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Vergissmeinnicht

Angelina x George
von

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Sturmwolken

- London - Juni 1998 –

 

Die blonde Frau lachte über eine Anekdote, die der junge Mann neben ihr wohl gerade erzählt haben musste. Er stimmte ein und ihr fröhliches Kichern wurde leiser, als die beiden in den Park hinein liefen, hinaus aus Angelinas Sichtfeld. Die Muggel waren so unbeschwert, hatten sie doch keine Ahnung, welcher tödlichen Gefahr sie im Mai nur um Haaresbreite entgangen waren.

Sie saß zusammen mit Alicia auf einer Bank am Rande der Kensington Gardens, einem der schönsten grünen Flecken in dieser großen, pulsierenden Stadt und genoss die Londoner Sommersonne. Es wurde endlich wärmer und das führte dazu, dass es die Londoner in Scharen in Richtung der stadteigenen Parks zog. Bei angenehmen 25°C trugen beide Frauen nur leichte Sommerkleider und waren gerade mit den Eiskugeln fertig geworden, die Alicia spendiert hatte. Ihre Freundin war erst am Morgen aus Bulgarien zurückgekehrt, wo sie die vergangenen zwei Wochen bei Viktor verbracht hatte, hatte Angelina erbarmungslos in ein Kleid gesteckt und aus ihrer dunklen Wohnung hinaus in die Junisonne gezerrt.

 

Alicia war seit ihrem sechsten Schuljahr mit Oliver Wood zusammen gewesen. Der hatte sie endlich erhört, nachdem ihn Fred und George, nachdem sie endlich Erbarmen mit seiner Unfähigkeit, Alicias Verhalten zu deuten gehabt hatten, mit der Nase darauf stießen. Sie war immerhin schon einige Monate bis über beide Ohren in ihren Quidditch-Kapitän verknallt gewesen, ohne dass der in seiner Begriffsstutzigkeit davon auch nur Notiz genommen hätte. Die beiden verband die Liebe zum Sport und Olivers Begeisterung und Ehrgeiz hatten Alicia immer sehr imponiert. Er hatte nach seinem Schulabschluss bei Puddlemere United zunächst auf der Ersatzbank angefangen, die in der darauf folgenden Saison prompt die Meisterschaft der Britisch-Irischen Liga gewonnen hatten. Oliver  hatte sich in seinem Team schnell einen Namen als Taktiker gemacht und wechselte ins Trainerfach, wo er als Co-Trainer schon bald maßgeblich am Erfolg seiner Mannschaft beteiligt war. In der Euphorie nach dem genialen Meisterschaftsfinale hatte er Alicia gebeten, seine Frau zu werden. Sie hatte freudestrahlend eingewilligt und die Hochzeit war ein rauschendes Fest gewesen, groß und mit vielen berühmten Gästen. Oliver Wood war in England kein Unbekannter mehr.

Es sah alles nach dem großen Los aus. Sie hätte es da schon besser wissen müssen, aber sie war jung und übermütig gewesen.

 

Alicia selbst war als einzige der drei Freundinnen dem Quidditch treu geblieben. Sie hatte zum Zeitpunkt der Hochzeit gerade das Angebot bekommen, für die Holyhead Harpies zu fliegen, wenn auch zunächst nur als Ersatzjägerin. Nebenbei hatte sie bereits einige kleine Kolumnen über das ein oder andere Spiel der Liga für die Quidditich weekly und andere Sportmagazine geschrieben. Doch Oliver zuliebe hatte sie ihre eigene aktive Karriere auf Eis gelegt und zunächst abgelehnt.

Olivers Ehrgeiz, alles perfekt zu machen und sein neuer Job hatten ihn schon bald sehr eingespannt. Er reiste viel, hatte kaum Zeit für sie und Alicia fühlte sich verlassen in dem großen, stillen Haus. Bereits einige Monate nach der Hochzeit hatte sie begonnen, sich immer einsamer und unglücklicher zu fühlen. Oliver hatte sie immer wieder abgewiesen, wenn sie ihn darauf angesprochen hatte und die so wichtigen, klärenden Gespräche aufgeschoben. Er hatte ganz schlicht und einfach den Ernst der Lage verkannt.

Irgendwann war sie nach vielen tränenreichen Gesprächen mit ihren beiden Freundinnen und inneren Disputen mit sich selbst zu dem Punkt gelangt, dass ihr das nicht reichte; dass sie mehr vom Leben wollte.

Und dann war sie bei einem Testländerspiel, bei dem England die Nationalmannschaft Bulgariens zu Gast gehabt hatte, als Reporterin für die Quidditch weekly Viktor Krum wiederbegegnet, den sie ja bereits vom Trimagischen Tunier in ihrem sechsten Schuljahr flüchtig gekannt hatte. Und der erinnerte sich auch an sie.

 

Danach war alles sehr schnell gegangen. Sie hatte ihre Sachen gepackt und war mit Sack und Pack aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen, in eine wunderschöne kleines Cottage in Kent, direkt am Meer, das sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. Oliver hatte es erst bemerkt, als er eine ganze Woche später von einer Auslandsreise nach Hause gekommen war. Sie hatte eine Szene erwartet, dass er um sie kämpfte, wenigstens mit ihr stritt. Doch nichts dergleichen geschah. Er besuchte sie nur einmal in der neuen Wohnung und versuchte sie halbherzig zu überreden, zurück zu kommen. Er machte ihr keinen einzigen Vorwurf. Er schrie nicht, er flehte sie nicht an; er tat einfach gar nichts dergleichen. Sie hatte die Tränen hinuntergeschluckt und ihm Lebewohl gesagt. Und er hatte es einfach hingenommen. Damit war ihre einjährige Ehe für sie beendet gewesen.

 

Als Katie sie drei Wochen nach Woods denkwürdigem Besuch in ihrer neuen Bleibe in St. Magarets Bay besucht hatte, war ihr ein gut gelaunter Viktor Krum in der Tür entgegen gekommen, der sich gerade mit einem Kuss auf die Wange von Alicia verabschiedete. Die irritierte Katie hatte Alicia entgeistert angestarrt, aber dass sie ihre Freundin das erste Mal seit über einem Jahr wieder so strahlend lächeln sah hatte sie schnell milde gestimmt.

Aller Widrigkeiten und der Entfernung zum Trotz waren die beiden heute ein glückliches, wenn auch heimliches Paar. Ihre Privatsphäre wollten beide nicht der Presse opfern. Alicia war glücklich, das war ihr anzumerken, auch wenn nur ihre engsten Freunde von ihrer Beziehung wussten. Viktor war zwar ein Weltstar, aber anders als Wood kannte er seine Prioritäten. Sie arbeitete mittlerweile hauptberuflich als Reporterin, nicht zuletzt dank der Reputation, die ihr ein Exklusivinterview mit dem besten Sucher der Welt vor rund einem Jahr eingebracht hatte. Den Job als Jägerin hatte sie endgültig abgelehnt, weil sie so öfter mit Viktor auf Reisen gehen konnte.

 

Zu zweit genossen die Freundinnen einfach den Sonnenschein. Mit Alicia hatte sie schon immer gut schweigen können. Angelina schätze sie dafür sehr. Es ließ sich dennoch nicht weiter aufschieben, das wusste Angelina.

Sie war vor zwei Tagen aus Rumänien zurückgekehrt, nachdem sie die beiden Flüchtigen in der dritten Nacht nach ihrem Gespräch mit Lee dingfest hatten machen können.

Die beiden waren ausgehungert und abgerissen gewesen, keine Gegner für die drei gut ausgebildeten Auroren. Wie sich das Blatt doch gewendet hatte. Verfolger waren über Nacht zu Verfolgten geworden.  Ihr Team hatte ganze Arbeit geleistet und die Gefangenen noch in derselben Nacht in Askaban abgeliefert, wo sie bis zu ihrer Verhandlung verwahrt wurden. Sie schauderte, wenn sie an die Dementoren zurück dachte. Sie hatte Lee und Blaise bitten müssen, die Gefangenen alleine bei den Wachen abzuliefern. Ihr war nicht der Sinn danach gestanden, Fred wieder und wieder in ihrem Kopf sterben zu sehen. Ihre beiden Freunde hatten verstehende Blicke getauscht und ihr den Gefallen natürlich getan. Im Anschluss hatten sie drei Tage Sonderurlaub für den erfolgreich abgeschlossenen Auftrag erhalten, um sich zu erholen.

Nach einiger Zeit stand sie auf und gab der Freundin einen Kuss auf die Wange.

 

„Ich hab noch was zu erledigen Alicia, sei mir nicht böse. Es ist wichtig.“

 

Alicias Lächeln wurde ein wenig wehmütig und sie war auf einmal sehr ernst.

 

„Ich weiß, Angie. Ich bin froh, dass du dich dazu entschließen konntest. Er wird sich freuen dich zu sehen, da bin ich sicher. Ich werde nach Hause gehen und sehen, ob das Haus noch steht, jetzt da Winky zwei Wochen alleine war.“

 

Bei letzten Satz hatten Alicias Augen schon wieder gelächelt und sie zwinkerte Angelina zu. Winky, die ehemalige Hauselfe der Familie Crouch, lebte jetzt bei Alicia. Sie hatte sie am Tag der Schlacht in Hogwarts kennen gelernt, als diese sie vor einem Querschläger beschützt hatte und danach zu sich nach Hause geholt. Über ihre Großmutter war Alicia mit den Crouchs verwandt und hatte Winky so überzeugen können, dass sie guten Gewissens zu ihr kommen könne. Mit den neuen Aufgaben war die kleine Elfe aufgeblüht und Alicia freute sich über die positive Entwicklung ihres kleinen Schützlings.  Natürlich ließ sich Winky noch immer nicht bezahlen und war tödlich beleidigt, wenn man es ihr anbot, aber Alicia hatte sie wenigstens überzeugen können, ihre Lumpen gegen ein hübsches Kleidchen einzutauschen, dass einst Alicias erster Puppe gehört hatte.

 

Auch sie stand auf und umarmte Angelina kurz.

 

„Du schaffst das. Und wehe, du bekommst jetzt noch kalte Füße, meine Liebe! Wir sehen uns nächstes Wochenende, du kommst doch, oder?“

 

Angelina nickte. Alicia sah sich kurz um, ob Muggel in der Nähe hersahen, ließ die Freundin los und war mit einem Zwinkern und einem leisen Plop verschwunden. Zu apparieren war sicher der schnellste Weg zu reisen. Natürlich hätte sich auch Angelina so in einem Sekundenbruchteil zum Tropfenden Kessel befördern können, aber ihr war der etwa fünfzehnminütige Fußmarsch sehr recht, um ihre Gedanken zu sammeln. Sie war so sehr ins Grübeln vertieft, dass sie ihr erreichtes Ziel erst bemerkte, als sie schon mit dem Kopf gegen das schäbige Schild an der Tür der Kneipe stieß. Sie grüßte den Wirt Tom nur kurz und durchquerte dann zielstrebig das rege Treiben in der Winkelgasse, bis sie vor dem ihr nur zu bekannten bunten Laden der Weasley-Zwillinge stand. Nein, das stimmte nicht mehr. Es war jetzt nur noch Georges Geschäft…

 

Sie betrat nach kurzem Zögern den Verkaufsraum und kämpfte sich durch die vielen begeisternd plappernden Leute, die die Auslagen und Vorführproben des Sortiments bestaunten. Doch George war nicht im Laden, sie sah Ron hinter der Kasse stehen und mit Luna Lovegood reden, die eine Tüte Nasenblutnougat, noch immer ein Verkaufsschlager, in der Hand hielt und ihm anscheinend gerade den jungen Mann, der sie begleitete, vorstellte.

Angelina zog sich schnell wieder zurück. Sie legte nicht gerade Wert auf eine Begegnung mit Ron, auch wenn sie ihn nun häufiger in der Zentrale traf. Bisher hatte sie es vermeiden können, auf der Arbeit mehr als ein Hallo zu ihm sagen zu müssen.

 

Sie ging um den Laden herum und stieg die verborgenen Stufen in der Hauswand, die nur finden konnte, wer wusste wo sie sich befanden, hinauf. Auf diese Weise hatten George und Fred Arbeit und Privates strikt getrennt. Diese magische Treppe führte hinauf in die große, gemütliche Wohnung über dem Laden und dem Büro, mit der sie so viele schöne und lustige Erinnerungen verband. Ein Schwall von Emotionen stürzte auf sie herein und drohte, sie zu überwältigen, aber sie fing sich wieder. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sentimental zu werden. Sie wusste nicht, was sie dort oben finden würde; nicht, in welchem Zustand George war. Angelina versuchte, sich für dieses Treffen zu wappnen und legte sich zurecht, was sie sagen wollte. Sie wollte ihn sehen, unbedingt. Sie musste mit jemandem sprechen, der sie verstehen würde.

Oben angekommen hielt sie inne und klopfte leise an die Wohnungstüre. Niemand antwortete ihr, doch sie hörte Rascheln und das Geräusch von Schritten. Er war definitiv zuhause, daran bestand kein Zweifel. Sie zog ihren Zweitschlüssel aus der Tasche und öffnete die Türe. Im Flur war es still und sie ging langsam hindurch, als sie ein Geräusch aus der Küche vernahm. Zielstrebig steuerte sie darauf zu und betrat den hellen, sonnendurchflutenden Raum. Sie setzte gerade an, ihn zu fragen, warum zum Teufel er ihr nicht die Tür geöffnet hatte, als es ihr mit dem ersten Blick auf die Bar, auf der verschiedene Spirituosen aus der ganzen Welt, vornehmlich Gin- und Absinth-Varianten, standen, die Sprache verschlug.

 

George stand vor dem Regal, ihr den Rücken zugewandt, nur mit einem Handtuch um die Hüften. Wohl gerade aus der Dusche gekommen, hatte er noch feine Wassertropfen im Haar und griff gerade nach einer Flasche Manguin, einer französischen Absinth-Variante, die zu seinen Favoriten gehörte. Fred hätte ein Glas seines Monkey 47 Dry Gin vorgezogen. Er hatte natürlich gehört, dass jemand die Küche betreten hatte und drehte sich lächelnd zu ihr um. Anscheinend hatte er jemand anderen, aber nicht Angelina erwartet, denn sein Lächeln verschwand schlagartig und seine Augen wurden groß. Sie starrte George an und war unendlich verwirrt. Alles an ihm erinnerte sie an Fred und doch auch wieder nicht. Bilder vergangener Erinnerungen flogen an ihrem inneren Auge vorbei. Angelina fand ihre Fassung zuerst wieder und versuchte tunlichst zu vermeiden, etwas anderes als den Boden vor ihr anzusehen.

 

„George, ich… du hast nicht auf mein Klopfen reagiert, deswegen bin ich einfach rein gekommen. Es tut mir leid, ich wollte dich nicht stören… ähh… vielleicht sollte ich ein andermal wieder kommen…“

 

Auch er hatte sich wieder halbwegs im Griff und trat einen Schritt auf sie zu, wurde sich dann aber wohl bewusst, dass er nur ein Handtuch trug und blieb stehen.

 

„Nein warte, Angie... ich hatte ehrlich gesagt nicht mit dir gerechnet...“

 

Er wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment raschelte es in Georges Schlafzimmer, was George abbrechen und Angelina zusammenzucken lies. Im nächsten Moment kam eine atemberaubend schöne Blondine von vielleicht 25 Jahren in die Küche geschwebt; sie hatte sich nur notdürftig ein Hemd von George übergezogen und war sonst ganz offensichtlich nackt. Ihre Haare reichten ihr bis an die Hüften und waren leicht durcheinander, so als wäre sie eben erst aus dem Bett gekommen, was ihrer Schönheit aber keinen Abbruch tat. Angelina erkannte das Gesicht, weil sie es bereits einmal auf einem Bild gesehen hatte. Auf einem Hochzeitsphoto, um genau zu sein. Vor ihr stand Iphigenie Flint, geborene Greengrass. Marcus Flints reinblütige, seinem Stande angemessene Gattin.

Die schöne Frau schien ebenfalls kurz erschrocken zu sein, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck wieder und sie sah mit fragendem, ärgerlichem Blick zu George. Sie schämte sich ganz offensichtlich nicht wirklich für ihren Aufzug, aber war anscheinend verstimmt über die Unterbrechung ihres heimlichen Stelldicheins.

 

„Ich wusste nicht, dass du noch Besuch erwartest, George. Vermutlich wird es dann besser sein, wenn ich gehe.“

 

Angelina starrte sie voller Entsetzen an. Was wurde denn hier gespielt? Das konnte nicht sein Ernst sein. Sie schüttelte ungläubig den Kopf und aus irgendeinem Grund war sie plötzlich sehr wütend, auf sich und auf George. Sie straffte ihre Schultern und presste ihre Zähne aufeinander bis es schmerzte.

 

„Das wird nicht nötig sein. Ich will nicht weiter stören.“

 

Ihre eigene Stimme klang hoch und schrill in ihren Ohren. Sie machte auf dem Absatz kehrt und floh aus der Küche und durch den Gang in Richtung Haustüre, die krachend hinter ihr ins Schloss fiel. Sie lief schneller und stoppte erst, als sie außer Atem kam. Georges bestürzten Blick, mit dem er ihre Flucht beobachtet hatte, unfähig sich zu bewegen, hatte sie nicht bemerkt.



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