Seit einigen Jahren lebte ich schon bei Shin-Ra. Ich hatte keine Eltern mehr und alles, was mir je am Herzen lag, verloren. Nun stand ich um Umkleideraum von Shin-Ra und zog mich um, da ich gerade die Beförderung zum 2nd Class Soldier erhalten hatte. Stolz, wie Oskar, betrachtete ich mich im Spiegel. Allerdings durfte ich nicht zu lange machen, da mein neuer Mentor und die restliche Gruppe unter seiner Leitung auf mich warteten. Immerhin stand Ausdauertraining auf dem Plan und ich war schon auf meinen neuen Mentor gespannt. Alles war ich wusste war, dass er Genesis Rhapsodos hieß, aber gesehen hatte ich ihn noch nie. Mein letzter Mentor, Angeal Hewley, hatte mich zum 2nd vorgeschlagen und ich war ihm dankbar dafür. Ich stiefelte also in den Aufzug und drückte den Knopf auf der 49. Der Fahrstuhl zog an und brachte mich zu meinem Ziel. Oben angekommen, ging ich direkt in den Trainingsraum und gesellte mich zu den anderen. Der Mentor war bisher noch nicht aufgetaucht. „Der hat sich garantiert wieder in seinem Buch festgelesen.“, sagte ein schwarzhaariger Strubbelkopf. Ich kannte ihn aus einem der Ruheräume im 64. Stockwerk. Er hieß Zackery Fair, auch Zack genannt, und man sagte ihm sehr häufig nach, dass er alles anflirtete, was nicht bei drei um die nächste Ecke verschwunden war. „Wenn deine Trainingsergebnisse genauso schwungvoll wären, wie deine Reden, wäre ich zufrieden.“, rief eine männliche Stimme aus etwas weiterer Entfernung. Ich sah direkt in die Richtung, aus der die Stimme kam. Der Mann trat ins Licht und ich betrachtete ihn mir genauer. Er war groß, schlank und sah durchtrainiert aus. Zudem hatte er rote Haare, trug eine normale 1st Class Uniform, einen bodenlangen roten Ledermantel und rote Handschuhe. In der rechten Hand hielt er ein schlankes, rotes Schwert. Was direkt auffiel: Sein Stolz.
Er sah prüfend in die Runde. „Ah, ein neues Gesicht in der 2nd Class. Dürfte ich erfahren, mit wem ich es zu tun habe?“, fragte er. „Soldier 2nd Class, Kyoko, Sir!“, stellte ich mich kurz und sachlich vor. Dieser Mann nickte. „Alles klar, dann würde ich doch mal gerne sehen, was du so drauf hast!“, sagte dieser Mann. Ich runzelte die Stirn. Konnte der sich nicht mal vorstellen? „Und ich würde gerne mal wissen, wer sie sind! Oder sind sie sich zu fein dafür?“, rief ich spitz. Ein Raunen ging durch die Gruppe und der Mann sah mich eiskalt und durchdringend an. Ich sah ihn genauso durchdringend an und versuchte ihm zu verstehen zu geben, dass ich mir nur das gefallen ließe, was nötig war und zur Ausbildung gehörte. „Genesis Rhapsodos.“, entgegnete er kurz. „Ah, warum nicht gleich so?“, fragte ich. „Wenn du weiter so vorlaut bist, handelst du deiner Gruppe noch zwei Strafrunden ein und ich glaube nicht, dass die Jungs davon begeistert sein werden!“, sagte Genesis. „Und nun: Zehn Runden! Vorwärts!“ Wir setzten uns in Bewegung. „Sei vorsichtig, der hat mal wieder schlechte Laune!“, sagte ein junger Mann, der neben mir lief. Er war etwas kleiner, als ich und hatte strubbelige, blonde Haare. „Nicht labern, laufen, Chocobo! Fängt zwar beides mit L und A an, aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!“, rief Genesis rüber. Ich verdrehte die Augen. Alte Meckerzicke!, dachte ich. Wir liefen unsere zehn Runden und kamen dann wieder bei Genesis an. „Okay, setzen und zuhören!“, rief Genesis. Wir setzten uns und hörten ihm zu. Zack kicherte ab und an. „Welpe! Wenn du deiner Gruppe gleich nicht nochmal zehn Runden aufhalsen willst, dann halt jetzt endlich deine Klappe!“, wetterte Genesis. Zack hielt sofort den Mund, als ihn zusätzlich noch ein paar von uns giftig ansahen. Auch der Kleine, der neben mir gelaufen war, sah ihn giftig an. Er war fast am Ende. „Nun werde ich euch in die Theorie der Materia einweihen. Es wäre besser für euch, wenn ihr zuhört, ich wiederhole nichts mehr. Aus dem Alter seid ihr raus, auch wenn ihr immer noch in den Kinderschuhen steckt!“, sagte Genesis. Ich schnappte leicht verärgert nach Luft. Was erlaubte dieser Schönling sich eigentlich? Immerhin war ich 22 und kein Baby mehr!
Genesis achtete nicht auf meine Reaktion, sondern fing an zu erklären. Der Atem des Kleinen, der sich neben mich hatte fallen lassen, ging immer noch schwer. Doch Genesis achtete auch da nicht drauf. Ich strich ihm beruhigend über den Rücken. „Wir sind hier nicht auf Tuchfühlung!“, rief Genesis scharf, als er die Bewegung meines Armes bemerkte. Jetzt reichte es mir. „Ach, das sehen sie! Aber das der Kleine neben mir schwer atmet und kaum Luft bekommt, das sehen sie nicht!“, rief ich. „Chocobo? Der wird sich schon wieder erholen.“, sagte Genesis herablassend. Ich sah ihn mit einem giftigen Blick an und meinte dann spitz: „Ich denke, er würde sich schneller wieder erholen, wenn er etwas trinken dürfte.“ „Ach, willst du jetzt den Mentor spielen?“, fragte Genesis belustigt und zog eine Augenbraue nach oben. „Hatte ich nicht vor, aber ich denke nicht, dass sie Direktor Lazard erklären möchten, wieso er auf einmal auf die Krankenstation gekommen ist, obwohl er eben noch in Ordnung war. Außerdem würde ihnen auch kein Zacken aus der Krone brechen, wenn sie ihn mal fünf Minuten trinken lassen würden!“, sagte ich und wusste, dass ich ihn somit in der Hand hatte. Genervt atmete Genesis aus. „Chockobo! Geh was trinken und danach bist du sofort wieder hierm wenn ich bitten darf!“, sagte Genesis. Der Kleine sah ihn nur an und rührte sich nicht. „Nun mach schon, dass du weg kommst! Ich habe keine Lust drei Stunden zu warten, bis du mit deinem Arsch hier mal wieder aufgetaucht bist!“, rief Genesis. „Nun geh schon.“, sagte ich leise zu ihm und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Langsam und zögerlich stand der Kleine auf und ging. Genesis sah ihm kopfschüttelnd hinterher. Dann fing er an, weiter über die Theorie der Materia zu reden, kam aber nicht weit, da er von Zack unterbrochen wurde: „Sir, ist es vielleicht nicht besser, wenn wir warten, bis Cloud vom trinken zurück ist?“ So hieß also der Kleine, dachte ich. „Welpe! Halt den Mund!“, rief Genesis. „Er hat aber Recht!“, sagte ich. „Habe ich dich um deine Meinung gefragt?“, fragte Genesis. „Das ist nicht nötig, ich gebe auch so meinen Senf dazu!“, rief ich. Leises Gelächter hörte ich hinter mir und sah, dass Genesis langsam rot anlief. Unterdessen kam Cloud von trinken zurück und setzte sich neben mich. Er sah nun viel besser und auch wieder gesünder aus. „Was habe ich verpasst?“, fragte er mich flüsternd. „Noch nichts, wie haben dafür gesorgt, dass du alles mitbekommst.“, flüsterte ich zurück. „Danke.“, kam es flüsternd von Cloud. Ich winkte ab, bevor Meckerzicke wieder was zu meckern hatte. Dieser bemerkte, dass Cloud sich wieder zu uns gesellt hatte und fuhr, leicht entnervt, mit der Theorie der Materia fort.
