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Gathering Storms

von

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Eine Seefahrt die ist lustig und je eher sie vorbei ist, umso besser!

Natürlich waren die Lebensmittel ausgerechnet zwei Tage vor der Ankunft knapp geworden, sodass sie das Boot hatten anhalten müssen, um ein wenig Fisch an einer günstigen Stelle zu fangen. Kiyan kannte sich erstaunlich gut in diesen Gewässern aus und hatte nicht lange gebraucht eine geeignete Stelle zu finden.

Die Sonne hatte sich hinter einigen grauen Wolken hervor gekämpft und obwohl das Thermometer kaum an die fünf Grad reichte, hatte Rem bereits den Mantel zur Seite gelegt und stand lediglich in Shirt und Hose da. Der Silberhaarige machte den Eindruck irgendetwas sagen zu wollen, schwieg aber. Er hatte in den letzten Tagen, in denen er in der kleinen Kabine auf dem Boden geschlafen hatte, verstanden, dass mit Rem nicht zu spaßen war. Der Blick in den sturmgrauen Augen sagte mittlerweile auch aus, dass er wohl lieber auf einem anderen Schiff gelandet wäre. Aber man arrangierte sich miteinander.

Rem hatte bei der Angel improvisieren müsse, so stand er nun mit seinem Jagdbogen auf der Reling und hatte eines der dünneren Seile um einen der dunkelgefiederten Pfeile gewickelt. Er strich über das helle Holz und überprüfte die Spannung der Sehne. Zum Griff hin verdickte sich das Holz, ehe es sich kurz unter der Mitte wieder verjüngte und mit dunklerem Holz appliziert war. Die verschlungenen Malereien darauf waren typisch für sein Dorf und markierten den Status, den ein Jäger innerhalb der Gemeinschaft einnahm.

„Du bist dir sicher, dass das klappt?“, hörte er dann doch Kiyan von hinten, „Das Seil sieht nicht besonders stark aus.“

„Das ist der Köder“, brummte Rem genervt als hätte der Silberhaarige eine viel zu offensichtliche Frage gestellt.

Dieser ging sofort in den Angriff über und ließ den Kommentar nicht einfach auf sich sitzen: „Vielleicht müsste ich dich nicht fragen, wenn du mal mit mir reden würdest. Ich hab bisher nicht mehr als deinen Namen rausgekriegt.“

„Warum beschwerst du dich?“, entgegnete der Braunhaarige kühl, „Ich kenne auch nur deinen Namen. Wenn du also so ein dringendes Bedürfnis hast dich mitzuteilen, dann tue das… obwohl, nein, halt lieber die Klappe, wenn du nichts Wichtiges zu sagen hast.“

Kiyan schüttelte einfach nur den Kopf und ergab sich. Es war sinnlos mit diesem Mann zu diskutieren.

„Danke“, kommentierte Rem das Verhalten und erntete einen sehr warnenden Blick dafür. Diesen ignorierend griff er nach dem letzten Fisch, der in einem Eimer unter ihm schwamm. Er durchstach das Fleisch und spannte dann den Bogen. Der Pfeil rauschte hinaus auf das Meer und der Braunhaarige pflanzte sich auf die Reling.

„Wenn etwas angebissen hat, werde ich dir das Seil überlassen und du ziehst es zügig, aber nicht zu schnell, ein.“

Kiyan stellte sich stur: „Warum sollte ich dir die Arbeit abnehmen?“

„Weil du Hunger hast“, kam die Antwort wieder einmal ungerührt und ruhig, was den Silberhaarigen nur noch mehr aufregte, „Und du nimmst mir nicht die Arbeit ab. Du bringst die Beute nur näher an das Schiff heran.“

„Aha“, brummte der junge Mann und schüttelte den Kopf. Auf so etwas hatte er nun wirklich keine Lust. Leider meldete sich sein Magen, denn das Frühstück war an diesem Morgen doch reichlich dürftig ausgefallen. Nachdenklich griff er sich an den Anhänger, der unter seiner Jacke ruhte und sein Blick schweifte in die Ferne ab.

Rem musterte Kiyan aus den Augenwinkeln heraus und beobachtete ihn. Das tat er jetzt bereits seit einigen Tagen immer wieder und der Silberhaarige schien sich dem nicht einmal wirklich bewusst zu sein. Nur hin und wieder trafen sich ihre Blicke und der junge Mann verzog kurz das Gesicht, bevor er sich umdrehte und nach hinten zum Steuerrad ging.

Dieses Mal jedoch bemerkte der Silberhaarige wieder nichts und murmelte irgendetwas vor sich hin, während er erst über den Horizont hinaus blickte und dann nach oben. Dabei fiel sein Pony zur Seite und gab den Blick auf die Narbe frei, die sich über sein rechtes Auge zog. Aber im Gegensatz zu Rem, schien er das Auge noch benutzen zu können. Kiyan machte einige Schritte auf die Reling zu, sah auf die Wasseroberfläche und überprüfte dann die Seile am Segel.

Der Braunhaarige drehte den Kopf ein Stück weiter herum, damit er den jungen Mann richtig ansehen konnte: „Müssen wir mit einem Sturm rechnen?“

Dieser antwortete nicht sofort, sondern sprang von der Reling aus auf den Aufbau und starrte eine Weile Richtung Ostnordost: „Beeil dich einfach mit dem Fischen, dann haben wir auch kein Problem.“

Rem schwieg und widmete sich wieder dem Angeln. Das Seil in seiner Hand war vollkommen ruhig, bis auf das leichte hin und her, dass durch die Wellen verursacht wurde. Hin und wieder zupfte er daran, aber die Bewegung war kaum wahrnehmbar und so bekam man den Eindruck, dass er sich gar nicht bewegen würde.

Nach etwa einer Stunde erschien Kiyan wieder von hinten und überprüfte erneut die Lage.

„Hier“, zerriss Rems Stimme die Stille zwischen ihnen und er warf dem Silberhaarigen das Seil zu.

Dieser fing ohne Probleme und ein Rucken ging durch seinen Körper als er die Leine fest mit beiden Händen umklammerte. Das war ein ganz schöner Zug! „Und was machst du jetzt!“, presste er hervor und stemmte sich gegen das Gewicht.

Doch er bekam keine Antwort, sondern ihm fiel einfach nur Rems dunkles Shirt vor die Füße und seine dunkelbraunen Stiefel. Der Braunhaarige zog zusätzlich seine beiden Dolche aus den Scheiden hinten an seinem Gürtel und sprang ohne zu zögern ins Meer.

„Ist der wahnsinnig?“, knurrte Kiyan und ließ sich bis zur Reling fallen, damit er Rem hinterher sehen konnte, „Das muss arschkalt sein!“

„Zieh ihn näher zum Boot!“, rief ihm der Braunhaarige zu und schwamm mit schnellen Zügen weiter hinaus aufs Meer.

Kiyan verengte die Augen und stemmte sich mit einem Bein gegen die hölzerne Schiffswand: „Versuch ich ja!“

Ein Schatten wand sich nur noch wenige Meter vor Rem hektisch durch das Wasser und zerrte an dem Seil, das ihm kaum etwas entgegen zu setzen hatte. Mit einem tiefen Atemzug tauchte der Braunhaarige unter und hielt Ausschau. Dahinten kämpfte ein etwa 46 Pfund schwerer Rotflossensternfisch mit dem Köder und war gar nicht begeistert, dass ihm der Pfeil halb aus dem gezackten Maul ragte.

Rem grinste und umfasste die Griffe seiner beiden Dolche fester mit der Hand. Die Klingen waren etwa so lang wie sein Unterarm und leicht gebogen. Die Griffe waren mit einfachem, schwarzem Leder umwickelt, das bereits an einigen Stellen abgegriffen war.

Langsam aber sicher kam der Fisch auf ihn zu und seine breit gefächerten roten Flossen leuchteten blutrot. Der Körper des Meeresbewohners war langgezogen und stromlinienförmig. Auch das gezackte Maul war rötlich und die vordersten Zacken bildeten einen Stern, der dem Fisch seinen Namen gab. Der im Gegensatz dazu blaue Schwanz peitschte hin und her und ein roter Faden schlängelte sich vom Maul durch das Wasser. Mit zwei Zügen war Rem da und riss den Fisch an der herausragenden Pfeilspitze zu sich. Das gezackte Maul ratschte an seiner Haut vorbei und hinterließ drei rote Striemen, die allerdings nur oberflächlich waren. Mit einem gezielten Stich unten in den Hals war der Kampf vorbei und er tauchte wieder auf.

„Du kannst ihn einholen“, wank er Kiyan zu, der an der Leine zog. Rem schwamm daneben her und ließ sich schließlich von dem Silberhaarigen wieder auf das Schiff helfen.
 

Kurz darauf war der Fisch fachgerecht zerlegt worden und die Innereien waren einfach wieder im Meer gelandet. Während der Fisch in der Pfanne brutzelte und Rems Sachen draußen zum Trocknen ausgelegt waren, saß er lediglich mit seinem Mantel und seinem Sweatshirt bekleidet in der Kabine und säuberte seine Dolche.

„Interessante Angelmethode“, grinste Kiyan und sog begierig den Geruch von frisch gebratenem Fisch auf, der bereits den kleinen Raum komplett ausfüllte, obwohl das Bullauge über dem Herd aufstand. Draußen hatte es sich ein wenig zugezogen, aber sie hatten bereits wieder Kurs gesetzt und der kleine Sturm würde in eine andere Richtung ziehen.

„Man sollte immer wissen, wie man sich versorgen kann“, antwortete Rem kurz angebunden ohne aufzusehen und hielt einen seiner Dolche gegen das spärliche Licht, dass die Gaslampe über ihnen im Raum verteilte.

„Du bist Jäger, stimmt‘s?“, fragte der Silberhaarige und lehnte sich auf der Bank soweit zurück, bis er mit dem Rücken an die Wand kam.

Rem nickte.

„Hab ich mir gedacht. Das ganze Zeug, das du mit dir rumschleppst. Die Dolche, der Bogen, Pfeile, ein Jagdmesser und der Revolver. Außerdem war das Rekordgeschwindigkeit bei dem Fisch.“

Der Braunhaarige wischte seine Waffen mit einem Tuch ab und legte sie auf den Tisch. Dann stand er auf und ging zum Herd herüber um noch ein wenig Salz zum Fisch zu geben und er schmiss ein paar getrocknete Kräuter hinzu. Behelfsmäßig wendete er die Fleischstücke, allerdings nicht ohne, dass die Stücke ihm auseinander fielen.

„Was macht deine Verletzung?“, fragte Rem so unvermittelt, dass Kiyan nach Luft schnappen musste und fast hinten herüber von der Bank fiel. Versuchte der Braunhaarige gerade wirklich versöhnlich mit ihm zu reden?

„Fast verheilt…“, brummte er dementsprechend und tastete nach dem Verband unter seiner schwarzen Jeans.

„Gut. Das Essen ist ebenfalls fertig.“

Die beiden Männer sahen sich in die Augen und beiden war anzusehen, dass diese Atmosphäre ihnen ein wenig unangenehm war. Kiyan schielte in die Pfanne und verzog das Gesicht. „Und das kann man essen?“

Rem verengte die Augen und zog die Pfanne wieder weg von ihm: „Der Bogen liegt in der Ecke, bedien dich.“

Grinsend schaute der Silberhaarige zu seinen beiden Schwertern, die ebenfalls in der angedeuteten Richtung lagen. „Ich hab die Leine eingeholt, schon vergessen?“

Rem folgte dem Blick. Die Schwerter des jungen Mannes faszinierten ihn, soviel musste er zugeben. Er hatte immer schon eine Schwäche für gute Handwerkskunst gehabt und besonders das Drachenschwert schien eine ganz besondere Waffe zu sein. Der Drachengriff, das viereckige Stichblatt und auch das obere und untere Ende der Schwertscheide waren mit Gold verziert und wenn ihn sein Auge nicht betrog, handelte es sich um echtes Gold. Kein Wunder also, dass Kiyan seine Katana kaum aus den Augen ließ. Wenn er sich noch richtig erinnerte, dann verlief die Härtelinie in einem wellenförmigen Muster entlang der Klinge und sie war in einem makellosen Zustand gewesen. Prüfend musterte er den Drachenkopf am Ende des Schwertgriffes mit den dornförmigen Fortsätzen am Hinterkopf und dem leicht geöffneten Maul. Besonders faszinierend waren die Augen, die regelrecht zu leuchten begannen, wenn Licht darauf fiel. Um die Schwertscheide aus rötlich, dunkelbraunem, polierten Holz war ein dunkles Tuch gewickelt, mit einem leichten grünlichen Stich, je nachdem wie man es betrachtete. Es schien auch irgendwas in das dunkle Holz eingraviert worden zu sein, aber Rem konnte die abgegriffenen Zeichen nicht mehr lesen.

Das andere Schwert war wesentlich einfacher gestaltet, aber auch hier war um die einfarbig schwarze Schwertscheide ein dunkles, grünliches Tuch gewickelt. Das Stichblatt war einfach rund und er konnte sich nicht erinnern, dass die Klinge ein besonderes Muster getragen hatte. Wie bei einem einfachen Katana üblich war das Griffband so gewickelt worden, dass rombenförmige Aussparungen übrig gelassen worden waren, durch die das hellere Material darunter zum Vorschein kam.

„Selbst der Mast hätte den Job besser gemacht als du“, erwiderte Rem schließlich wieder einmal eiskalt und ließ nicht erahnen, wie genau er diese Aussage gemeint hatte, lenkte damit aber von den Waffen ab. Trotzdem war er neugierig, woher jemand wie Kiyan wohl ein solch kostbares Schwert hatte.

Abwägend musterte der Silberhaarige sein Gegenüber und forderte sein Mittagessen ein, das ihm aber erneut verweigert wurde.

„Alter. Über Essen macht man keine Witze!“ Und mit so einem düsteren Blick in den Augen, wie Rem ihn hatte, bestimmt auch nicht.
 

Zwei Tage später lief das kleine Boot im Hafen von Resch-Island ein und Kiyan wurde unter einigem Protest dazu gezwungen in eine der dort befindlichen Schiffswerften zu gehen und ein neues Tau zu holen, während Rem auf dem Schiff zurückblieb und sich eine Pause an Deck gönnte, den Kragen seines Mantels so hoch gezogen, dass er ihm bis kurz über die Nasenspitze reichte.

Der Himmel war grau und seit den letzten zwei Tagen hatten sie die Sonne nicht mehr gesehen. Über den Bergen der Insel hing dichter Nebel und die höher gelegenen Gebiete waren mit Schnee bedeckt.

Das Archipel war bekannt für seine hohen Gebirge und steilen Küsten. Allein Resch-Island bot aufgrund des flacheren Reliefs die nötigen Voraussetzungen für Schiffswerften, mit einer langen flachen Küstenlinie auf der Westseite dem offenen Meer zugewandt. Hohe Werftshallen säumten dementsprechend den gesamten Hafen und die Auswahl an Schiffen, die hier zusammen kam, war erstaunlich. Einige der größeren Schiffe mussten ein halbes Vermögen wert sein.

Die Stadt dahinter war dagegen überaus überschaubar. Größere Kneipen reihten sich wie man es erwarten würde an der Hauptstraße entlang auf, die sich immer weiter den Hügel hinauf wand. Kleinere Gasthäuser gab es ebenfalls, aber nichts, was wirklich nach Geld aussah. Die meisten Leute, die hierher kamen, blieben nur so lange, bis ihr Schiff fertig war oder holten ihre Bestellungen ab. Ein längerer Aufenthalt wurde vermieden und wenn, auf einer der Nachbarinseln verbracht, vor allem den größeren Südinseln.

Ansonsten bestanden die Bauten aus denselben hellen Steinen und auffallend roten Schindeln, wie man sie häufig im North Blue fand, vor allem auf denen, die höchstens alle zehn Jahre einen richtigen Winter erlebten. Und genau so ein Winter schien sich wieder anzukündigen.

Kiyan hatte auf dem letzten Stück davor gewarnt, dass unter Umständen der Sturm doch noch die Richtung ändern könnte und sie auf der kleinen Insel überraschte. Umso wichtiger war es, dass sie endlich das Schiff richtig vertäuen konnten, gesetzt des Falles, dass sie hier kein anderes Schiff finden würden.

Rem ignorierte die hämischen Bemerkungen zu seiner kleinen Nusschale und auch die offenen Beleidigungen, die man ihm an den Kopf warf. Er war so ein Verhalten durchaus gewöhnt und dementsprechend klug und selbstbeherrschend genug, nicht gleich den Kopf zu verlieren. Außerdem amüsierte es ihn, mit seinem kleinen Schiff zwischen den großen Schiffen zu liegen. Mal sehen, wie lange der Hafenmeister auf sich warten lassen würde.
 

Kiyan war unterdessen unterwegs und suchte nach einer kleineren Werft, wie Rem ihm geraten hatte. Allerdings war er von den Methoden des Braunhaarigen wenig begeistert.

„Wenn ich meine Schwerter wieder habe, kann der Typ was erleben“, knurrte er und seine Fäuste zitterten dabei. Wann war er überhaupt an seine Sachen gekommen? Er durfte ihn nicht unterschätzen, das könnte gefährlich werden.

Während er am Hafen herum lief und einige größere Stahlhallen hinter sich ließ, kam er an einem Informationsbrett der Marine vorbei und blieb prompt wie angewurzelt stehen. Sein Blick huschte zu beiden Seiten ehe er auf das einfache Holzbrett zuging und sich die Steckbriefe ansah. Die Leute hinter ihm gingen einfach weiter und beachteten ihn gar nicht.

„Scheiße…“, fluchte er vor sich hin und riss sein Bild von der Wand. Wütend knüllte er es zusammen und stopfte es in die Tasche. Er hatte sich doch nur ein paar Mal mit diesen verklemmten pseudo Rittern des Rechts angelegt, da musste man doch nicht gleich Steckbriefe von ihm im North Blue verteilen! Jetzt konnte er es sich erst recht sparen zu den größeren Werften zu gehen und um die Marine, die hier ebenfalls mit einem Schiff vertreten war, sollte er wohl einen ganz großen Bogen machen… Natürlich nur, wenn die ihm nicht wieder so doof wie auf der letzten Insel kamen. Wer um Ärger bettelte, sollte sich nicht wundern, wenn er den auch bekam.

Eilig ging Kiyan weiter und schielte immer wieder in die Gassen zwischen den Lagerhallen, aber dort sammelte sich nur irgendwelcher Schrott und hin und wieder Arbeiter, die sich eine Zigarette in ihrer Pause gönnten. Gleichzeitig dröhnte aus den Werften der Lärm von Hämmern und Metall das aufeinander traf.

Je weiter er in Richtung Süden ging, umso leiser wurde es und umso kleiner wurden die Stapel Holz und Stahlplatten vor den Hallen. Vermutlich hätten sie besser hier vor Anker gehen sollen, denn hier versammelten sich vor allem diejenigen, die weniger Geld zu haben schienen. In ihrer Nachbarschaft hatten nur große Handelsschiffe vor Anker gelegen.

„Tja… ich hab’s ihm ja gesagt. Wenn er Ärger bekommt ist das seine Sache“, murmelte Kiyan vor sich hin und spielte wieder einmal mit dem Totenkopfanhänger. Er hätte von Rem eigentlich erwartet, dass er von selbst darauf kommen würde, dass er nicht unbedingt da oben anlegen sollte, aber ausgerechnet in dieser Sache, schien er aus irgendeinem Grund geradezu stur gewesen zu sein. Der Silberhaarige konnte sich allerdings nicht beschweren, immerhin hatte der Braunhaarige bei dieser Sache endlich mal seinen ewig neutralen Gesichtsausdruck verändert. Vielleicht hatte er für den Bruchteil einer Sekunde sogar so etwas wie ein Grinsen gesehen.

Lachend schüttelte er den Kopf, wurde aber sehr schnell wieder ernst. Wehe ihm er würde seine Schwerter verlieren! Wenn sein wertvollster Besitz auch nur einen Kratzer abbekam, würde er Rem dafür den Kopf abreißen!

„Das sieht doch gut aus…“, blieb er stehen und musterte die kleine Halle vor sich. An der Wand hing ein Schild auf dem Enram Company stand. Allerdings waren die Stahlletter schon ein wenig angerostet. Allzu viel Geld konnte hier also eindeutig nicht auf das Äußere angewendet werden. Dementsprechend ging der junge Mann durch das große hölzerne Tor in die Werft hinein. Auf einer Vielzahl von Holzstreben aufgebockt stand das Rohskelett eines kleineren Schiffes und wurde von allen Seiten mit Hämmern bearbeitet. An den Rändern waren Arbeiter damit beschäftigt das Holz vorzubereiten.

„Was willst du hier?“, maulte ihn jemand von der Seite an, kaum dass er einen Fuß hinein gesetzt hatte. Kiyan riss sich zusammen nicht in der gleichen Manier zu antworten. Er musste ruhig sein, dieses verdammte Tau besorgen, um dann endlich seine Schwerte wieder zu bekommen. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass in dem aufgesetzten Grinsen ein Anflug an Ärger mitschwang.

Der Silberhaarige musterte den dicklichen Mann in Anzughose und Hemd vor sich und blieb einen Moment lang an der riesigen Warze hängen, die aus dem verschwitzten Gesicht wucherte, gleich neben der runden Knollnase: „Ich brauche nur ein Tau, damit wir unser Schiff festbinden können.“ UNSER Schiff. Ja klar! Rem hätte ihn ja am liebsten schon von Bord geschmissen!

Der Mann lachte und strich sich durch das lichte Haar, das er in fettigen Strähnen halb über seinen angeschwollenen Schädel gekämmt hatte. „Sollte man für solche Fälle nicht immer ein Ersatztau dabei haben?“

Dieser Tonfall! Kiyan presste die Zähne aufeinander und versuchte einzig und allein an seine Schwerter zu denken, oder alternativ auch daran, wie er diesem Typen das schmierigen Grinsen aus dem Gesicht prügeln könnte. Eigentlich war er ein sehr geduldiger Mensch, aber in letzter Zeit versuchte einfach jeder ihm irgendwie blöd zu kommen. „Die Fahrt war ein wenig rau…“

„Hast du denn überhaupt Geld?“, bluffte der Dicke.

„Nein“, antwortete der Silberhaarige. Rem hatte ihm keinen Berry gegeben und sein eigenes Geld würde er bestimmt nicht für ein Schiff ausgeben, dass ihm nicht gehörte!

„Dann vergiss es“, brummte sein Gegenüber, „Wir haben hier nichts zu verschenken.“

Kiyan schielte hinter den Mann und zog eine Augenbraue hoch. Da lagen mindestens ein Dutzend Taue auf dem Boden und das eindeutig seit längerer Zeit ungenutzt. „Ja, klar…“

„Chef. Der Kunde ist da“, hörte man ein dezentes Husten von der Seite und jemand deutete nach draußen.

Wütend starrte der Dicke ihn an und warf dann die Hände in die Luft: „Gebt ihm ein Seil und sorgt dafür, dass er aus der Werft verschwindet!“

Zufrieden grinste der Silberhaarige.

„Hier!“, schmiss ihm jemand ein Tau zu. Das schwere Seil schlug ihm genau in den Nacken und das Gewicht drohte ihn nach vorne zu reißen. Lachen schallte durch die Halle, aber die Arbeiter beachteten ihn nicht länger als notwendig.

Kiyan ermahnte sich ruhig zu bleiben und bekam irgendwie ein „Danke“ hervor.

„Verlier das Tau nicht, das ist das einzige, das du von uns bekommst.“

„Jaja!“, knurrte der Silberhaarige und stapfte vor sich hinbrummend aus der Halle. Immerhin hatte er das Seil ohne größere Schwierigkeiten bekommen, auch wenn es nicht mehr besonders gut aussah und nach Lack und Öl stank. Aber es schien noch halbwegs stabil zu sein und das war das einzige was gerade zählte.



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