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Special Ark

von

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Ein unerfreuliches Wiedersehen

Ark Thompson – Privatdetektiv extra ordinaire – stieg die Treppen zu seinem Appartement und Büro in Los Angeles hinauf, während er sich bemühte, gleichzeitig eine vollgepackte Einkaufstüte, sein Handy und die Suche nach dem Wohnungsschlüssel zu koordinieren. Das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, sprach er nachdrücklich hinein: „Nein, Mr. Rossman, da brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen. Ihre Frau hat ihrem Liebhaber mit Sicherheit nichts von dem Gelddepot erzählt ... Ja, ich bin mir sicher, ich habe sie schließlich einen ganzen Monat lang beschattet ... Oh, Sie können mit Sicherheit davon ausgehen, dass er Hintergedanken hat. Aber ich schätze, sie hat ihn ebenfalls durchschaut. Sie benutzt ihn für ihre amourösen Gelüste, aber mehr ist da nicht ... Ja, Sir, bin ich.“

 

Er bog um eine Ecke und bemerkte den kräftigen, blonden Mann, der geduldig vor seiner Wohnungstür wartete.

 

Arks Gesichtsausdruck verfinsterte sich, als sich ihre Blicke trafen. Gereizt ließ er den Atem entweichen, den er unbewusst angehalten hatte und fischte in seiner anderen Tasche: „Nein, Sir, das wird sie nicht. Sie führen eine auf beidseitigem Einverständnis beschlossene offene Ehe, haben Geld wie Heu und lieben sich. Mehr kann sie sich nicht wünschen ... Oh bitte, sie müsste ʼnen Lattenschuss haben, Sie gegen diesen Typen einzutauschen! Und mit Verlaub, ich halte sie eher für eine höchst intelligente Frau ... Wie auch immer. Ich sehe meinen Auftrag auf jeden Fall als erledigt an ... Ich lege dafür meine Hand ins Feuer, wenn Sie es wünschen ... Ja, ebenso ... Danke, dafür bin ich immer zu haben ... Sie können sich jederzeit wieder an mich wenden. Wiedersehen.“

 

Er legte auf, drängte sich an seinem Besucher vorbei und schloss die Tür auf, um anschließend hindurch zu schlüpfen und sie ihm wortlos vor der Nase zuzuknallen. Im dahinterliegenden Flur stellte er die Tüte ab und ließ ein paarmal seine steifen Nackenmuskeln knacken, ehe er sich die Jacke abstreifte und sie an die Garderobe hängte. Auf das Schrillen der Türglocke reagierte er nicht, sondern hielt es für wichtiger, ins Bad zu gehen und sich die Hände zu waschen. Als er erneut den Flur betrat, um in die Küche überzuwechseln, war der Ausgesperrte zum Klopfen übergegangen. Hinzu kam, dass er eindringlich durch das Holz raunte: „Ark! Bitte, lass mich mit dir reden! Es ist wirklich dringend!“ Der Detektiv schnaufte und rief: „Keiner zu Hause! Bin nicht salonfähig! Wir haben geschlossen! Der Typ, der hier wohnte, ist ausgewandert! Suchen Sie sich was aus, der Herr!“ Er stellte Wasser für Kaffee auf und knabberte einige Erdnüsse, die in einer Schale auf dem Tisch standen. Seufzend machte er kehrt und peilte nun sein Büro an.

 

Auf dem Flur stieß er beinahe mit dem Mann zusammen.

 

Er hob eine Augenbraue und ließ noch einige Erdnüsse in seinem Mund verschwinden: „Sie wissen, dass es illegal ist, Schlösser zu knacken, die nicht Ihre eigenen sind, oder?“ Er erntete frustriertes Kopfschütteln: „Ark, mach es mir doch nicht so schwer. Ich brauche deine Hilfe! Bitte glaub mir das doch endlich, es tut mir leid, was damals passiert ist!“ „Offenbar nicht leid genug, wenn du trotzdem noch hier auftauchst“, Ark massierte sich die Stirn, winkte dann aber gnädig Richtung Arbeitszimmer, „Ich weiß echt nicht, warum du hier bist. Hoffst du allen Ernstes, du könntest persönlich erreichen, was all deine Anrufe, E-Mails, Bittbriefe und Laufburschen nicht geschafft haben?“ Sein Besucher folgte ihm sichtlich erleichtert: „Ich rede mit dir, oder nicht?“ Ark sandte ihm einen warnenden Blick zu und Hände wurden beschwichtigend gehoben: „Entschuldige. Du bist nicht zum Scherzen aufgelegt.“ „Nein“, stimmte Ark tonlos zu, „nein, das bin ich nicht. Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, deine Visage jemals wiederzusehen, geschweige denn, mit dir herum zu witzeln. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, verfluche ich den Tag, an dem ich dich kennengelernt habe.“

 

„Wann willst du mir die Sache endlich verzeihen ...?“

 

„Nicht in diesem Leben. Du hast mich durch die Hölle geschickt.“

 

„Ich wusste nichts davon, Ark.“

 

„Und ich glaube dir nicht, Leon.“

 

„Es hätte eine einfache Aufklärungsmission sein sollen! Wir hatten damals keine Ahnung, dass Umbrella auch auf Sheena Experimente durchführte!“

 

„Nach all der Scheiße, die du in Raccoon City zutage gefördert hast, hättet ‚ihr‘ euch euren Teil denken können. Wie auch immer. Was willst du von mir?“

 

Ark ließ sich in seinen Lehnstuhl sinken, während Leon tief durchatmete, seine mitgeführte Aktentasche auf dem Tisch ablegte und anschließend die Arme auf dem Rücken verschränkte. Man hatte ihm nicht angeboten, sich zu setzen und er wollte verhindern, seinen Freund, der jahrelang nicht mit ihm gesprochen hatte, weiter zu verärgern. Also räusperte er sich nur und begann zögerlich: „Ich ... Oder besser gesagt, die Organisation, für die ich arbeite, benötigt Unterstützung. Wie du weißt, gehöre ich der D.S.O. an, einer Einheit des United States Secret Service, die Bio-Terrorismus bekämpft und dem Präsidenten direkt unterstellt ist.“

 

„Dann seid ihr jetzt, nach Tall Oaks, wohl ziemlich kopflos, was?“

 

„... Mitnichten. Ist ein sensibles Thema, also reit nicht drauf rum. Kurz gesagt ... Die D.S.O. möchte dich anheuern.“

 

„Kein Interesse. Raus.“

 

„Hör es dir doch wenigstens erst an!“

 

Sie musterten sich kurz drohend, ehe Ark gereizt schnaubend den Kopf schüttelte und sich geschlagen zurücklehnte. Leon nahm das Schweigen als stille Aufforderung zum Weitersprechen: „Wir befinden uns immer noch mitten in der Bereinigung der Vorfälle von Tall Oaks und haben in diesem Zusammenhang herausgefunden, dass es in der Wüste von Nevada eine stillgelegte Basis für Biowaffenforschung geben soll. Die Führung hielt wahrscheinlich Umbrella inne, was es aber noch zu beweisen gilt. Dein Job wäre es, in diese Basis einzudringen und in Erfahrung zu bringen, in welchem Umfang dort Biowaffen entwickelt wurden, sowie sie gegebenenfalls zu zerstören. Laut unserer Informationen ist die Einrichtung seit über zehn Jahren verlassen, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, nicht wahr?“

 

„Warum schickt ihr nicht einen von euren verdienten Recken hin?“

 

Leons Blick wanderte kaum merklich zu einer Ecke des Zimmers. Schwerfällig atmete er aus: „In den letzten Monaten sind mehr Hinweise auf Bedrohungen bei uns eingegangen, als wir verfolgen können. Außerdem haben wir viele unserer Mitarbeiter vor einem Jahr im Kampf verloren. Alle unsere restlichen Leute sind im Einsatz und es fehlt uns an fähigem Personal. Und ... deswegen wurde ich zu dir geschickt. Meine Vorgesetzten – und ich selbst – hoffen, dass ich, als alter Freund, dich eventuell dazu überreden kann ...“ Er wurde von Arks erhobener Hand unterbrochen.

 

Der Detektiv blinzelte ein paarmal, ehe er seine Gedanken geordnet hatte und fragte dann irritiert: „... Moment. Du meinst das ernst, oder?“ Als sein Besucher nichts erwiderte, sondern ihn nur eindringlich betrachtete, rieb er sich mit wachsender Entgeisterung die Stirn: „Lass mich das klarstellen: Vor nicht mal fünf Minuten habe ich dich diskret darauf hingewiesen, dass mich meine letzte Interaktion mit Biowaffen ein kleines bisschen verstört hat und jetzt führt das Gespräch darauf hin, dass ich mich ein weiteres Mal mit solch ... unschönen Dingen auseinandersetzen soll? Und – verzeih mir, sollte ich deine Worte falsch interpretieren – als Freundschaftsdienst für den Mann, dem ich sechzehn lange Jahre Alpträume zu verdanken habe? Entschuldige, aber ... Bist du noch ganz dicht?“ Leon seufzte schwer: „Ich weiß, dass ich sehr viel von dir verlange. Würden wir derzeit über mehr qualifizierte Leute verfügen, hätte ich niemals zugestimmt, aber-“

 

„Definiere ‚qualifiziert‘.“

 

„... Leute, denen wir vertrauen können, Ark. Denen wir einen Auftrag geben können mit der Gewissheit, dass sie sich nicht von der Aussicht auf schnellen Reichtum dazu herablassen, die brandgefährlichen Informationen, die sie sammeln, heimlich an den Meistbietenden zu verhökern! Die ihren gesunden Menschenverstand behalten haben und im Angesicht der Macht der B.O.W.s nicht ihre Gefahren vergessen.“

 

„Aber sind diese Gefahren denn tatsächlich noch so immanent? Wirbt die Regierung zur Zeit nicht mit einem sehr potenten Serum?“

 

„Ja, das stimmt natürlich. Aber es befindet sich erst seit letztem Jahr in der Entwicklung. Unterdessen forschen unsere Gegner genauso frenetisch nach potenteren Viren! Seit Tall Oaks sind zwar viele vielversprechende Leute auf uns zugekommen, um unsere Reihen zu verstärken, aber die wenigen, die unsere Voraussetzungen erfüllten, sind bereits alle im Einsatz und der Rest ist einfach noch nicht bereit für den Außendienst!“

 

„Ich bin auch nicht bereit! Ich werde nie bereit dafür sein! Keine zehn Pferde bringen mich zurück an die Front! Eine Runde ‚Zombie Island‘ war mehr als genug für meinen Geschmack!“

 

Leon schlug mit der Faust auf die Tischplatte: „Verdammt, Ark, ist es dir egal, dass die Welt von diesen geldgeilen Schweinen an den Abgrund gedrängt wird?! Willst du bis zum Ende deines Lebens den Kopf in den Sand stecken und nichts tun?! Und wenn es so weitergeht, kann ich dir versichern, dass unser aller Leben recht kurz ausfallen wird! Bitte, wir brauchen dich! Du hast jahrelange Ermittlungserfahrung, bist bewandert im Umgang mit Waffen und ICH VERTRAUE DIR!“

 

Ark griff unbeeindruckt nach einer Schachtel Zigaretten, schob sich eine davon zwischen die Lippen und steckte sie an: „Erspar mir das Gesülze. Ich wette, du hast seit unseres tränenreichen Abschieds damals reichlich nette Frauen und Männer kennengelernt, die wesentlich besser auf sowas vorbereitet sind als ich. Leute, die besser trainiert und eingehender eingeweiht sind. Ich bin kein Genie, Leon, aber ich habe genügend Grips, um hier die eine oder andere Ungereimtheit zu erkennen. Ich frage dich also nochmal und zwar das letzte Mal: Warum ich?“ Der Agent atmete tief durch und wich dem stechenden Blick aus, ehe er leidig schmunzelte und sich den Nacken massierte: „Zuviel Grips für dein eigenes Wohl ... Okay, du hast mich erwischt. Die Details wollte ich dir eigentlich erst später anvertrauen, aber ich schätze, das war zu optimistisch gedacht.“ Er griff in seine Brusttasche und warf Ark ein Foto zu, der es geschickt auffing und mit gerunzelter Stirn betrachtete.

 

Es zeigte den Markt einer Stadt. Trotz der vielen Menschen, die sich durch die Straße drängten, stach ihm sofort ein großer, stämmiger Mann in einem langen, dunkelgrünen Mantel ins Auge, der bewegungslos in einer kleinen Seitengasse stand und das Treiben scheinbar desinteressiert verfolgte.

 

Ark verspürte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, als er die imposante Erscheinung erkannte: „Du bist so ein mieser Hundesohn, Leon. Das kann nicht dein Ernst sein ...“ Leon ließ bedrückt die Schultern hängen, doch seine Stimme klang fest wie eh und je: „Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass es im Laufe der Zeit in der Umgebung um die Anlage viele Meldungen von gestohlenem Vieh gegeben hat, von einer Handvoll Entführungen ... und von ein paar recht blutigen Tötungsdelikten. Es ist bisher nicht aufgefallen, weil sich die Verbrechen über einen großen Zeitraum verteilt abgespielt haben und die Morde nicht so mysteriös erschienen, dass die örtlichen Behörden von einem übermenschlichen Gegner ausgehen mussten. Aber dieses Bild spricht eine andere Sprache.“

 

„Woher habt ihr es?“

 

„Internet. Es ist ein privates Urlaubsfoto. Keine Sorge, wir haben alles überprüft, an der Echtheit kann kein Zweifel bestehen.“

 

Ark ließ es auf den Tisch fallen, strich sich mit beiden Händen durchs Haar und blieb, mit den Ellenbogen auf das Holz gestützt, reglos sitzen. Leon beobachtete ihn nervös und erklärte dann weiter: „Von allen Berichten, die uns vorliegen, behandelt deiner diese Art am eingehendsten. Und so, wie es aussieht, wurde dieses Exemplar in besagter Forschungseinrichtung entwickelt. Du hast die meiste Erfahrung mit den T-103! Du hast Dutzende von ihnen besiegt, Ark, du schaffst auch noch einen mehr!“

 

„Ihr habt euch also nicht um ihn gekümmert?“

 

„... Unser Einsatzteam konnte ihn nicht orten.“

 

„... Das ist ein zweites Sheena. Du verlangst wirklich von mir, ungebremst in ein zweites Sheena zu laufen ...“

 

„Wenn du erlebt hättest, was ich erlebt habe, wüsstest du, dass ein einfacher T-103 schon lange keine wirkliche Gefahr mehr für uns darstellt. Vor allem nicht für jemanden, der ihre Schwachstellen kennt.“

 

„SIE HABEN KEINE SCHWACHSTELLEN, DU VERDAMMTER IDIOT!“

 

Ark wusste nicht, ob er in Tränen ausbrechen oder seinem Besucher die Zähne einschlagen sollte. Er drückte mit zitternden Fingern die Zigarette aus und steckte sich sofort eine neue an. Leon beobachtete es mit erhobener Augenbraue: „Es überrascht mich, dass du mit diesem Zeug angefangen hast. Warst du nicht immer entschieden dagegen, dir die Lungen mit leicht entzündlichem Toxin zu verkleben?“ Ark zuckte mit den Schultern: „Menschen ändern sich.“

 

„Dieser Aschenbecher passt irgendwie nicht ins sonst strahlend saubere Ambiente ...“

 

Der Detektiv entschied sich endlich für Wut und lehnte sich finster auf eine Faust. „Diesen krankhaften Putzfimmel habe ich erst nach Sheena entwickelt. Mysophobie. Traumatische Angst vor Ansteckung mit Bakterien, Viren und ähnlichem Teufelszeug. Du verstehst schon. Das hier“, er hob die Zigarette, „ist ʼne Art Therapie. Versuche mich davon zu überzeugen, dass nicht jede ‚Kontamination‘ zwangsweise zum Tod führt. Und jetzt zurück zu deinem Auftrag.“ Er massierte sich die Schläfen und fixierte Leon mit einem unerbittlichen Blick: „Ich dachte eigentlich, ich hätte mich damals verständlich genug ausgedrückt, als ich dir meinen Bericht zusammen mit einem rechten Haken in den Rachen geschoben habe. Offenbar habe ich mich geirrt, deswegen sage ich es noch einmal in aller Deutlichkeit: Ich will weder mit dir, noch mit Umbrella, noch mit der D.S.O. und schon gar nicht mit hässlichen Fressen, die ein ganzes Magazin im Hirn benötigen, um abzukratzen, jetzt oder irgendwann sonst je wieder das Geringste zu tun haben. Ist das jetzt angekommen?“

 

Sie sahen sich lange schweigend an, doch als das Telefon plötzlich lautstark zu klingeln begann, ließ Leon geschlagen den Kopf hängen: „Ja, ist es.“ Ark nickte zufrieden: „Gut. Wo das geklärt ist: Da ist die Tür.“ Er riss den Hörer ans Ohr: „WAS?!“

 

Einen Moment später entspannte er sich etwas und drehte sich Richtung Fenster: „Verzeih. Nein, du störst nicht ... Nein, schon gut. Was ist los? Du hörst dich so bedrückt an. Hat dich dein Bruder wieder geärgert? ... ʼTschuldige, war ein Witz ... Hm? Ich soll mit ihm reden? ... Ja, sicher, warum nicht?“ Als sich Leon dagegen entschied, sich zu entfernen und sich ihm stattdessen doch endlich gegenübersetzte, ließ Ark die Augen verärgert wieder zurück auf ihn schweifen. Bevor er ihm jedoch die Meinung sagen konnte, wurde er von einer jungen männlichen Stimme von seinem Frust abgelenkt und er lächelte unbewusst.

 

„Ark?“

 

„Hey. Schön, zur Abwechslung mal was von euch zu hören. Ich komme mir schon vor wie ein geistesgestörter Stalker, weil es immer ich bin, der sich bei euch meldet!“

 

„Quatsch! Du kommst uns nur jedes Mal zuvor! Mom und Dad sind auch immer froh, wenn sie von dir hören!“

 

„Wie gehtʼs ihnen?“

 

„Gut ... Alles okay ...“

 

„Was ist los mit euch? Du klingst ja schon so seltsam, aber Lily hörte sich an, als hätte sie einen ganzen Topf Tapetenkleister verschluckt!“

 

„...“

 

„Hör auf mit der Druckserei! Ich mach mir langsam echt Sorgen!“

 

„Ark ... Sie ... Sie haben sie zwangsexmatrikuliert!“

 

Die Hand des Detektivs verharrte auf halbem Wege zum Aschenbecher: „... Was?“ Gepresstes Schluchzen ertönte aus dem Hintergrund und Lott flüsterte seiner Schwester etwas zu, ehe er sich wieder dem Gespräch zuwandte: „Sie weiß noch nicht einmal, was sie getan hat! Du kennst sie doch! Sie kann gar nichts so Schwerwiegendes angestellt haben!“ Ark blinzelte perplex: „Sie haben Lily ... Das geht doch gar nicht. Man kann niemanden einfach so-“

 

Ein Studentenausweis wurde ihm unter die Nase geschnippt und seine Augen weiteten sich, ehe sie sich auf einen sehr ernsten Leon richteten. Plötzlich machte das Kauderwelsch mehr als ärgerlichen Sinn für sein aufgeklärtes Gehirn. Lotts verlorene Stimme drang in sein Ohr, welches sich langsam vor Zorn rötete: „Wie soll ich ihnen das denn nur erklären? Sie waren so stolz auf sie und nun ...“ Der Blick, dem sich Leon ausgesetzt fand, hätte töten können, doch er erwiderte ihn nur kühl. Ark zitterte vor Wut, als sich seine Augen in Leons bohrten und starr dort verharrten.

 

„Ark ...? Bist du noch da ...? Ark?!“

 

„Ja, ich bin noch da. Hör mir zu“, erwiderte der Detektiv steif, „da muss ein Irrtum vorliegen. Man kann Leute nicht von heute auf morgen der Uni verweisen, schon gar nicht ohne Angabe von Gründen. Sagt Howard und Ruth nichts davon, wir wollen sie nicht umsonst verängstigen.“

 

„Gla... glaubst du wirklich?“

 

Die Zigarette zwischen Arks Fingern starb eines entsetzlichen Todes, als er sie ohne Rücksicht auf die schmerzende Glut zerquetschte. Leon legte den Kopf schief, als ob er diskret darauf hinweisen wollte, in wessen Händen die Zukunft lag. Der Detektiv knirschte mit den Zähnen und zischte so beherrscht wie möglich in den Hörer: „Ich werde mich darum kümmern. Morgen ist das bereinigt. Verlass dich auf mich.“ Ohne eine Antwort abzuwarten legte er auf.

 

Leon warf eine Akte über den Ausweis: „Lott und Lily, siebenundzwanzig und dreiundzwanzig Jahre alt, ehemals Klein, aber adoptiert vom Ehepaar Mason, wohnhaft in San Francisco. Eine nette Familie. Ich kann verstehen, warum du sie so magst.“ „Hör auf“, drohte Ark brodelnd. „Intelligente junge Leute“, sprach Leon ungerührt weiter, „haben zweifelsohne viel vor mit ihrem Leben. Wäre ein Jammer, wenn ihnen das Schicksal zu viele Steine in den Weg werfen würde, richtig?“

 

Ark sprang ohne ein weiteres Wort der Warnung über den Tisch, holte mit der Faust aus und schlug Leon mit aller Kraft ins Gesicht. Einige Treffer konnte er erzielen, bevor der Agent zum Gegenangriff überging, ihm nach einem atemraubenden Tritt in den Magen beide Arme auf den Rücken drehte und ihn zwischen sich und der Tischplatte einklemmte.

 

Eine Zeitlang keuchten beide nur angestrengt. Dann fragte Leon: „Hast du dich wieder im Griff?“ Ark nickte nur stumm und atmete tief durch, als er losgelassen wurde und sich aufrichtete. Er setzte sich kopfschüttelnd auf die Tischkante und flötete sarkastisch: „Dass unser schöner Freiheitsstaat zu solchen Mafiamethoden greifen darf, um anständige Bürger gefügig zu machen, schockiert mich zutiefst.“ Zu seiner Beschwichtigung sah Leon selbst nicht glücklich aus, antwortete aber entschlossen: „Wir haben keine Wahl. Du bist unsere letzte Hoffnung.“ Ein verbittertes Lachen entfuhr Arks Kehle: „Die letzte, nicht die einzige, hm? Wie viele deiner Freunde hast du vor mir um diesen kleinen Gefallen gebeten? Und wie viele davon durftest du mit so einem derart miesen Trick erpressen?!“ Er verdrehte gereizt die Augen, als er Leons traurig-trotzigen Blick mitbekam, den dieser vor ihm zu verbergen suchte. Er beließ es dabei. Er hatte keine Lust mehr, sich länger mit ihm zu unterhalten, und so griff er nur erneut zur Zigarettenpackung und fragte kalt: „Ihr werdet sie in Ruhe lassen, wenn ich das hier mitmache, richtig?“

 

„Du hast mein Wort.“

 

„Oh, das bedeutet mir natürlich viel, mein Freund.“

 

Leon entging der zähfließend von der Zunge tropfende Sarkasmus natürlich nicht, doch er verzichtete darauf, ihn zu erwidern. Für ihn war der Detektiv tatsächlich noch immer ein wichtiger Freund, mochte dieser auch denken, was er wollte. Er sah Ark fest an: „Ich meine es ernst.“ Ark schnaubte nur verächtlich: „Wann geht es los?“

 

„Morgen früh. Ich werde dich hinbringen. Gibt es Waffen, die ich dir bereitstellen soll? Ich kann fast jede Ausrüstung besorgen, die du dir wünschst.“

 

„Wow, ist ja wie Weihnachten! Nun, wenn ich schon die Gelegenheit bekomme: Raketenwerfer, Leon. Und tonnenweise Raketen. Raketen für eine ganze Kompanie! Raketen, die nicht einmal Stallone, Willis und Schwarzenegger zusammen in einer Woche verballern könnten!“

 

„... Ich habe gesagt, fast alles. Nimm das bitte ernst, Ark. Du weißt, wie dreckig es werden kann. Ich will dich nicht verlieren. Und Raketen kommen absolut nicht in Frage. Sind viel zu teuer!“

 

„Jesses, und da dachte ich, der Regierung würde das gewaltsame Ableben ihrer Agenten nicht am Arsch vorbeigehen! Schon gut. Dann besorg mir ʼne Wagenladung Holzpfeile. So viel werde ich nämlich benötigen, wenn ich einen verdammten Tyrant mit ʼnem Indianerbogen erledigen muss.“

 

Leon schüttelte betreten den Kopf. Er konnte natürlich sehr gut verstehen, warum Ark ihm eine zynische Antwort nach der anderen reinwürgte, doch die abweisende Haltung würde sie nicht weiterbringen. „Du hast immer Schrotflinten geliebt“, bot er stattdessen an, „wie wärʼs, wenn ich dir das neueste Modell zur Verfügung stelle?“

 

„Heil Herr Kennedy!“

 

Ark machte eine einschlägige Geste und spuckte den Zigarettenstummel in den Aschenbecher schräg hinter sich. Leon wurde ärgerlich. Er machte sich Sorgen und die Tatsache, dass sich Ark anscheinend jeder vernünftigen Beratung entziehen wollte, beruhigte seine angespannten Nerven nicht. „Ja ja“, knurrte er deshalb nur und wandte sich zum Gehen, „Schrot soll es also sein. Ich warne dich. Bereite dich vor. Auch wenn es nur ein Tyrant ist, eine Unachtsamkeit und du begibst dich in Lebensgefahr!“ Ark winkte nur lässig ab. „Bis morgen“, murmelte Leon, doch Ark redete nicht mehr mit ihm, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als die Wohnung so leise zu verlassen, wie er sie betreten hatte.

 

Als er sich draußen in sein Auto sinken ließ, erwachte sein kaum erkennbares Headset zum Leben.

 

„Leon, bitte kommen ... Leon? ... Wie ist es gelaufen? Wird er uns helfen?“

 

Er legte erschöpft die Stirn aufs Lenkrad, welches er so fest umklammerte, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten: „Ja, wird er. Es war nicht einfach. Ich musste ihm drohen, aber ...“

 

„Gute Arbeit.“

 

„Was zum Teufel ist daran gut, Hunnigan?!“

 

Als nur bedrücktes Schweigen folgte, fuhr er sich betreten durchs Haar: „Tut mir leid. Ich denke nur, dass wir uns mit diesem Schritt keinen Gefallen getan haben. Ich will nicht wissen, was für einen Schrecken wir seinen Freunden eingejagt haben. Ganz zu schweigen von dem, was er jetzt von mir hält.“

 

„Helden werden häufig missverstanden.“

 

„Ich bin ein Held, der als Schurke auftritt. Ganz toll.“

 

„Immer noch besser als ein Held, den man zu Heldentaten zwingen muss.“

 

Leon startete den Motor. Seine Stimme klang plötzlich dunkler und ein kleines bisschen drohend: „Und Sie meinen also, Sie könnten ihm Vorhalte machen, weil er keine Monsterjagden mehr auf seinen Terminkalender schreiben will, hm? Sie waren nie auch nur ansatzweise dabei, Hunnigan. Oh, natürlich, Sie glauben, es zu verstehen, weil Sie es auf einem Monitor mit verfolgen, nicht wahr? Gehen Sie zum Teufel! Sie verstehen einen Dreck davon! Sie standen Ihnen noch nie leibhaftig gegenüber. Sie haben noch nie Ihr Leben gegen Dinge verteidigen müssen, die Ihnen ein Schicksal schlimmer als der Tod bescheren konnten, abgeschnitten von der Außenwelt, verzweifelt um Waffen und Munition ringend und vor allem mutterseelenallein! Wagen Sie es also ja nicht noch einmal, sich ein Urteil über Ark zu erlauben!“

 

Seine Reaktion überraschte sie und sie murmelte verlegen: „... Verzeihung. Sie ... haben wahrscheinlich recht. Ich war nur etwas aufgebracht. Agent Burton, Chambers, Oliviera, Birkin ... Und all die anderen ... Selbst Miss Redfield ... Sie riskieren so viel, um die Bedrohung durch Biowaffen zu verhindern. Und er wendet dem Ganzen einfach den Rücken zu und überlässt Ihnen das Kämpfen.“ Leons Ausdruck entspannte sich: „Und wir tun das nicht, weil wir uns dazu verpflichtet fühlen, sondern weil wir uns dazu entschieden haben. Es liegt nicht bei uns, ihm seinen Weg vorzuschreiben. Und ebenso wenig bei Ihnen.“ Er steuerte den Wagen aus der Parklücke und reihte sich in den Verkehr ein.

 

„Glauben Sie mir, Hunnigan, wenn Sie es auch nur einmal am eigenen Leib erfahren hätten – sie nur einmal Auge in Auge hätten bekämpfen müssen – würden Sie niemandem wünschen und erst recht niemanden zwingen wollen, dieses Grauen nochmal durchzumachen ...“



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