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Crystal Riders

Reanimation
von

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Schattenspiel

Jade – Schattenspiel
 

Gold Delirium Music - Land of the Rising Sun
 

Als ich den Wagen in die Einfahrt lenkte, stieg ein raues Gefühl in meiner Kehle auf. Hustend fädelte ich mich in eine Parklücke und als der Motor verklang, war mir beinahe schwindlig vor unterdrückten Empfindungen.

Du bist aus Glas, rief ich es mir schnell ins Gedächtnis und drehte unruhig den Ring an meinem Finger. Niemand wird es wagen, dich anzugreifen, denn die Scherben täten ihr Übriges. Aber was war danach? Was, wenn es doch jemand wagte? Ein Spiegel brach nur einmal, dann war er nur noch ein Splittermeer. Mein Kopf fuhr mit einem Ruck wieder hoch und ich fixierte voller kalt fließendem Hass das Gebäude vor mir.

Dann rufst du den Tornado und lässt sie die Bruchstücke spüren.

Ich stieg aus, rückte meinen Blazer zurecht und holte meinen Ausweis aus der Tasche. Die statuenhaften Männer, die den Eingang wie zwei makellose Marmorsäulen säumten, gaben ihre Haltung auf, um mir die Tür zu öffnen. Die sterile Note, die sich aus der Kombination von unberührtem Leder, spiegelglatt geputztem Mahagoni und dezenter Druckerschwärze ergab, legte sie auf meine Sinne. Ich versuchte, mich auf das, in dem riesigen Foyer, viellagig hallende Klappern meiner hohen Schuhe zu konzentrieren. Als ich an der Rezeption zum Stehen kam, schob die Frau dahinter mir wortlos ein Formular zu. Ich ließ meine Augen kurz über ihre Erscheinung wandern. Gestriegelt wie eine hochwertige Rassekatze, alles saß, nichts an ihrem Äußeren wirkte überflüssig, nichts fehlte. Wie eine stumme Schaufensterpuppe, die man beliebig neu einkleiden konnte und die so leicht auszutauschen war. Das sah ihnen ähnlich.

„Das ist nicht notwendig“, sagte ich und schob das Formular zurück auf ihre Seite. Da erst hob sich ihr Blick und sie ließ seufzend ihre streichholzschmalen Augenbrauen zucken.

„Aber Vorschrift, Mrs. Chan.“ Nachdrücklich beförderte sie den Fragebogen wieder auf meine Seite. Ich wollte gerade zu einem neuen Gegenargument ansetzen, als rechts von uns Schritte laut wurden. Ein Mann in changierend grauem Anzug erschien hinter der Ecke und verneigte sich leicht.

„Mrs. Chan, Ihr werdet erwartet. Bitte folgt mir.“ Ich musste mich zusammenreißen, der Sekretärin nicht noch gewinnendes Schmunzeln zuzuwerfen, bevor ich dem Mann Richtung Aufzüge hinterherging. Vielleicht wäre statt eines Lächelns aber auch nur eine reichlich missglückte Grimasse herausgekommen, denn jetzt, wo ich meinem Ziel näherkam, durchtönten mich wieder die Ängste. Mein Herzschlag beschleunigte sich, also nahm ich das Kinn hoch und spannte die Bauchmuskeln an, um mich unter Kontrolle zu halten.

Die Fahrt mit dem Lift schien endlos zu dauern und der Anzugträger flankierte mich nur wie ein großer, einem Menschen nachempfundener Roboter, nicht darauf programmiert, zu sprechen oder zu fühlen. Schließlich kam der Aufzug geschmeidig zum Stillstand und wir betraten einen breiten Gang, mit edelrotem Teppich ausgelegt und von mehreren Türen umgeben. Der Mann geleitete mich nur noch bis zur dritten rechts, öffnete sie und machte dann ohne Umschweife auf dem Absatz Kehrt. Ich holte tief Luft und betrat das Zimmer.
 

Memoirs of a Geisha Soundtrack-08 The Chairman's Waltz
 

Das Büro hätte minimalistischer nicht sein können. Nicht einmal ein Bild zierte die kalkbleichen Wände. Das Einzige, das mit absoluter Unbeirrbarkeit gegen die antiseptische Perfektion rebellierte, war die hochgewachsene Zimmerpflanze. Die rasiermesserscharfen Blattfahnen wie einen Hahnenkamm aufgestellt. Sie wurde in Sachen Stolz nur von einem anderen im Raum übertroffen.

„Liz“, begrüßte er mich schlicht und drehte sich betont langsam zu mir herum.

„Yuri“, spielte ich sein Spiel ohne Gefühlsregung mit. Es zuckte in seinem Mundwinkel und für einige Sekunden hatte die scharf geschwungene Linie seiner Oberlippe meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Alles an ihm wirkte kantig und gestochen, von seinen unbeweglichen Zügen bis hin zu seinem Gang. Prägnant wie auf einer lebendigen Fotographie. Das musste der Grund dafür sein, dass ich manchmal vergaß, dass er leibhaftig vor mir stand und nicht wie so oft in meinen Träumen herumgeisterte.

„Ich habe von dem Unglück gehört“, sagte er nach einer Weile und seine gletscherklaren Drachenaugen fanden den Weg in meine. „Bedauerlich.“ Ich spürte, wie mir ein beinahe giftiger Geschmack im Rachen aufstieg, meine Hände zitterten dumpf und ich presste sie schnell zu Fäusten zusammen, aber für Beherrschungsmantras war es längst zu spät.

„Wie kannst du es wagen?“, zischte ich, indem ich auf ihn zutrat und mit der Hand hervorschoss, um sein Jackett zu fassen zu bekommen. Es gab keine Regung, weder in seinem Gesicht, noch in seinem Körper und das brachte das Fass allmählich zum Überlaufen. „Du bist dafür verantwortlich, dass es geschehen ist!“ Er lachte und ich ließ wie im Reflex den Saum los, der nicht einmal geknittert war.

„Ich fürchte, deine Informationsquelle entspringt aus verdorrtem Boden.“ Schon schwand das Lächeln und seine Stimme glich wieder jenem spurlosen Schneeland, das niemand betreten konnte, ohne im wasserlosen Eis darunter einzubrechen. „Jason Snow ist ein Individuum. Ich habe keinerlei Mittel, seinen Verstand zu manipulieren. Denn wenn es so wäre, würde ich mir dann noch die Mühe machen, dein stattliches, kleines Internat mit finanziellen Mitteln zu unterstützen?“ Direktheit, fast schon Unverfrorenheit. Das hatte ich schon immer sehr an ihm geschätzt, aber jetzt ließ es mich nur frösteln. Und er ging noch weiter.

„Weißt du, vielleicht solltest du versuchen, die ganze Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.“ Während er sprach, löste er sich vom Schreibtisch, an den er gelehnt gestanden hatte und begann, im Raum herumzutigern. „Im Austausch dafür, immer sofort mit dem Finger auf uns zu zeigen, wenn irgendetwas Gefahr läuft, zu entgleisen.“ Er kam hinter mir zum Stehen und ich starrte angespannt geradeaus auf die Tischplatte, den Kiefer so fest aufeinandergebissen, dass meine Schläfen pochten. Sein Atem flog wie ein Funkenschauer durch meine Haare und sein Geruch malte Spiralen aus Vergangenheit in meine Gedanken.

„Möglicherweise kennst du den Jungen nicht so gut, wie du gedacht hast. Das Töten ist seine Gabe – und ich weiß, dass ihr Crystal Rider, entgegen jeder Verleugnung, stets darauf aus seid, von eurer Macht Gebrauch zu machen.“

Ende der Fahnenstange. Augenblicklich drehte ich mich zu ihm herum und holte aus, aber er packte mein Handgelenk, kurz bevor ich seine Wange erreichen konnte.
 

Mushishi OST 1 - Yawarakai Kaku
 

„Du hast keine Ahnung“, knurrte ich und betonte dabei jedes Wort. „Nicht die geringste. Und wenn du noch ein einziges Wort über ihn verlierst oder über einen anderen meiner Schüler, wenn du noch einmal die Impertinenz besitzt, dich in unsere Angelegenheiten einzumischen, dann Gnade dir Gott, Drake!“ Auf das letzte Wort legte ich das meiste Gewicht und stellte mit grimmiger Freude fest, dass dabei kaum hörbar seine Zähne aufeinandertrafen.

Kawaisa amatte nikusa hyaku bai“, flüsterte er unvermittelt und meine Pupillen weiteten sich, aber bevor ich auch nur dazu kam, in Gedanken eine Erwiderung zu finden, schlossen sich seine Finger hart um meinen Nacken, zogen meinen Kopf heran und dann lagen seine rauen Lippen auf meinen. Sein warmer Atem strömte auf meine Zunge und ich schmeckte das Echo so deutlich, als wäre es Wirklichkeit. Sake, Anko-Eis, Kirschblütenluft… Nur für wenige Herzschläge war ich in der Erinnerung gefangen, angekettet, willenlos und spürte nur, wie sich sein Körper an meinen drängte und in meinem Kopf veränderte sich das Bild, Nachtwind strich zwischen uns hindurch, mein nackter Rücken lag auf einem Kirschblütenkissen.

Dann holte die Realität wieder auf, wie ein Messer glitt sie durch die Farben, spaltete unsere Stimmen, die Sprache unserer Körper und ich stieß ihn heftig von mir, wobei ich ein wenig zurücktaumelte.

„Mir fehlt Liz“, flüsterte er und klopfte seinen Anzug ab, obwohl sich nicht ein Staubkorn darauf verirrt hatte.

„Mir nicht“, erwiderte ich genauso ruhig, obgleich ich im Inneren das Gefühl hatte, in Stücke gerissen zu werden.

„Das sehe ich“, schloss er tonlos und in seinen Augen schimmerte etwas, das ich nicht definieren konnte. Aber es war zu schwach, um die Tatsache zu ändern, dass sie nur Platz für Leere hatten.

Me wa kokoro no kagami“, konnte ich mich plötzlich sagen hören. „Und wenn das bei dir tatsächlich der Fall ist, dann würde ich an deiner Stelle lieber anfangen, darüber nachzudenken, gegen wen du wirklich kämpfst.“ Entschlossen, mich nicht auf noch mehr von seinen Allüren einzulassen, steuerte ich auf die Tür zu. Aber als ich ihn passieren wollte, streifte seine Hand meine und ich hörte ihn murmeln: „Wenn das dein Standpunkt ist, warum trägst du ihn dann noch?“

„Dasselbe könnte ich dich fragen“, antwortete ich gerade laut genug, dass er mich verstehen konnte, dann drückte ich die Klinke herunter und ließ den schlafenden Drachen in seinem Hort zurück. Nur erwischte ich mich selbst wieder dabei, wie ich an den Kuss zurückdachte, als ich im Auto saß und der Empfindung von Nichts dabei zum Trotz, nach dem Ring tastete, um ihn wie üblich zu drehen.

Genauso wie Yuri es immer mit seinem getan hatte.
 

Last Breath - Heavy Rain (OST)
 

Ich spürte es schon, als ich das Internat erreichte. Noch während der Wagen ausging, drückte ich die Tür auf und löste den Gurt. Rein optisch hatte sich nichts verändert, nur hatte sich eine Front von schwarzblauen Gewitterwolken vor die Sonne geschoben und die Temperatur um eine Handvoll Grad gesenkt. Impulsiv wickelte ich mich enger in den Blazer, schlang auch die Arme um den Körper und trat eilig auf den Haupteingang zu.

Schüler saßen verstreut in Gruppen unter den Kirschbäumen auf Decken, bastelten an Dekorationen herum oder genossen einfach nur den Ferientag. Als der Wind auffrischte, trieb ich meine Beine wieder voran und wanderte eine Zahl von Korridoren ab, bis ich die Tür erreichte, auf die ich zugehalten hatte. Erst hob ich die Hand, um zu klopfen, aber dann entschied ich mich doch dagegen und öffnete sie unversehens.

Und hatte augenblicklich das Gefühl, kopfüber geworfen zu werden, als ich in die schwarzen Augen blickte, die mir traurig entgegenstarrten. Es dauerte einen weiteren Atemzug, bis ich begriff, dass der Glanz in ihnen von Nässe verursacht wurde, als sich wie aufs Stichwort eine Träne durch seine Wimpern kämpfte und nahe seinem Kinn aufkam wie ein Hagelkorn. Und der Sturm dazu ließ nicht lange auf sich warten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kawaisa amatte nikusa hyaku bai = "Aus zu viel Liebe wird leicht hundertfacher Hass"

Me wa kokoro no kagami = "Die Augen sind der Spiegel der Seele" Komplett anzeigen

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