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Kami-sama Daikichi!

von

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Kami-sama Daikichi
 


 

Uniform wie Kimono
 

„Augen auf!“, kicherte Rin. Meine Augen auf das große Feld vor mir gerichtet, ertastete ich die selbstgemachte Blumenkrone, die nun auf meinem Kopf prangte. „Ich hab dir auch die Haare gemacht.“ Leicht warf das kleine Mädchen mir meine in einen Flechtezopf gebundenen Haare über die Schulter. Auch dort hatte sie kleine blaue Blumen eingearbeitet, die einen wunderschönen Kontrast zu meinen schwarzen Haaren darstellten. „Komm Sayaka –san, du musst dich angucken.“
 

Eine Woche. Es war bereits eine Woche seit meinem Sturz in diese Welt vergangen. Seit jeher tat ich nichts anderes als Sesshomaru hinterherzulaufen, mich mit Jaken zu streiten und Rin beim Blumenpflücken zu helfen. Sesshomaru kümmerte sich nicht besonders um meine Anwesenheit, geschweige denn um mich selbst. Das war wohl auch der Grund weshalb ich noch immer in meiner geschundenen Schuluniform herumrannte. Mittlerweile hatte ich jedoch auch den anderen Ärmel entfernt und den zerstörten Saumen meines Rockes so gedreht, dass man ihn nur noch von hinten sah. Den zerrissenen Part meines Oberteils hatte ich einigermaßen angeglichen, sodass es halbwegs gewollt bauchfrei aussah. Alles in allem war meine Bekleidung sehr knapp. Mein Rock reichte gerade so bis zur Hälfte meiner Oberschenkel, ebenfalls haderte ich mit meinem Oberteil, denn dieses präsentierte bei jedem Lüftchen stolz den Ansatz meines BHs.
 

„Sieht wirklich toll aus, Rin-chan!“, verkündete ich mit einem Blick in die kleine Pfütze, die sich neben vielen Kleineren auf dem Feld tummelte. Sesshomaru hatte Rin und mich, zusammen mit Ah-Un zurückgelassen. Mittlerweile hatte ich mich an die Anwesenheit des zweiköpfigen Drachens gewöhnt. Rin sagte, er hatte sie schon vor einigen Gefahren beschützt und würde dies auch jederzeit für mich tun. Letzteres, weil ich von nun an ein Mitglied ihrer Reisegruppe war, so sagte es Rin. Jaken jedenfalls behauptete, dass ich als Mitglied der Truppe auch das richtige Benehmen gegenüber Sesshomaru zu lernen hatte. Mir erschien das nicht besonders sinnvoll. Sesshomaru wechselte kaum ein Wort mit mir und wenn ich ihn nach etwas fragte, dann entgegnete er lediglich mit einem steinernen Blick. Es gab also keinen Grund mir irgendwelche Gepflogenheiten anzueignen.
 

Rin die meine gedrückte Laune zu bemerken schien, setzte sich neben mich auf den Boden. „Sesshomaru-sama ist aber lange weg heute.“, seufzte sie und zupfte im Gras herum. Sie schien dem Hunde-Youkai wirklich sehr zugetan. Schon so sehr, dass ich mich fragte ob Rin-chan einen Vaterersatz in Sesshomaru sah. Sie hatte mir immerhin die grausame Geschichte vom Tod ihrer Familie erzählt. Sesshomaru hatte sie gerettet, da würde es mich nicht wundern, wenn sie in ihm eine Vorbildsperson sah.
 

„Lässt er dich immer alleine zurück?“ Sesshomaru wirkte nicht wie jemand, der Gesellschaft mochte, Rin dagegen war gerade zu aufgeweckt. Vielleicht nutzte er seine Alleingänge, um sich davon loszumachen. Allerdings nervte es mich, wie lange er fort blieb. Es waren gute vier Stunden vergangen seit seinem Aufbruch und noch immer gab es kein Anzeichen seiner Rückkehr. Ich spielte mit dem Gedanken, dass ihm möglicherweise etwas passiert sei und ich mit Rin alleine weiterziehen sollte. Doch Rin würde dies bestimmt nicht wollen und ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung wie ich mit Ah-Un umgehen sollte.
 

„Normalerweise bleibt Jaken bei mir, aber ich schätze weil du da bist, brauchte er Jaken nicht zurückzulassen. Außerdem ist Ah-Un auch noch da.“, antwortete die Schwarzhaarige.
 

„Verstehe.“ Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Anwesenheit Ah-Uns auch teilweise damit zusammenhin, dass Sesshomaru mir nicht vertraute. Sollte ich mich im Falle eines Falles als Feind entpuppen, war der Drache zur Stelle um Rin seinen Schutz zu bieten. Es war zum Mäuse melken. Wie ich es auch drehte, noch immer war ich der ungebetene Gast in der Gruppe. Langsam aber sicher bekam ich Heimweh. Etwas das ich bis zu dem heutigen Tag noch nie gefühlt hatte. Ich war immer gerne den lieben langen Tag durch die Gegend gestreunert, anstatt mich direkt nach der Schule Zuhause zu verkriechen. Am liebsten wäre ich manchmal bis spät in die Nacht draußen geblieben, wäre da nicht meine Großmutter gewesen. Ich hatte nie das Bedürfnis gehabt nach Hause zu gehen. Jetzt wollte ich nichts anderes.
 

„Sesshomaru-sama!“ Das hektische Aufspringen Rins, riss mich aus meinen Gedanken. „Ihr seid zurück, Sesshomaru-sama!“ Freudig lief sie auf den Youkai zu, der jedoch geradewegs an ihr vorbei ging und sich stattdessen mir zuwandte. Mit ein wenig Abstand blieb er vor mir stehen und warf ein mittelgroßes Bündel auf meinen Schoß.
 

„Es ist nicht mitanzusehen, wie du herumläufst.“, war sein Kommentar, bevor er sich wieder umdrehte und auf einem Stein neben Ah-Un platz nahm. Mir war sehr wohl bewusst, dass er Abstand von mir hielt. Wann immer wir anhielten, stets stand er weitab von mir. Einzig wenn wir liefen, erlaubte er es mir näher zu treten. Dies wahrscheinlich auch nur weil ich keine andere Wahl hatte als hinter ihm zu gehen, sodass ich nur seinen Rücken betrachten konnte. Mir war schon aufgefallen, dass er sehr stolz war. Er ließ sich keinerlei Emotionen abgewinnen, ebenfalls wirkten die meisten seiner Gesten – seien sie an Jaken oder an mich gerichtet – eher herablassend. Interessant war es schon, aber irgendwie auch anstrengend.
 

„Was ist da drin, Sayaka-san?“, fragte Rin und beugte sich neugierig über das mir überreichte Bündel. Sofort mischte sich Jaken dazu.
 

„Sei nicht so neugierig, Rin! Es geht dich nichts an!“, blaffte der Frosch-Youkai und haute ihr mit seinem Kopfstab einmal leicht auf den Kopf, worauf die Kleine ein kleinlautes Aua von sich gab. Ich glaubte nicht richtig zu sehen. Die ganze Zeit über hatte ich mich schon gefragt in welcher Position dieser Frosch überhaupt stand, dass er Rin ständig tadelte. Wenn überhaupt war wohl er der nervende Part in der Truppe. Seine ständige Besserwisserei und die zum schlafen langweiligen Vorträge, konnten einem schon den ein oder anderen Kopfschmerz kosten.
 

„Du unhöflicher Zwerg!“ Flink riss ich den Kopfstab an mich und schlug Jaken ebenso auf den Kopf, wie er es bei Rin getan hatte. Gut, vielleicht noch etwas stärker.
 

„Was erlaubst du dir, Menschenweib!“, krakeelte Jaken erbost.
 

„Geh mir bloß nicht auf die Nerven, du neunmalkluge Kröte!“ Damit warf ich ihm seinen Stab in die Arme. „Lern es lieber schnell, Mädchen hat man mit Respekt zu behandeln!“, stutzte ich Jaken zurecht, bekam aber lediglich erboste Laute von ihm zurück. Während er Sätze herunterratterte, die kein Mensch mehr verstehen konnte, betastete ich das Bündel auf meinem Schoß. Rin und ich steckten die Köpfe über dem Paket zusammen. „Mal sehen …“ Langsam löste ich die Schnüre um den Stoff, der wohl als Verpackung diente. Das Bündel selbst war weiß, mit braunen Kordeln umschnürt. Als ich den weißen Stoff löste, kam der Ausschnitt eines roséfarbenen Kleidungsstückes zum Vorschein. Ausgehend vom Verlauf des Ausschnittes wusste ich sofort, dass es sich um einen Kimono handeln musste.
 

Rin staunte nicht schlecht. „Ist der schön! Du muss ihn sofort anziehen, Sayaka-san!“ Die Kleine packte mich bei der Hand und wollte mich wohl mitziehen, was sie anhand mangelnder Kraft natürlich nicht schaffte. Da sie es sich aber so sehr wünschte, und auch ich das Bedürfnis nach frischer Kleidung hatte, stand ich bereitwillig auf und ließ mich von Rin in den Wald ziehen. Es ist nicht mit anzusehen, wie du herumläufst, rief ich mir Sesshomarus Worte ins Gedächtnis. Er hatte ja recht, aber musste er es mir so harsch beibringen? Ich hatte auch nicht geplant vom Himmel zu fallen und dabei meine Schuluniform zu zerfetzen. Herrje, dachte ich resigniert. Trotz seiner Kälte, konnte ich ihm bloß dankbar sein.
 

Hinter zwei hohen Gebüschen kamen wir zum Stehen. „Soll ich dir beim anziehen helfen?“, erkundigte sich Rin, wofür ich ihr wirklich dankbar war, denn das letzte mal hatte ich einen Kimono getragen, da war ich vielleicht fünf Jahre alt gewesen. Damals war ich zusammen mit meinem Vater auf dem Kirschblütenfest gewesen. Danach hatte ich nie wieder einen eigenen Kimono besessen. Lediglich Yumi hatte mir auf gemeinsamen Festtagen einen ihrer Kimonos geliehen. Das hier war wirklich eine kleine Besonderheit für mich und auch wenn es für Rin und die anderen nur eine Kleinigkeit war, so freute ich mich umso mehr über dieses Geschenk. Ich wusste, dass es Sesshomaru nicht interessieren würde, doch ich nahm mir vor mich bei ihm zu bedanken.
 

Nur mit viel Umsicht schälte ich mich aus meiner Uniform. Natürlich befanden wir uns an einem ziemlich abgelegenen Ort, aber man konnte nicht vorsichtig genug sein. Ich wollte nicht bespannert werden. Deshalb zog ich mir auch so schnell wie möglich den Kimono über, nachdem meine zerrissene Uniform auf dem Boden gelandet war. Ich bemerkte schon nach den ersten Wendungen wie wenig Ahnung ich von Kimonos hatte. Ein wenig schämte ich mich schon dafür. So verließ ich mich also ganz auf Rin, welche die Anzieh-technik des Kimonos wohl im Schlaf beherrschte. Ich sah ihr bei jedem Handgriff genau zu, während sie lustige Silben über das Anziehen von Kimonos sang. Ich hatte schon bemerkt, dass sie sich gerne Lieder ausdachte.
 

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Kimono endlich saß und langsam schmerzten mir die Fußsohlen vom Stillstehen. Irgendwann nickte Rin dann doch zufrieden. „Du siehst schön aus, Sayaka-san.“
 

„Wirklich? Irgendwie ist es ungewohnt.“, lächelte ich verlegen und strich über den Stoff an meinen Beinen. Der Kimono war wirklich schön. Schlicht gehalten, aber schön. Oberhalb waren keine Musterungen, lediglich am Saumen zu meinen Füßen zeichneten sich weiße Blumenmuster ab, die auf Höhe meiner Knie endeten. Jede der Blumen hatte einen anderen Platz, keines der Muster wiederholte sich. Dieser Kimono gefiel mir sehr. Es war mein eigener Kimono, er war nicht ausgeliehen. Irgendwie hatte mein Sturz vom Himmel wohl doch seine gute Seite, selbst wenn ich als Belohnung nur einen Kimono bekam. „Danke für deine Hilfe, Rin-chan.“
 

Sie spielte nervös mit ihren Händen. „Gerne doch.“
 

„Wollen wir zurück?“, fragte ich und bot ihr meine Hand an. Aus irgendeinem Grund schien sie das zu überraschen, denn Rin schaute mit großen Augen auf meine Hand. Erst nach einer Weile umfassten ihre kleinen Finger meine Handfläche und zusammen machten wir uns auf den Weg zurück zu unserem Rastplatz.
 

~*~
 

P.o.v Sesshomaru
 

„Ähm … Sesshomaru-sama, wenn es mir erlaubt ist zu fragen … ihr wollte dieses Menschenweib doch nicht länger als nötig mitführen, oder? Wir könnten sie im nächsten Menschendorf absetzen. Soll sich dieses Gör doch alleine durchschlagen.“ Keine Sekunde später hatte Jaken einen Stein am Kopf. Alles was blieb waren ein paar glucksende Laute in der Luft. Sesshomaru hatte in der Tat kein Interesse daran, das Mädchen lange mit sich zu führen, doch solange sie keine größeren Probleme als ein paar zerfetze Kleidungsstücke machte, sollte sie ihm egal sein. Außerdem beschäftigte sie Rin, was dem kleinen Mädchen sichtlich gut tat. Es war eine Abwechslung die Rin eine Weile bei Laune halten würde.
 

Das Menschenmädchen redete nicht besonders viel, wie er fand. Nicht mit ihm und kaum mit den anderen. Wahrscheinlich war es Jaken und Rin nicht einmal richtig aufgefallen, aber wenn sie redete, dann nur um eine Antwort zu geben oder um eine kurze Beschwerde loszuwerden. Er hatte selten einen Menschen gesehen, der so wenig sagte. Sonst waren es lästige Wesen, die ständig irgendeinen Unsinn redeten. Vielleicht war es ihm auch deshalb egal, ob das Mädchen mit ihnen reiste. Sie stand ihm nicht im Weg.
 

„Wir sind wieder da!“ Zwischen hochgewachsenem Gras kamen Rin und das andere Menschenmädchen aus dem Wald hervor. Während Jaken Rin dafür tadelte wie laut sie schon wieder war, linste der Daiyokai kaum merklich zu ihnen hinüber. Dieser Geruch, er war der Grund dafür gewesen, weshalb Sesshomaru diesem Mädchen einen Kimono gegeben hatte. Etwas an ihrem Geruch war ungewöhnlich. Er selbst konnte ihn bei all seiner Weisheit nicht zuordnen. Vielleicht kam es davon, dass dieses Mädchen genau wie die Miko, welche in Begleitung seines Halbbruders reiste, aus der Neuzeit stammte. Ob es dieser Grund war oder nicht, der Hundedämon hatte einen Kimono aus dickem Stoff gekauft, der den Geruch einigermaßen überdecken sollte. Ansonsten wären ihnen bald zahleiche Youkai auf dem Fersen, angelockt durch den starken, vor allem unbekannten Geruch dieses Menschen.
 

„Ich hab doch gesagt, du sollst das lassen!“, riss ihn die Stimme des Mädchens aus seinen Gedanken. Gerade so erhaschte er einen Blick darauf, wie der Mensch Jaken mit seinem eigenen Kopfstab erneut auf den Kopf schlug. Sesshomaru fand es, in der Tat, interessant wie sehr sich dieses Mädchen bereits für Rin einsetzte. Sie schien es nicht zu mögen wie Jaken Mädchen behandelte. Und Rin schien es zu gefallen, wie sich jemand um sie kümmerte. Etwas daran machte den Daiyoukai zufrieden. Dieses Menschenmädchen hatte wenigstens einen geringen Nutzen für ihn. Sie war nicht ganz so nutzlos, wie er erst gedacht hatte. Bei der nächsten Begegnung mit seinem Halbbruder und dieser Menschenfrau würde er sie weitergeben. Somit war das Problem kein wirkliches Problem.
 

„Jaken, mach ein Feuer.“, sagte Sesshomaru schließlich und unterbrach damit einen aufgebrachten Frosch-Youkai. „Wir werden heute Nacht hier bleiben.“ Er spürte deutlich wie das Mädchen seinen Worten lauschte. Wahrscheinlich weil sie bisher wenig davon zu hören bekommen hatte, anders als Jaken und Rin, kannte sie ihn kaum. Auch wenn er behaupten würde, dass selbst Jaken ihn nach hunderten Jahren der Dienerschaft kaum bis gar nicht kannte.
 

„Oh toll! Sayaka-san, wollen wir Feuerholz sammeln? Wir könnten Pilze braten!“, stürzte sich Rin in ihren Eifer und bekam von dem schwarzhaarigen Mädchen ein unsicheres Lächeln. Sayaka. Sesshomaru ließ den Gesichtsausdruck des Mädchens auf sich wirken. Es war Rins Aufgewecktheit mit der sie nicht klarkam. Entweder war sie sehr schüchtern oder hatte nie lange Zeit mit ihresgleichen verbracht. Er konnte es nicht genau deuten. Wieso sollte er sich auch groß Gedanken darüber machen? Der Weißhaarige wandte seine Augen wieder nach vorne, als er bemerkte wie Rin ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Wir gehen Feuerholz sammeln, Sesshomaru-sama!“, verkündete sie und kein Blinzeln später, verschwanden die beiden Mädchen wieder im Wald.
 

Sesshomaru lauschte den Schritten der Beiden noch während sie schon ein ganzes Stück weit gelaufen waren. Rin sang ein ausgedachtes Lied über das Pilze sammeln, während das Menschenmädchen ruhig nebenher lief. Er war sich sicher, sie würde keine Probleme machen.
 

~*~
 

Noch während die Glut noch nicht ganz abgekühlt war, sah er wie sich eine der schlafenden Personen regte. Er hatte ihr schnelles atmen und den beschleunigten Puls schon seit einer Weile vernehmen können. Doch erst jetzt war es dem Mädchen vergönnt gewesen aus ihren Albträumen zu erwachen. Sesshomaru hörte wie sie einmal tief durchatmete und sich ihr Puls langsam beruhigte. Sie schob den Kopf der kleinen Rin von ihrem Arm und bettete ihn auf das Bündel in dem sie ihre zerrissene Kleidung aufbewahrte. Er verstand nicht wieso sie diese aufbewahren wollte. Damit war bei bestem Willen nichts mehr anzufangen, wenn man ihn fragte.
 

Nicht gerade zart schlug sich das Mädchen mit ihren flachen Händen auf die Wangen. Der Daiyoukai beobachtete dies mit einer hochgezogenen Augenbraue. War sie denn noch nicht wach, dass sie sich selbst schlagen musste? Oder versuchte sie die Erinnerungen an ihre Albträume loszuwerden? Er würde diese Menschen nie vollends verstehen. Ehrlich gesagt wollte er das auch gar nicht.  
 

Sesshomaru beobachtete von seinem Platz aus, wie die Schwarzhaarige sich hinstellte und einen langen Augenblick nichts tat. Erst als er ihr ins Gesicht sah, erkannte er, dass ihre Augen verirrt durch die Gegend huschten. Sie konnte nichts sehen. Weil sie ein Mensch ist, dachte er sich. Ein wenig amüsierte ihn der Anblick dieses Mädchens schon. Vielleicht auch deshalb, weil er erneut erkannte wie überlegen er den Menschen, in diesem Falle diesem Mädchen, war. Er hätte sie jetzt angreifen können und sie hätte bis zur letzten Sekunde nichts vorausahnen können. Und alles nur weil ihre menschlichen Augen Zeit brauchten um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Wenn der Daiyoukai ehrlich war, verwirrte ihn die Tatsache wie schnell dieses Mädchen ihm vertraute. Sie wusste, dass er ein Youkai war, sie wusste auch das Jaken und Ah-Un Youkai waren und trotzdem konnte sie bereits nach wenigen Tagen seelenruhig in deren Nähe schlafen.
 

Lag dies vielleicht an Rin? Dachte dieses Menschenmädchen, wenn er Rin nichts tat, galt das gleiche für sie?
 

„Was willst du, Mensch?“, fragte Sesshomaru noch bevor das Mädchen ihm zu nahe kommen konnte. Sie stand ungefähr fünf Meter entfernt von ihm, schräg vor der Feuerstelle. Auf seine kalten Worte, sah er die Empörung in ihrem Gesicht. Ja, dieser Mensch redete nicht viel, aber sie ließ sich genauso wenig sagen. Vielleicht war es genau das Problem, welches Sesshomaru irgendwann dazu bringen würde dieses Mädchen an einen Baum zu ketten und dort verelenden zu lassen.
 

Jetzt bäumte sie sich jedenfalls ein Stück auf und verschränkte stolz die Hände vor der Brust, während sie sagte: „Erstmal, mein Name ist Sayaka. S – A – Y – A – K – A, Sayaka. Aber das wichtigere, ich weiß dass du ein Youkai bist. Schön und gut, du bist vielleicht stärker als ich und hast andere Voraussetzungen, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht mich dermaßen herunterzumachen, geschweige denn deine Launen an mir auszulassen.“ Sie sah ihn lange Zeit einfach nur an, während er sich in seinem Vorhaben immer sicherer wurde, sie irgendwo anzuketten. Es gab nur ein paar Menschen, die sich jemals getraut hatten dermaßen mit ihm zu sprechen, und diese hatten entweder ihre Strafe erhalten oder einfach nicht überlebt.
 

Seine Augen verengten sich, als die Schwarzhaarige ein paar Schritte näher trat. Er musste zugeben, es überraschte ihn ein wenig, als sie ihr Haupt leicht vor ihm neigte. „Ich hatte vorhin nicht die Gelegenheit, aber ich wollte mich bedanken … für den Kimono. Du hättest das nicht machen müssen, ich weiß du interessierst dich nicht für Menschen. Trotzdem …“ Sie drehte sich leicht in Richtung der Feuerstelle, an der eine schlafende Rin sich näher an das Bündel kuschelte. „ … ich bin froh, dass du dich wenigstens um sie kümmerst.“
 

P.o.v Sayaka
 

Jetzt stand ich da und hatte keine Ahnung mehr, was ich sagen sollte. Mir waren mit diesem Satz die Worte ausgegangen und mein Herz schlug mir schon seit meiner etwas barschen Ansage bis zum Hals. Wie konnte ich mich mit einem Youkai anlegen? Sesshomaru hätte mich ohne große Mühe in Grund und Boden rammen können. Aber seine Beherrschung schien meisterlich, das musste man ihm schon lassen. Trotzdem war er ein arroganter Bolzen.
 

„Also … gute Nacht noch.“, sagte ich und drehte mich schnurstracks um. Allerdings begab ich mich nicht wieder zurück zu Rin. Stattdessen setzte ich mich ihr gegenüber an die Feuerstelle und beobachtete wie das orangene Licht des Feuers im Rest der Glut tanzte. Ich konnte nicht mehr schlafen. Ich wollte nicht mehr schlafen.  In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so schlecht geträumt wie in dieser Nacht. Eine Albtraumversion von meinem Sturz in diese Welt, hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. Immer wieder wiederholte sich die Szene wie ich von der Treppe des Schreinhofes fiel, wie ich plötzlich vom Himmel fiel, und wie ich starb.
 

Nicht drüber nachdenken, Sayaka. Ich schüttelte leicht den Kopf. Leicht schielte ich über meine Schulter, dorthin wo Sesshomaru an einen Baum gelehnt saß und an einen Punkt sah, den ich wahrscheinlich niemals sehen würde. Ich hoffte innenständig, dass es mich nicht hasste. Er sollte mich nicht mögen, aber hassen sollte er mich auch nicht. Hass war schlecht in meiner derzeitigen Situation, besonders weil ich von meiner Reisegruppe abhängig war.
 

Ich zog meine Knie nahe an meinen Körper und platzierte meinen Kopf darauf. Hoffentlich geht es Oba-san gut, dachte ich. Ob mein Vater wohl nach mir suchte? Ob mein Verschwinden überhaupt auffiel? Ich verstand ja nicht besonders viel vom Raum-Zeit Kontinuum. Ich würde es ja sehen, wenn ich wieder Zuhause war. Und dieses WENN war mit größeren Zweifeln verbunden, als man mir auf den ersten Blick  vielleicht ansah. Schon diese eine Woche, die seit meinem Sturz vergangen war, hatte meine Nerven blank getreten. Wie sollte ich da weiterhin durchhalten?
 

Es gab nur eine kleine Sache, die mich vielleicht ein bisschen besser stimmte. Rin-chan hatte wohl eine kleine Begabung dafür einen aufzumuntern. Sie war wirklich süß.
 

Ich beobachtete das kleine Mädchen, wie sie in ihrem Schlaf giggelte. Sie fühlte sich wirklich wohl in ihrer Gesellschaft. Irgendwie beeindruckte mich ihre Ruhe, in Mitten von Youkai, die Wesen an die sich die wenigsten Menschen herantrauten. Selbst in meiner Zeit, wo Youkai alles andere als Alltäglich waren, fürchtete man sich vor ihnen. Dort waren sie sowas wie ein gefürchteter Albtraum. Man hatte Angst vor ihnen, wusste aber, dass es sie nicht wirklich gab. Anders als hier. Hier waren sie die Alltägliche Realität. Ich wusste immer noch nicht richtig, wie ich das verarbeiten sollte. Und ob ich dies überhaupt konnte. Irgendwie hatte ich das dumme Gefühl mit einem Dachschaden nach Hause zu gehen.
 

Ich lächelte leicht. Mal sehen …
 

Ich blieb sehr lange so sitzen, doch als ich bemerkte, dass sich der Himmel erhellte und es bald Tag werden würde, stand ich auf um ein wenig herumzulaufen. Meine Beine fühlten sich bei den ersten Schritten schwer und steif an. Obwohl ich wusste, dass wir uns heute wieder auf den Weg machen würden, sammelte ich ein wenig Feuerholz entlang des Waldrandes. Eins musste man der Sengoku Ära lassen, sie hatte wunderschöne Sonnenaufgänge, sowie Sonnenuntergänge. Kurz blieb ich stehen und betrachtete den rotorange glühenden Feuerball am Horizont.
 

„Daikichi!“ Ein Zischen, gefolgt von einem heftigen Rascheln der Baumkronen ertönte aus dem Wald und führte dazu, dass ich all das gesammelte Feuerholz zu Boden fallen ließ. Hektisch drehte ich mich um, ich konnte schwören einen flitzenden Schatten zu erkennen. Einmal ganz kurz, dann war er weg und alles was zurückblieb war der Wind, der durch die Baumkronen sauste. Hatte jemand wirklich meinen Nachnamen gesagt? Sollte das alles hier nun doch mit meinem Nachnamen zusammenhängen? Es war doch nur ein Name. Ich stammte nicht von Shikigami ab.
 

Wieder schüttelte ich den Kopf, bevor ich mich hinunterbeugte und das Feuerholz aufsammelte. Ich verschwendete keine Zeit dabei mich so schnell wie möglich wieder zu unserem Lagerplatz zu begeben. Dort suchte ich die Gegend nach Sesshomaru ab, der allerdings nirgends finden war. Jedenfalls bis er plötzlich aus dem Wald kam. Aus der Richtung, aus der ich diese seltsamen Geräusche vernommen hatte. Konnte es sein dass …? Nein, nein das konnte nicht sein. Aber …

„Warst du das eben?“, fragte ich aus meinen Zweifeln heraus. Allerdings sagte mir Sesshomarus Blick bereits die Antwort. Nein, definitiv nicht. Aber wenn er es nicht bemerkt hatte, dann musste ich mir diesen Schatten wohl doch eingebildet haben.  Er war ein Youkai und die hatten bekanntlich feinere Sinne als Menschen. Es war doch wirklich zum Haare raufen! Ich hatte das Gefühl langsam den Verstand zu verlieren.
 

Ich zwang mir ein lächeln auf und wandte mich dem Feuer zu. Rin und ich hatten gestern Abend eine Menge Pilze gesammelt. Diese spießte ich nun nacheinander auf und steckte sie in einem Kreis ums Feuer herum. So würden wir noch ein gutes Frühstück haben, bevor es wieder auf Reisen ging.
 

Als hätte Rin meinen Gedanken gehört, richtete sie sich plötzlich auf. Verschlafen rieb sich das Mädchen die Augen und gab ein herzhaftes Gähnen von sich. Bei ihren ausgedehnten Streckübungen, trat sie versehentlich Jakens Kopfstab um, der dem Grünen Frosch wiederrum auf den Schädel fiel. „Huh?“, kam es von ihm. Dann sah er seinen Meister und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Meister Sesshomaru!“, krakeelte er. „Verzeiht, dass Rin immer so lange schläft. Wir werden bald aufbrechen können.“ Die Kröte wandte sich an Rin. „Los Rin, du faules Stück, steh gefälligst auf!“ Ich, die sein Gemecker mal wieder nicht ertragen konnte, schnappte mir einen Stein, der gerade günstig vor mir lag. Ich warf, und traf auch.
 

Ein lachen konnte ich mir nicht verkneifen. Rin dagegen schaute etwas verdruckst rein.
 

„Du verdammtes Biest!“, zischte Jaken und rieb sich die Beule an seinem Kopf.
 

„Weißt du, da wo ich herkomme brät man Frösche in Öl und isst sie am Spieß. Wenn du so weiter machst, endest du vielleicht genauso.“, entgegnete ich trocken und stocherte mit einem Stock im Feuer. Natürlich stimmte der mit dem Fröschen-Am-Spieß Teil nicht, jedenfalls nicht ganz.
 

„Du wagst dich was!“, kiekste der Frosch-Youkai weiter.
 

„Rin möchtest du etwas essen?“, fragte ich die Schwarzhaarige und hielt ihr dabei zwei der Pilzspieße entgegen – Jaken ignorierend.
 

„Ouhja!“
 

„Hey ignorierst du mich etwa, Weib?“ Ich musste mich streng zusammenreißen nicht zu lachen, so wie sich Jaken aufregte. „Hör mir gefälligst zu!“, ging es weiter. Es folgten noch ganz andere Sätze, bei denen mir die Ohren klingelten. Das Sesshomaru dieses Geplapper schon so lange aushielt, konnte ich mir kaum begreiflich machen. Wie hielt er das aus? Ich schätze mal, ich behielt Recht, wenn ich sagte, dass Sesshomaru eine verdammt gute Selbstbeherrschung hatte.
 

„Jaken, wie lange begleitest du Sesshomaru eigentlich schon?“, unterbrach ich das Gemecker des Frosches und erzielte Tatsächlich seine Aufmerksamkeit – auf eine gewisse positive Weise.
 

„Es heißt Meister Sesshomaru, besonders für dich Mensch! Nun, ich begleite Meister Sesshomaru-sama schon seit mehreren hundert Jahren und-
 

„Wie er es so lange mit dir ausgehalten hat, ist mir unbegreiflich!“, entkam es mir und der Frosch neben mir erstarrte zu Salzsäure. Aber ich war noch nicht fertig. „Aber mal ernsthaft, du-
 

„Sayaka.“, ertönte die tiefe Stimme, von der ich nie erwartet hatte meinen Namen zu hören. Ich drehte mich um. Da stand er. Mit den Rücken zu uns, den Blick lediglich über seine Schulter geworfen. Goldene Augen sahen mir so tief in meine, dass meine Knochen sich anfühlten, als würden sie gefrieren. Diese Kälte, die Härte in seinem Blick. Ich fragte mich zum ersten Mal, wer wohl dafür verantwortlich war, dass Sesshomaru so war, wie er war. Es musste einen Grund geben. Keiner war von Anfang an abgestumpft. Aber ich musste es mir streng verbieten der Neugier die Oberhand zu reichen. „Es reicht.“ Damit wandte er sich vollends von uns ab. Der Hunde-Youkai ging so weit weg, dass ich ihn auf dem weiten Feld vor uns nur noch als mittelgroßen, weißen Punkt wahrnehmen konnte.
 

„Da hast du es, Menschenkind! Du hast Sesshomaru-sama verärgert.“, schnatterte Jaken aufgeregt.
 

Wieder bekam er einen Stein an den Kopf. Aber nicht von mir. Und auch Rin war es nicht gewesen. Gerade so erhaschte ich einen Blick darauf wie Sesshomaru seine Hand zur Seite sinken ließ. Er steht mit dem Rücken zu uns und hat trotzdem getroffen, dachte ich erstaunt. „Typisch Youkai eben.“, murmelte ich so leise wie möglich.
 

„Hast du etwas gesagt, Sayaka-san?“, fragte Rin perplex.
 

„Äh nein, nichts. Lass uns schnell aufessen ja? Ich hab das Gefühl, wir sollten uns bald auf den Weg machen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Teshy
2014-09-28T14:06:15+00:00 28.09.2014 16:06
Wann kommt das nächste Kapi? q~q
Antwort von:  Kiori-chan
30.11.2014 18:34
Hallo! Vielen Dank für deine lieben Kommentare und verzeih das es so lange nicht weiterging. Aber ich hatte das Gefühl die Story findet hier keinen Anhang deswegen habe ich aufgehört die Story hier weiter zu veröffentlichen. Allerdings werde ich jetzt wieder neue Kapitel posten und hoffe das du dich noch für den weiteren Verlauf interessierst :) Vielen Dank für deine lieben Worte!
Antwort von:  Teshy
30.11.2014 19:47
Immer doch! Wenn jemand so viel Potenzial und gute Ideen hat bleibe ich immer dran! Wenn nicht würde ich mich selber in die Hölle stoßen! XD


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