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Crystal Riders

Reanimation
von

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Zwischentöne

Moon – Zwischentöne
 

Tom Day – Going Home
 

Ein kühler Windzug streifte zwischen meinen bloßen Zehen hindurch, woraufhin sich ein plötzliches Zittern an meinem Rückgrat hinaufhangelte, was Amber mir gegenüber zum Kichern brachte. Wahrscheinlich weil ich das Gesicht dabei verzog, als hätte ich in eine Zitrone gebissen.

„Läuft’s dir kalt den Rücken runter?“, fragte er mit gelassener Stimme, wobei mir tatsächlich noch einmal ein kalter Schauer am Nacken entlangperlte, nur eben abwärts. „Vielleicht will dich ja jemand töten.“ Wie im Reflex drehte ich den Kopf ein kleines Stück zur Seite, sodass ich aus dem Augenwinkel Miras blassrotes Haar aufschimmern sehen konnte.

„Da würde mir spontan sogar jemand einfallen“, gab ich spitz zurück, als mir ein Gedanke kam. „Apropos…“ Ich erhob mich langsam vom Stuhl und schlenderte in aller Seelenruhe hinüber zur Perlentafel. Sie gluckten immer beieinander wie die Hyänen, ließen sich über Nagellackbläschen und neue Nulldiäten aus, während der schwefeldichte Parfümnebel ihre Gesichter fast fühlbar umwaberte. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wovon sie nachts träumten.

Aufgrund meiner unbedeckten Füße, hörten sie mich nicht herankommen, weshalb Mira erschrocken zusammenzuckte, als ich beide Hände flach neben ihr auf die Tischplatte klatschen ließ. Die kurze Irritation genügte, um die Aufmerksamkeit aller Anwesenden Muschelinnereinen auf mir zu haben, als ich mit düster geblähter Stimme raunte: „Ihr werdet alle in drei Tagen eines grausamen Todes sterben…“ Dann richtete ich mich wieder auf und präsentierte ihnen das süßlichste Lächeln, das ich aufzubringen imstande war. „Ansonsten einen schönen Tag noch, die Damen.“ Damit wandte ich mich ab und tänzelte vergnügt zurück zu unserem Tisch, von wo aus Amber und Crystal mir mit offenen Mündern entgegenstierten. Ich ließ mich schwungvoll auf den freien Platz neben ersterem plumpsen und da er offenbar nicht vorhatte, den Blick von meinem Gesicht zu lösen, nutzte ich die Gunst der Stunde, um ihm ein paar der Tunfische aus seinem Salat zu stibitzen.

„Das wollte ich schon immer mal tun“, sagte ich schließlich und strich mir grinsend das Haar aus den Augen. Da erkannte ich, dass Crystals Mundwinkel unkontrolliert zuckte, als wäre sie sich nicht sicher, ob Lachen eine angemessene Reaktion auf mein winziges Stelldichein war. Amber seufzte tief.

„Siehst du das, Crystallein? Und mit so was muss ich zwölf Stunden am Tag fertig werden.“

„Hey, was heißt denn hier bitte ‚so was‘?“, platze ich heraus und verpasste ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, der sein Gesicht um Haaresbreite in die Salatschüssel verfrachtet hätte.

„Au“, protestierte er und schüttelte sich. In der Ferne konnte ich gedämpft das empörte Geschnatter der Perlenschnur vernehmen und mit einem weiteren Blick auf Crystals zuckenden Mundwinkel wusste ich, dass sie es auch gehört hatte.

„Wenn sie alle Perlen vertreten, wieso tragen sie dann normale Namen?“, fragte sie unvermittelt und schnitt mit penibler Achtsamkeit eine Bratkartoffel entzwei. Ich konnte mir nicht erklären wieso, nahm jedoch unterschwellig wahr, dass Amber diesem Prozess fasziniert zusah.

„Oh, das sind keine richtigen Namen“, erwiderte ich und beutete erneut die Gelegenheit aus, mir noch mehr Tunfische aus dem Salat zu picken. „Auch, wenn man es bei Mira denken könnte.“

„Sie tragen allesamt Sternennamen“, versetzte Amber und gähnte ausgiebig. „Da man Perlen nur begrenzt systematisieren kann.“

„Ach so?“, stutzte Crystal und schnitt ihre Kartoffel noch einmal durch, nur um das Besteck dann ungenutzt beiseite zu legen.

„Hast du gar keinen Hunger?“, kam Amber mir zuvor, daher griff ich lediglich nach weiteren Tunfischen. Crystal atmete tief durch und starrte ihren Teller an, als würde er überhaupt nicht existieren. „Komm, das schmeckt lecker. Fayalite, unsere Kantinenfrau, hat die Gabe des Kochens. Das gehört ausgenutzt und sie… Alter, nimmst du wohl deine Griffel aus meinem Salat, Moon! Das ist ja ekelhaft!“ Japsend zog ich die Hand zurück, die sich in diesem Augenblick kurzzeitig zu einem altertümlichen Schreibwerkzeug transformierte und zwinkerte Crystal zu.

„Was liegt dir auf dem Herzen, Kleines? Sag schon.“
 

Mozaik Role -Piano version-
 

„Na ja, ich…“, fing sie an, doch jedes weitere Wort blieb ihr im Hals stecken, als auf einmal ein Raunen vom Perlenpool aufging und Crystals Blick auf einen Punkt hinter mir pendelte. Eigentlich musste ich mich nicht umdrehen, um zu wissen, was für den Tumult gesorgt hatte, tat es aber trotzdem.

„Oh, dem Himmel sei Dank!“, stieß Amber neben mir inbrünstig hervor und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Endlich tauchst du auch mal auf, Mann! Ich dachte schon, du lässt mich hier mit Moon versauern, bis ich alt und grau bin!“ Seine Erleichterung schien größer zu sein, denn er bemerkte nicht einmal, wie sich das Haar an seinem Ansatz dabei leicht gräulich verfärbte.

In einigen Metern Entfernung war Jet aufgetaucht. Er schnappte sich im Vorbeigehen nur eine Wasserflasche von der Tafel und kam dann auf den Tisch zu. Wobei mir auffiel, dass er es ziemlich exakt vermied, Crystal währenddessen anzusehen.

„Na, wo drückt dir der Schuh?“, feixte Amber und Jet verzog mit einem schnellen Blinzeln nach unten den Mund.

„Jetzt, wo es gesagt hast: überall.“ Damit streiften seine Augen den einzigen freien Platz neben Crystal, welche sich hartnäckig darauf konzentrierte, ihre bereits in Scheiben zerlegte Bratkartoffel zusätzlich noch zu würfeln. Und wieder schien Amber von diesem Vorgang über die Maßen entzückt. Sollte das einer verstehen.

„Unterrichtest du heute?“, setzte ich das Gespräch beiläufig fort, da Ambers Aufmerksamkeit Crystals Teller galt und stieß sie unter dem Tisch sanft mit dem Fuß an, woraufhin sich ihr Kopf ein wenig hob. Ich lächelte ihr aufmunternd zu.

„Wahrscheinlich nicht“, sagte Jet und rieb sich über die Augen, unten denen sich fast kohlefarbene Schatten gebildet hatten, was ihn in Kombination mit seinen schwarzen Augen und Haaren noch blasser aussehen ließ, beinahe unheimlich. Die einzige Farbe an diesem Jungen waren die roten Haarspitzen, von denen ich mich nur einmal mehr fragte, wieso er ausgerechnet dort Licht zuließ.

„Wahrscheinlich nicht?“, wiederholte Amber stirnrunzelnd. „Wieso bist du dann überhaupt auf den Beinen, Kumpel? Davon abgesehen, dass du eh so aussiehst, als könntest du eine gute Mütze Schlaf vertragen!“ Wie aufs Stichwort erschien zwischen uns auf dem Tisch eine aufgeplusterte Wollmütze, aus der sich leise Schnarchgeräusche erhoben.

„Da hast du“, gluckste ich und hielt sie Jet hin, welcher sich tatsächlich ein schnaubendes Lachen abringen konnte, was Crystal endgültig aus ihrer Kartoffel-Sezierung riss.

„Ich wurde gebeten, bei den Vorbereitungen für den Weihnachtsball zu helfen“, erklärte er, die Wasserflasche in den Händen drehend und machte nach wie vor keine Anstalten, sich zu setzen, was mich zusehends verwirrte. Und Amber ebenso, wie ich an der geräuschvollen Art, hinter mir seinen Orangensaft zu schlürfen, erkannte.

„Ich bin ja dafür, dass wir unseren Weihnachtsbaum dieses Jahr mit ein paar Perlen schmücken“, bot Amber an, machte eine äußerst unauffällige Kopfbewegung in Richtung Mira und Klone und ich prustete ungehalten los.

„Und statt Engelsflügel verpassen wir ihnen Muschelschalen!“, fiel ich ein und stocherte bei der Vorstellung vor Lachen auf Ambers Schulter rum. „Oh Mann, ein Bild für die Götter…“

„Ich muss los“, sagte Jet plötzlich und im nächsten Moment hatte er sich auch schon umgedreht und verließ mit schnellen Schritten die Mensa, als hätte er einen Kuchen im Ofen vergessen. Verdutzt wandte ich mich an Crystal, Amber tat es mir gleich.

„Sag mal, hast du in der einen Nacht einen Schneeball nach Jet geworfen oder warum behandelt er dich wie Luft?“

„Na, du bist vielleicht feinfühlig, Amber…“, murrte ich.

„Was denn? Dir ist das doch auch aufgefallen, oder nicht?“ Da musste ich ihm leider Recht geben. Vorsichtig streckte ich die Hand nach Crystals Arm aus. Sie hatte den Kopf gesenkt und hielt das Besteck in den Händen, als wollte sie jeden Moment anfangen, zu essen, doch noch hatte sie nichts angerührt.

Und dann, wie infolge eines umfallenden Dominosteins, ließ sie Messer und Gabel klirrend auf ihren Teller fallen, rappelte sich auf und rannte wie von der Tarantel gestochen zum Ausgang. Eine Braue hebend kehrte ich mich zu Amber um, aber der starrte mich nur böse an.

„Fantastisch, Moon, jetzt hast du es geschafft, beide wegzuekeln.“

„Gibst du jetzt etwa mir die Schuld, Dummkopf?“, brauste ich auf und pappte ihm die Serviette auf die Nase. „Wer ist denn hier vorhin wie ein nasser Sack umgeplumpst, weil er verkünden musste, dass er vor Hunger stirbt?“



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