... warming my heart
Zuhause ist da, wo das Herz ist, sagt man.
Was mich angeht, so war mein Zuhause seit den letzten zehn Jahren bei Beorn, dem Gestaltwandler, der in der Nähe des Düsterwaldes lebte. Er streifte viel umher, ich kümmerte mich um seine Tiere und war damit zufrieden. Ich liebte die Pferde, die Schafe und die Bienen, die so groß waren wie mein Handteller. Mittlerweile verstand ich mich mit ihnen fast so gut wie Beorn und oft tollten wir zusammen draußen umher.
Doch abends, wenn Beorn schlief bekam ich auch hin und wieder Heimweh.
Ursprünglich kam ich aus den Eisenbergen, war dann jedoch lange Zeit im Zwergenkönigreich Erebor gewesen und hatte dort den Schmieden geholfen. Ich hatte mich schwer beeindruckt gezeigt von den riesigen Hallen, dem vielen Zierrat und natürlich auch von der nahegelegenen, wunderschönen und lebhaften Stadt Tal.
Dann hatte der Drache Smaug vor rund sechzig Jahren Erebor für sich beansprucht und obwohl ich Thorin, dem Enkel des Zwergenkönigs, bereitwillig gefolgt war, als er uns nach einem schrecklichen Kampf um das von Orks besetzte Königreich Moria, Khazad-dûm, in die blauen Berge führte, war ich rastlos. Ich wanderte für ein paar Jahre ziellos umher und fand schließlich in Elrond, dem Fürst der Elben von Bruchtal, einen guten Freund. Bis dahin hatte ich die meiste Zeit meines Lebens mit Zwergen verbracht und hatte von Vornherein das eine oder andere Vorurteil gegen Elben, doch diese schienen anders zu sein. Weniger arrogant wie mir schien.
Elrond war auch der erste Nicht-Zwerg, der erfuhr wer oder was ich war.
Am Anfang aller Zeit hatte alles eine Seele, doch das Feuer war eines der wenigen Dinge, die sich diese erhalten konnten. Die Feuergestaltwandler, zu denen ich auch gehöre, waren am Anfang zahlreich, doch nun gab es nur noch wenige von uns und die waren weit verstreut. Meine Eltern leben heute wohl noch immer in den Eisenbergen, doch ist der Kontakt zu ihnen abgebrochen.
Der Elbenfürst war fasziniert. Er hatte zwar Geschichten und Lieder über uns gehört, aber noch nie jemanden zu Gesicht bekommen. Das Selbe galt auch für mich. Ich kannte Zwerge und Menschen, hatte auf meiner bisherigen Reise Orks, Steinriesen und Trolle gesehen. Einmal war ich mir sogar sicher einen Ent erblickt zu haben, doch da die Elben völlig zurück gezogen lebten, war ich bisher nicht mal in die Nähe von ihnen gekommen. Selbst über die Elben von Bruchtal war ich nur rein zufälligerweise gestolpert. Na gut, um fair zu sein, bin ich unwissender Weise in ihr Gebiet eingedrungen und dabei von einem Wächter abgefangen worden. Elrond hatte sich erst misstrauisch verhalten, dann aber interessiert zugehört, als ich ihm erzählt hatte wer ich war und wo ich her kam. Mit meinen knappen 200 Jahren natürlich noch lange nicht an seine Lebenserfahrung heran, doch obwohl ich noch nicht einmal volljährig war, behandelte er mich so, als wäre ich es. Ich durfte mir alte Dokumente ansehen und lernte viel über die Geschichte der Elben, deren Sitten und Gebräuche.
Mein besonderes Interesse galt natürlich der elbischen Schmiedekunst. In den Hallen des Erebor hatte ich ja schon manch schönes Kunstwerk gesehen, doch was Elrond mir zeigte, spielte einfach in einer anderen Liga. Es war nicht nur schön, sondern auch von dieser gewissen Eleganz, die alles umspielte mit dem die Elben zu tun hatten. Ich hatte zwar ein Zimmer zur Verfügung gestellt bekommen, doch im Laufe der Zeit, die ich mich in Bruchtal befand, verzog ich mich immer öfter in die erloschene Feuerstelle der Elbenschmiede. Es war mir einfach angenehmer auf den Holzscheiten zu schlafen, die mir die Elben brachten, als in einem mit Seide bezogenen Bett. Das war ich einfach nicht gewöhnt.
Insgesamt hatte ich etwa vierzig Jahre bei Elrond verbracht, da fasste ich den Entschluss mich wieder auf Wanderschaft zu machen. In letzter Zeit war ich ruhelos gewesen, hatte nicht mehr so viel geschlafen und mich in schlaflosen Nächten immer wieder gefragt, was mit Thorin und den anderen Zwergen war, die mit mir zusammen den Erebor verlassen hatten.
Als ich dem Elbenfürsten schließlich meinen Wunsch unterbreitete, zeigte er sein Bedauern über meine Abreise für einen Elben recht deutlich, hielt mich allerdings auch nicht auf. Er ließ mich noch mit genügend Proviant versorgen, ich verabschiedete mich noch von seiner Tochter, die ich in all den Jahren sehr lieb gewonnen hatte und machte mich dann wieder auf die Reise.
Ein paar Jahre später traf ich dann auf Beorn.
Eines Abends hatte es quasi aus heiterem Himmel angefangen wie aus Kübeln zu regnen. Binnen weniger Minuten war der Boden durchweicht und meine Lederstiefel bis über die Knöchel mit Schlamm bespritzt. Einzig und allein das Ledercape hielt, was es versprach und blieb wasserfest, dennoch musste ich mich über kurz oder lang nach einem Unterstand umsehen. Im letzten Licht der untergehenden Sonne machte ich in einiger Entfernung den Umriss eines Bauernhauses aus und beeilte mich dorthin zu kommen. Denn obwohl wir Feuergestaltwandler erst wirklich empfindlich gegenüber Wasser waren, wenn wir unsere aus Feuer bestehende Gestalt annahmen, wollte ich in meiner menschlichen Gestalt auch nicht wirklich krank werden.
Als ich gerade das Gartentor hinter mir geschlossen hatte, begann es in der Ferne zu donnern und ich beeilte mich die letzten Meter bis zur Haustür auch noch hinter mich zu bringen. Zu meiner Überraschung fand ich sie, nach mehrmaligem Klopfen, nicht verschlossen vor. Vorsichtig sah ich mich drinnen um, doch außer ein paar Schafen erwartete mich niemand. Also zog ich meine schmutzigen Stiefel direkt neben der Tür aus und hängte meine nasse Kleidung vor der Feuerstelle auf, in der noch ein paar Holzscheite vor sich hin glommen. Auf einem ordentlichen Stapel lagen noch ein paar Holzstücke, von denen ich mich noch zwei oder drei nahm und sie auf die letzten Reste des Feuers legte. Als die ersten Flammen nach oben züngelten, nahm ich meine Feuergestalt an und rollte mich um das Holz herum. Nach wenigen Minuten wurde ich ganz schläfrig. Trotzdem bekam ich aus dem Augenwinkel noch mit, wie sich etwas bei den Schafen regte, doch ich war zu müde, um mich damit weiter zu befassen.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Offensichtlich hatte die Zeit, die ich im Regen verbracht hatte, doch negativer auf meinen Gesundheitszustand eingewirkt, als ich gedacht hatte. Ich räkelte mich schläfrig und rieb mir die Augen.
Bei Licht betrachtet sah das Haus zwar einfach, aber auch irgendwie urgemütlich aus. Als ich aus der Arsche auf den Steinboden trat, nahm ich wieder menschliche Form an. Meine Kleidung war zwar nicht mehr nass, aber aber immernoch klamm, doch jemand hatte mir ein Hemd über die Lehne eines Stuhls gehängt. Doch als ich es auseinander gefaltet hatte, bekam ich es ein wenig mit der Angst zu tun. Das Kleidungsstück war so groß, dass ich wahrscheinlich auch locker zweimal hineingepasst hätte. Das Hemd noch in den Händen sah ich mich um. Unter dem Aspekt betrachtet, fiel mir dann auch zum ersten Mal auf, wie gewaltig der Türrahmen war und kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem Bewohner des Hauses um einem Riesen handeln musste. So große Menschen konnte es doch garnicht geben! Konnte es doch, denn gerade als ich das Hemd über den Kopf gezogen hatte, ertönte hinter mir ein tiefe Stimme, die mich fragte, wer ich sein. Erschrocken drehte ich mich um und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich hatte ja damit gerechnet, dass der Hauseigentümer groß sein musste, aber wie groß er tatsächlich war, wenn er vor mir stand...
Der Mann vor mir war mit Sicherheit fast zweieinhalb Meter groß und ich reichte ihm kaum bis zur Hüfte. Haupthaar und Bart waren dicht und und wild gewachsen, fast wie ein Pelz. Der Blick war streng, aber nicht unfreundlich. Trotzdem kam ich mir in dem von ihm geliehenen Hemd irgendwie ausgeliefert vor. Ich erklärte mich ihm stockend, sagte wer ich war, wo ich herkam und entschuldigte mich für mein Eindringen in sein Zuhause, schwor allerdings auch, dass ich keinerlei böse Absichten hätte. Dann hielt ich den Mund, senkte den Kopf und ergab mich meinem Schicksal.
Eine ganze Weile sagte keiner von uns beiden was. Als ich dann jedoch nach oben blickte, nickte der Riese nur, winkte mich zu sich und stellte zwei Schüsseln auf den Tisch.
Mein Hemd raffend, dass mir immerhin bis über die Knie reichte, kletterte ich auf den Stuhl, der am Tisch stand und schaute was da in den Schüsseln war. Es gab eine bunte Auswahl an Früchten und Nüssen. Gerade als ich fragen wollte, ob ich etwas davon haben könnte, knurrte mein Magen so laut, dass ich am Liebsten vor Scham im Boden versunken wäre. Ich murmelte eine Entschuldigung, die jedoch mit einer Handbewegung weggewischt wurde. Der Mann stellt sich als Beorn vor und schenkte mir aus einem großen Holzkrug Milch in einen Becher ein, den ich mit beiden Händen greifen musste, um ihn halten zu können.
Beorn ließ mich bei sich frühstücken und als ich zuende gegessen hatte, bat ich ihm helfen zu dürfen, als Ausgleich für die Mahlzeit.
Also mistete ich kurze Zeit später den Stall der Schafe und Pferde aus, stets begleitet von einem der großen Hunde Beorns. Am Anfang hatte mich deren Größe erschreckt, doch irgendwie schien alles was um den großen Mann herum lebte größer zu sein, als es üblich war. Ob es nun die Hunde, Schafe oder Bienen waren, von denen er seinen Honig bekam.
Ich stellte fest, dass es mir hier gefiel. Es war so schön ruhig. Nicht diese sterile, elegante Ruhe, die ich von Bruchtal kannte, sondern eher eine lebhafte Ruhe, auch wenn das jetzt wiedersprüchlich klingen mag. Später am Tag tobte ich mit den Hunden über die Wiese, als ich meinte einen großen, schwarzen Bären am Hoftor stehen zu sehen, doch als ich mich richtig nach ihm umsah, war er verschwunden. Statt seiner kam Beorn durch das Tor und als ich ihm von dem Bären erzählte, erklärte er mir, dass er das gewesen war, denn er wäre ein Hautwechsler. Wieder einmal an diesem Tag war ich verblüfft, denn ich hatte noch nie jemanden getroffen, der wie ich eine andere Gestalt annehmen konnte. Mein Erstaunen hatte sich wohl so offen auf meinem Gesicht gezeigt, dass Beorn angefangen hatte zu lachen.
Genau weiß ich garnicht mehr, wie es letzten Endes dazu gekommen war, doch als wir am Abend zusammen saßen, machte mir Beorn das Angebot, bei ihm bleiben zu können. Tagsüber könnte ich mich um die Tiere kümmern und nachts in der Feuerstelle schlafen, wenn ich es denn wollte. Hinter diesem Angebot steckte wahrscheinlich auch ein bisschen die Überdrüssigkeit alleine zu sein seinerseits. Also willigte ich ein.
Jetzt war ich schon zehn Jahre hier, hatte im vergangenen Sommer meine Volljährigkeit erreicht und es noch nie gereut hier geblieben zu sein. Das Einzige was mir zu schaffen machte, war das Fehlen von menschlicher Gesellschaft, denn Beorn war oft tagelang nicht zu hause und streifte durch die nahegelegenen Wälder. In letzter Zeit hatte er wohl öfter dunkle Kreaturen in der Nähe gesehen und wollte sicher gehen, dass sie sich nie auch nur in die Nähe unseres Hauses wagten.
Obwohl es natürlich gut nachvollziehen konnte, war ich trotzdem traurig, wenn er nicht da war. Er lebte eindeuig unter dem Motto 'Harte Schale, weicher Kern', auch wenn der Kern oft nur sehr schwer zu sehen war.
Jetzt wartete ich auch wieder auf seine Rückkehr und war schon etwas in Sorge, denn ich hatte ihn schon seit drei Tagen nicht mehr gesehen und obwohl er mir einmal versichert hatte, dass er sich freuen würde, wenn er bei seiner Rückkehr jemanden antreffen würde, war ich mir da nicht immer so sicher.
Während ich also grübelnd als Feuer in der Feuerstelle vor mich hin loderte, hörte ich draußen Wölfe heulen. Nein, Wölfe konnten es nicht sein. Hier in die Gegend trauten sie sich nicht, da sie nur zu deutlich die Präsenz des riesigen Bären spürten. Es mussten also Warge sein. Ich hatte sie schon einmal gesehen und fand sie abscheulich boshaft. Dennoch fragte ich mich, was sie hier zu suchen hatten, denn eigentlich wurden auch sie von Beorn verschreckt, der in seiner Bärengestalt noch um einiges größer war als sie. Ich hoffte nur, dass Beorn nichts geschehen war.
Plötzlich hörte ich erst das Brüllen eines Bären und dann wurde Geschrei vor der Tür laut. Erschrocken fuhr ich zusammen, als die Tür aufflog und eine Schar Zwerge und ein großer Mann mit Hut herein platzten. Sie schrien alle wild durcheinander und schafften dann mit vereinten Kräften Beorn, den Bären, wieder nach draußen zu drängen, obwohl dieser schon fast bis zu den Schultern im Türrahmen stand. So wütend hatte ich den Bären schon lange nicht mehr gesehen und fragte mich schon, ob ich die Fremden aus dem Haus vertreiben sollte, als ich ein mit nur zu gut bekanntes Gesicht entdeckte.
„Thorin?“ Plötzlich herrschte Schweigen. Jeder schien sich umzublicken, doch keiner konnte entdecken woher meine Stimme gekommen war. Ich hielt mich erst einmal versteckt, doch als Thorin vorsichtig „Mira?“ fragte, sprang ich vor lauter Freude aus der Asche, nahm als ich den Boden berührte menschliche Form an und fiel Thorin um den Hals. Dass ich nicht bekleidet war, zählte für mich in diesem Moment nicht. Zu groß war die Freude den brummigen König wieder zu sehen. Der Lärm der daraufhin um uns ausbrach, war so gewaltig, dass ich wahrscheinlich nicht mal dagegen hätte anschreien können.
Erst als Thorin lächelte, mich umarmte und ich seine Hände auf meinem nackten Rücken spürte, wurde mir bewusst, dass ich nackt vor einer Gruppe Männer stand. Bevor ich noch rot anlaufen konnte, wurde mir von hinten Beorns altes Hemd über den Kopf gezogen. „Du sollst doch nicht immer nackt herum laufen.“ Peinlich berührt, steckte ich die Arme auch noch ins Hemd und drehte mich dann um, um mich für das Hemd zu bedanken. Hinter mir stand kein anderer als Balin. Auch wenn er unglaublich gealtert war. „Balin!“ Überschwänglich umarmte ich ihn und knallte dann in bester zwergischer Manier meine Stirn gegen Seine. „Und was heißt hier immer? Hör auf mich damit auf zu ziehen!“ Es stimmte allerdings. In einem besonders schlimmen Winter war so viel Schnee gefallen, dass wir den Erebor nicht mehr hatten verlassen können und ich die ganze Zeit in den riesigen Feuerstellen frustriert vor mich hin gebrannt hatte. Als er dann endlich angefangen hatte zu tauen, hatte mich nichts mehr halten können und so war ich nackt wie ich immer war, wenn ich mich in meine menschliche Gestalt zurück verwandelte, nach draußen gerannt, um als Erster die frische Luft zu genießen. Damit hatten mich die Zwerge mit denen ich in der Schmiede gearbeitet hatte, noch Jahre danach aufgezogen und auch Balin hatte es sich nicht nehmen lassen, den einen oder anderen Witz darüber zu reißen.
„Tut mir Leid, Mädchen, aber ich hatte lange keine Gelegenheit mehr dazu.“, sagte er schmunzelnd und klopfte mir dann liebevoll auf die Schulter.
Da räusperte sich der Mensch mit Hut und verlangte zu wissen, wer ich sei. Brav stellte ich mich unter dem Namen vor den die Zwerge mir damals gegeben hatten, nämlich Mira, der Feuergestaltwandler. Auf meine Frage hin wer er denn sei, bekam ich zu hören, dass er Gandalf, der Graue, sei. Aha, also ein Zauberer. Wieder was Neues für mich, denn auch einen Zauberer zu treffen war mir bisher nicht vergönnt gewesen.
Da erhob Thorin die Stimme über die seine Mitreisenden, die angefangen hatten wild durcheinander zu murmeln, als sie gehört hatten was, ich war. „So sehr ich mich auch freue dich zu sehen, aber was machst du hier?“ „Wollen wir nicht lieber beim essen weiter reden?“, stellte ich die alles entscheidende Gegenfrage, denn kein Zwerg sagte 'Nein' zu einer Mahlzeit.
Während ich in einem großen Kessel rührte der über dem Feuer hing, versuchte ich mein schnell schlagendes Herz zu ignorieren. Die Zwerge deckten unter Thorins Leitung brav den Tisch und suchten sich Sitzgelegenheiten, die sie dann an Beorns hohen Tisch schoben. Doch alle hatten sich im Laufe der Zeit vorgestellt. Thorin und Balin kannte ich ja noch von früher, ebenso wie Dwalin, Balins Bruder, auch wenn er inzwischen Glatze trug. Bombur war ein Zwerg mit so gewaltigen Ausmaßen, dass ich ihn mit Sicherheit nie wieder vergessen würde. Mit den Namen von Ori, Dori und Nori musste ich eine Weile jonglieren, bis ich sie zuordnen konnte. Bofur, war im Gegesatz zu Bifur, der eine Axt in der Stirn hatte, der mit der lustigen Mütze. Dann waren da noch der schwerhörige Oin und Gloin, der einen der prächtigsten Bärte zur Schau stellte, den ich seit langem gesehen hatte.Interessanter Weise hatten sie auch einen Hobbit, Bilbo, dabei, von denen ich bis dahin noch nie etwas gehört hatte und beschloss mich später noch mit ihm zu unterhalten. Und zu guter Letzt waren da ja auch noch die Neffen von Thorin. Fili, der mit seinem blonden Haar und seinen lustig funkelnden Augen eine echte Bereicherung für die Frauenwelt war und sein Bruder Kili, der sich mir mit einem Grinsen vorgestellt hatte. Leider war es aber auch eben er, der mein Herz so durcheinander gebacht hatte, dass es jetzt nicht mehr aufhören wollte viel zu schnell zu schlagen. Ich wusste nur noch nicht ganz warum, denn ich hatte die sowohl ihn als auch seinen Bruder doch schon gekannt, als sie noch ganz klein gewesen waren und kaum hatte ich die beiden ein paar, na gut ein paar viele, Jahre gesehen, da musste Kili mir mit seinem Grinsen und den dunkel leuchtenden Augen den Kopf verdrehen? Ich war vorher nie verliebt gewesen und hatte auch nie verstanden, warum deshalb so ein großer Rummel gemacht wurde, doch jetzt konnte ich es mir vorstellen.
Ich probierte gerade die Suppe und blickte nach oben, als Kili einen Teller abstellte und ebenfalls hoch blickte, meinem Blick begegnete und mir ein schelmisches Grinsen schenkte. Beinah ließ ich meinen Probierlöffel in die Suppe fallen. Das macht der doch absichtlich, dachte ich erbost und mit wieder wild schlagendem Herzen, beschloss dann dass die Suppe fertig war, drosselte das Feuer mit einer Handbewegung so, dass es nur noch glomm und begann das Essen zu verteilen.
„Also, was genau hat dich zu Beorn geführt?“, fragte Gandalf, als schließlich alle was zuessen hatten. Ich begann zu erzählen wie ich damals die blauen Berge verlassen hatte und berichtete wie ich allen möglichen seltsamen Kreaturen begegnet war, bevor ich dann ein paar Jahre bei den Elben verbracht hatte. An dieser Stelle zuckte eine Augenbraue von Thorin nach oben und eine ganze Weile sah es so aus, als wollte er mir eine Standpauke halten, weil ich so eine lange Zeit
in Bruchtal geblieben war. Doch dann rümpfte er nur missbilligend die Nase und stopfte sich ein Stück meines selbstgebackenen Brotes in den Mund, auf dem er dann wütend herum kaute.
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen und erzählte dann wie ich Beorn getroffen hatte.
„Es erstaunt mich, dass Beorn dich so einfach bei ihm bleiben ließ. Er ist sonst nicht sehr gesellig.“, sagte Gandalf und zündete seine Pfeife an. „Liegt vielleicht daran, dass wir beide Gestaltwandler sind.“, meinte ich schulterzuckend und trank einen Schluck Apfelsaft aus meinem Krug.
„Was kannst du eigentlich alles?“, ließ sich Ori von anderen Tischende vernehmen. „Genau!“, stimmte Kili mit ein. „Du könntest doch mal zeigen was du so drauf hast.“ Wieder dieses Funkeln in seinen Augen. Dieses Mal konnte ich es nicht verhindern und wurde rot. Nur ließ dieses Rotwerden auch gleichzeitig kleine Flammen in meinen Haaren tanzen. Von irgendwoher kam ein Raunen. „Guter Trick! Was sonst noch?“, fragte Ori neugierig. Ich überlegte kurz. Dann fing ich mit einer lässigen Handbewegung die Kerzenflammen auf dem Tisch ein, bewahrte sie einen kurzen Augenblick in meinen Händen auf und schickte sie mit einer schnellen Handbewegung zu ihrem Ursprungsort zurück. „Außerdem kann ich mich in Feuer verwandeln, wie ihr gesehen habt und Feuer auflodern lassen oder es soweit drosseln, dass es gerade noch so brennt.“ Wieder setzte Gemurmel ein.
„Aber jetzt sagt doch mal was euch hier her gebracht hat.“ Erwartungsvoll sah ich von einem Zwerg zum Nächsten, doch so wirklich mit der Sprache rausrücken wollte keiner.
Schließlich räusperte sich Gandalf. „Nun, eigentlich hatten wir gehofft Beorn vor zu finden.“ „Oh, er kommt eigentlich nur selten zum Schlafen ins Haus, außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass er über euer Erscheinen sehr erfreut sein wird, nachdem ihr ihm vorhin die Tür so vor den Kopf geknallt habt.“ Man konnte es förmlich hinter den Stirnen der Zwerge arbeiten sehen, doch dann wurden sie laut. Immerhin schienen sie nun begriffen zu haben, dass der Bär der Eigentümer des Hauses war.
Thorin ließ sie eine Weile gewähren, dann schlug er einmal so fest mit der Faust auf den Tisch, dass mein Krug einen kleinen Satz machte. Doch es verfehlte seine Wirkung nicht, denn die übrigen Zwerge wurden still. „In was für ein seltsames Quartier hast du uns geführt Gandalf?“, ließ sich der König dann vernehmen. „Nun, Beorn ist ein Hautwechsler. Wenn er nicht als schwarzer Bär durch die Gegend streift, ist er einfach nur ein großer, muskulöser Mensch. Als solcher lässt er vernünftig mit sich reden, doch seiner tierischen Natur ist mit Vernunft nicht bei zu kommen.“
Bevor Thorin etwas erwiedern konnte, meldete ich mich zu Wort. „Wenn wir grad beim Thema Vernunft sind, ich fänd es vernünftig, wenn ihr jetzt schlafen gehen würdet. Ihr müsst doch mit Sicherheit furchtbar müde sein.“ Wie auf mein Stichwort hin, gähnte Ori verhalten. „Aha, kommt schon, ich besorg euch ein paar Decken.“ Thorin hob zum Wiederspruch an, doch ich bremse ihn direkt aus. „Ich will deinen Einwand garnicht hören. Mein Haus, meine Regeln! Außerdem müssen auch Könige mal schlafen.“
Als dann das Geschirr gewaschen war und alle schliefen, zog ich mich schließlich auch aus und verkroch mich in die Feuerstelle, wo ich die verbliebenen Holzscheite zum Knistern brachte.
Ich hatte das bunte Treiben der Zwerge tatsächlich vermisst. All ihre Launen, die fehlenden Tischmanieren und das laute Lachen. Die Elben hatten sich ja oft zu kaum mehr als einem hochgezogenen Mundwinkel hinreißen lassen. Wobei Thorin oft auch nicht besser war. 'Lustig' war nicht unbedingt das Wort mit dem ich ihn beschreiben würde. Das würde dann eher zu Bofur passen.
Plötzlich nahm ich eine Bewegung links von mir wahr. Offenbar konnte Bilbo noch nicht schlafen, denn er kam gerade auf mich zu geschlichen, bemüht nicht auf die Anderen zu treten, die quer über den Boden verteilt schliefen. „Hey.“, flüsterte er. „Hey.“, flüsterte ich zurück. „Ich dachte du schläfst schon.“ „Nein, irgendwie bin ich zu aufgekratzt.“, sagte er, setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Feuer stand und sah mich an. „Ich hab nicht gewusst, dass es sowas wie dich gibt.“, meinte er dann. „Geht mir bei dir genauso.“, grinste ich. „Wo kommt ihr Hobbits eigentlich her?“ „Ich wohne im Auenland.“ „Auenland.“, wiederholte ich nachdenklich. „Kenn ich nicht. Wie ist es denn da so?“ „Sehr ruhig. Fast ereignislos.“, antwortete Bilbo. Ich zog eine Augenbraue nah oben. „Komm schon, beschreib es doch mal mehr. Schwärm mir was vor.“ Da seufzte Bilbo.
„Der Himmel ist eigentlich immer blau. Die Wiesen sind mit einem dicken Teppisch aus dunkelgrünem Gras überzogen und überall blühen Blumen. Wenn du dich unter einem Baum zur Ruhe legst, hörst du den Wind sanft durch die Baumkrone streichen und wie er das Laub zum rascheln bringt.“ Entspannt hatte ich die Augen geschlossen und stellte mir das von ihm beschriebene Auenland vor. „Unsere Behausungen sind Löcher in der Erde, aber keine kalten, feuchten oder dreckigen Löcher. Sie sind warm und behaglich. Abends prasselt ein munteres Feuer im Kamin und sein Schein spiegelt sich in dem gewachsten Holzfußboden und den getäftelten Wänden. Jeder Hobbit freut sich über Gäste, die Einen natürlich mehr als die Anderen, aber das ist ja überall so.“
Bilbo schwieg und ich öffnete die Augen wieder. „Ich glaube, ich komm euch mal besuchen. Es klingt gut, wie du es beschrieben hast.“ „Am Meisten vermisse ich meinen Sessel und meine Bücher.“ Er rutschte auf seinem Stuhl herum, rieb sich dann verlegen mit der Hand über den Nacken und sah mich dann wieder an. „Was ist mit dir? Vermisst du deine Familie?“ Ich zuckte nur mit den Schultern. „Geht so. Meine Mutter mehr als meinen Vater. Wenn es doch mal so sein sollte guck ich auf meinen Ring und denk an sie.“ Ich streckte eine Hand nach vorne und ließ ihn von Bilbo betrachten. „Ein Ring aus Arun-Bald mit einem Kohlerubin. Genauso selten wie hitzebeständig, habe ich mir hinterher sagen lassen. Er wird seit Generationen von den Frauen der Familie meiner Mutter weitergereicht und nun hab ich ihn.“ Ich räusperte mich, in der Hoffnung den Kloß, der sich plötzlich in meinem Hals gebildet hatte, los zu werden.
Als ich mich wieder Bilbo zu wandte, sah er mich ernst an. „Naja, jedenfalls ist es nicht so schlimm. Außerdem hab ich so viel erlebt, dass ich meistens keine Zeit hatte Heimweh zu bekommen. Schlimmer ist es, wenn ich alleine bin. Dann vermiss ich meine Eltern, aber noch mehr das geschäftige Wuseln im Erebor. Da war ich wirklich gerne.“
„Würdest du denn da wieder hin wollen?“ Nachdenklich sah ich den Hobbit an. „Hm, nein ich glaub nicht. Jedenfalls nicht jetzt. Drachen sollen furchtbar ungesellig sein und Smaug ist ein alter Miesepeter, ich denke nicht, dass wir gut miteinander auskommen würden, so wie er sich aufgeführt hat. Ich meine, immerhin hat er eine ganze Stadt abgebrannt und den großen Teil der Zwerge im Erebor gefressen oder verbrannt.“ Ich schüttelte den Kopf. „Vielleicht ergibt sich ja mal später die Gelegenheit, dass ich wieder da hin komme.“ „Ja, vielleicht.“, stimmte mir Bilbo zu.
Dann saßen wir eine Weile still nebeneinander. „Solltest du nicht mal irgendwann schlafen?“, fragte ich. „Ja. Doch, ist wahrscheinlich wirklich besser, wenn ich jetzt schlafe.“, gähnte Bilbo verhalten, wünschte mir eine gute Nacht und kletterte über die Zwerge zurück zu seinem Platz.
Eine Zeit lang brannte ich einfach nur vor mich hin. Das Auenland schien mir eine Reise wert zu sein. Es klang nach Frieden und Erholung.
Doch bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, drehte sich Kili im Schlaf um. Von meinem Standpunkt aus konnte ich sein attraktives Gesicht und einem Teil seines Oberkörpers sehen, der obwohl er in einem dunkelblauen Hemd steckte, so wunderbar muskulös aussah, dass ich mich am Liebsten drangekuschelt hätte. Mein Herzschlag wurde wieder ganz flatterig und ich seufzte leise. Es wäre ganz einfach. Ich müsste nur über Dwalin und Ori steigen und könnte dann in seinen Armen einschlafen. Schönes Wunschdenken war das.
Gedankenverloren stützte ich mein Gesicht auf meinen Händen ab. Wie würden sich wohl seine Haare anfühlen, wenn ich sie streichelte? Sie waren mit Sicherheit ganz weich.
Während ich über diesen oder ähnliche Gedankengänge sinnierte, schlief ich schließlich ein.
Wie zu befürchten war, bleib meine Nacht recht kurz und war voller Störungen. Was ich definitiv nicht bedacht hatte war, dass eigentlich alle Zwerge schnarchen. Manche laut, manche leise und manche so, dass einem die Ohren abfallen konnten. Zu Letzteren schien Oin zu gehören. Vielleicht lag es daran, dass er schwerhörig war und sich nicht mehr selbst schnarchen hören konnte. Ich wusste es nicht und es war mir auch egal, doch gegen Ende der Nacht hätte ich ihn am Liebsten mit seinem Mantel erstickt. Nicht nur, dass ich vor lauter Herzflattern die halbe Nacht kein Auge zugetan hatte. Nein, das musste er mich auch noch die andere Hälfte lang stören. Es war zum aus der Haut fahren. Nicht wortwörtlich natürlich, aber es kam dem schon ziemlich nahe.
Als der Himmel sich im Osten begann rosa zu färben, beschloss ich daher, dass meine Nachtruhe zu Ende war und stand leise auf. Das Feuer ließ ich brennen, nahm meine menschliche Gestalt an und ging nach draußen, um mich zu waschen. Die Nächte waren bereits wieder recht kühl geworden und so machte ich nur eine kurze Katzenwäsche draußen an dem kleinen Bach, der vorbei gurgelte, bevor ich einmal kurz wieder zu Feuer wurde, um mich zu trocknen.
Ich hörte hinter mir ein Schlurfen und drehte mich schnell um, doch es war nur Ryder, einer der großen, wolfsähnlichen Hunde von Beorn. Er hielt mein Hemd im Maul und ließ es vor mir fallen. „Oh danke.“ Ich grinste und bückte mich um es aufzuheben. Ryder schnaubte und stieß mich leicht mit dem Kopf in Richtung Haus. Da lachte ich. „Ich geh ja schon wieder rein. So gemütlich ist es ja auch nicht hier draußen.“ Von irgendwo aus der Kehle des Hundes kam ein tiefes Grollen. „Ja, du kriegst auch was zu fressen. Mannomann, sonst bist du doch auch ein Selbstversorger.“ Da ließ er sich zu einem welpischen Kläffen hinreißen und brachte mich erneut zum Lachen. Immerhin war der Hund beinah so groß wie eines der Ponys, da wirkte so ein niedlicher Laut irgendwie fehl am Platz. „Okay, aber nur weil du es bist.“ Wieder ein Kläffen, dann wurde ich liebevoll in die Hand gezwickt und schon war der Hund auf und davon. Wahrscheinlich zu Faye, seinem Weibchen.
Als ich die Tür öffnete, war es überraschend still. Nun ja, still war auch noch übertrieben, aber Oin hatte aufgehört zu schnarchen, auch wenn er noch schlief. Wahrscheinlich hatte er jetzt doch irgendwen gestört und derjenige hatte ihm in die Rippen getreten, damit er still war.
Schnell stellte ich den Hunden etwas zu essen vor die Tür und schloss sie dann möglichst leise.
Geschickt flocht ich mir die Haare und steckte sie dann am Hinterkopf in einem Dutt zusammen. Nur einige widerspenstige Strähnen lösten sich und fielen mir ins Gesicht, doch ich strich sie mir einfach hinters Ohr. Immerhin würden die Zwerge mit Sicherheit gleich wach werden und hatten Hunger, da wollte ich so rasch wie es nur ging anfangen zu kochen.
Weil zu einem guten Frühstück für mich immer ein süßer Getreidebrei gehörte, stellte ich schon mal alles dafür zusammen. Jetzt fehlte mir nur noch der Honig. Beorn stellte ihn immer außerhalb meiner Reichweite, weil ich ihn sonst im Handumdrehen leer gelöffelt hätte. So war die Versuchung nicht ganz so groß, aber ich wusste natürlich trotzdem wie ich dran kommen konnte.
Um niemanden zu wecken, trug ich einen Stuhl zu dem hohen Regal, auf dessen oberstem Brett der Topf mit dem Honig aufbewahrt wurde. Dann kletterte ich erst auf den Stuhl, dann auf das nächst höhere Regalbrett und stellte mich auf die Zehenspitzen. Tastend suchte ich nach dem Honigtopf und bekam ihn schließlich zu fassen. Grinsend machte ich einen Schritt zurück, in der Erwartung wieder auf den Stuhl zu treffen, doch mich erwartete nur Leere. Als ich nach hinten fiel, drückte ich noch meine Beute an mich. Ginge der Topf zu Bruch wäre Beorn noch verärgerter als er es eh schon sein würde, wenn er eine Horde Zwerge bei sich vorfinden würde.
Doch überraschender Weise traf ich nicht auf den Steinfußboden, sondern wurde von zwei starken Armen aufgefangen. „Das hätte aber auch schief gehen können.“, sagte Fili und stellte mich wieder auf eigene Füße. „Ja, danke.“ Vor Schreck klopfte ein Herz wie verrückt und ich stellte den Topf schnell ab, ehe ich ihn vielleicht doch noch aus Versehen fallen ließ.
„Was sollte das denn werden, wenn es fertig ist?“, fragte er dann leise nach und musterte mich. „Eigentlich hatte ich vor euch süßen Getreidebrei zu machen. Dafür musste aber den Honig haben und da der ganz oben im Regal stand...“ „Okay, den Rest kann ich mir denken.“, sagte Fili und hob abwehrend die Hände. „Hab ich dich geweckt?“, fragte ich besorgt nach. „Nein, ich war schon vorher wach. Ich konnte nicht gut schlafen.“, versicherte er mir. „Kann ich dir denn helfen?“
„Wenn du möchtest, kannst du schonmal den Tisch decken.“, antwortete ich und zeigte auf den Stapel mit Geschirr.
Unser Plauderton war leise, aber herzlich und ich stellte fest, dass ich ihn wirklich gerne mochte. Er erinnerte mich in seiner Art an Dis, seine Mutter. Eher ernster, kam er völlig unerwartet mit irgendeinem sarkastischen Spruch um die Ecke, der mich zum lachen brachte.
„Na, ihr scheint ja eine Menge Spaß zu haben.“ Thorin war aufgestanden und zog gerade seinen Mantel an. Während er zu uns herüber kam. „Dir auch einen guten Morgen, mein König der Herzen.“, grinste ich und erntete dafür von ihm eine hochgezogene Augenbraue. „Warum bist du denn schon wach, Onkel?“, schaltete sich Fili schnell ein. „Alte Leute und Kinder brauchen nun einmal mehr Schlaf.“, erklärte Thorin und setzte sich an den Tisch. „Meinst du denn, dass du dich zur Feier des Tages auch noch waschen könntest?“ Den Ausdruck, den sein Gesicht auf meine Frage hin annahm, hätte man eigentlich porträtieren müssen. Er war irgendwo zwischen Spontanhass und absoluter Fassungslosigkeit angesiedelt. „Du bist erstaunlich respektlos geworden.“, sagte er dann fassungslos. „Und du irgendwie schmutzig. Außerdem hat das nichts mit fehlendem Respekt zu tun. Ich wollte dir nur ein Bad ans Herz legen, weil es weder dir noch deinen Freunden schaden könnte. Nichts für ungut, Fili.“ Thorins Neffe zuckte jedoch nur mit den Achseln. „Vielleicht hast du Recht.“, sagte der König und stand wieder auf. „Wo dürfen wir uns waschen?“ „Hinter dem Haus ist ein Bach.“, sagte ich und erhob mich ebenfalls. „Hier hast du Seife und Handtücher.“ Ich drückte ihm die Sachen in die Hand. Mit einem Nicken bedeutete Thorin seinem Neffen ihm zu folgen und ging nach draußen.
Nach und nach wachten auch alle Anderen auf und wurde gebeten sich erst zu waschen, bevor sie sich zum Frühstück setzten. Kili sah verschlafen so süß aus, dass ich ihn am liebsten angesprungen und umgeknuddelt hätte. Dann waren alle draußen und ich konnte hören, wie sie durch den Bach tobten. Nur Gandalf saß noch bei mir und zog an seiner Pfeife. „Möchtest du dich nicht auch etwas frisch machen?“ „Das schon, aber ich dachte, dass ich mich auch genauso gut in der Holzwanne sauber machen könnte, die dort in der Ecke steht. Sie scheint mir genau zu diesem Zweck aufgestellt worden zu sein.“, sagte der Zauberer und zwinkerte mir zu. „Ah ja. Du hast mich erwischt.“ Ich lachte. „Ich wollte die Jungs nur ein bisschen aufziehen und hab sie nach draußen geschickt. Manchmal bade ich halt einfach lieber warm.“
Gandalf beließ es dann jedoch dabei sich nur zu waschen, anstatt zu baden. Taktvoll schaute ich in der Zeit woanders hin. Da kamen auch schon wieder die Zwerge und Bilbo herein. Alle mit geröteten Gesichtern und leicht verfroren. „Ihr seht aus wie wandelnde Frostbeulen.“, witzelte ich und trug den Kessel mit dem Getreidebrei auf den Tisch. „Sehr lustig. Wer hat uns denn nach draußen geschickt?“, brummte Dwalin und schaute mich böse an. „Aber es war nötig. Du hast gestunken wie ein Troll, Mister Dwalin.“, sagte ich und setzte meinen besten Unschuldsblick auf. Als der Rest der Runde in Gelächter ausbrach und sogar Thorin sich zu einem Schmunzeln hinreißen ließ, öffnete Dwalin mehrmals den Mund und schloss ihn wieder. Dann setzte er sich und würdigte mich keines weiteren Blickes.
„Hach, es geht doch nichts über eine warme Mahlzeit.“, sagte Bombur schmatzend und Kili stimmte ihm zu. „Stimmt, je heißer desto besser.“ Er zwinkerte mir grinsend zu und zog mir damit fast den Boden unter den Füßen weg. Schnell setzte ich mich zwischen Bilbo und Bofur auf die Bank und hob meine Schüssel so hoch vor mein Gesicht, dass man es nicht mehr sehen konnte. Die Anderen schienen davon jedoch keine Notiz zu nehmen und ich war ihnen dankbar dafür.
Gerade als Gandalf den Mund öffnete, um etwas zu sagen, erklangen vor der Haustür schwere Schritte. „Was ist das denn?“, fragte Ori und ein bisschen Angst schwang in seiner Stimme mit. „Das, mein lieber Ori, wird wohl Beorn sein.“, sagte ich und hoffte, dass der andere Gestaltwandler nicht direkt in Rage geriet, wenn er die Zwerge an seinem Tisch sah.
Doch die erwartete schlechte Laune blieb aus. Zwar war Beorn etwas ärgerlich, doch als ich ihm erklärte, dass es Freunde von mir seien, wurden seine harten Gesichtszüge weicher. Doch auch nur für einen Moment, denn ich konnte ihm ja leider immer noch nicht sagen, warum die Zwerge eigentlich genau hier waren. Da schaltete sich der Zauberer ein. Er erklärte dem Gestaltwechsler, dass sie unterwegs seien, den Erebor zurück zu erobern und Smaug zu töten.
Ich hörte ihm voller Staunen zu, war aber auch gleichzeitig sauer. Hätte man mir das nicht auch sagen können oder war das wieder so eine 'Ich-großer-Krieger-und-du-Frauchen-am-Herd' Geschichte?
Jetzt blieb nur noch abzuwarten, wie Beorn auf Gandalfs Worte reagieren würde.
„Du bist also der, den sie Thorin Eichenschild nennen.“, sagte Beorn bedächtig und begann Schafsmilch an alle aus einem großen Holzkrug zu verteilen. Der König betrachtete den Gestaltwandler wachsam während er an seiner Pfeife zog. „Ich mag keine Zwerge.“, fuhr Beorn fort und ich schlug innerlich die Hände über meinem Kopf zusammen. Bitte, bitte lass das Ganze noch mal gut gehen, dachte ich und sah mir die Gesichter der Zwerge an. Jedem schien unwohler zu werden, je mehr Beorn sagte. „ ... doch Orks mag ich noch weniger. Was also braucht ihr?“, schloss der Gestaltwandler und grinste, was für ihn eigentlich völlig untypisch war. Beinah wäre mir die Kinnlade auf den Tisch geknallt, denn damit hatte ich nun bei Weitem nicht gerechnet.
Ich hielt mich relativ im Hintergrund und ließ die Jungs selbst packen. Unter der Aufsicht von Beorn verschwanden gewaltige Menge Essen und Trinken in den Packtaschen der Ponys. Nicht einmal Bombur dürfte jetzt noch verhungern. Obwohl, ich war nicht umhin gekommen zu bemerken, dass Bilbo mehr verschlang, als ich es ihm zugetraut hätte. Vielleicht sollten sie doch noch mehr mitnehmen. Kaum hatte ich den Gedanken zuende gedacht, da tippte mir jemand schüchtern auf die Schulter. „Entschuldigung, aber ist noch etwas von dem Getreidebrei da?“ Offensichtlich schien er Ori geschmeckt zu haben, denn er stand als ich mich umdrehte hinter mir und schaute leicht verlegen aus der Wäsche. Ich lächelte ihn freundlich an. „Ja, ist es. Komm, ich pack ihn dir ein. Dann kannst du ihn unterwegs essen.“
Nur kurze Zeit später brach die Gruppe auf. Mit gemischten Gefühlen sah ich ihnen nach und kaute auf meiner Unterlippe herum. Je weiter sie sich entfernten desto unangenehmer wurde das Stechen in meiner Herzgegend und als sie schließlich aus meinem Blickfeld verschwunden waren, war es absolut unerträglich. Da fasste ich einen Entschluss und wandte mich zu Beorn um. „Beorn, ich...“ Erstaunt betrachtete ich ihn, denn er war gerade dabei, die alten Sachen von mir aus einer Kiste zu holen. „Was machst du da?“, fragte ich vorsichtig. „Die wirst du mit Sicherheit brauchen, wenn du mit den Zwergen mitgehst.“, brummte er. „Aber ich...“ „Ich hab gesehen, wie du den dunkelhaarigen Jungen angesehen hast. Seidem er aus dem Haus gegangen bist, kaust du auf deiner Lippe herum.“, sagte Beorn und sah dabei nur allzu wissend aus. Ich schluckte schwer. „War das so offensichtlich?“ „Für mich schon. Ich bin ein guter Beobachter, das weißt du.“ Ja, das wusste ich. „Dann hast du nichts dagegen, wenn ich mit ihnen mitgehe?“ „Eigentlich schon.“, gestand der Gestaltwandler ein. „Doch so wie die Dinge jetzt liegen, wirst du hier auch nicht mehr glücklich werden.“ Da war alles vorbei und ich warf mich auf ihn, um ihn zu umarmen. Das hatte ich in all den Jahren nicht gemacht, doch jetzt ging es nicht anders. Beorn stand im ersten Augenblick noch etwas steif da, doch dann hob er mich hoch und umarmte mich auch. „Ich werd dich vermissen.“, weinte ich. „Ich dich auch, aber du kommst mich doch wieder besuchen, nicht wahr?“, fragte Beorn. „Auf jeden Fall.“, sagte ich und nickte so heftig, dass sich nun sämtliche Nadeln aus meiner Hochsteckfrisur lösten und mein Zopf schwer auf meinen Rücken fiel. Da lachten wir beide, ich unter Tränen und Beorn mit traurigen Augen.
In meine alte Kleidung zu schlüpfen fühlte sich erstaunlich gut an und ich war froh, dass ich sie in den Jahren zuvor so gut gepflegt hatte. Als ich dann auch noch den schwarzen Umhang anlegte, fühlte ich mich um Jahre jünger. Das Haar hatte ich mir in typisch zwergischer Manier in einfachen Zöpfen nach hinten gebunden. Nur meinen Pony hatte ich mir geflochten und in die zwei Zöpfe am Hinterkopf gesteckt. Dennoch reichte mir mein Haar inzwischen bis über die Hüfte und ich hatte öfter überlegt es mir ab zu schneiden. Doch dann hatte ich immer daran gedacht, dass lange Haare eigentlich Pflicht waren, wenn man unter Zwergen lebte und da ich immer vorgehabt hatte, irgendwann in die blauen Berge zurück zu kehren, erübrigte sich das Ganze.
„Du kannst allerdings kein Pony haben. Sie sind alle bei den Zwergen.“, sagte Beorn und sah dabei etwa missmutig aus. „Das macht nichts.“, meinte ich beschwichtigend, ging aus der Tür und stieß einen langgezogenen Pfiff aus. Kurz darauf kam Ryder angerannt, legte den Kopf schief und kläffte fragend. „Kannst du mich zu den Zwergen bringen?“ Der wolfsähnliche Hund schnaubte. „Ich versprech dir, dass du dann auch sofort zu deiner Familie zurück kannst.“ Da ging er ein wenig in die Knie, um mich aufsitzen zu lassen. Beorn schaute skeptisch drein. „Keine Sorge, wir haben das schon öfter gemacht.“, versicherte ich ihm und setzte dann meinen Rucksack auf.
„Pass auf dich auf.“, sagte Beorn. „Mach ich. Du aber auch.“, antwortete ich, drehte mich dann um und ritt mit ein bisschen Wehmut im Herzen aus dem Gartentor hinaus.
Auf Ryder fühlte ich mich fast als könnte ich fliegen, so ein Tempo legte der Hund an den Tag. Die Landschaft schoss nur so an uns vorbei und bald kam die Gruppe um Thorin in Sicht. Ohne groß zu überlegen schloss ich zu Bilbo auf, der mit Ori und Bofur am Schluss der Gruppe ritt und bekam gerade noch mit, wie Bofur mit „Könnt ihr euch das vorstellen?“ endete. „Nein, im Ernst?“, sagte ich dann dicht neben ihm und brachte ihn dazu fast von seinem Pony zu fallen. „Was zum …?“, erschrocken sah er zu mir und fasste sich dann theatralisch ans Herz. „Mira! Du hättest mich fast umgebracht.“ Dann sah er worauf ich ritt und wirkte jetzt wirklich etwas verstört. „Und wer ist das?“ „Mein Haustier.“, sagte ich grinsend und erntete dafür ein Knurren von Ryder. „Ist ja gut. Okay, ist er nicht. Das ist ein Freund von mir. Besser so?“, fragte ich und klopfte dem Hund freundschaftlich auf den Hals. Diesmal kam nur ein zufriedenes Schnauben.
Inzwischen hatten die Anderen auch mitbekommen, dass ich mich dazu gesellt hatte. Thorin schien nicht begeistert zu sein und machte ein Zeichen, dass die Gruppe halten sollte.
„Warum bist du hier?“, fragte er und zeigte einmal mehr einen seiner besten, grimmigen Gesichtsausdrücke. „Ich wollte mitkommen.“, sagte ich schlicht und einfach, was ihn ein wenig aus dem Takt zu bringen schien. Natürlich hätte ich jetzt auch sagen können „Weil ich um die Hand deines jüngeren Neffen anhalten will.“, doch das würde ich mit Sicherheit nie über die Lippen bringen.
„Außerdem hab ich so mehr Zeit, die ich mit meinem Lieblingskönig verbringen kann.“, setzte ich hinzu und grinste ihn an. Thorin warf mir noch einen strengen Blick zu, dann setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung.
„Weißt du, was ich mich schon die ganze Zeit frage?“ Ich drehte mich zu Bofur um, der mich ansah, als hätte er einen Geist gesehen. „Wie kommt es eigentlich, dass Thorin dir durch gehen lässt, wie du mit ihm redest?“ Ich grinste wieder und zuckte dann jedoch nur mit den Schultern. „Der Respekt vor dem Alter? Immerhin bin ich fast sechzig Jahre älter.“ Da wurden nun auch die Augen von Ori und Bilbo so kugelrund, dass ich lauthals lachen musste. „Dann hast du dich aber ganz schön gut gehalten.“ Meine Nackenhaare stellten sich auf und mein Herz machte einen Sprung, als ich diese Worte von Kili vernahm, der sein Pony neben Ryder gelenkt hatte und mich nun belustigt anschaute. „Tja, kannste mal sehen.“ Ich lachte wieder, dieses Mal allerdings halbherzig und hätte innerlich am Liebsten geschrien.
Worauf hatte ich mich da nur eingelassen?