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Das Legendarium

von

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Das Erwachen

Nichts. Er vernahm nichts. Eine endlose Leere, die sich in ihm breit gemacht hatte. Sein Körper hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen und füllte kühle Luft in seine Lungen. Er horchte in sich hinein und spürte den Schlag seines Herzens in seiner Brust. Doch…er bemerkte ein leises säuseln…ein wispern, eine Art rascheln, das die Umwelt erfüllte. Es wurde immer klarer und deutlicher. Neugierig zu erfahren, was diese Geräusche zu bedeuten hatten, machte er instinktiv die Augen auf, um sie sofort wieder zu schließen. Ein sengender Schmerz durchfuhr ihn. Was war los? Wo war er? Wie ist er hier hergekommen? Seine Erinnerungen waren nichts als blanke Schatten seines Unterbewusstseins, die ihm immer wieder entglitten. Ein weiteres Mal öffnete er die Augen, um diesem Geräusch auf die Spur zu kommen. Doch die Helligkeit schmerzte und er erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf eine schwarze Oberfläche, die mit kleinen silbernen, hellen Pünktchen gefüllt war. Unter ihm hingegen fühlte es sich gleichzeitig weich, aber dennoch fest an. Auf was lag er da? Was war mit ihm geschehen?

Doch ehe er diesen Gedanken weiterspinnen konnte, fokussierte er sich automatisch auf ein entferntes Geräusch, welches sich von allen anderen abhob. Es war, als würde sich irgendetwas über den Boden bewegen. Er vernahm ein leicht knisterndes Geräusch, dass immer mehr Kontur gewann, je näher es kam. Er musste irgendwie die Augen öffnen, um sehen zu können, was hier vor sich ging. Er spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch und wurde nervös. Ein angestrengtes Stöhnen drang aus seiner Kehle. War er das? Was hat er da gerade gemacht? Und vor allem, wie hat er es gemacht? Egal, wichtig war zurzeit nur dieses Geräusch, dass sich näherte oder…mittlerweile verstummt ist. Sein Atem beschleunigte sich und sein Herz schlug schneller und schneller. Plötzlich setzte es einen Schlag aus, als er an seiner Schulter eine Berührung spürte. Er wurde sanft, aber bestimmt geschüttelt. Und nun hörte er einen Laut, der dem seines Stöhnens nicht unähnlich war: „Erwache, Kind der Sterne. Öffne deine Augen und sieh die Welt in ihrer Schönheit, wie sie nur Eru Illuvatar entstehen lassen kann.“ Seine Augen öffneten sich und anders als vorher wurden sie nicht von einem stechenden Schmerz durchbohrt. Es war angenehm und das was er sah ließ ihn staunen: Ein weites Dunkelblau, das mit Abermillionen silbriger Lichtpunkte gesprenkelt war. Es schien, als wären sie unerreichbar und dennoch waren sie ihm so nah, dass er ihre Kraft spüren konnte. Er bewegte seinen Kopf und vernahm die Gestalt, die ihn wohl berührt haben mag und nun weiter zu anderen Gestalten auf dem Boden zuging und ihnen die Worte sagte, die in ihm eine Art Wohlbefinden und Ruhe ausgelöst hatten, was ihn danach verlangte, sie erneut zu hören. Er beobachtete, wie immer mehr dieser Gestalten am Boden sich bewegten. Sie waren mit leichten Tüchern besetzt, blass und wunderschön, doch nichts war wunderschöner, als das Wesen, welches zu seiner nächsten lag. Das Haar golden glänzend im silbernen Licht des dunkelblauen Himmels. Der Körper bewegte sich leicht und die Brust hob und senkte sich gemächlich und ohne Hast. In der Tat, sein Herzschlag hat sich beruhigt und er war von einem inneren Frieden erfüllt, der seine anfängliche Angst verdrängte. Der Körper des Wesens war von atemberaubender Gestalt, sodass er nicht bemerkte, wie es seinen Kopf zu ihm drehte und ihn ansah. Und dann geschah es: er blickte in ihre blass-blauen Augen, die so strahlten, wie die Lichter am Firmament. Sie schauten in seine und es schien, als würde die Zeit stehen bleiben. Sein Herz schien an dieses Geschöpf gebunden und er wusste, dass sie zusammen gehörten.

Doch dann hörte er wieder die Stimme: „Erhebt euch, Kinder Illuvatars! Erhebt euch und bewundert den Zauber Ardas.“ Es war eine ruhige Stimme, die kaum das Säuseln und Rascheln übertönte, aber dennoch tat er, wie ihm geheißen und bewegte seine Gliedmaßen. Die anderen Elf taten es ihm nach. Er bewegte seine Zehen und Finger, ballte seine Hände zu Fäusten und streckte seine Beine. Nachdem sich die ersten aufmachten, sich aufzurichten, tat er es ihnen nach, immer noch dieses wunderschöne Wesen zu seiner Rechten im Blick. Auch sie erhob sich, doch dies sah weder unelegant, noch unbeholfen aus. Als wüsste sie, was sie tat, stand sie auf ihren zwei Beinen. Währenddessen merkte er nicht, dass er selber schon auf seinen zwei Beinen stand.

„Springt, tanzt und spürt die Freiheit der Welt Eru Illuvatars!“, sagte die Gestalt euphorisch und breitete die Arme aus.

Er bemerkte, dass sie sich in einer Lichtung befanden, die umringt war von großen schwarzen Schemen, die sich knarrend und raschelnd bewegten. Die Gestalt strahlte in einem schwachen silbrigen Licht und genau wie sie, hatte sie ein seichtes Gewand an, welches jedoch das Sternenlicht reflektierte. Auch sie war von atemberaubender Schönheit, doch kein Vergleich zu dem Wesen neben ihm.

Seine Muskeln kontrahierten und er bewegte sich, ja und sprang sogar. Ein Gefühl der Freiheit und des Glücks machte sich in ihm auf, wie er es nie für möglich erachtet hatte. Er fing an zu lachen und hörte, dass er nicht der einzige war. Die elf Gestalten jauchzten vor Freude, liefen und sprangen über das sanfte Gras, welches von einer Schicht Raureif besprenkelt war.

Die Luft wehte durch sein langes blondes Haar und er spürte die Kälte an seinem Körper. Doch sie war nicht unangenehm, vielmehr belebend. Eine Kraft wurde in ihm wach, wie er sie nicht für möglich gehalten hatte. Er fühlte sich, als könne er quer über die Lichtung springen, was er auch vergeblich versuchte. Sie tanzten um die Gestalt herum, die reglos und mit einem Lächeln im Gesicht dort stand und sich das Vorgehen still und zufrieden anschaute.

Mit einem Mal, sah er sie wieder, dieses Wesen, dieses wunderschöne Wesen mit den blass-blauen Augen. Er tanzte auf sie zu, nahm sie an den Händen und schwang sie tanzend über die Lichtung. Ihre Augen trafen sich mehrmals und jedes Mal setzte sein Herzschlag aus und dennoch kam es ihm als das natürlichste der Welt vor. Ihre Bewegungen verlangsamten sich, bis sie sich Hand in Hand gegenüber standen. Er führte ihre Hand an sein Herz und sie zuckte zunächst zusammen, doch dann verharrte sie reglos und sie lächelte ihm schüchtern entgegen. Sie tat es ihm gleich und führte seine Hand an ihr Herz und das, was er spürte war das pure Innerste ihres Geistes. Es lag ihm offen und was er wahrnahm, war nichts anderes als pures Glück und wahre Hingabe zueinander.

Er schmiss sie sanft zu Boden und gemeinsam lachten sie belebt durch ihre neue Zukunft, durch ihr neues Leben, welches nun begonnen hatte.

Als es wiederum still wurde, da sich die Erschöpfung und Befriedigung breit machte, sagte die Gestalt in der Mitte: „Nun setzt euch zu mir, meine Brüder, meine Schwestern und hört, was ich euch zu sagen habe.“

Als sie zusammen paarweise um die Gestalt im Gras saßen, begann sie zu erzählen: „Mein Name ist Imin und ich bin einer von euch. Wir sind Geschöpfe Eru Illuvatars, des Schöpfers der Erde unter euch und es Himmels über euch. Gestalter der Meere an den fernen Gestaden und Erbauer der Berge, die das Land durchpflügen. Wir wurden hierher gesandt um die Freuden Ardas zu erfahren und zu entdecken, sie zu bevölkern und ihre Vollkommenheit in uns aufzunehmen. Denn wir sind die ersten der Elben, die Erstgeborenen. Unsterblich, wie die Sterne des Himmels und alterslos, wie die Natur selbst. Wir alle haben die Gabe des Sprechens erhalten, um uns verständigen zu können und Kunstwerke zu schaffen, wie es nur die Kinder Illuvatars vermögen. Ihr alle habt einen Partner an die Seite gelegt bekommen, als ihr das Bewusstsein dieser Welt betreten habt. Ihr seid euch vertraut, wie es nur die Bindung des Allvaters zustande bringen könnte. Zusammen sollt ihr durch diese Welt gehen und sie mit eurem vollkommenen Glück bereichern. Auch habt ihr alle vom Allvater Eru einen Namen bekommen, der sich in euer Bewusstsein eingeprägt hat, auf das er die Welt überdauern möge und nie in Vergessenheit gerate. Nur zu, nutzt dieses Werkezeug und erfüllt die Welt mit Gesang und Freude.“

Staunend saßen sie alle beieinander, schauten sich verwirrt um und begannen Laute von sich zu geben, die sich nach und nach zu Wörtern bildeten. Plötzlich erfasste sein Bewusstsein einen Namen: „Alarion“. War das sein Name? Er sprach ihn laut aus und er klang so vertraut, als habe er ihn schon immer besessen (vielleicht hatte er das ja auch).

„Alarion“, sagte er, wiederholte es und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er erfüllte ihn mit Stolz, er gab ihm eine Identität auf dieser großen weiten Welt. Und dann hörte er ihren Namen: „Lariel“, flüsterte sie leise zu sich selbst. Dann immer lauter: „Lariel“, und sie begann leise zu kichern.

„Lariel“, wie perfekt er zu diesem anmutigen, sanften Geschöpf passt. Er spiegelte alles wieder, was ihr Wesen ausmachte. Es war so, als hätte er ihn schon immer gekannt. Er nahm ihre Hand, lächelte sie an und drückte sanft zu. Er würde niemals ohne sie durch diese Welt gehen. Und anhand ihres Blickes, sah er, dass sie genauso fühlte. Mehr Worte brauchte es nicht, und das wusste auch Imin:

„Auch mir wurde eine Lebensgefährtin zur Seite gestellt.“, und damit trat eine schlank gewachsene goldblonde Elbin aus den umstehenden Bäumen hervor und stolzierte langsam durch den Kreis der Versammelten. Sie schaute jedem direkt ins Gesicht und ein Lächeln umgab sie, dass so liebevoll war, dass sie das Glück persönlich zu sein schien. Ganz in transparentes weiß gekleidet und barfuß, stellte sie ein passendes Ebenbild zu ihrem Gatten dar.

„Dies ist meine Gattin Iminye. Sie und ich sind gemeinsam mit vier anderen unserer Sippe am See Cuiviénen im Westen erwacht und ausgezogen um weitere unseres Geschlechts zu finden.“

Daraufhin erschienen weitere Gestalten aus den Schatten des Waldes, erstaunt sahen sie sich um. Vier Elben, alle hochgewachsen und stolz, zwei mit schwarzem und zwei mit weißem Haar.

„Dies sind Tata und Enel mit ihren Gattinen Tatie und Enelye.“, stellte Imil vor. Sie gingen zu Imin vor und verbeugten sich leicht, dabei legten sie eine Hand ans Herz, als Zeichen der Zugehörigkeit.

Imin fuhr fort: „Als Erwecker dieser zwölf Leben, will ich sie durch diese weite Welt führen, damit sie nicht fehlgehen und wir eine Gemeinschaft bilden, die das Licht der Sterne in die Welt tragen.“

Sein Blick wanderte zu Tata und Enel, die im zunickten.

„Wenn dies dein Wunsch ist, so werden wir uns ihm nicht widersetzen“, sagte Enel.

„Ich danke euch.“, sagte Imin zu ihnen und wandte sich dann wieder zu den Zwölf: „ Dann ist es beschlossen. Werdet ihr mir folgen, um die Wirren dieser Erde zu erkunden, weitere unseres Volkes zu finden und sie zu erwecken?“, fragte er, an die Zwölf gerichtet.

„Meine Gattin und ich werden dir folgen“, er legte die Hand ans Herz und verbeugte sich.

Alarion drückte die Hand Lariels und erhob sich „Auch wir werden dir folgen, Imin.“ Und nun standen auch die restlichen acht auf, legten ihre Hand ans Herz und bekundeten Imin ihre Gefolgschaft.

„Mit großer Dankbarkeit nehme ich eure Treue zu mir entgegen und hiermit soll unsere Gemeinschaft einen Namen bekommen, damit sie für alle Zeit wiedererkannt werden soll. Von nun an sind die, die unter meinem Banner stehen für alle Zeit die Minyar: Die Ersten. Lasst uns nun erst hier verweilen und die gegenseitige Gesellschaft genießen, denn uns steht noch ein langer Marsch bevor auf der Suche zu weiteren unseres Volkes.“

Die jetzigen Minyar trennten sich zunächst in ihre vorgesehenen Paare, denn es gab viele Worte zu wechseln und Liebe zu geben. Alarion und Lariel waren keine Ausnahme. Sie suchten sich einen ruhigen Punkt am Rande der Lichtung und setzten sich an einen Baum, von dem man die Lichtung aber noch gut erkennen konnte. Lange Zeit saßen sie einfach schweigend da und genossen die Gesellschaft des anderen.

„Lariel, ich weiß nicht, woher diese Gefühle kommen, aber ich weiß, dass ich von Ihm damit in diese Welt geschickt wurde und damit machte er mir das größte Geschenk gleich zu Beginn meines langen Lebens.“, sagte Alarion schließlich und küsste sie sanft auf die Stirn.

Sie lächelte: „Kannst du das glauben? Wir haben eine ganze Welt vor uns, die nur auf uns wartet, erkundet zu werden. Ich frage mich, wenn Imin und die anderen auch erst vor ein paar Tagen erwacht sind, woher weiß er dies alles?“

„Fragen, die bestimmt noch beantwortet werden, aber zunächst sollten wir einfach nur den Moment genießen, den ersten Moment für uns allein.“, sagte er, drückte sie an sich und hielt sie, als würde sie ihm gleich entschwinden.

„Was kann das Leben nur bereithalten, wenn wir jetzt schon das absolute Glück erleben dürfen?“ Sie küsste ihn und ein warmes Kribbeln durchfuhr ihn, dann hörten sie von der Lichtung einen Gesang aufsteigen, so lieblich, dass sie zunächst innehielten und ihr Verlangen nacheinander vergaßen. Iminye, Tatie und Enelye sangen ein Lied in der Sprache der Quendi, welches die ganze Lichtung erfüllte und alle Elben zum Zuhören bewegte. Der Wind schien dem Gesang zu folgen. Wurde der Gesang lauter, so wurde der Wind stärker, nahm er ab, so wandelte er sich zu einer sanften Brise, die vom Cuiviénen her wehte und die Kraft Leben in sich trug. Die Natur selbst schien dem Liede zuzuhören und für einen Moment innezuhalten. Man vernahm nichts, außer den Klängen der drei Elbenmütter.

„Dies soll der Moment sein, an den wir in den dunkelsten Stunden denken werden“, sagte Lariel, schlang die Arme um Alarion und gab sich ihm hin, während der Gesang weiterhin über die Lichtung schallte.



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