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Wolfskinder

DoflamingoXCrocodile (AU)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo Leute! :)
Herzlich willkommen zu "Wolfskinder", der Fortsetzung von "Gestaltenwandler"!
Ich hoffe sehr, dass euch diese Ff gut gefällt und ihr vielleicht den einen oder anderen Kommentar dalasst.
Denkt auch bitte daran, dass genauso wie bei "Gestaltenwandler" abwechselnd aus Doflamingos & Crocodiles Perspektive berichtet wird. Bei jedem Abschnitt ändert sich der Erzähler.
Außerdem gibt es wie gewohnt am Ende des Kapitels einen kleinen Ausblick.
Viel Spaß beim Lesen!

bye
sb Komplett anzeigen

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Part I: Drei Wolfskinder

"Das Wetter ist heute absolut herrlich", meinte Crocodile und wandte sein Gesicht dem strahlend blauem Himmel zu. "Ich denke darüber nach später vielleicht doch noch einen Jagdzug zu starten."

Gemeinsam mit Doflamingo hielt er sich im Eingangsbereich ihrer Höhle auf und genoss das Gefühl von wärmenden Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Obwohl sich das Jahr dem Ende zuneigte und der Winter kurz bevor stand, war es draußen noch immer verhältnismäßig trocken und warm.

"Das ist nicht nötig", warf Doflamingo ein. "Unsere Speisekammer ist gut gefüllt. Genieß doch lieber noch für eine Weile das schöne Wetter und entspann dich ein wenig."

"Ich genieße das Wetter, indem ich auf Jagd gehe", erwiderte Crocodile, den die ablehnende Haltung seines Partners erstaunte. Doflamingo selbst war ein begnadeter Jäger, der normalerweise jeden Tag, an dem es nicht regnete, ausnutzte, um ein paar Rehen oder Wildschweinen hinterherzujagen. "Warum kommst du nicht mit?"

"Du solltest endlich einmal lernen einfach alle Viere von dir zu strecken und zu faulenzen, Crocodile", meinte Doflamingo ohne auf sein Angebot einzugehen. Er warf seinem Partner einen unerwartet ernsten Blick zu. "Es würde dir guttun. Vor allen Dingen in letzter Zeit bist du ständig ganz fahrig und unruhig. Was ist denn nur los mit dir?"

"Du übertreibst", wandte Crocodile ein, doch vermied den Blickkontakt mit dem Wolf, während er sprach. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo nicht unrecht hatte: Crocodile hatte bereits selbst bemerkt, dass er in den letzten Wochen zur Nervosität neigte. Als befände sich in seinem Inneren eine juckende Stelle, die er nicht kratzen konnte. Es war schwierig in Worte zu fassen.

Um das Thema zu wechseln, fuhr Crocodile rasch fort: "Außerdem macht es Sinn, einige Vorräte anzulegen. Auch wenn der heutige Tag nicht unbedingt den Anschein erweckt, steuern wir immerhin auf den Winter zu. Vielleicht fällt dieses Jahr viel Schnee und erschwert uns die Jagd."

Er konnte Doflamingo glucksen hören. "Du und dein Schnee", sagte der Wolf kopfschüttelnd.

Crocodile warf seinem Partner einen verärgerten Blick zu. "Es ist doch gut möglich, dass dieses Jahr Schnee fällt!", meinte er mit nachdrücklicher Stimme.

"Letzten Winter ist kein Schnee gefallen", hielt der Wolf dagegen, "und vorletzten Winter auch nicht. Ich sage es nur ungern, doch du solltest dir lieber nicht zu große Hoffnungen machen, Crocodile. Womöglich wirst du dich noch ein weiteres Jahr gedulden müssen."

Angesprochener unterdrückte ein enttäuschtes Seufzen. Schließlich erwiderte er: "Das kannst du doch gar nicht wissen. Instinkte hin oder her. In die Zukunft sehen kannst auch du nicht!", und erhob sich.

Zwei Jahre war es her, seit Crocodile zum ersten Mal auf Doflamingo getroffen war. In dieser Zeit hatte sich viel getan: Mit jedem Tag, den sie gemeinsam verbrachten, hatten sie sich besser kennengelernt. Inzwischen führten sie beide eine Beziehung, die nicht länger fragil und von Misstrauen geprägt war, sondern auf hundertprozentigem Vertrauen beruhte. Sie liebten und respektierten einander sehr. Was sie jedoch nicht daran hinderte sich ab und an gegenseitig zu necken und zu ärgern.

"Wohin gehst du?", fragte Doflamingo ihn.

"Auf Jagd natürlich", antwortete Crocodile. Auch wenn sein Partner den stärken Tiergeist besaß und sich selbst gerne als Alpha in ihrer Beziehung sah, waren sie beide gleichberechtigt. Crocodile war eine sehr stolze Person; für ihn käme es nicht infrage Zuhause zu bleiben, bloß weil Doflamingo sich dies wünschte. Außerdem ärgerte es ihn, dass sein Partner ihn wegen des Schnees im Winter vertrösten wollte, und er hatte vor diesem mit seiner Sturheit eins auszuwischen.

Obwohl er nun schon seit zwei Jahren gemeinsam mit seinem Partner in ihrer Höhle im Herzen des Waldes lebte, hatte Crocodile noch immer keine Gelegenheit dazu bekommen Schnee zu erleben. Schon immer war er fasziniert gewesen von den hübschen Flocken, die vom Himmel fielen und die Welt in einen strahlend weißen Mantel hüllten. Als er noch bei Tashigi in der Stadt gelebt hatte, hatte er manchmal Stunden damit verbracht aus dem Fenster zu schauen und zu beobachten wie die Wiese hinterm Haus von einer weißen Decke verhüllt wurde. Doch auch nun, zwei Jahre später und in Freiheit lebend, hatte er noch immer keine Chance dazu bekommen durch den Schnee zu laufen und die weißen Flocken auf seiner Haut zu spüren.

"Wenn du unbedingt überschüssige Energie loswerden möchtest, fällt mir da ein viel bessere Methode ein als auf Jagd zu gehen", meinte Doflamingo und erhob sich ebenfalls. Er grinste lüstern und warf seinem Partner einen eindeutigen Blick zu.

Crocodile rollte mit den Augen. Auch wenn der Wolf einige Jahre älter war als er, schien dieser über ein deutlich ausgeprägteres Libido zu verfügen. Um ehrlich zu sein, war Crocodile zu Beginn ihrer Beziehung davon ausgegangen, dass Doflamingos Interesse an Sex mit der Zeit ein wenig abflauen würde, doch in diesem Punkt hatte er sich definitiv geirrt. Eher bekam er das Gefühl, dass sein Partner umso mehr Sex haben wollte, je länger sie zusammen waren. Crocodile gestand sich durchaus ein, dass er in dieser Hinsicht selbst nicht unbedingt zurückhaltend war, doch Doflamingo trieb es mit seiner allzeit präsenten Liebeslust manchmal einfach zu weit.

"Vielleicht heute Abend", meinte Crocodile ausweichend. Wieder begann ihn der unangenehme Juckreiz zu plagen, den er einfach nicht lindern konnte, weil es sich nicht um ein körperliches Phänomen handelte. Stattdessen schüttelte Crocodile sich und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. Das Bedürfnis, zu rennen und irgendeinem flinken Tier hinterherzujagen (vielleicht einem Hasen oder einem Marder) wurde mit jeder Minute stärker. Er scharrte unruhig mit den Füßen.

"Von mir aus", erwiderte Doflamingo und gab sich nur wenig Mühe die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen. "Aber dann komme ich wenigstens mit. So schrecklich überreizt und aufgewühlt wie du bist, solltest du dich nicht allein auf den Weg machen. Ich möchte nicht, dass dir irgendetwas zustößt."

"Ich brauche keinen Aufpasser", erwiderte Crocodile, doch erhob ansonsten keinen Einwand. Wenn er ehrlich war, dann konnte er die Sorge seines Partners ein Stück weit nachvollziehen. Normalerweise war er eine sehr ruhige und besonnene Person; diese zappelige Art passte überhaupt nicht zu ihm.
 

Doflamingo warf einen besorgten Blick zu dem schwarzen Kater hinüber, der neben ihm herlief. Crocodile war in der Gestalt seines Tiergeistes deutlich kleiner als er; dessen gesamter Körper war vielleicht zwei- oder dreimal so groß wie eine von Doflamingos Tatzen. Natürlich wusste er, dass es sich bei seinem Partner längst nicht mehr um die schutzbedürftige Hauskatze handelte, der er vor zwei Jahren das Leben gerettet und die er mühsam wieder aufgepäppelt hatte. Trotzdem kam Doflamingo nicht umhin sich Sorgen um Crocodile zu machen.

In letzter Zeit verhielt sich der Kater äußerst merkwürdig: Er war fahrig und angespannt, schien ständig irgendetwas tun zu müssen, war nicht dazu in der Lage sich einfach einmal hinzulegen und auszuruhen. Selbst in der Nacht schlief er sehr unruhig, zuckte ständig und wachte beim allerkleinsten Geräusch auf.

Seine Lust auf Sex hatte sich ebenfalls deutlich verringert. Doflamingo war sich dessen bewusst, dass er selbst ein stärkeres Libido besaß als die meisten Gestaltenwandler. Aus diesem Grund bemühte er sich auch zumeist darum nicht allzu enttäuscht zu wirken und Verständnis aufzubringen, wenn sein Partner ihn ablehnte (was, um ehrlich zu sein, unter normalen Umständen nur recht selten geschah). Doch seit ein paar Wochen häuften sich diese Fälle von Ablehnung seitens Crocodile; und Doflamingo kam nicht umhin sich Gedanken zu machen.

Bisher war er noch nicht dazu gekommen seinen Partner auf diese Problematik anzusprechen. Er befürchte, der Kater könnte seine Worte womöglich in den falschen Hals kriegen und würde ihm dann vorwerfen, er reduzierte ihre Beziehung bloß auf die sexuelle Ebene. Dem war jedoch nicht so. Doflamingo gab offen und ehrlich zu, dass Sex für ihn eine sehr große Rolle spielte, doch selbstverständlich waren andere Dinge wichtiger. Es ging ihm bei dieser Sache in erster Linie nicht um seine unbefriedigten Bedürfnisse, sondern um die Sorge um seinen Partner. Er fragte sich, was bloß mit diesem los war und wie er ihm vielleicht helfen könnte.

Doflamingo wurde aus seinen bekümmerten Gedanken gerissen, als ihm plötzlich ein ungewöhnlicher Geruch in die Nase stieg. Verwundert hielt er inne und schnupperte teils neugierig, teils argwöhnisch in der Luft. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er den fremden Geruch einem anderen Gestaltenwandler zuordnen konnte. Um genau zu sein handelte es sich um die Fährte eines Gestaltenwandlers, der ebenso wie er den Tiergeist eines Wolfes besaß. Skeptisch zog Doflamingo die Augenbrauen zusammen.

Crocodile, der nur wenige Schritte von ihm entfernt stehen geblieben war, warf ihm einen fragenden Blick zu. Anschließend verwandelte er sich und nahm wieder seine menschliche Gestalt an. "Was ist?", fragte er ihn mit beunruhigt klingender Stimme.

"Nichts weiter", antwortete Doflamingo, der sich ebenfalls rasch zurückverwandelt hatte. Er wollte seinen in letzter Zeit sowieso schon so verstörten Partner nicht unnötig in Angst zu versetzen. Dass er den Geruch eines fremden Gestaltenwandlers in seinem Revier wahrnahm, war zwar ein schlechtes Zeichen, doch prinzipiell noch kein Grund zur Panik.

"Lüg mich nicht an!", erwiderte jedoch Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich kenne dich viel zu gut, Doflamingo. Irgendetwas ist doch faul!"

"Es ist nichts weiter", beteuerte Doflamingo und unterdrückte ein Seufzen. Meistens liebte er den Stolz und die Kratzbürstigkeit des Katers, doch manchmal ging ihn dessen Sturheit auch einfach bloß fürchterlich auf die Nerven. Trotzdem bemühte er sich darum ruhig zu bleiben. Er wollte sich jetzt nicht mit Crocodile streiten; nicht in dem empfindlichen Zustand, in dem dieser sich derzeit befand. Herrgott, wäre sein Partner weiblich, hätte Doflamingo längst eine Schwangerschaft vermutet. "Mir ist eben bloß ein seltsamer Geruch in die Nase gestiegen. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung."

"Bist du dir sicher?", hakte Crocodile nach. "Um was für eine Art Geruch handelt es sich denn? Um den Geruch eines fremden Gestaltenwandlers?"

"Es ist alles in Ordnung", erwiderte Doflamingo ohne auf die Fragen des Katers einzugehen. Um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: "Wir sollten uns wieder auf die Jagd konzentrieren. Ich wittere ein paar Baummarder. Was hältst du davon, wenn du dich wieder verwandelst und uns welche fängst? Wir haben schon ziemlich lange keinen Marder mehr zwischen die Zähne bekommen."

Man sah Crocodile sehr deutlich an, dass für ihn dieses Gespräch noch lange nicht beendet war und ihm eine Erwiderung auf der Zunge lag, doch schlussendlich gab er klein bei und nahm leise seufzend die Gestalt seines Tiergeistes an. Der kleine schwarze Kater lief vor und hielt Ausschau nach den Baummardern, die sein Partner erwähnt hatte.

Auch Doflamingo verwandelte sich; und kaum hatte er die Gestalt seines Tiergeistes angenommen, stieg ihm erneut der prägnante Geruch des fremden Wolfes in die Nase. Es handelte sich vermutlich um einen weiblichen Gestaltenwandler. Die Wölfin war nicht so weit weg wie er es sich gewünscht hätte. Doflamingos geschärften Sinnen nach zu urteilen befand sie sich weniger als fünf Kilometer von ihnen entfernt.

Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und ließ Crocodile, der ein Stück weit vor ihm lief, nicht auch nur für eine Sekunde lang aus dem Blick. Unweigerlich wünschte Doflamingo sich, er hätte seinen Partner dazu überreden können heute Zuhause zu bleiben, anstatt auf Jagd zu gehen. Er hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl gehabt, was diesen Ausflug anging. Er konnte bloß darauf hoffen, dass sich die Wölfin von ihnen beiden fernhalten würde. Fürs Erste zumindest. Sollte sich die Wölfin nicht alsbald aus seinem Revier verziehen, würde Doflamingo sie definitiv zu einer Gefahr erklären und sich selbst um das Problem kümmern. Er konnte nicht riskieren, dass Crocodile womöglich etwas Schlimmes zustieß. Immerhin besaß sein Partner bloß den Tiergeist einer kleinen Hauskatze; gegen einen ausgewachsenen Wolf käme er niemals an.
 

Wenige Minuten später hatte Crocodile den misstrauischen Gesichtsausdruck seines Partners beinahe schon wieder vergessen. Stattdessen hielt er aufmerksam Ausschau nach den Baummardern, die dieser erwähnt hatte. Es tat Crocodile unwahrscheinlich gut zu jagen. Endlich konnte er sich auf etwas anderes konzentrieren als das nervöse Gefühl in seinem Inneren. Als er in der Nähe einer alten Eiche schließlich einen Marder mit hellbraunem Fell ausmachen konnte, dachte er bloß noch daran seine Zähne in dessen zartes Fleisch zu versenken.

Leider hatte Crocodile kein Glück: Gerade wollte er zum Sprung ansetzen, als sich im letzten Moment doch noch der Wind drehte und seinen Geruch dem kleinen Raubtier entgegenwehte. Der flinke Mader verlor keine Zeit und ergriff sofort die Flucht.

Crocodile verzog unwillig den Mund und setzte rasch zur Verfolgung an. Sein Ehrgeiz war geweckt worden; für ihn kam es nicht infrage seine Beute laufen zu lassen. Mit schnell schlagendem Herzen stürmte Crocodile durch das Unterholz, um den Marder doch noch zu erwischen.

Er rannte so lange bis seine Beine zu schmerzen begannen, doch letztendlich hatte Crocodile Erfolg: Er holte den Marder ein und tötete ihn mit einem gezielten Biss in den Nacken. Anschließend blieb er stehen, bemühte sich darum wieder zu Atem zu kommen und legte seine Beute auf den Boden ab. Es erfüllte Crocodile mit Stolz, dass es ihm gelungen war den Marder einzufangen. Er war längst nicht mehr das unbedarfte Haustier von früher, das auf die Nahrung angewiesen war, die ein Anderer ihm brachte. Inzwischen verliefen seine Jagdzüge zumeist sehr erfolgreich (auch wenn er sich im Gegensatz zu Doflamingo eher an kleine Beutetiere hielt).

Crocodile sah sich um in der Hoffnung seinen Partner auszumachen, doch konnte diesen nirgendwo finden. Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen und nahm wieder seine menschliche Gestalt an. Anscheinend war er so eingenommen gewesen von der Jagd, dass er überhaupt gar nicht gemerkt hatte, dass Doflamingo ihn aus den Augen verloren hatte. Nun, wie auch immer: Crocodile war zuversichtlich, dass dieser ihn rasch wieder einholen würde. Immerhin war der Wolf schneller als er und besaß auch einen deutlich besseren Geruchssinn. Schulterzuckend hob Crocodile den erbeuteten Marder auf und hielt ihn in seiner rechten Hand fest, während er sich ein wenig umsah. In diesem Teil des weitläufigen Waldes hielt er sich nur selten auf.

Crocodile kam nur wenige Schritte weit. Seine Augen weiteten sich, als er einen Blick auf den mit bunten Blättern übersäten Waldboden warf. Gleich vor seinen Füßen, nur mäßig erfolgreich verdeckt von den beinahe nackten Ästen eines nahestehenden Brombeerstrauchs, lagen ... drei kleine Kinder. Sie waren völlig hilflos. Nichts bot ihnen Wärme oder Schutz außer der runden Kuhle, in die man sie abgelegt hatte.

Crocodile stockte der Atem. Er zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er in die Hocke ging, um einen besseren Blick auf die drei Kinder zu bekommen. Es handelte sich definitiv um den Nachwuchs von Gestaltenwandlern: die kleinen Fellöhrchen und der buschige Schwanz bewiesen, dass die Kinder mit dem Tiergeist eines Wolfes gesegnet worden waren.

Sie waren noch sehr klein. Tashigi war einmal von einer Freundin besucht worden, die ihr Töchterchen mitgebracht hatte; das Mädchen war erst drei Monate alt gewesen, doch es war trotzdem deutlich größer als die Säuglinge, die hier ganz allein auf dem Waldboden lagen. Darum vermutete Crocodile, dass es sich wohl um Neugeborene handelte. Wahrscheinlich um Geschwister, Drillinge, denn die Kinder sahen einander sehr ähnlich und hatten etwa dasselbe Alter.

Sie schliefen tief und fest; Crocodiles Präsenz schien den Säuglingen überhaupt nicht aufzufallen. Doch müssten sie ihn nicht riechen können? Sollten nicht ihre Instinkte sie vor potenzieller Gefahr warnen? Denn dass Crocodile nicht vorhatte, den kleinen Kindern etwas anzutun, konnten diese schließlich nicht ahnen. Und immerhin handelte es sich bei ihnen um echte Wolfskinder.

Bestimmt sind sie noch viel zu klein, um sich selbst zu helfen, schoss es Crocodile durch den Kopf. Um ehrlich zu sein, kannte er sich nicht sonderlich gut mit Kindern aus. Er selbst hatte keine jüngeren Geschwister gehabt, genausowenig wie Tashigi; er hatte höchstens bei der einen oder anderen Gelegenheit einen flüchtigen Blick auf ein paar menschliche Kinder und Babies werfen können.

Wo sich wohl die Eltern der Kleinen aufhielten? Crocodile sah sich in alle Richtungen um, doch konnte nirgendwo weder einen Menschen noch einen Wolf ausmachen. Unweigerlich fragte er sich, ob man die Kinder womöglich allein zurückgelassen hatte und diese nun ganz auf sich gestellt waren.

Gerade wollte er den toten Marder zur Seite legen und seine Hand nach den kleinen Säuglingen ausstrecken, als Crocodile durch ein Geräusch zu seiner Linken aufgeschreckt wurde. Hastig zog er die Hand zurück und ließ seinen Blick misstrauisch über die Umgebung schweifen. Er war bereit nötigenfalls rasch die Gestalt seines Tiergeistes anzunehmen und zu fliehen. Mit zornigen Wolfseltern wollte er sich jedenfalls nicht auseinandersetzen. Ganz abgesehen davon, dass er sowieso kaum eine reale Chance gehabt hätte.

Tatsächlich kam bald ein großer und nur wenig erfreut wirkender Wolf zum Vorschein. Crocodiles Körperhaltung entspannte sich jedoch sofort wieder, als er in seinem Gegenüber seinen Partner Doflamingo erkannte. Rasch nahm dieser seine menschliche Gestalt an und näherte sich ihm mit einem unzufrieden wirkenden Blick.

"Was hast du denn?", fragte Crocodile; er konnte sich nicht erklären, wieso sein normalerweise recht unbefangener und fröhlicher Partner plötzlich einen solch ernsten und missgelaunten Eindruck erweckte. Immerhin hatte er nichts Falsches getan.
 

"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht", gestand Doflamingo, während er mit eiligen Schritten auf den Kater zuging. Auch wenn er sehr froh darüber war, dass es diesem ganz offensichtlich gut ging, ärgerte er sich ein wenig. Der Geruch der Wölfin war immer stärker geworden, je länger er der Fährte seines Partners gefolgt war, und er hatte bereits das Schlimmste befürchtet. "Du warst plötzlich im Unterholz verschwunden und ich konnte dich nicht wiederfinden. Lass das nächste Mal lieber die Beute laufen; es ist ja sowieso bloß ein blöder Mader gewesen. In diesem Wald treiben sich sowohl Gestaltenwandler als auch Tiere umher, die dir leicht gefährlich werden könnten."

Crocodile rollte mit den Augen. "Ich kann auf mich selbst aufpassen", meinte er spitz. Dann wechselte er rasch das Thema: "Sieh mal, was ich gefunden habe, Doflamingo!" Er deutete mit der rechten Hand aufgeregt auf den Boden vor sich.

Skeptisch ließ Doflamingo seinen Blick hin zu der Stelle gleiten, die der Kater ihm zeigte. Auf dem Waldboden lagen in einer kleinen Kuhle drei winzige Säuglinge. Die spitzen Ohren und der buschige Schwanz zeichneten sie als die Kinder von Gestaltenwandlern mit dem Tiergeist eines Wolfes aus. Bei genauerem Hinsehen konnte Doflamingo außerdem feststellen, dass es sich um zwei Jungen und ein Mädchen handelte. Vermutlich stammten sie aus demselben Wurf, denn sie besaßen allesamt dieselbe helle Haarfarbe und schienen auch das gleiche Alter zu haben.

Er schätzte sie auf etwa drei oder vier Monate. Die Kinder von Gestaltenwandlern kamen zumeist deutlich kleiner als menschliche Kinder auf die Welt. Dies lag daran, dass Menschen in der Regel bloß ein einziges Kind gebärten, während bei Gestaltenwandlern Mehrlinge durchaus keinen Seltenheitswert hatten. Die Anzahl der Kinder in einem Wurf hing von der Art des Tiergeistes ab. Bei Wölfen waren Zwillinge und Drillinge beinahe genauso üblich wie Einzelgeburten.

Doflamingo zuckte mit den Schultern. Er konnte die Aufregung seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen. Für ihn war der Anblick von Welpen nichts Besonderes. In dem Rudel, das er früher einmal angeführt hatte, hatte es nicht gerade wenige Kinder und Babies gegeben. Da es ihnen sehr gut gegangen war, stand einer Vergrößerung der Gruppe nichts im Wege.

"Ja und?", fragte er darum mit wenig begeisterter Stimme. "Da liegen ein paar Welpen. Was haben wir damit zu tun? Lass uns lieber wieder nach Hause gehen und den Marder verputzen, den du erbeutet hast. Komm schon!"

Sein Partner warf ihm einen entsetzten Blick zu. "Meinst du das ernst?", fragte er ungläubig und rührte sich nicht von der Stelle. "Du willst die Kleinen einfach da liegen lassen?"

"Klar", erwiderte Doflamingo ohne zu zögern. Seiner Ansicht nach handelte es sich hierbei um ein nicht verhandelbares Thema. Er konnte ein Stück weit nachvollziehen, dass Crocodile die drei kleinen Säuglinge gerne mit nach Hause nehmen würde; schließlich gestand Doflamingo sich durchaus ein, dass sie wirklich außerordentlich niedlich aussahen. Trotzdem kam es für ihn nicht infrage die Kinder einfach mitzunehmen. Wie kam sein Partner bloß auf diese irrwitzige Idee? "Wir können sie nicht mit nach Hause nehmen. Sie gehören zu irgendjemandem. Wie fändest du es, wenn man dir einfach so deine Kinder wegnehmen würde?"

"Du meinst also, dass ihre Eltern in der Nähe sind?", hakte Crocodile mit zögerlich klingender Stimme nach. Er schien von den Worten seines Partners nicht ganz überzeugt worden zu sein.

Doflamingo nickte und ergriff die Hand des Katers. "Bevor du dem Marder hinterhergejagt bist, habe ich eindeutig den Geruch eines Gestaltenwandlers mit dem Tiergeist eines Wolfes wahrgenommen", gestand er schließlich und stellte erleichtert fest, dass diese Information seinen Partner sofort ein klein wenig zu beruhigen schien. "Es war ein weiblicher Gestaltenwandler. Vermutlich handelt es sich dabei um die Mutter."

"Trotzdem fühle ich mich nicht wohl dabei die Kleinen einfach hier liegen zu lassen", meinte der Kater und sah zu den drei schlafenden Welpen hinüber. "Sie sind jedem wildem Tier, das vorbeikommt, völlig schutzlos ausgeliefert. Vielleicht sollten wir warten, bis die Mutter zurückgekehrt ist. Nur zur Sicherheit."

Doflamingo verzog den Mund. "Was ist in letzter Zeit bloß los mit dir?", fragte er schließlich nach einem Moment des Schweigens. "Du bist ständig ganz furchtbar unruhig und nervös. Wieso interessiert dich das Schicksal dieser Welpen so sehr? Du kennst sie doch überhaupt gar nicht."

"Du kanntest mich auch nicht, als du mir vor zwei Jahren mein Leben gerettet hast", wandte Crocodile überraschend schnippisch ein. "Du hast mich hilflos unter einem Brombeerstrauch liegend gefunden, mich aufgenommen und gesund gepflegt. Und nun liegen diese drei kleinen Babies unter einem Brombeerstrauch. Wir wissen nicht, wo sich ihre Mutter aufhält. Und der Winter steht kurz bevor. Ich möchte nicht zulassen, dass sie sterben. Genausowenig wie du damals zulassen wolltest, dass ich sterbe."

"Das kannst du nicht vergleichen!", warf Doflamingo mit energischer Stimme ein und zog sanft an der Hand seines Partners, um diesen zum gehen zu bewegen. Leider rührte sich Crocodile keinen Zentimeter. "Du warst ausgehungert, völlig durchnässt und schwer verletzt. Diesen Welpen jedoch scheint es gut zu gehen. Sie sind nicht in Lebensgefahr. Es wäre nicht richtig sie ihrer Mutter wegzunehmen, Crocodile. Sie gehören uns nicht. Und was sollten wir auch mit ihnen anfangen?"

"Naja", erwiderte sein Partner und vermied direkten Blickkontakt. "Du hast doch schon des Öfteren gesagt, dass du gerne Kinder haben möchtest. Und diese drei Babies besitzen sogar denselben Tiergeist wie du. Es würde perfekt passen, oder nicht?"

Doflamingo konnte nicht fassen, was Crocodile da sagte. "Spinnst du?", fauchte er und zog ein wenig heftiger als zuvor an der Hand seines Partners. "Mag sein, dass wir denselben Tiergeist besitzen, doch ansonsten habe ich mit diesen Welpen überhaupt nichts gemeinsam. Ehrlich gesagt, sind sie mir vollkommen egal. Und darum werde ich sie auch garantiert nicht mit nach Hause nehmen und großziehen als wären es meine eigenen Kinder. Verdammt, Crocodile, du redest wirklich Unsinn! Bist du vielleicht krank oder so etwas? Hast du Fieber? Bist du deswegen durcheinander?"

Doflamingo war inbegriff seine linke Hand auf die Stirn seines Partners zu legen und dessen Körpertemperatur zu prüfen, doch dieser ließ den Kontakt nicht zu. Stattdessen befreite er sich aus seinem Griff und wich einen großen Schritt zurück.

"Lass das!", meinte er und Doflamingo kam nicht umhin festzustellen, dass die Stimme des Katers absolut gereizt klang. "Ich bin nicht krank!"

"Und wie erklärst du mir dann dein seltsames Verhalten?", erwiderte Doflamingo mit nicht minder verärgerter Stimme. "Wie kommt es, dass eine normalerweise so besonnene und rational denkende Person wie du sich plötzlich in den Kopf setzt drei völlig fremde Säuglinge aufzunehmen? Was ist denn nur los mit dir?"

"Mit mir ist überhaupt nichts los", meinte Crocodile mit recht halbherzig klingender Stimme. "Ich finde bloß den Gedanken, diese drei Kinder völlig schutzlos hier liegenzulassen, unerträglich. Wie kannst du bloß so schrecklich herzlos sein, Doflamingo?"

Doflamingo seufzte leise und fuhr sich mit der linken Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Allmählich begann er zu verstehen, worin das Problem bestand. Auch wenn sein Partner nun schon seit zwei Jahren gemeinsam mit ihm im Wald lebte, fiel es ihm allen Anschein nach trotzdem noch schwer gewisse menschliche Eigenschaften abzulegen. Es tat Doflamingo weh, Crocodile vor den Kopf zu stoßen, doch im Moment sah er keine andere Möglichkeit. Er musste ihm einige Dinge ein für allemal klar machen.

Doflamingo warf dem Kater einen ernsten Blick zu, ehe er erklärte: "Es hat nichts mit Herzlosigkeit zu tun, Crocodile. Es ist das Gesetz der Natur. Wir kümmern uns um uns selbst und um niemanden sonst. So ist das nun einmal eben. Mir ist bewusst, dass du unter Menschen aufgewachsen bist, doch du solltest dich endlich einmal daran gewöhnen, dass hier im Wald andere Regeln gelten. Es ist nicht unsere Aufgabe uns um diese Welpen zu kümmern, Crocodile. Dafür ist ihre Mutter zuständig. Sagst du nicht ständig, dass du kein Haustier mehr bist und dein altes Leben in der Stadt hinter dir gelassen hast? Dann verhalte dich auch dementsprechend!"

Doflamingos Worte waren hart, doch sie zeigten Wirkung. Erleichtert stellte er fest, dass Crocodile den Blick von den drei kleinen Welpen abwandte. Er wirkte niedergeschlagen, schien zum Glück jedoch einzusehen, dass sein Partner recht hatte.

Erneut ergriff Doflamingo die Hand des Katers; dieses Mal handelte es sich jedoch um eine sehr zärtliche Berührung. "Ich weiß, dass es sehr schwer für dich ist", sagte er und meinte seine Worte tatsächlich ernst, "doch wir sollten jetzt gehen. Ich bin mir sicher, dass die Mutter der Welpen bald wiederkommt und sich um sie kümmert. Komm, lass uns nach Hause gehen, Crocodile."

Crocodile nickte schwermütig. Er blieb stumm, ließ es jedoch zu, als Doflamingo ihn mit sanfter Gewalt von der kleinen Kuhle fortzog, in der die drei friedlich schlafenden Welpen lagen.

Obwohl sie nicht erneut die Gestalt ihrer Tiergeister annahmen, schwiegen sie während des gesamten Weges zurück zu ihrer Höhle. Gerade als sie ihr Zuhause betraten, fiel Doflamingo auf, dass der Kater seinen erbeuteten Mader bei den Welpen liegen gelassen hatte. Er wollte ihn darauf hinweisen, ehe ihm in den Sinn kam, dass Crocodile seine Beute womöglich absichtlich dort zurückgelassen hatte.

Also beschloss Doflamingo dieses Thema lieber nicht anzuschneiden. Stattdessen fragte er seinen Partner: "Möchtest du etwas essen? Vielleicht ein Stück Reh oder Wildschwein? Ich sagte ja bereits, dass unsere Speisekammer gut gefüllt ist. Selbst wenn diesen Winter viel Schnee fallen sollte, werden wir keine großen Probleme bekommen, denke ich."
 

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"Sie ist zu ihren Kindern zurückgekommen", sagte Crocodile, der die Präsenz seines Partners spürte, auch wenn dieser bisher noch keinen einzigen Laut von sich gegeben hatte. Er ging davon aus, dass auch der Wolf geschockt war angesichts des furchtbaren Anblicks, der sich ihnen beiden bot. "Vielleicht hatte sie noch Hoffnung. Sie konnte ihre Kindern nicht einfach im Stich lassen. Schau nur: Sie hat den Marder gegessen, den ich dagelassen habe."

(Auszug aus Kapitel 1)
 

bye

sb



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-03-16T13:39:06+00:00 16.03.2015 14:39
Ich bin absolut begeistert von dem Prolog.

Lg kai


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