Prolog
»Das war der Letzte.«
Itachi legte einen Stein auf dem Erdhügel nieder. Es war eines von schier unzählbaren Gräbern, die er in den letzten Wochen und Monaten gegraben hatte und obwohl das zu Grabe tragen der Menschen fast alltäglich für ihn geworden war, wurde es nicht besser. Mit jedem Mal schnürte sich sein mit Traurigkeit überschüttetes Herz ein Stück mehr zusammen, bis es ihm die Luft zum Atmen nahm. Doch seine Miene blieb gefasst, starr. Er war ein ehrbarer Samurai und als dieser hatte er gelernt, seine Gefühle nicht nach außen dringen zu lassen. Als Zeichen der Stärke, aus Selbstschutz, Pflichtgefühl.
Aus den Augenwinkeln blickte er zu seiner einzigen Begleiterin herüber. Sie kniete neben ihm, hatte die Hände zu einem stillen Gebet zusammengelegt und hielt ihre Augen in Gedenken an die vielen Toten geschlossen. Ihr langes rosafarbenes Haar war geflochten und im Nacken zu einem Knoten gebunden und sie trug über ihrem kurzen magentafarbenen Yukata einen leichten, bronzefarbenen Brustharnisch und ein Kurzschwert an ihrer Seite.
Ihr Name war Sakura, wie die Kirschblüte, die im Frühjahr den üppigen Garten des Anwesens mit ihrer wunderbaren Farbe verziert hatte. Sie war sechzehn Jahre alt und die Tochter des großen Feudalherren Haruno Kizashi, in dessen Diensten Itachi seit seiner frühen Jugend gestanden hatte. Sein Herr, der ihn als kleinen Jungen aus dem Fußvolk gewählt und zu einem Samurai ausbilden lassen hatte.
Itachi löste sich von dem Anblick der jungen Frau und ließ seinen Blick über die Gräber schweifen. Einundzwanzig Menschen hatte er seit der Morgenstunde, in der sie dieses Dorf erreicht hatten, begraben. Einundzwanzig Menschen, die von einem einzigen Wesen getötet worden waren. Von dem riesigen Schlangendämon, dem Basilisken, der seinen Herrn und den gesamten Hof auf dem Gewissen hatte.
Sakuras entschlossene Stimme holte ihn aus seiner Gedankenwelt in die Realität zurück. »Wir sollten weiterziehen.«
Wortlos richtete er sich auf und nickte mit starrer Miene. »Ihr habt Recht, Prinzessin.«
Er vernahm ein schweres Seufzen aus ihrer Richtung.
»Prinzessin?«, wiederholte sie. »Fang nicht wieder damit an.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte. »Ich dachte, diese Förmlichkeiten haben wir endlich hinter uns, Sensei. Oder sind wir immer noch keine gleichberechtigten Partner?«
Ihr Gesagtes brachte ihn beinahe zum Schmunzeln. Schon als kleines Mädchen hatte sie ihm kaum Höflichkeit entgegengebracht und der Tod ihrer Familie hatte nichts daran geändert. Die kleine Sakura hatte immer ein loses Mundwerk gehabt und das war einer der Gründe, warum er sie in sein Herz geschlossen hatte. Obwohl er durch den Tod seines Herrn zu einem Rōnin geworden war, fühlte er sich in der Pflicht, für seine einzige noch lebende Tochter zu sorgen. Diese Pflicht erlosch erst, wenn sein Herr gerächt und sie einen geeigneten Gemahl für sie gefunden hatten. Erst dann konnte er seine Ehre als Samurai wiederherstellen.
»Nicht, wenn Ihr mich mit Sensei ansprecht«, antwortete er und ging los.
Sakura schloss zu ihm auf. »Gut, ich werde mir das Sensei in Zukunft verkneifen«, sagte sie. »Unter einer Bedingung.«
»Und diese Bedingung lautet?«, fragte er beiläufig.
»Kein Prinzessin, kein Ihr«, gab sie zurück. »Für dich heißt es nur: Sakura und du.«
Itachi warf ihr einen Seitenblick zu. »Wie Ihr wünscht.«
Sie strich sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht, klemmte sie hinter ihr Ohr und betrachtete ihn argwöhnisch. »Das mit dem Ihr wirst du nie lernen, oder?«
Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.