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Der Nebel... (selbstgeschriebene Creepypasta)

Eine kleine selbstgeschriebene Creepypasta.
von

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Der Nebel...

Irgendwo auf einer einsamen Straße in den Weiten der schottischen Highlands:

Erst vor kurzer Zeit hatte der Regen nachgelassen. Jetzt, im letzten Licht der untergehenden Sonne, schien das Land zu dampfen, als ob die regendurchtränkte Erde die überschüssige Feuchtigkeit regelrecht auszuspeien schien.

Tief unten in den Tälern begannen sich erste Nebelbänke zu bilden, deren Ausläufer die sanft geschwungenen Hänge hinauf krochen. Zerfaserte, graue Schlieren überdeckten das saftige Grün des Grases, umschmeichelten die Stämme der Bäume und hüllten alles in einen wattigen Kokon der Trostlosigkeit.

Ein alter Mini fraß sich seinen Weg durch diese graue Welt, nur geleitet von dem kaum erkennbaren, rissigen Asphalt der engen Straße. In geradezu lächerlicher Weise versuchten die matten Strahlen der Scheinwerfer die Nebelbänke zu erhellen, wurden jedoch schon nach wenigen Metern von den weißen Schwaden verschlungen.

Die Insassen des Fahrzeugs, Eugene Smith und seine nur wenig jüngere Frau Britt, starrten schweigend hinaus ins Grau, während die heraufziehende Dunkelheit immer größere Teile des Landes verschlang.

Nicht, daß sie sich viel zu sagen gehabt hätten. Nein, das hatten sie schon lang nicht mehr. Mit verkniffenen Gesichtern saßen sie nah beieinander, obwohl sie innerlich eine Distanz trennte, die mehr als unüberbrückbar war.

So ist es wohl, wenn man sich auseinander gelebt hat, dachte Britt verbittert. Man sitzt da und schweigt.

So hockten beide in ihren Sitzen und hingen düsteren Gedanken nach. Der Nebel jenseits der Scheiben paßte hervorragend zu ihrer Stimmung, die ebenso deprimierend wirkte wie die wogende, schweigende Masse.

"Du fährst zu schnell, Eugene", brach Britt schließlich die nur durch das kraftlose Röcheln des Motors unterbrochene Stille.

"So, tue ich das ", entgegnete Eugene gleichgültig. "Du weißt genau, daß mich schnelles Fahren ängstigt. Noch dazu bei diesem Nebel!" "Ja, ja", brummte Eugene mißvergnügt und ging etwas vom Gas. Was für eine sinnlose Fahrt, dachte er.

"Was soll das heißen, ja, ja", unterbrach Britt seine Gedanken. "Redest du auch so mit diesem kleinen Flittchen, wenn ihr es miteinander treibt?"

Verärgert zuckte Eugene zusammen. Er zog es vor, nicht darauf zu antworten und biß wie unter Schmerzen die Zähne zusammen. Doch allein schon die Erwähnung von Sarah ließ ihn sich zurückwünschen nach London.

Ein brennendes Verlangen durchzog jede Faser seines Körpers, jetzt bei Sarah zu sein. Unwillkürlich schweiften seine Gedanken ab und verloren sich in weiter Ferne, in einer Welt, in der es keine gleichgültige Ehefrau gab. Eine Welt, in der er sein Verlangen ausleben konnte ohne Scham und dunkle Zimmer.

"Ich muß verrückt gewesen sein, mit dir hierher zu fahren", setzte sie verbittert hinzu. Jetzt wurde es Eugene zu dumm, und aggressiv erwiderte er: "Du? Mit mir? 'Laß uns in die Highlands fahren', hast du gesagt. 'Mit ein bißchen Abstand können wir unsere Ehe vielleicht noch retten'. Deine Worte, Darling, erinnere dich! Doch ich sage dir, da gibt es nichts mehr zu retten! Ich werde dich verlassen, das weiß ich jetzt genau." Ohne zu bedenken, wie verletzend seine Worte wirkten, setzte er hinzu: "Du bist selbst schuld mit deiner Prüderie, ja, wenn du nicht so frigide wärst, dann..." Plötzlich tauchte ein Schemen im matten Licht der Scheinwerfer auf! Abrupt stieg Eugene auf die Bremse. Der Wagen war zwar alt, aber wenn etwas funktionierte, dann die Bremsanlage. Trotzdem rutschte das Fahrzeug weiter auf die jetzt voll im Scheinwerferlicht stehende Gestalt zu. Kurz bevor die Stoßstange sie berührte, kam der Wagen zum Stehen. "Bist du verrückt, du irrer Drecks...", begann Britt zu kreischen, wurde je doch von Eugene mit einer heftigen Handbewegung unterbrochen.

"Halt die Klappe, und sieh nach vorn", sagte er entgeistert. Obwohl Eugene es kaum erwartet hatte, gehorchte sie ihm ohne weiteres Widerwort. Irgend etwas in seiner Stimme zwang sie geradezu, durch die Frontscheibe hinauszustarren. "Das... Da steht ja ein Kind", entfuhr es Britt überrascht. "Mitten auf der Straße! Und du hättest es beinahe überfahren", setzte sie entrüstet hinzu.

Irritiert wanderte ihr Blick zu Eugene und wieder zurück zu dem von wabernden Nebelschwaden umwölkten Jungen. Selbst aus der Entfernung sah Britt den verwirrten Blick aus großen, blauen Augen, der auf ihr ruhte, und die Tränen, die einem kleinen Sturzbach gleich an pausbackigen Wangen herabrannen. Kleine Hände verkrampften sich in den Kragen des viel zu großen roten Anoraks. Die mit einem Micky - Maus - Aufnäher versehene, schlabberige Kinderjeans endete an ausgeblichenen, kleinen Turnschuhen.

"Wo... Wo kommt der denn auf einmal her?", wandte sich Britt an Eugene "Keine Ahnung. Ich sehe mal nach ihm", erwiderte er. Überhastet und noch immer etwas erschrocken öffnete Eugene die Tür und stieg aus. Feucht drang der Nebel in seine Atemwege. Erfrischend strichen die Schwaden über sein vom Streit erhitztes Gesicht.

(Die Strukturen kleiner Teilchen zerbrachen...) Mit wenigen Schritten näherte er sich dem Jungen und ging in die Hocke, so daß sich ihre Augen fast in gleicher Höhe befanden. Noch immer weinte der Kleine vor sich hin, nur unterbrochen von einigen kurzen Schluchzern.

"Hallo, Kleiner", sprach Eugene das Kind an. "Was tust du denn hier, so ganz allein?" Doch der Junge weinte nur weiter, schien Eugene gar nicht zu beachten. "He, ich rede mit dir", versuchte es Eugene erneut, und ein leichter Anflug von Ärger schwang in seiner Stimme mit.

"Das machst du vollkommen falsch, du Grobian", mischte Britt sich vorwurfsvoll ein. Er hatte gar nicht bemerkt, daß sie ebenfalls den Wagen verlassen hatte.

"Siehst du denn nicht, daß der Kleine völlig verstört ist?"

Vorsichtig beugte sie sich zu dem Jungen hinab.

"Ist ja schon gut, Kleiner. Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist ja nichts passiert", sagte sie und fuhr ihm leicht mit der Hand über das blonde, wirre Haar.

"Wie heißt du denn?"

Kurz unterbrach das Kind sein Weinen und fixierte sie mit seltsam starrem Blick. Eigentlich rechnete Britt kaum mit einer Antwort. Der Schock über diesen Beinah-Unfall schien sehr tief zu sitzen. Dann aber öffnete der Junge doch den Mund und sagte mit leiser, zitternder Stimme: "Sechs... bin sechs... sechs... sechs... erst sechs..."

"Aha", entgegnete Britt etwas überrascht über diese unerwartete Antwort. "Da bist du ja schon bald groß. Aber willst du uns nicht doch deinen Namen verraten? Wo ist denn deine Mom?" Schluchzend zuckte der Junge mit den Schultern und stammelte wieder: "...sechs... sechs, bin sechs..."

"Mein Gott", stieß Eugene ärgerlich hervor, "das ist doch wohl verrückt! Wie kommt das Kind hierher? Hier ist doch nichts! Nur Einöde!" Entschlossen richtete er sich auf. "Hallo, ist hier jemand? Hallooo...", rief er laut ins Dunkel hinaus. Doch die graue Wand des Nebels blieb stumm.

"Hör auf zu schreien"; fuhr Britt ihn an, "du siehst doch, daß hier niemand ist! Wie auch? Das nächste Dorf liegt eine gute halbe Stunde hinter uns." "Das ist es ja", antwortete er erregt. "Wie kommt denn dann das Kind hierher? Vielleicht geflogen, was?" "Wie auch immer", erwiderte sie, ohne auf seinen Sarkasmus einzugehen, "wir können nicht stundenlang hier herumstehen. Vielleicht ist er einfach von zu Hause weggelaufen und hat sich verirrt. Sieh doch nur, wie müde und abgekämpft er aussieht." Eugene schien sich etwas beruhigt zu haben, denn in ruhigem Ton erwiderte er: "Ja, vielleicht hast du sogar ausnahmsweise einmal recht. Nur, was machen wir jetzt mit ihm? Hierlassen können wir ihn ja wohl nicht." Britt glaubte, leises Bedauern in seiner Stimme zu vernehmen. "Nun, so, wie es aussieht, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zurück zum Dorf zu fahren." "Zurück?", rief Eugene aufgebracht. "Bist du verrückt, oder was? Bei diesem Nebel? Nein, ich weiß was Besseres. Wenn du schon die völlig verblödete Idee hattest, in dieser Wildnis ein Ferienhaus zu mieten, dann sollst du auch etwas davon haben! Nur noch fünf Meilen bis zum Haus, dann kannst du dich gerne um diesen Bengel kümmern, und morgen früh liefern wir ihn im Dorf ab. Länger bleibe ich sowieso nicht hier!"

"Aber...

"Nichts 'aber'. Das ist mein letztes Wort", fauchte er, drehte sich um und quetschte sich wieder hinter das abgegriffene Lenkrad des alten Mini. "Also, gut", entgegnete Britt, die solche Ausbrüche kannte und wußte, daß seine Unverschämtheit dabei nur noch von seiner Sturheit übertroffen wurde. "Aber laß uns nicht streiten hier draußen. Und schon gar nicht vor dem Jungen" "Also los, dann steig schon endlich ein. Und vergiß das Balg nicht!" Der Junge, der die Auseinandersetzung stumm verfolgt hatte, sah Britt mit großen Augen an. "Na komm", sagte sie mit soviel aufmunternder Freundlichkeit in der Stimme, wie sie nur aufbringen konnte, "du brauchst keine Angst mehr zu haben. Morgen bringen wir dich zu deiner Mom zurück."

Der Junge schien sie verstanden zu haben, denn wortlos streckte er ihr die Hand entgegen. Irgend etwas ließ sie kurz zögern. Das eigenartige Gefühl überkam sie, daß dies alles irgendwie... falsch war!

Doch dann gab sie sich einen Ruck und ergriff die klammen, kleinen Finger. Teilnahmslos ließ sich der Junge zum Wagen führen und auf den Rücksitz verfrachten. Müde lehnte er sich in die zerschlissenen Polster.

"...sechs... bin sechs... sechs...", flüsterte er noch. Dann war er binnen Sekunden eingeschlafen. Später in dieser Nacht:

Unruhig wälzte sich Eugene hin und her. Seit vielen Stunden schon versuchte er, in den Schlaf zu finden, doch eine seltsame innere Unruhe, die ihn immer wieder aufs neue befiel, hielt ihn wach.

Resigniert öffnete er die Augen und starrte in die Düsternis des Zimmers. Dunkle Schatten nisteten in den Ecken des Raumes, flossen über Wände und Decke und woben eine fast greifbare Beklemmung in die Finsternis.

Neben sich hörte er Britts ruhigen Atem. Er wandte den Blick und betrachtete den unförmigen Umriß ihres Körpers, der zusammengerollt unter der dünnen Decke lag. Rhythmisch hob und senkte sich ihre Brust. Fast beneidete er sie darum, daß sie die Aufregung des Tages so einfach hinter sich lassen konnte. Er konnte dies jedenfalls nicht. Ärgerlich schleuderte er die Decke von sich und stand auf. Mit einem leichten Quietschen federte die altertümliche Matratze zurück, als er sich erhob. Seufzend drehte Britt sich im Schlaf. Bemüht, sie nicht zu wecken, tastete er sich durch die Dunkelheit zur Tür. Eine Fortsetzung des Streites konnte und wollte er sich nicht antun. Und schon gar nicht mitten in der Nacht. Leichter Ärger stieg in ihm auf, als er daran dachte, daß dieser seltsame Junge, den sie auf der Herfahrt aufgegabelt hatten, nun nebenan in dem unpersönlich, aber funktionell eingerichteten Wohnraum auf dem Sofa lag und schlief.

Nicht nur, daß dieses Kind für zusätzliche Probleme sorgte, nein, so war Eugene auch gezwungen, das Schlafzimmer mit Britt zu teilen. Viel lieber hätte er die Nacht auf der Couch verbracht.

Britt...

Ja, er war sich immer sicherer, daß er sie verlassen würde. Er versprach sich nichts mehr von ihr, und er war auch nicht mehr bereit, ihr noch irgend etwas von ihm zu geben, weder emotional, noch sonst etwas. Besonders nicht nach diesem absurden Streit von vorhin. Aber so war sie nun einmal! Sie interessierte sich eben einfach nicht für ihn. (Strukturen auf molekularer Ebene verschoben sich, brachen auf...) Auch nach ihrer Ankunft hatte Britt ihn einfach links liegen lassen und sich statt dessen um diesen eigenartigen Jungen gekümmert. Er schien wirklich sehr erschöpft zu sein, denn nichts konnte ihn wecken. Als sie ihn von der Rückbank des Wagens bugsierte und durch den heranziehenden Nebel ins Haus trug, schlief er. Als sie ihn auf das Sofa bettete, schlief er. Als sie ihn aus seiner verdreckten Kleidung schälte, schlief er. Wären nicht die tiefen, ruhigen Atemzüge gewesen, hätte man ihn für tot halten können. Rasch vertrieb Eugene den Gedanken an dieses vermaledeite Kind. Er hätte sich nur noch mehr geärgert! Außerdem erinnerte ihn ein widerliches Kratzen in der Kehle daran, warum er überhaupt aufgestanden war. Durst! Er verzehrte sich beinahe nach einem kühlen Schluck Wasser. Vielleicht konnte er dadurch auch dieses unerträgliche Brennen aus seinen Augen vertreiben. Mit wenigen Schritten durchmaß er den kleinen Flur, betrat das grün gekachelte Bad. Hastig beugte er sich zum Waschbecken hinunter und ließ das kalte Wasser über sein Gesicht rinnen, das er gleichzeitig mit gierigen Schlucken in sich hinein saugte. Als er genug hatte und das Kratzen aus seiner Kehle verschwunden war, schloß er den Wasserhahn und richtete sich müde auf. Er sah sich selbst im über dem Waschbecken angebrachten Spiegel.

Nein, wenn er sich so betrachtete, sah er keinen Mann, den das Leben allzu sehr verwöhnt hatte. Erst seitdem Sarah in sein Leben getreten war, gab es wenigstens eine erfreuliche Komponente in seinem tristen Dasein. Sie nörgelte nicht, hinterfragte nicht, und gab sich ihm stets mit so einer animalischen Wildheit hin, daß es ihn immer wieder überraschte. Daß es ihn sogar etwas ängstigte, wollte er sich nicht eingestehen, denn in seiner Vorstellung sollte sie auch weiterhin all das verkörpern, was Britt ihm nie gewesen war.

Er hätte sich schon längst von Britt trennen sollen! Wütend über sich selbst wandte er seinem Spiegelbild den Rücken und hockte sich auf den Wannenrand, der sich kühl durch den Stoff seiner Shorts drückte. Bleierne Gräue schimmerte hinter dem dünnen Glas des kleinen Badezimmerfensters und verdrängte die Finsternis der Nacht.

Verbittert starrte Eugene durch die schmutzige Scheibe hinaus, doch der dichte Nebel verschluckte seine Blicke schon nach wenigen Metern. Der Rahmen des Fensters schien nicht richtig zu schließen, denn dünne graue Schlieren waberten kaum sichtbar durch einen schmalen Ritz herein. Langsam zerfaserten sie in der Raumluft. (Molekülketten rissen, umtanzten einander, verbanden sich, formten sich um) Tief atmete Eugene ein, pumpte den Sauerstoff wie ein Ertrinkender in seine Lungen. Doch die erhoffte belebende Wirkung blieb aus. Statt dessen ergriff ihn eine eigenartige Müdigkeit, durchrieselte seinen Körper und füllte seine Glieder mit bleierner Schwere. Sein Blick verschleierte sich, so daß er die grünen Kacheln nur noch als verschwommene Felder erkennen konnte. Auch das Denken fiel ihm zunehmend schwerer. Behäbig zogen Bilder und Worte durch seinen Kopf, träge interagierten Neuronen und Synapsen, und nur maßvoll entluden sich kleine Ströme blitzender Elektrizität in seinen Hirnwindungen. Sein Blick verzerrte sich immer mehr, während seine Lider schwerer und schwerer wurden. Wie von selbst schlossen sich seine Augen. Zusammengesunken blieb er auf dem glatten Wannenrand hocken.

Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, und so blieb ihm unklar, wie lange er in dieser Stellung verharrt hatte, bis... Ja, bis er die leichte Berührung an seiner Schulter spürte. Sacht strich eine zarte Hand über seine Haut, den Hals hinauf, über die Wange hinweg und schließlich über sein Haar, in das sie sich vergrub. "Eugene, Darling", drang eine flüsternde Stimme durch den Wattekokon, der ihn zu umgeben schien.

Diese Stimme...

Nein, das konnte doch nicht sein! Er mußte sich irren! Es fiel ihm unsagbar schwer, doch irgendwie schaffte er es, seine Augen zu öffnen, während hinter seiner Stirn weiterhin das einlullende Chaos tobte. "Was...", stammelte er verwirrt und hob den Blick.

Nein, er hatte sich nicht getäuscht! Das Gesicht, in das er ungläubig starrte, hatte er zu oft gesehen, um es zu verwechseln.

Es war Sarah, ohne Zweifel!

"Wie... Wie kommst du hierher?", lallte er kraftlos.

"Das ist doch jetzt egal", hauchte sie, "Hauptsache ist doch, daß ich hier bin... Bei dir!" Sein Blick sank in ihre grünen Augen. Eine unmeßbare Zeitspanne lang fixierten sie sich. Immer mehr verfing er sich in der Tiefe ihres Blickes, bis er irgendwann glaubte, in einem grünen Ozean zu ertrinken.

"Ja...", flüsterte er, "du bist hier..."

"Ja, das bin ich",

alles sei nur ein Traum... ein Traum... Traum... "Willst du mich?", hörte er ihr hallendes Flüstern. Das unstillbare Verlangen, sie für immer zu besitzen, erfüllte jede Faser seines Ichs. "Ja", antwortete er schließlich krächzend. Das Gefühl, in einem bizarren, aber in sich seltsam logischen Traum gefangen zu sein, festigte sich. Alles erschien ihm so normal, so richtig. Alles mußte so sein! Der graue Nebel von jenseits der Mauern durchdrang nun auch seinen Verstand, hüllte sein Innerstes ein und ließ die Wirklichkeit in einem Meer von Dunst versinken. "Willst du mich?", drang es noch einmal zu ihm. Ergeben nickte er mit dem Kopf. "Dann tu es!"

Sein benebelter Verstand wußte nicht, woher sie den Gegenstand so plötzlich nahm, den sie ihm entgegenhielt. Blauer Stahl funkelte im trüben Licht der Deckenlampe, und eine eigenartige Schönheit lag in diesem Glänzen. Leichter Schwindel ergriff ihn, als er sich erhob und die schwere Axt entgegennahm. Glatt und hart schmiegte sich der Griff in seine Hände und vermittelte ihm das beruhigende Gefühl, das Richtige zu tun.

Ein kurzer Blick des Einvernehmens zwischen ihm und Sarah (Sarah?), dann wandte er sich ab. Gefangen in einem Traum aus Begierde und verschwommener Gewißheit, setzte er einen Fuß vor den anderen und verließ das Bad. Mit seinen geträumten Füßen schritt er über einen geträumten Teppich, durchquerte den dunklen, grau wallenden, geträumten Flur und öffnete die Tür des geträumten Schlafzimmers. Sein starrer Blick durchdrang die Dunkelheit des Raumes, strich über die verhalten leuchtende Digitalanzeige des Radioweckers, deren bizarr verschobene Balken eine widersinnig logische Bedeutung bekamen. Schließlich ruhte sein Blick auf dem schemenhaften Körper, der ruhig atmend im Bett lag.

Nebel zog kniehoch über den Boden, umspielte die Bettpfosten, waberte über die Laken und legte sich schließlich wie ein graues Leichentuch über die Schlafende. Mit schlafwandlerisch sicherem Schritt durchmaß er die Schwaden, die den billigen Teppich gänzlich verschlungen hatten. Dann stand er vor dem Bett und sah hinab auf die schlafende Britt. Britt? Wer war das? Dieses Stück Fleisch, das dort unter der Decke lag und mit seinem Atem die heran kriechenden Nebelschwaden zerteilte?

Nein, er verband nichts mehr mit diesem Namen, der keine Bedeutung hatte in diesem Traum, der ihn umfangen hielt. Langsam hob er die Axt!

`Tu es`, flüsterte eine Stimme, und die Erinnerung an Sarahs Körper und das, was er ihm versprach, blitzte durch seinen trägen Verstand. Die Zeit zerrann zu etwas Bedeutungslosem, tropfte durch die Schächte der Unendlichkeit und floß lautlos an den Krümmungen des Raumes entlang... `Tu es`, wisperte es wieder. Dann schlug er zu! Mit einem häßlichen Knirschen durchdrang die schwere Schneide Haut und Fleisch, zertrümmerte den Schädelknochen, fuhr mit metallischer Kälte in das von warmem Blut durchpulste Gehirn.

Ein leises Kieksen drang über Britts Lippen, und ein letztes Mal floß warmer Atem durch die Kehle hinaus, bevor auch diese von einem wilden Hieb zerteilt wurde. Wieder und wieder schlug Eugene zu. Bei jedem Schlag breitete sich wohlige Wärme in ihm aus.

Noch einmal hieb er zu. Federnd blieb die Axt in diesem blutigen, zerhackten Ding stecken, das einmal ein menschlicher Körper gewesen war.

Keuchend sog Eugene die Luft ein, deren durchdringender Blutgeruch ihn berauschte. "Das hast du gut gemacht", hauchte eine Stimme hinter ihm. Zarte Arme umschlangen seine Brust. Er spürte die harten Brustwarzen auf der Haut seines Rückens, tastende Hände, die tiefer glitten, hin und her fuhren und sich schließlich mit sanftem Druck um sein steifes Glied legten. Massierende Finger fuhren den Schaft entlang, umspielten seine Eichel. Der letzte Rest von Verstand in seinem Hirn verging in einer weichen, lautlosen Explosion. Plötzlich löste sie sich von ihm und zog ihn an seinem Pfahl zu dem blutbesudelten Bett hinüber. Leicht drückte sie ihn auf die Matratze nieder. Schwammig, wie eine amorphe Masse schaukelte dabei die verstümmelte Leiche neben ihnen auf den Laken. Der Griff der Axt, die in dem ausgebluteten Fleisch steckte, verlor sich im bleiernen Dunst.

"Jetzt kannst du mich haben“ Jetzt zog der Nebel im Zimmer auch über seinen schwitzenden Körper und verbreitete ein fahles Licht, das die dichtgewobene Dunkelheit zusehends vertrieb. Von der plötzlichen Helligkeit in seinem Traum verwirrt, öffnete er die Augen und sah sie an.Runzeln durchzogen ihre Haut. Büschelweise fielen braune Haare auf die blutigen Laken. Ein gieriger Blick aus gelben Raubtieraugen fraß sich an seinen Sehnerven entlang in sein Bewußtsein. Die rissigen Lippen, hinter denen verwachsene, lange Hauer hervorragten, lächelten ihn lieblich an.

Wie schön sie war!

Dann BISS etwas zu!

Er fühlte keinen Schmerz, als etwas Messerscharfes (ZÄHNE?) das weiche Fleisch seines Bauches zerteilte. Er spürte nur die wohltuenden Vibrationen, mit denen jeder Herzschlag einen Schwall von Blut aus ihn heraus pulsierte. Lächelnd sah er zu ihr auf. Lächelnd vergoß er sein Blut auf den Boden... Er genoß den Schmerz, mit dem sich schorfige Krallen in seine Brust wühlten, sein zuckendes Herz umklammerten und es herausrissen.

Er lächelte noch immer, als die Dunkelheit kam und ihn in einen nie endenden Abgrund riß. Langsam hob der Junge die Lider, nachdem ETWAS zu ihm zurückgekehrt war. Wortlos, mechanisch, erhob er sich von dem alten Sofa und zog sich an. Wie in Trance begab er sich ins Schlafzimmer. Gleichgültig warf er einen kurzen Blick auf die zerschundenen Leiber und die blutigen Flecken, die surreale Muster auf den hellen Laken bildeten. Dann drehte er sich um, verließ schweigend das Haus und verschwand in den dichten Nebelschwaden, während ein kleines, wissendes Lächeln seine Lippen umspielte. Irgendwann, später, auf einer einsamen Straße:

"Wie heißt du denn, Kleiner?", wandte sich die adrett gekleidete, blonde Frau mit dem schicken BMW an den kleinen Jungen.

"Sechs... bin sechs... sechs... sechs... erst sechs...", stammelte das weinende Kind. "Erst sechs..."

In der Ferne zog Nebel auf...



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