Zum Inhalt der Seite

New Millennium

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Wunsch nach einem Freund

Blaire war schwindelig. Er fühlte sich wie auf Drogen. Was war gerade eben passiert? Der Testkampf lief für ihn ja nicht so besonders, aber scheinbar hatte er sich damit beweisen können. Samuil war von ihm überzeugt, so sehr, dass er ihn als persönlichen Schüler trainieren wollte. Und er wollte Meister genannt werden. War das nicht etwas zuviel verlangt? Der Schnitt an seiner Wange juckte schon etwas, er wollte sich nun lieber das Gesicht waschen, aber dafür blieb keine Zeit. Er durfte die Elite kennenlernen. Die besten Piloten von Heliopolis …
 

Sie standen mitten in einem langen Gang, als Samuil mit Blaire im Schlepptau bei den vier berühmten Piloten ankam. Die angespannte Stimmung war deutlich zu spüren, immerhin musste wohl jeder erst verdauen, was da gerade am Kampffeld passiert war.
 

„Die Elite meldet sich zum Dienst.“ Golyath salutierte scherzhaft, bevor er dann Blaire genau musterte. „Was für ein Knirps.“, dachte er sich, aber das traf bei Golyaths überragender Körpergröße bei fast jedem zu. Er steckte die Hände in die Hosentaschen. „Da hat aber einer eine gute Figur gemacht auf dem Kampffeld. So gut, dass der General ihn nun behalten will. Vielleicht zeigt er dir bald seine persönliche Folterkammer?“ Nein, das konnte er sich nun wirklich nicht verkneifen. Er lachte schelmisch, verstummte aber, als niemand lachte, vorallem der General selbst nicht, der sich nur räusperte.
 

„Blaire, darf ich vorstellen? Die Elite von Heliopolis. Das hier ist Golyath. Er ist der Älteste. Und steuert Anubis“, begann Samuil, seine treuen Schüler vorzustellen, „Diese junge Dame ist Sorata, sie ist unser Genie aus den hinteren Reihen, sie steuert Nefertem. Und das ist Alvis. Er ist … eine Rotzgöre, die nie ihre Hausaufgaben macht. Er steuert Bastet.“
 

„H-Hey, was heißt hier Rotzgöre? Ich bin keine … Ich bin ein guter Pilot … !“, natürlich protestierte Alvis, aber eigentlich war es auch nichts Neues, dass der General so von ihm sprach.
 

„Und zu guter Letzt, unsere Neuzugang … Das ist … Eh ...“ Samuil runzelte die Stirn. Versteckte sich Lyial da gerade hinter dem großen Golyath? Das merkte der Dunkelhaarige auch selbst und ging gleich netterweise einen Schritt zur Seite, um die Sicht freizumachen. Dann fuhr Samuil fort: „... Der Pilot von Amun, Lyial. Aber ihn muss ich nicht vorstellen, ihr teilt euch ja ein Quartier.“
 

Blaire hatte einige Fragen im Kopf, als ihm diese Personen so vorgestellt wurden. Zuerst an Golyath, wegen dem verstörendem Tattoo. Soweit er wusste, war das doch die Kennzeichnung von Verbrechern. Er war also bestimmt im Gefängnis gewesen. Sorata wirkte sehr unscheinbar und vorallem nicht durchschaubar. Sie war seinem seltsamen Zimmerkollegen nicht unähnlich, aber selbst in ihren ausdruckslosen Augen steckte noch mehr Leben. Sie wirkte intelligent. Bei Alvis musste er dann schon prusten, er war wohl das „Opfer“ der Elite, er wirkte auch wirklich wie ein Rotznase. Und dann war da …
 

Blaire starrte nur, als er den Weißhaarigen erkannte, der sich bis vor wenigen Augenblicken noch gekonnt versteckt hielt. Langsam öffnete er ungläubig den Mund. Sein Hirn setzte kurz aus und in seinem Kopf hallten die Worte „Ich bin nichts Besonderes“, die ihm dieser Junge doch bei seiner Vorstellung noch sagte. Als er seine Gedanken wieder geordnet hatte, packe er ihn plötzlich am Kragen und schüttelte ihn leicht. „Was soll das?! Du bist in der Elite?! Du hast gesagt, du wärst nichts Besonderes! Geht's noch?!“
 

Blaire konnte es nicht fassen. Hielt dieser Maschinenflüsterer etwa wirklich so wenig von sich, oder hatte er ihn einfach dreist angelogen, weil er sich für etwas besseres hielt? Kurz schätzte er ihn ab, aber als er in diese großen, ausdruckslosen Augen starrte, kannte er die Antwort bereit. Doch das störte ihn. Er konnte Leute nicht leiden, die kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten hatten. Das hielt sie immer zurück, großes zu tun. So wie Cecil. Er war kein schlechter Navigator, aber hatte zuviele Skrupel um das auch zu beweisen. Schnaubend liess er von Lyial ab.
 

„A-Ahh … Ich … bin doch auch nichts Besonderes ...“, wiederholte Lyial nur. Er war wohl einfach bescheiden und wollte nicht prahlen. Zudem war er erst vor kurzem zur Elite hinzugestoßen, und noch bei weitem nicht so gut wie die anderen, das dachte er zumindest. Woran es wirklich scheiterte, nämlich der mangelnden Akzeptanz seiner Kollegen, daran dachte er gar nicht. Er gab immer sich selbst die Schuld.
 

"Das hättest du echt gleich sagen können. So etwas verschweigt man nicht! Mann, dann hätte ich gestern mit dir kämpfen können! Aber jetzt ist es zu spät. Wer zu feige ist, mir Auge in Auge gegenüber zu treten, ist meine Zeit nicht wert." Sofort schätzte Blaire Lyial als einen Versager, einen Schwächling, ein. Wer ein Lügner war, konnte ja auch nicht stark sein. Wie immer überschätzte er sich selber und unterschätzte seinen Gegenüber. Das erntete ihm dann auch wieder einen Schlag von Samuil, diesmal direkt auf den Hinterkopf.
 

"Ich weiß ja nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber red' gefälligst nicht so dreist mit einem der Elite. Denkst du, sie heißen umsonst so? Ihre Fähigkeiten übertreffen deine noch bei Weitem. Es wird dauern, bis du dich mit ihnen messen kannst. Und es ist dir auch verboten, mit ihnen zu kämpfen!! Sie haben keine Zeit, sich mit Kleinkram wie dir zu beschäftigen. Hast du das verstanden?!", bellte Samuil dem arroganten Piloten ins Ohr.
 

Und in Blaires Kopf klingelte es nur. Dieser General war ja gemeingefährlich! Er schlug ihn schon das zweite Mal. Und das nicht zu zaghaft.
 

„Ich … Ich hätte es dir schon gesagt … Wenn sich eine Gelegenheit ergeben hätte … Aber sicher nicht, um damit anzugeben. Oder dich herauszufordern. Oder herausgefordert zu werden …“ Lyial konnte den Schmerz richtig fühlen, den der Schlag von Samuil auslöste. Autsch, solche Kopfnüsse kannte er zur genüge. Das Lob des Generals ließ ihm aber eine leichte Röte ins Gesicht steigen. So wichtig war er nun auch nicht, dachte er nur. Er war sich sicher, dass die anderen Piloten auch gut ohne ihn klar kämen.
 

Golyath beobachtete das Treiben mit einem amüsierten Gesichtsausdruck. Es war für ihn eine Freude, wenn freche Bengel ihre Abreibung bekommen. So grinste er auch immer, wenn Alvis eine Tracht Prügel bekam. Außerdem erheiterte das seine Laune, nach der verlorenen Wette und den rauen Worten des Generals am Vortag.
 

Samuil räusperte sich, um wieder die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. "Lasst euch nicht von dem Burschen aufhalten. Er kriegt seinen ganz eigenen Trainingsplan. Ihr werdet heute ausserhalb der Kolonie trainieren, mit euren Maschinen. Ein Meteorschauer ist im Sternenbild Perseus aufgetaucht. Das ist eine gute Möglichkeit. Fliegt dorthin und übt eure Ausweichmanöver und Hit-and-Run Taktiken. Benutzt dafür eure Trainingswaffen." Das waren Waffen, die keinen Schaden anrichteten, aber jeder Schuss, der ins Schwarze ging wurde registriert und am Ende konnte man so feststellen, wer am meisten oder am wenigstens getroffen wurde. „Golyath, da Anubis beschädigt ist, nimmst du eine Trainingseinheit. Ich will ja nicht, dass dir langweilig wird.“
 

Kraftvoll schlug er seine Hand auf die Blaires Schulter. "Du würdest gerne zusehen, nicht wahr, Junge? Dafür ist keine Zeit. Du hast jetzt dein eigenes Training." Mit diesen Worten bugsierte er schließlich Blaire davon. Auf ihn wartete nun ein hartes, anstrengendes Training, damit konnte der General bisher fast jedem Disziplin einbläuen.
 

„Los, Los, Kinder! Ihr habt den General gehört! Auf zum Training. Heh, und ich krieg nur ein Trainingsmodell. Das ist fast schon unfair ...“ Golyath klatschte in die Hände, um seinen kleinen „Kindergarten“ voranzutreiben. So groß wie war, wirkten die anderen wirklich automatisch jünger als er. Eigentlich sollte Sorata ja für Motivation sorgen und die anderen antreiben, durch ihre Position als Anführerin, aber die starrte gerade in Gedanken vertieft in die Richtung, in die Samuil mit Blaire abgerauscht war …
 

Das Training der Elite dauerte einige Stunden an. Eigentlich war das eine gefährliche Angelegenheit. Jedes falsche Manöver könnte einen in so einen riesigen Brocken befördern. Aber genau das machte den Spaß aus. Es war wie ein Versteckspiel, jeder suchte Deckung und versuchte die anderen auszutricksen und zu überraschen. Es galt, jeder gegen jeden. Und, eigentlich wie immer, kam letztendlich Sorata als Siegerin hervor. Da konnte man von Glück sprechen, dass das nur Trainingswaffen waren …
 

Lyial hatte sich gerade umgezogen, befreite seinen Roboterhund aus dem Schließfach und verließ dann die Umkleide, als ihn plötzlich jemand abfing. Es war Sorata, die sich ihm in den Weg stellte. Das war für den weißhaarigen Jungen eine ganz neue Situation. Er ging seinen Kollegen eigentlich immer nach der Arbeit aus dem Weg. Er wusste ja, dass Alvis oft mit Sorata abhing, und Golyath meist Clovis im Krankenhaus besucht, oder sich Konzerte seines Idols ansah. Da passte er nirgends dazu. Deswegen war er verwirrt. Er blickte hinter sich, neben sich, sogar über sich, ob das nicht vielleicht ein Missverständnis war und sie mit jemand anderes sprechen wollte, aber nein, dem war nicht so.
 

„Ich habe eine Bitte an dich.“, sprach sie nur, ihr Blick wurde härter, fast schon bedrohlich. Wie jemand, der eine Bitte hatte, sah sie nicht aus. „Ich möchte mit dir das Quartier tauschen. Ich will mit Blaire das Zimmer teilen.“, und dann platzte sie mit ihrem Anliegen auch gleich heraus.
 

Über Lyials Kopf kreisten Fragezeichen. Quartier tauschen? Wegen Blaire? Das verstand er nun gar nicht. Und es kam so plötzlich. Er blinzelte, wiederholte dann nur ihre Worte. „Du willst … mit mir tauschen? Ich ...“ Er kam noch zu keiner Antwort, da er zu langsam reagierte, weshalb ihn Sorata auch gleich unterbrach.
 

„Natürlich nicht aus zweideutigen Gedanken. Er fasziniert mich. Und ihr kommt sowieso nicht miteinander klar.“ Und das war die volle Wahrheit. Sorata sah ihn heute kämpfen, der Testkampf war zwar kurz, aber sie sah darin soviel. Sie spürte das Feuer, dass in Blaire brennte. Wie er kämpfte, mit wahrer Leidenschaft. Etwas, was ihr fehlte. Deshalb wollte sie sich mit Blaire anfreunden, in seiner Nähe sein und darauf hoffen, dass etwas von seinem emotionalen Ehrgeiz auf sie abfärbte. Das war ihr Plan.
 

Die Pilotin wusste nämlich genau, woran es bei ihr mangelte. Sie war eine Person, der es nur wichtig war, dass sie funktionierte. Sie wollte siegen, aber nicht, weil es ihr etwas bedeutete. Sie kämpfte, aber im Grunde ohne Träume, Ziele oder einen Antrieb. In ihr brennte kein Feuer, stattdessen herrschte eine eisige Kälte. Die war zwar genauso bedrohlich und gefährlich, aber sie selbst wusste, dass sie damit eines Tages an ihre Grenzen stoßen würde. Und als sie Blaire heute kämpfen sah, und sogar die Begeisterung des Generals spürte, weckte das auch in ihr eine gewisse Motivation. Dieser Junge … sie konnte viel von ihm lernen. Aber nur, wenn sie auch Zeit mit ihm verbrachte.
 

Doch sie wurde abgewiesen. „Nein. Blaire ist mein Mitbewohner.“, antwortete Lyial endlich. Er wusste ja selbst nicht genau, wieso er das nun sagte. Aber er hatte an jenem Morgen schon einen Entschluss gefasst … Er wollte Blaire helfen. Wobei, war ihm nicht klar, aber es war ihm wichtig. Auch wenn er gerade kurz noch mit dem Gedanken spielte, zuzustimmen, aber das war nur die Angst davor, von dem hitzköpfigen Piloten verprügelt zu werden, da er nicht direkt und sofort von ihm erfahren hatte, dass er zur Elite gehörte …
 

Sorata war sichtlich überrascht. In ihren Augen, und wohl auch in den der anderen, waren Blaire und Lyial bestimmt keine Freunde. Sie schienen sich nicht sonderlich zu verstehen. Wo war dann das Problem? Und Lyial war niemand, der gut darin war, soziale Kontakte zu pflegen. Er war doch immer gerne alleine, zog sich ständig zurück.
 

Die beiden starrten sich eine Weile wortlos an, bis Sorata schließlich resigniert seufzte und kapitulierte. Sie konnte Lyial so wohl nicht überzeugen, sein Zimmer abzutreten. Dann musste sie sich einen anderen Weg suchen, um sich an Blaires Fersen zu heften.
 

Und damit war das kurze Gespräch beendet. Lyial ging weiter, ließ das Mädchen stehen. Schon seltsam, da wollte das erste Mal einer seiner Kollegen mit ihm reden und es ging um so ein unangenehmes Thema, welches Lyial eigentlich nur verwirrte. Aber Blaire war nun sein Mitbewohner. Er war ihm zugeteilt worden, und das respektierte er. Immerhin hatte der General das so gewollt, vielleicht steckte da mehr dahinter. Und wenn nicht, war ihm das auch Recht. Blaire faszinierte ihn nämlich ebenso, auch wenn er ihn meist eher einschüchterte … Und vielleicht war er der erste Freund, den er sich so sehr wünschte?
 

Lyial war nach all den Geschehnissen wieder sehr müde. Erst die Testkämpfe, dann die ganze Aufregung und ein Training im Weltall. Jetzt musste er nur noch Blaire wieder in die Augen sehen können. Doch irgendwie führte es ihn nicht zurück in sein Quartier. Er wollte zuerst woanders hin.
 

Er ging den Gang weiter entlang, steuerte den Hangar der Neith an, dort, wo auch Percival ruhte. Er musste ihm doch gratulieren, er würde bald sicher mehr zum Einsatz kommen, jetzt, wo Samuil Blaire zu seinem Liebling erklärt hat. Für einen stolzen Krieger, so wie der alte Herr es war, gab es bestimmt keine größere Ehre.
 

„Hallo, Percival. Ist dir langweilig? Ich bin mir sicher, Blaire kommt heute noch vorbei. Bis dahin vertreibe ich dir ein wenig die Zeit.“ Die Techniker starrten jedes Mal, wenn Lyial den Maschinenraum betrat. Der Spinner also schon wieder. Redet er wieder mit den Maschinen? Wahrscheinlich war er selber eine und hatte nur eine Schraube locker. Ja, er war bereits eine Bekanntheit. Aber er ließ sich nicht davon abhalten, weiter mit Percival zu quatschen. Er erzählte ihm, was Blaire nun bestimmt alles machen musste. Und fragte ihn aus, wie die beiden es schaffen, so ein gutes Team zu sein. Und … Er erzählte ihm von seinem Herzenswunsch: Einen richtigen Freund finden, sowohl einen Menschen, als auch eine Maschine. Und wenn er ganz ehrlich war … Wünschte er sich Blaire als Freund.
 

Endlich war das Training vorbei. Blaire wurde von dem General gefordert, wie er noch nie zuvor gefordert wurde. Und dieser Typ war streng. Er hatte sich öfter Schläge eingehandelt, wegen seinem respektlosen Verhalten. Vielleicht sollte er jetzt einfach schleimen und immer brav auf das hören, was der Mann sagte ... seine Gedanken konnte er ja nicht lesen. Aber er erschauderte nur, so eine Person würde er nie werden wollen.
 

Er fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht, als er in den Hangar zu Percival schlurfte. Jeder Muskel schmerzte, dabei war er körperlich eigentlich ziemlich gut trainiert. Von weitem konnte er schon erkennen, wer sich da bei seinem Roboter aufhielt. Stirnrunzelnd schritt er zu ihm, die Hände in die Hüften gestemmt. "Was machst du denn hier? Ist dir so langweilig, dass du mit meiner Maschine quatscht? Du hast doch eine eigene, oder? So ein supertolles Elite-Ding." Ächzend setzte er sich neben den Fuß von Percival auf den Boden. Au, dieser Muskelkater ...
 

Zwischendurch war Lyial eingenickt gewesen, aber die Techniker hatten ihn aufgeweckt. Er war schon dabei, sich von Percival zu verabschieden, da kam Blaire. Etwas beschämt drehte Lyial den Kopf von ihm weg. „Percival ist viel lockerer und offener als Amun. Er redet ja nicht so gerne … vor allem nicht mit mir.“ Lyial seufzte. Dann blickte er Blaire doch an, er war genauso erschöpft, das sah er ihm sofort an.
 

Blaire schnaubte nur. "Warum hast du mich belogen? Hältst du wirklich so wenig von dir, oder hast du dich auf diese Art über mich lustig gemacht?" Seine Stimme klang wirklich kalt. Es war auch ein Schock gewesen, als Lyial dort bei den Elitepiloten stand. Aber er konnte die Sache nicht einmal klären, weil der General ihn vermöbelt hatte.
 

„Das erste, was die Leute von mir erfahren sollten, ist mein Name. Wer ich bin. Und nicht, wie gut ich bin.“ Lyial sah zu Percival hoch. „Kämpft man auf der Gloriana nur aus Spaß? … Ich bin nicht so. Ich habe dabei keinen Spaß … Ich will mich auch mit keinem messen. Das ist kein Spiel. Das ist Krieg. Ich möchte meine Fähigkeiten nutzen, um diese Kolonie zu beschützen. Um das Leben all dieser Menschen hier zu beschützen.“ Sein Blick wanderte wieder zu Boden. In seiner Vergangenheit schien es das ja nicht geschafft zu haben. Memphis würde übernommen, das Schicksal der Menschen dort war ungewiss.
 

Für Blaire aber waren Übungskämpfe und Rivalitäten normal. Ja, so war es auf der Gloriana. Der Krieg war doch nur ein weiterer Grund, den jungen Piloten einen Ansporn zu geben. Er verdrehte die Augen. Lyial hatte wirklich einen Stock im Arsch, dachte er nur. Aber dann grinste er verschmitzt und linste zu dem Elitepiloten hoch. "Du bist also gut. Richtig gut. Ich will das mit meinen eigenen Augen sehen. Und gegen dich kämpfen, aber das darf ich ja nicht. Heh. Ich wollte schon immer einen Rivalen haben. Jemand, der mich versteht und sich mit mir messen kann. Jemand, der mir alleine gehört." Blaire wusste nicht, dass er sich genau das Gegenteil von dem wünschte, was Lyial wollte.
 

Ihre Blicke trafen sich. Erneut war da dieser Kontrast. Lodernde Leidenschaft, nüchterne Gleichgültigkeit.
 

Blaire unterbrach die Stille dann wieder, als er langsam und mit etwas Mühe aufstand. "Du siehst hundemüde aus. Und ich fühl mich auch ziemlich fertig. Lass uns zurück gehen. Essen, duschen und pennen. Ausser du willst dich noch weiter mit meinem Roboter unterhalten." Eigentlich würde er gerne an Percival rumbasteln, aber dafür hatte er keine Kraft mehr. Aus diesem Grund war er auch weniger aggressiv als sonst. Selbst dafür war er zu erschöpft. Irgendwie ging der Plan des Generals auf.
 

Lyial nickte zustimmend. „Ja, ich bin müde. Ich habe von Percival alles erfahren, was ich erfahren wollte. Er ist sehr nett.“ Lyial ging voran. Percival war in Gesprächen ganz anders als Blaire. Ein erfahrener Mann halt, kein wildes Kind. Gemeinsam verließen sie den Hangar und zogen sich in ihr geteiltes Quartier zurück.
 

Eigentlich wollten sie ja, als Lyial fertig geduscht hatte, zusammen das Abendessen beim Kantinenservice bestellen. Doch als der Junge nach einer gefühlten Ewigkeit endlich aus dem Bad kam, da er nach jedem Duschen und der generellen Verwendung des Badezimmers sofort alles blitzeblank putzte, fehlte von Blaire jede Spur. Er war doch gerade noch da? Zumindest vor einer Stunde. Lyial blinzelte irritiert und dann fing er an, seinen Zimmergenossen zu suchen. „Blaire … ?“
 

Zuerst unter dem Bett. Dann im Schrank. Dann in der Nachttischschublade. Aber dort war er natürlich nicht. Er wanderte mit seinem Blick zu Merlin, der ihm durchs Zimmer nachgedackelt war, als er so mühsam nach Blaire suchte. „... Er ist nach draußen gegangen? Wohin … ?“ Doch nicht wieder in den Hangar? Sie waren gerade bei Percival. Und Blaire war doch so müde, er sollte sich lieber ausruhen. Oder suchte er ganz einfach eine andere Toilette auf, immerhin war nun das Badezimmer so lange besetzt, vielleicht musste er einfach dringend? So viele Fragen gingen Lyial durch den Kopf, aber letztendlich gab er das Grübeln auf.
 

„Er wird sicher gleich auftauchen. Ich bestelle schon einmal etwas zu essen. Heute gibt es Pizza.“ Er tippte an einem Terminal am Eingang seines Quartiers etwas ein. Das war ein Kommunikationsgerät, das musste jedes Zimmer haben. Sogar mit Kamera, so konnten sie sehen, wer vor ihrer Tür stand oder konnten sogar Ferngespräche führen. Eine Art modernes Telefon. Dann warf sich Lyial aufs Bett. So müde … Kurz nickte er ein, dann kam aber schon das Essen. Er stellte die Teller auf den Tisch, an dem er bisher immer alleine aß. Und dann wartete er. Es war schließlich unhöflich mit dem Essen anzufangen, wenn der andere noch nicht bei Tisch war.
 

„Er lässt sich wirklich Zeit.“ Lyial hatte Hunger. Und die Pizza, die so herrlich duftete, war bestimmt schon kalt geworden. Auch wenn es unhöflich war, er begann langsam zu essen, doch wirklich schmecken tat es nicht mehr. Dann ließ er also hungrig ab und setzte sich aufs Bett. Er spielte ein wenig mit Merlin, aber je mehr Zeit verging, desto sicherer war er sich, dass Blaire nicht mehr kommen würde. Natürlich dachte er zuerst an etwas Schlimmes. Dann aber an ihr Gespräch von vorhin.
 

Blaire wollte einen Rivalen. Und Lyial einen Freund. Aus diesen Tatsachen etwas zu formen war nicht einfach. Ihre Ansichten waren so verschieden, da war doch Streit vorprogrammiert. Vielleicht hatte Sorata ja Recht, sie verstanden sich nicht sonderlich gut. Machte sich der Elitepilot also nicht umsonst Hoffnungen? „Warum ...“, murmelte er vor sich hin. Warum überhaupt war ihm das nun so wichtig? Bevor Blaire vor knapp zwei Tagen hier einzog, dachte er nicht daran, jemals einen Freund haben zu können. Er versuchte es gar nicht. Er blendete all das einfach aus. Und dann tauchte er auf. Mit seinen aufregenden Ansichten, seinem Ehrgeiz, seiner unglaublichen Arroganz. So jemanden wollte doch, wenn er ganz ehrlich war, niemand zum Freund. Und doch …
 

Plötzlich ging ihm ein Licht auf, er wusste, wo Blaire nun wohl sein würde. Er sagte doch, er schliefe gerne draußen. Seufzend akzeptiere Lyial das als einzigst logische Erklärung für sein Verschwinden. „Und ich wollte mal mit jemandem … gemeinsam essen …“ Leise murmelte er enttäuscht.
 

Freundschaften schließen war nicht leicht, wirklich nicht, das zog er nun als Lektion daraus. Oder war es der Mensch selbst, der nicht leicht zu erschließen war? Seit Lyial das Gedächtnis verlor, war ihm vieles so fremd. Ob er früher anders war? Ob er viele Freunde hatte? Ob er Spaß hatte, ob er lachen konnte?
 

Er lag schon zu lange wach im Bett, es war schon längst nach seiner üblichen Schlafenszeit. Er drückte eine Taste an der Seite seines Bettes und dimmte so das Licht. Dann schloss er die Augen und versuchte, einzuschlafen, was aber bei all den Gedanken und Sorgen, die sich in seinem Kopf kreisten, nicht so einfach war, wie sonst.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück