschen, mit der sich niemand anderes auskannte. Ein frustrierter Laut entkam Killians Lippen, als seine Hand an der riesigen Muschel herabsank. Er war begleitet von einem winzigen Beben, ehe die Muscheltür sich aufklappte.

Killian zuckte zurück, um nicht getroffen zu werden, während er mit zusammengezogenen Augenbrauen den geöffneten Durchgang betrachtete. Warum hatte er sich geöffnet? War es die Berührung gewesen? Egal. Es spielte keine Rolle. Die Tür hatte sich geöffnet und das war das einzige, was zählte.

Killian schwamm in die Kammer hinein, die groß war, größer als nur für eine Person. Fast rechnete er damit, dass die Muscheltür sich hinter ihm wieder schloss, aber sie blieb offen stehen. Sie musste geschlossen werden, so hatten es jedenfalls die Wachen getan.

Auch hier erleuchtete das Gestein den Innenraum und einfache Säulen ohne jegliche Verzierungen stützten die Decke. Rudolphus saß in der Ecke auf einer Steinbank, die aus der Wand herausragte. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er Killian anschaute, weder spiegelte sich in ihm Überraschung ab, noch Erleichterung. Wenn Killian es nicht besser gewusst hätte, hätte er glatt behauptet, dass sich Rudolphus mit seinem Schicksal abgefunden hatte. Wollte er sterben?

„Auf was wartest du? Lass uns gehen“, entwich es Killian, als der Wolf bewegungslos sitzen blieb, die Unterarme auf den Oberschenkeln gebettet.

„Jemand ist auf dem Weg hierher“, brummte dieser.

Es dauerte einige Momente, bis Killian diese Worte einordnen konnte und er fuhr herum. Der Gang, durch den er gekommen war, war verlassen. „Bist du sicher?“

„Werwolfsinne“, erwiderte Rudolphus. „Sie funktionieren zum gewissen Teil selbst hier unten.“

Killian biss die Zähne aufeinander, das Kraut halb dazwischen und halb in seiner Wange. Verdammt. Er schwamm zur Tür zurück und zog sie von innen zu, sich selbst mit Rudolphus einsperrend. Vielleicht hätte er nicht für ihn zurückkommen sollen, andererseits war es dafür nun zu spät. Seine einzige Möglichkeit bestand darin, die Wache, die durch die Tür trat, zu überwältigen und dann mit Rudolphus zu flüchten.

„Kommst du mit mir?“, fragte er an den Werwolf gerichtet, der den Kopf schräg legte.

„Wenn ich glaube, dass wir eine Chance des Verschwindens haben.“

Killian machte sich erst gar nicht die Mühe darüber nachzudenken, was diese Aussage bedeuten sollte, sondern zog stattdessen das Schwert aus der Scheide an seiner Hüfte. Nun würde sich herausstellen, wie hilfreich es in einem Kampf unter Wasser war. Sich links von der Öffnung zur Kammer an das Gestein pressend wartete Killian ab. Sein Blick ruhte auf Rudolphus, der ins Leere starrte, als er den Geräuschen und Schwingungen im Wasser lauschte. War er in der Lage die Bewegungen im Wasser wahrzunehmen? War sein Gehör wirklich so feinfühlig?

Etwas zuckte über Rudolphus’ Gesicht, zu kurz, als dass Killian die Emotion deuten konnte. Irritation? Verwirrung? Es war mehr, als Rudolphus ihm bei seinem Auftauchen entgegengebracht hatte, aber... wahrscheinlich hatte er da längst gewusst, dass irgendjemand vor der Tür stand.

Ein Nicken seinerseits folgte – und Killian wusste – wusste! – dass das der entscheidende Moment war. Der sandige Boden unter seinen Stiefeln erzitterte und die Muscheltür schwang erneut auf.

Killians Griff um sein Schwert festigte sich, doch das ruckartige Aufstehen von Rudolphus lenkte ihn ab. Was zum Teufel? Er brach den Angriff ab, bevor er begonnen hatte, als er Isabela erkannte, die durch die Öffnung geschwommen kam. In ihrer Hand trug sie noch immer den Dreizack und auf ihren Lippen lag das altbekannte Schmunzeln. „Wen habt ihr erwartet? Die Wachen?“

„So etwas in der Art“, erwiderte Killian und ließ das Schwert sinken. „Was machst du hier? Sagtest du nicht—“

„Sagte was, Hook?“, fuhr Isabela ihm über den Mund. „Dass ich meine Kameraden nicht einfach so im Stich lasse? Natürlich sagte ich das, was denn sonst?“ Ihre dunklen Augen huschten zu Rudolphus hinüber, der wie angewurzelt dastand, nicht ganz sicher, was er mit sich selbst anfangen sollte. „Können wir dann los? Immerhin sind wir wegen dem Dreizack hier und den haben wir nun.“

Killians Mundwinkel zuckten in die Höhe. Isabela war tatsächlich zurückkehrt. Wer hätte das gedacht? „Lasst uns gehen.“ Er winkte Rudolphus mit einer Handbewegung zu ihnen herüber, bevor er die Führung ergriff und der Gefängniskammer den Rücken kehrte. Isabela folgte ihm und auch Rudolphus setzte sich endlich in Bewegung – und mit einem Blick über die Schulter meinte Killian sogar zu bemerken, dass sich die sonst so steifen Gesichtsmuskeln des Wolfs allmählich lockerten.

„Was macht ihr da?“, ertönte eine melodische Stimme vor ihnen.

Killians Kopf ruckte herum, um Ariel anzusehen, die vor ihnen im Gang aufgetaucht war und auf der Stelle schwamm. Sie hielten inne, drei Diebe, die auf frischer Tat beim Ausbrechen des Gefangenen und mit dem Diebesgut in der Hand ertappt worden waren.

„Wir retten unseren Freund, Fischchen“, entrann es Isabela, die den Dreizack nicht zu verstecken versuchte, sondern ihn beinahe stolz präsentierte. „Nicht nur den, der ohne einen Grund von deinem Vater eingesperrt worden ist, sondern auch Pedro, der sich noch immer in der Höhle befindet. Verletzt, sterbend.“ Sie betonte diese Worte ganz genau und Ariels Gesicht wurde weicher, ihre Augen besorgter.

„Natürlich tut ihr das...“ Ariel presste eine Hand an ihren Hals, bevor sie ein Seufzen ausstieß. „Ich bin froh, dass sich mein Vater in euch irrt.“ Ihr Blick festigte sich. „Ich werde euch helfen.“

„Ich glaube nicht, dass dein Vater es dir verzeihen würde, Liebes“, gab Killian zu bedenken, denn auch wenn er hier verschwinden wollte, musste sie wissen, dass ihre Handlungen Konsequenzen mit sich bringen würden. „Wenn du also einfach wegschauen und so tun möchtest, als hättest du uns nicht gesehen, ist das schon eine große Hilfe.“

„Ich...“ Ariel hielt inne und sah sich im Gang um, als sie ihre Gedanken zu ordnen versuchte. Ihr rotes Haar wallte um sie herum sanft im Wasser, weich und strahlend. „Die Gefahr ist zu groß. Außerdem... würde ich gern eure Welt sehen. Mein Vater möchte, dass ich das ganze Leben hier unten verbringe und so tue, als ob es die Sonne mit ihren warmen Strahlen nicht gibt, es keine Leute wie euch gibt oder all die merkwürdigen Dinge, die ihr besitzt und die manchmal ihren Weg zu uns hinunter finden. Ich kann nicht mein ganzes Leben eine Lüge leben und in Unwissenheit verbringen, aber... Daddy wird das nie verstehen. Nie einsehen.“ Ariel schüttelte den Kopf. „Ich komme mit euch.“ Mit einem Ruck wandte sich Ariel im Wasser und schwamm davon.

Killian und Isabela tauschten einen Blick aus, bevor sie ihr mit Rudolphus im Anschluss folgten. Sie hatten eine neue Verbündete – und Killian gewann fast den Eindruck, dass Ariel sich felsenfest bewusst war, dass sie nicht vorhatten den Dreizack in der Höhe zurückzulassen.



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