Zum Inhalt der Seite

Glückspiraten

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wie Katz und Maus

Kapitel 4 – Wie Katz und Maus
 

Es gab nicht sonderlich viele Situationen, denen Naruto bisher ganz allein ausgesetzt gewesen war. Wenn es hoch kam, würde er sich vielleicht an ungefähr vier oder fünf solcher Momente erinnern, die er ohne Sasukes Beistand durchstehen musste. Und davon waren mindestens drei nicht einmal der Rede wert, weil sie einfach zu Kleinigkeiten zählten, die in seiner Kindheit vorgefallen waren. Ansonsten musste er leider zugeben, dass der Uchiha einfach immer an seiner Seite gewesen war. Bei jeder Flucht, bei jedem Streich, bei jedem missglückten Versuch den Kirschkuchen der Nachbarin zu stehlen – Sasuke war da.
 

Jetzt allerdings war er infolge eines einzigen Wimpernschlages so schnell aus der riesigen Halle gestürmt, dass Naruto kaum Zeit hatte sich zu orientieren. Er hatte ihm nachgesehen, war aufgestanden und im nächsten Moment hatte er den Blick auf seinen Rücken verloren. Zwischen all den Menschen, die sich plötzlich rege bewegten, war Sasuke einfach spurlos verschwunden. Fast schon verschwörerisch verschluckt von einer dichten Masse aus Körperfett, Schweiß und Alkoholfahnen, die ihn schwindlig machten, je tiefer er einatmete.
 

Fuck. Wieso war er hier drin, und Sasuke irgendwo da draußen?

Was hatte ihn so schnell die Flucht ergreifen lassen? Nur dieser eine bescheuerte Name?
 

Ein Name ohne Bedeutung, zumindest für Naruto.
 

Und doch war dieser Name der Grund für sein Zögern, sein langsames Handeln.
 

Er stand noch immer neben dem Platz, auf dem er zuvor gesessen hatte. Die Augen der Schlange hell leuchtend auf sich ruhend, was ihn unter Umständen ziemlich beunruhigt hätte, doch im Moment konnte er es sich nicht leisten, derartige Schwäche zu zeigen. Es hätte so leicht sein müssen einfach zu gehen. Sasuke zu folgen, auch wenn er ihn nicht mehr sah. Naruto hätte verdammt nochmal einfach einen Fuß vor den anderen setzen müssen, um sich endlich hier fortzubewegen, den Augen zu entkommen, die sich geradewegs durch seine Haut bohrten. Sämtliche Instinkte, die ein Mensch besaß, waren bereits irgendwo draußen an frischer Luft, teilweise sogar schon auf seinem Schiff und meilenweit vom Hafen entfernt, nur sein Körper verharrte an Ort und Stelle, als würde er auf die Frage warten, die auf seiner Zunge lag und auf den besten Moment wartete, um ausgesprochen zu werden. Scheiß drauf, warum musste er sich dafür interessieren? Entweder sie waren da, bevor sie gingen, oder eben nicht. Nur sein Mund sah die Sache anders. Deutlich anders.
 

„Wie … ähm, wer … also, fuck, wann bekommen wir unsere … äh Ware?“, fragte Naruto und kam sich mit jedem Wort mehr als dämlich vor. Das hier war definitiv nicht sein Part. Andere Menschen als Ware zu bezeichnen ging schwerer über die Lippen als er gedacht hätte. Zudem musste er Sasukes Drecksarbeit erledigen, was ihm unbewusst ziemlich gegen den Strich ging. Als die Schlange dann auch noch anfing in einem gemeinen hohen Ton zu lachen, hatte Naruto das Gefühl, dass sich seine Fußnägel nach oben rollten. Wie unfair. Er hatte nicht gewollt, dass diese Scheiße an ihm hängen blieb und verdammt ja, er war für sowas nicht ausgebildet. Sasuke hatte ihn ungefragt in diese Misere hineinschliddern lassen. Ganz toll.
 

„Sie wird euch rechtzeitig gebracht, keine Sorge. Solange wir im Austausch das Geld bekommen.“ Selbst wenn Naruto nach dieser Aussage erleichtert gewesen wäre, hatte er die Befürchtung, dass es nicht schlau gewesen wäre, sich das anmerken zu lassen. Aber er nickte, drehte sich um und setzte endlich einen seiner Füße in Bewegung. Innerlich war er sich nicht sicher, wie Sasuke das fehlende Geld auftreiben wollte. Wusste nicht einmal, ob er noch Reserven auf ihrem Schiff versteckt hatte oder nicht. Er wusste gar nichts. Nur, dass er hier so schnell wie möglich weg wollte. Viel schneller als man ihn ließ, weil sich ihm abscheuliche Gestalten in den Weg stellten, die allesamt mindestens einen Kopf größer waren als er selbst. Verdammt.
 

Warum nochmal wollte er Pirat sein?
 

„Oh, warum so eilig, junger Freund?“, zischte ihm die Stimme der Schlange schleimig freundlich ins Ohr. Sie war plötzlich unfassbar nah. Kühle, eiskalte Finger umfassten seinen Arm, zogen ihn zur Seite, mit einer Kraft, die er den gealterten Knochen nicht zugetraut hätte.
 

„Was soll das?“, fauchte er zurück und versuchte ruckartig seinen Arm zu befreien, doch vergeblich. Die Finger der Schlange zogen sich fester, brannten auf seiner Haut wie ein Würgegriff einer ausgewachsenen Python. So genau hatte er sich nie vorstellen wollen, wie es sein würde, von einer Riesenschlange erwürgt zu werden, dabei war sein Hals vollkommen frei.
 

„Ich dachte, wir unterhalten uns noch ein wenig“, säuselte eine gespaltene Zunge neben ihm, die ihm unnatürlich lang vorkam, als sie sich erneut über die Lippen leckte.
 

„Ich denke nicht“, erwiderte Naruto knurrend, während er mit wachsender Verzweiflung versuchte die Finger von seiner Haut zu lösen, die sich absolut gar nicht lockerten. Nicht einen Millimeter.
 

„Schade … Dabei hätte ich noch eine wichtige Information für euch. Ganz besonders für deinen Freund.“ Er war eindeutig ein gerissenes, hinterhältiges, mieses Arschloch, das leider ganz genau wusste, womit er Narutos Aufmerksamkeit gewann. Innerhalb von Sekunden, nachdem er realisiert hatte, das hier schon wieder die Sprache von Sasuke war, ließ er von seinem Befreiungsversuch ab und starrte mit skeptischen Blick in die schmalen, giftgrünen Augen des anderen Mannes.
 

„Sag schon“, drängte Naruto und rollte mit den Augen. Das hier war ein Spiel, oder? Ein Spiel oder eine Falle? Was es auch war, Naruto war nicht sonderlich wohl bei der Sache. Aber er kam hier nicht weg, egal wie sehr er es sich auch wünschte.
 

Shit!

Gegenwehr brachte ihn hier nicht weiter.
 

Wie wahrscheinlich war es, dass Sasuke seine Abwesenheit bald bemerkte und auf der Suche nach ihm hierher zurückkommen würde?
 

„Oh nicht doch, solche Verhandlungen brauchen seine Zeit.“
 

„Was für eine Verhandlung? Hier wird nichts mehr verhandelt.“
 

„Das sehe ich anders.“ Naruto war sich nicht sicher, ob er sich den zunehmenden Druck auf seinem Arm nur einbildete, oder ob die folgende Taubheit wirklich nur eintrat, weil er schon zu lange seine normale Blutzufuhr blockierte.
 

„Was willst du?“, grollte er mit unterdrücktem Zorn, der sich nur minimal in seinen Augen wiederspiegelte.
 

„Ich will nur einen Gefallen, ein Versprechen, sobald die Zeit gekommen ist“, sagte er und lächelte ein Lächeln, bei dem Naruto unwillkürlich den Mund verzog.
 

„Welche Zeit?“
 

„Das wirst du sehen, wenn es soweit ist.“ Ein Spiel. Ganz klar. Das hier war irgendein dummes Spiel, das er bereuen würde, da war er sich sicher und doch stimmte er ihm zu.
 

„Okay, aber ich will die Informationen jetzt.“
 

Ein Pakt mit der Schlange, die in diesem Moment einem Teufel glich, als sie sich näher an ihn wagte, leise flüsternd, sodass niemand im Umkreis hörte, wovon sie sprach. Niemand außer Naruto, der nachdenklich der Wand entgegenstarrte, mit geweiteten Augen, ehe sich der fesselnde Griff lockerte und er hastig aus der Halle rannte.
 

Wo genau war Sasuke, wenn man ihn brauchte?
 

Überall waren Menschen, Sklaven an Ketten und Kinder, die mit ausgestreckten Armen am Straßenrand auf kaputten Knien kauerten und bettelten, aber von Sasuke fehlte jede Spur. Naruto bemerkte die aufgehende Sonne gerade in dem Moment, als er den Weg gefunden hatte, den sie in der Nacht genommen hatten.
 

Äußerst erstaunlich fand Naruto die Tatsache, wie leicht und vor allem schnell sich Vion innerhalb von ein paar Minuten verändern konnte. Allein durch die Sonnenstrahlen, die sich auf dem Platz verteilten und ihn in einen warmen Schein tauchten, wirkte es viel einladender und weniger bedrohlich. Nur die Gassen, die hinab zum Hafen führten, blieben im Dunkeln. Aus ihnen strömten jetzt immer mehr Menschen, hauptsächlich Frauen in alten Lumpen, mit eingefallenen Wangen, blassgrauer Haut und tiefen Schatten unter den Augen. Sie verteilten sich auf dem Platz, scheuchten Kinder durch die Gegend und bauten mit Holzbrettern, die Naruto längst als Abfall bezeichnen würde, notdürftige Stände auf, deren einzige Aufgabe darin bestand, ein paar Waren zum Verkauf anzubieten. Brot und Brötchen, hier und da ein wenig Obst und Gemüse aber auch Stände mit selbstbemalten Tassen und Schüsseln aus Ton und gewebten Tüchern, die mit ihren bunten Farben überhaupt nicht in dieses Bild passten, konnte Naruto sehen, während er immer noch fahrig Ausschau hielt. Nach einem Uchiha, der wie vom Erdboden verschluckt schien.
 

Auch von Vions Sklavenmarkt war innerhalb der nächsten fünf Minuten nichts mehr zu sehen. Keine Sklaven mehr, keine Peitschen oder Ketten, nur die Händler waren noch da und legten ein scheinbar charmantes Lächeln auf, als sie versuchten mit höflichen Floskeln ihre Ware an die Bevölkerung zu bringen, die weniger schlecht gekleidet nach und nach mit Körbchen unter den Armen hier auftauchte. Scheinbar aus einer Gegend, die sich hinter der Burg befand und Naruto fragte sich insgeheim, wie abartig groß diese Stadt sein musste und was genau noch alles im Süden lag, außer einem zweiten Hafen, von dem er wenige Minuten zuvor erfahren durfte.
 

Und verdammt nochmal, er musste dringend mit Sasuke reden.

Jetzt!
 

Ihm schwirrte der Kopf, als er sich über den Marktplatz bewegte, durch Menschenreihen schlängelte, die ihn mitunter schiefe Blicke zuwarfen, ehe er endlich die Gasse erreichte, die er ohne zu zögern betrat. Sasuke konnte nur diesen Weg genommen haben, oder? Warum hatte dieser Bastard draußen nicht auf ihn gewartet? Oder war er einfach nur zu verblendet, um ihn zu bemerken?
 

Dieser Gedanke ließ ihn doch noch einmal umdrehen. Noch einmal zum Marktplatz sehen, hinüber zum Burgeingang, wo die schweren Türen zugezogen wurden, bevor sein Blick auf etwas fiel, dass sein Herz noch einmal aussetzen ließ. Fuck. Er hatte ihn beinahe vergessen. Diesen Mann, gehüllt in einen tiefschwarzen Umhang, dessen Kapuze weit ins Gesicht fiel. Zu weit, um Konturen erkennen zu können, doch irgendwas an ihm hielt seinen Blick gefangen. Etwas, nur ein Gefühl, das er nicht deuten konnte.
 

Irgendwo in einer Ecke entstand eine Rangelei. Geschrei, das sich über den Platz zog. Wüste Beschimpfungen, die klagenden Beteuerungen eines Kindes. Naruto stand in unmittelbarer Nähe. Regungslos und benommen, und dann sah er sie …
 

Drei Finger.
 

Zeige-, Mittel- und Ringfinger.
 

Drei …
 

Drei, die sich in die Luft hoben und seine Atmung ins Stocken brachten.
 

Drei… warum drei?
 

Naruto formte ein stummes Wort, war drauf und dran einen Fuß zu bewegen, den Mann erreichen zu wollen, der viel zu weit entfernt an einem Holzpfosten stand, als er grob nach hinten gerissen wurde.
 

Der Blickkontakt brach.

Sein Herz raste.
 

„Verdammt Naruto, bist du eigentlich vollkommen bescheuert? Ich dachte, du folgst mir … ich … was ist passiert?“
 

„Sasuke …“ Er stand vor ihm. Seine Augen wütend und gleichzeitig so voller Sorge, dass Naruto es kaum glauben konnte. Es folgte ein Keuchen durch die Wucht, die Sasuke aufbrachte um Naruto an die Seite zu drängen.
 

„Was ist los?“, wollte Sasuke erneut eindringlich wissen, doch Naruto zuckte nur mit den Schultern. In seinem Kopf herrschte ein dichter Nebel aus Empfindungen und Bildern, die er nicht mehr zusammenfügen konnte. Alles war verschwommen. Und der Mann, von dessen Existenz er eben noch überzeugt gewesen war, war jetzt nicht mehr da. Als hätte er sich aufgelöst, einfach so.
 

„Jetzt sag schon. Wo warst du?“ Sasuke forderte vehement einen Blickkontakt, den Naruto nur mit großer Mühe aufrechterhalten konnte. So klein wie er sich im Moment fühlte, war es alles andere als angenehm in dieser Form von Sasuke gemustert zu werden.
 

„Er hat mich aufgehalten. Ich wollte dir ja hinterher aber er hat mich festgehalten …“, antwortete er zögerlich. Dass sich Sasukes Miene mit jedem Wort verdunkelte ließ ihn schlucken.
 

„Wer?“, knurrte er zurück. Anstatt was zu sagen, hob Naruto nur seine Hand, zeigte auf die Burg und hoffte gleichzeitig die Chance zu haben den maskierten Mann erneut zu sehen, doch nichts. Stattdessen hörte er Sasuke leise fluchen.
 

„Was wollte er?“ Naruto hatte das Gefühl von seinem Freund immer tiefer in die Mauern gedrückt zu werden, auch wenn das sicherlich kaum noch möglich war.
 

„Er hat gesagt, dass wir verschwinden sollen. So schnell wie möglich.“ Sasuke runzelte die Stirn.
 

„Ist das alles?“, schnaubte er.
 

„Nein.“ Naruto war nicht wohl bei der Sache, auch wenn er vor wenigen Minuten noch alles dafür gegeben hätte, um mit Sasuke darüber zu reden, aber jetzt … Das hier waren keine Zufälle mehr, oder?
 

„Sprich endlich, Naruto.“ Sasukes Griff an seinem Hemdkragen wurde fester.
 

„Er … uhm, er hat gesagt, dass sie in drei …“ Naruto schluckte. Drei. Scheiße nochmal, was bedeutete diese verdammte Zahl?
 

„In drei was? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“
 

„In drei Tagen. Sie werden in drei Tagen im Südhafen anlegen, bis dahin sollen wir weg sein. Weit weg.“ Er hörte seine eigene Stimme kaum, weil sich der Tumult vom Marktplatz in den Vordergrund drängte. Sasuke schien ihn jedoch gehört zu haben, denn sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig.
 

„Wer wird anlegen?“, hauchte er leise zurück.
 

„Der, den er Rotauge genannt hat“, flüsterte Naruto zurück und vor ihm schien Sasukes Mimik gänzlich einzufrieren. Vielleicht hatte er noch die Hoffnung gehabt, dass ihn sein Gefühl getäuscht hätte, doch diese Reaktion jetzt war mehr als eindeutig. Sasuke kannte diesen Namen. Musste ihn zumindest schon mal irgendwo gehört haben und konnte Verbindungen schließen, die für Naruto nicht klar waren.
 

„Wer ist das, Sasuke?“, fragte Naruto und legte seinen Kopf schief, um Sasuke weiterhin ansehen zu können, da er seinen Blick nachdenklich gesenkt hatte.
 

„Das …“
 

„Sasuke?“ Er sah auf, für einen kurzen Moment ratlos und erschrocken.
 

„Nichts. Wir sollten los“, meinte er plötzlich und ließ vom Kragen seines Freundes ab.
 

„Aber … Sasuke“, warf Naruto ein, als sich Sasuke wieder in Bewegung setzte. Er lief die Gasse entlang, dicht an der Wand und Naruto stolperte hinterher.
 

„Verdammt, jetzt warte doch …“, rief er, aber Sasuke verschwand zu schnell um die nächste Ecke.
 

„Scheiße Mann“, fluchte Naruto und rannte hinterher. Auf halber Strecke sah er den Brunnen, die Schlangenfiguren, denen er vorher kaum Beachtung geschenkt hatte und etwas weiter entfernt sah er eine Tür, vor dem der Mann stand, der ihn zu verfolgen schien. Fuck.
 

„Sasuke …“ Seine Stimme war zu hoch, seine Schritte ungeschickt, als sie geradewegs über die glänzenden Pflastersteine stolperten. Der Mann zeigte nach oben, auf ein verwittertes Schild über der Tür. Naruto erkannte einen Raben, einen pechschwarzen Vogel, blinzelte und im nächsten Augenblick war niemand mehr zu sehen.
 

Die Zahl drei und ein Rabe auf einem Türschild einer Bar, die ganz offensichtlich geschlossen hatte? Was bitte sollte das?
 

Wieso jetzt?
 

Und warum musste man sowas ausgerechnet mit ihm spielen?
 

Er hasste knifflige Rätsel.
 

„Du bist so ein Volltrottel, komm jetzt“, drängte sich Sasukes Stimme ungehalten in sein Ohr, ehe er ihn packte und wieder auf die Beine zog.
 

„Aber da war …“ Naruto stockte. Wollte eigentlich sagen, was ihn aufgehalten hatte. Wollte sagen, dass es doch nicht seine schuld war und Sasuke klar machen, dass hier irgendetwas seltsames vor sich ging, doch als er die dunklen Augen seines Freundes sah, blieb ihm jedes Wort im Hals stecken.
 

Sasuke würde ihm nicht glauben, richtig? Würde nur denken, dass er jetzt vollkommen den Verstand verloren hatte. Weil er ständig irgendwelche komischen Gestalten sah, ohne Gesicht und Stimme, die ihm fragwürdige Hinweise auf was auch immer gaben. Und je länger er darüber nachdachte, desto mehr glaubte er selbst, dass ihm hier irgendwer einen ganz fiesen Streich spielte.
 

„Schon gut, lass uns … wuhaaaa“, stöhnte er überrascht auf, als er unsanft herumgeschleudert wurde, auf der Suche nach seinem Gleichgewicht, das ein kleiner Junge zielsicher aus dem Takt gebracht hatte, ehe er sich der Länge nach auf die Nase legte. Kirschrote Äpfel kullerten über den Weg, während Naruto sah, wie der Junge seine Finger in ein halbes Stück Brot krallte, bevor er versuchte sich wieder aufzurappeln. Sasuke neben ihm zischte nur undeutlich.
 

„Oh Gott, Ist dir was passiert? Warte ich …“ Er streckte seine Hand aus, wollte sich eigentlich nur das aufgeschürfte Knie des Jungen ansehen, hielt aber inne, als er den verschreckten Blick bemerkte, der suchend an ihm vorbei glitt. Hinter ihnen tauchten Männer auf, wild rufend und gestikulieren. Es fielen nicht gerade nette Worte und Naruto traf binnen Sekunden eine Entscheidung. Er sah mit entschlossenem Blick auf den Jungen, hob die Äpfel auf und drückte sie ihm in die Hand.
 

„Lauf“, war das einzige, was er ihm zuflüsterte, ehe er ihn leicht vorwärts schubste.
 

„Danke.“ Er wusste genau, was er getan hatte. Wusste, dass er mit Sicherheit weder die Äpfel noch das Brot bezahlt hatte und dennoch ließ er ihn laufen.
 

Vielleicht lag das an den Erzählungen von Kiba und Lee. Vielleicht lag es an den Erfahrungen, die er innerhalb der Burg gemacht hatte. So genau wusste er das nicht, aber es war ein leichtes, seinen Kopf für einen kleinen Jungen hinzuhalten, der scheinbar keinen anderen Weg mehr wusste, als sich mit Klauen ein paar Lebensmittel zu sichern.
 

Die Diskussion, die er anschließend führte, zeigte eindeutig, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Die folgenden blauen Flecke, die Magenschmerzen, sogar die geprellte Schulter war es ihm wert, wenn er dafür nur einen Tag von diesem Jungen lebenswerter gemacht hatte. Dabei kannte er nicht einmal seinen Namen.
 

Warum sich Sasuke jedoch die ganze Zeit zurückhielt, stellte er allerdings erst fest, als die aufgebrachten Dorfbewohner wieder verschwunden waren, denn Sasuke war ebenfalls weg.
 

Schon wieder …
 

So langsam fühlte sich Naruto ernsthaft verascht. Das konnte doch jetzt unmöglich sein ernst sein, oder? Einfach sang und klanglos abhauen, war das jetzt seine neue Masche, oder wie? Ehrlich, darüber mussten sie wirklich reden. Ganz dringend reden. Hier warten, bis der arrogante Herr Uchiha auf die Idee kam um ihn abzuholen, würde er ganz sicher nicht. Jetzt war seine Geduld auch langsam am Ende, falls er sie überhaupt jemals richtig gehabt hatte. Er wollte hier weg. Wollte ehrlich einfach nur noch von diesem Ort verschwinden und Sasuke würde schon noch auftauchen – und wenn nicht, dann war es ihm jetzt auch egal. Auf die Suche gehen würde er jedenfalls nicht.
 

Möglicherweise war es ihm aber doch nicht ganz so egal, wie er versucht hatte sich das einzureden, denn er spürte ganz eindeutig die Erleichterung, als er Sasuke unten in Hafennähe wieder antraf. Er stand neben einer dieser ekligen Tonnen, aus dem gemächlich rote Flüssigkeit auf den Steg sickerte. Eigentlich müsste es doch längst getrocknet sein, dachte Naruto beiläufig, nur um im nächsten Moment den Kopf über seinen eigenen Gedanken zu schütteln. Die Luftfeuchtigkeit war auf manchen Inseln höher, als er es gewohnt war, das hatte er erst vor kurzem in einem der Bücher gelesen, aber ob das wirklich der Grund war, warum hier das Blut nicht trocknete, wusste er nicht.
 

„Weißt du, dass du mich echt irre machst?“, fuhr er Sasuke an, als er neben ihm zum Stehen kam. Der Uchiha allerdings hob nur eine Augenbraue an.
 

„Ich? Ich mache dich irre?“, wiederholte er Narutos Worte mit deutlichem Spott in der Stimme.
 

„Ja, verdammt. Jedes Mal bist du einfach wie vom Erdboden verschluckt, was bitte soll das?“
 

„Warum soll ich dir bei jeder Schlägerei, die du provozierst zusehen?“
 

„Du hättest ja auch helfen können?“
 

„Wozu? Das war deine Sache, nicht meine.“
 

„Gott, Sasuke, manchmal bist du echt ein richtiges Arschloch!“
 

„Und du ein Idiot, der sich in Angelegenheiten einmischt, die uns nichts angehen.“
 

„Sie hätten ihn bis in den Tod gejagt, wenn ich nicht …“
 

„Ja, und jetzt lebt er noch einen Tag länger, können wir dann?“, unterbrach ihn Sasuke mit einer erschreckenden Nüchternheit, die ihn sichtlich sprachlos machte. Immerhin so sprachlos, dass er ein fernes Flüstern hörte, das ihn lächeln ließ, obwohl er die Bedeutung der Worte nicht ganz verinnerlichen konnte.
 

Gerade fragte sich Naruto noch, wie eine Hand, die kälter war als ein Eiswürfel trotz allem ein so warmes Gefühl hervorrufen konnte, dass er sie am liebsten nie wieder losgelassen hätte, als Kiba diesem Kontakt ein jähes Ende setzte.
 

„Heilige Scheiße, ihr seid tatsächlich wieder da“, rief er zwischen Freude und Sorge, mit einer Stimme, die Naruto an ihm noch nie zuvor gehört hatte. Sie war erstaunlich hoch. Vermutlich benutzte er hier sogar eine Frequenz, die jedes Tier in ihrer Nähe in die Flucht schlagen könnte. Wenn es so wäre, dann hoffte er, dass sich das auch auf fiese, schleimige Schlangen auswirkte. Die darauffolgende Umarmung kam allerdings selbst für einen Naruto zu plötzlich, sodass sie ihn beinahe wieder vom Schiff geworfen hätte, dabei war ihm Sasuke eben noch so hilfreich zur Hand gegangen. Etwas überfordert krallte er sich in Kibas komische Felljacke, die tatsächlich etwas seltsam roch und entfernt an Frettchen oder Eichhörnchen erinnerte, obwohl er natürlich noch nie an einem solchen Tier gerochen hatte.
 

„Ist ja gut, Alter …“, lachte er irritiert, als Kiba begann ihn von oben bis unten zu mustern.
 

„Ist auch wirklich noch alles dran? Kein Finger weg? Oder ein Zeh? Hast du noch deine Kronjuwelen…“
 

„Wahh Kiba …“ Naruto schnappte hörbar nach Luft, als Kiba ihm unvermittelt seine Hand in den Schritt legte, um besagte Juwelen zu erfühlen, ehe er erleichtert aufseufzte.
 

„Gott sei Dank, es ist alles noch dran“, sagte er und grinste, als wäre es vollkommen natürlich, dass man sich gleich vor Ort ungeniert selbst überzeugte.
 

„Alter, leidest du an Fieber?“, fragte Naruto, nachdem er mehrmals geblinzelt hatte. Das war doch grade nicht ernsthaft passiert, oder? Kiba hatte nicht … Shit.
 

„Nö, warum?“, entgegnete Kiba ratlos, allerdings mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „Ich hab mir lediglich ernsthafte Sorgen um deine Fortpflanzungsmöglichkeiten gemacht.“ Na wenn der wüsste, dachte Naruto und schnaubte.
 

„Ach, willst du dann vielleicht auch noch nachsehen, ob mein Schwanz noch seine Normalgröße hat?“ Naruto klang angefressen, sein Ton schnippisch und seine Worte waren sicherlich nicht so ernst gemeint, wie sie Kiba aufnahm.
 

„Oh ja, jetzt wo du es sagst, zeig mal. Oder haben sie dir echt was abgeschnitten?“ Er streckte bereits seine Hände nach dem Hosenbund des Uzumakis aus, als Naruto zurückwich.
 

„Scheiße Kiba, was läuft falsch bei dir? Es ist alles noch da wo es sein soll, echt jetzt.“
 

„Wirklich? Soll ich nicht doch lieber nochmal nachsehen, ob …“


„Nein. Das ist echt nicht nötig … echt nicht“, beteuerte Naruto und Sasukes, der dicht neben ihm stand, brachte ein tiefen Knurren über seine Lippen. Was zum …?
 

„Tze“, machte er schließlich und Naruto sah gerade noch, wie sich Sasuke mit angestrengt verzogenem Gesicht umdrehte und auf Shikamaru zulief, der mit dem Rücken am Mast lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen.
 

Seltsam. Sehr seltsam. Sasukes Blick war so …
 

„Hey …“, sagte Sasuke und stieß unsanft mit dem Fuß gegen Shikamaru, der daraufhin grummelnd ein Auge öffnete, um Sasuke entgegen zu blicken.
 

„Mach das Schiff klar. Sobald die Neuen an Bord sind, segeln wir los.“ Shikamaru antwortete nicht, aber Naruto glaubte, dass er zumindest kurz genickt hatte, ehe er wieder die Augen schloss. Der Typ hatte echt eine Arschruhe. Ähnlich wie Sasuke, der dazu nichts weiter hinzuzufügen hatte.
 

„Die Neuen?“, meldete sich jedoch Lee zu Wort, der neugierig von Sasuke zu Naruto sah, der leider immer noch genauestens von Kiba gemustert wurde. Himmel nochmal, warum musste der seine Nase überall reinstecken wollen? Im wahrsten Sinne des Wortes. Naruto hatte das Gefühl, Kiba schnüffelte gerade an sämtlichen Kleidungsstücken, die er trug. Auf der Suche nach... Ja nach was eigentlich?
 

„Oh nein, ist das Blut?“ Schock lag auf seiner Stimme und in seinem Gesicht, als er Narutos Hose und sein beschmutztes Hemd betrachtete.
 

„Ja, aber nicht …“
 

„Uhhhaaaa, das riecht nach totem Schwein“, meinte Kiba plötzlich angewidert, während sich seine Nase kräuselte. „Oder Ratte …“
 

„Ist es vermutlich auch … die Tonnen dahinten sind voll davon“, sagte Naruto und deutete mit ausgestrecktem Arm zurück zum Hafen.
 

„Ist ja eklig … warum haben die das am Hafen?“, fragte Ino, die immer noch ziemlich blass und kränklich wirkte. Na hoffentlich hatte sie sich nicht doch etwas eingefangen. Das würde ihnen gerade noch fehlen, wenn die einzige Person, die sich mit Heilkram auskannte außer Gefecht im Bett liegen bleiben musste.
 

„Keine Ahnung …“, zuckte Naruto mit den Schultern.
 

„Vielleicht zur Abschreckung?“, mutmaßte Lee, doch Naruto schüttelte nur den Kopf.
 

„Glaub ich nicht. Jeder der hier ankommt, bringt schließlich auch irgendwas mit in die Stadt was von Wert ist.“
 

„Stimmt, vermutlich haben sie einfach nur kein besonders kluges Entsorgungssystem“, meinte Kiba und konnte es jetzt scheinbar nicht mehr ertragen, denn er hielt sich die Nase zu und sprach dadurch ziemlich gekünstelt.
 

„Würde mich nicht wundern, wenn sie das Zeug nach und nach im Meer versenken“, sagte er und Naruto hätte aufgrund der Stimmlage beinahe gelacht, wenn seine Worte nicht so niederschmetternd wären. Diese Vermutung war leider ziemlich naheliegend.
 

„Kiba du bist abartig“, stellte Ino fest. Lee lachte.
 

„Und das merkst du erst jetzt? Ino, er ist ein Kerl, der furzt sogar im Schlaf.“
 

„Und du bist leider ziemlich ekelhaft, Lee“, zischte Ino, ehe sie ihnen den Rücken kehrte.
 

„Schön, wo sie jetzt weg ist, sagst du uns dann endlich von was für Neuen hier die Rede war?“, lenkte Lee alle Aufmerksamkeit wieder auf sich. Naruto seufzte. Er konnte die Euphorie, die Lee an den Tag legte, einfach nicht teilen und hatte wirklich gehofft, dass Kiba sie von diesem Thema erfolgreich abgelenkt hatte, aber da hatte er sich scheinbar getäuscht.
 

„Sasuke hat neue Crewmitglieder gekauft“, seufzte er schließlich leise und es war Kiba, der ihn plötzlich grob an der Schulter packte.


„Gekauft?“, wiederholte er fassungslos.
 

„Jap…“ Lee schien sprachlos, während Kiba begann auf ihn einzureden.
 

„Wusstest du davon?“
 

„Nein, natürlich nicht. Ich hätte es ihm ausgeredet, bevor wir Vion erreicht hätten, aber selbst dann wäre es zu spät gewesen. Sasuke hat sich da einfach was in den Kopf gesetzt …“, seufzte Naruto schwer. Eigentlich hatte er geglaubt, nein sogar gehofft, dass es noch dauern würde. Dass Sasuke vernünftig sein würde und die ganze Sache langsamer angehen würde. Aber allmählich blieb ihm wohl nichts anderes über als einzusehen, dass er wachsamer werden musste, wenn er nicht plötzlich von Sasuke überrannt werden wollte.
 

„Was hat sich Sasuke in den Kopf gesetzt?“ Kibas Frage kam durchaus berechtigt, aber Naruto verspürte nicht wirklich die Lust sie jetzt, hier und sofort zu beantworten. Vielleicht waren seine Vermutungen auch vollkommen an den Haaren herbeigezogen und die ganze Sache würde sich in ein paar Tagen von selbst regeln.
 

„Nicht so wichtig, Kiba. Es ist nur ein Kindheitstraum.“ Er lächelte ihm entgegen, müde und erschöpft. „Ich geh mich hinlegen, weckt mich, sobald die Neuen da sind“, richtete er sich noch einmal an seine Freunde, ehe er im Innern des Schiffes verschwand.
 

Er traf Sasuke in seinem Zimmer, vor dem Logbuch sitzend, in das sie gelegentlich abwechselnd ihre wichtigsten Einträge schrieben. Sasuke schien gerade fertig zu sein, denn er schlug das Buch lautlos zu.
 

„Sasuke?“
 

„Hm?“ Naruto hatte eigentlich ganz bestimmte Fragen auf der Zunge.

Warum er das hier alles machte... Wieso er nicht offen mit ihm über alles sprach und vor allem, seit wann er die ganzen Dinge schon geplant hatte und worauf er sich noch gefasst machen konnte, aber nichts dergleichen sprach er aus.
 

„Wie hast du das eigentlich gemeint?“, fragte er stattdessen und beobachte das Zusammenziehen der Augenbrauen, weil er scheinbar nicht ganz folgen konnte.
 

„Du hast gesagt, dass niemand auch nur einen Finger an mich legen darf, wie hast du das gemeint?“, fragte er genauer, mit trockenem Mund und plötzlich schnell schlagendem Herzen. Sasuke hingegen sah für eine Sekunde ertappt aus, ehe er beiläufig den Stift, den er noch in der Hand hielt, zur Seite legte.
 

„Ich weiß nicht wovon du sprichst“, sagte er schließlich und Naruto lachte leise auf.
 

„Schon klar, Sasuke. Kannst ruhig zugeben, dass du nicht willst, dass mich jemand anderes berührt.“ Warum er ausgerechnet jetzt verspielt mit den Wimpern klimpern musste, verstand Naruto wohl am allerwenigsten.
 

„Bilde dir bloß nichts drauf ein, Naruto“, entgegnete Sasuke kühl, aber man sah eindeutig die leicht gefärbten Ohren, bevor er das Zimmer verließ und hinter sich die Tür schloss.
 

Naruto sah ihm schmunzelnd nach, bis er gähnte und sich endlich der Kleidung entledigen konnte, die unangenehm an seiner Haut haftete. Er war müde. Die Ereignisse der letzten Nacht, die seltsamen Dinge, das Gesicht der Schlange – all das verfolgte ihn. Selbst dann noch, als er längst schlafend in seinem Bett lag.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück