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Die dunkle Ritterin

von

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Durch den Nebel

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Durch den Nebel
 

Genauso schwerfällig wie schon bei ihrem Start, sank die Wolkenkuss nun durch eine noch dickere Nebeldecke und gab schließlich den Blick auf die Apothekerstadt, den Hafen der Vergeltung, frei. In Aufbau und Optik war kaum ein Unterschied zu Tirisfal zu erkennen, doch es war kalt, bitterkalt. Die Hohepriesterin stand neben Dolette, Plagg und der lasziven Sukkubus Susanne. Sie fror, ihren Untoten Begleitern schien die Kälte nicht das geringste auszumachen, ebenso wenig wie der Dämonin. Ihr hingegen, trieb jede Kondenzwolke, die sie Ausstieß, mehr zittrige Schauer durch den Körper.

"Ihr habt den Hafen der Vergeltung erreicht!", rief der Goblin, vom Landesteg, als das Luftschiff festmachte. Die Todesritterin nickte dem Hexer entschlossen zu und schritt voran.

Unten angekommen schienen sie von Rauchschwaden umringt zu werden, die denen in Unterstadt, im Geruch so sehr ähnelten, dass die Bilder aus dem Hauptlabor, unnachgiebig in Marialle hoch drangen. Sie fröstelte erneut.

"Wir sollten unseren Proviant und das Gepäck auffüllen, Mylady. Außerdem braucht unsere geehrte Hohepriesterin wohl einen Mantel, sie zittert wie der Schwanz einer Kaiserkobra." Die Priesterin errötete leicht und verzog das Gesicht ein wenig. Sie wollte sich die Schwäche, die ihr lebendiges Fleisch mit sich brachte, nicht so deutlich anmerken lassen. Doch überrascht registrierte sie die verständnisvolle Antwort der Elfe.

"Ja, selbstverständlich. Kinnab, füll unsere Taschen auf. Wenn du möchtest, begleite ihn und besorge dir einen Mantel, Marialle. Ich werde versuchen in der Stadt herauszufinden, auf welchem Weg wir am sichersten und schnellsten nach Dalaran gelangen.", ließ sie schlicht verlauten, doch die Sorge um ihr Wohl ließ die Menschenfrau leicht aufhorchen. Gedankenverloren nickte sie der Untoten zu und wandte sich zu dem Hexenmeister, auf dass er voraus gehen möge.

"Susanne mit Herrin Dolli gehen?", fragte die Dämonin begeistert an ihren Meister gerichtet. Aus den Augen von Dolette schossen nur eiskalte Funken, die Plagg auf der Stelle durchbohrt hätten, währen sie aus fester Materie gewesen.

"Bring diesem aufdringlichem Ding endlich bei, mich nicht Dolli zu nennen, Kinnab!", donnerte ihre kühle, klare Stimme durch die Stille der Apothekerstadt.

"Ja Herrin. Susi komm, ich brauche dich zum Tragen, na los.", befahl er der Sukkubus erschrocken, wobei seine Stimme leicht zittrig klang und sie folgte seinem Befehl. Offenbar hatte der stechend, kühle Ton, der Elfe sogar ihren Verstand erreicht. Als sie außer Hörweite der Todesritterin waren, erhob die Hohepriesterin das Wort:

"Meister Plagg, darf ich euch etwas fragen?", begann die Menschenfrau.

"Sicher dürft ihr, Mylady.", antwortete er erfreut und gab ein zerfallenes Lächeln preis, dass die Frau ein weiteres mal frösteln ließ. Es hätte wohl aufmunternd sein sollen, doch der nicht vorhandene Kiefer ließ dies einfach nicht zu.

"Habt ihr eine Idee, was gestern mit Dolette los war? Ihr wisst ja, dass ich ihr von ihrem Leben berichtet habe. Es war kaum Zeit vergangen, wir hatten noch kein einziges Wort darüber verloren und dann brach sie zusammen. Nur um einen halben Tag später so zu tun, als wäre nichts gewesen.", fragte sie ohne Umschweife. Die Stirn des Untoten warf sich in Falten und ließ sein Gesicht, einmal mehr wie eine verzerrte Fratze wirken.

"Nun Mylady. Ich bin zwar ebenso untot wie Lady Dolette es ist, dennoch unterscheidet sich mein Dasein ganz gewaltig, von dem eines Todesritters. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Inhalt eurer Geschichte ihr körperliche Schmerzen bereitet, aber vielleicht eure Anwesenheit? So lange mit ihr, im selben Raum zu sein zum Beispiel. Wer weiß? Immerhin seid ihr gewissermaßen Todfeinde und zu allem Überfluss, seid ihr ja nicht irgendeine gewöhnliche Priesterin. Selbst ich spüre eure mächtige Aura ganz deutlich, nur haben wir einen Weg gefunden damit umzugehen. Verlassene können mittlerweile auch den Wegen des Lichts folgen und Priester werden, sicherlich anders als ihr, aber immerhin. Aber was dieses reine, heilige Licht, das ihr ausstrahlt, auf einen Todesritter für Auswirkungen hat, liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft. Außerdem müssen Todesritter..." weiter kam der Hexenmeister nicht, seine Dämonin hatte ihn mit dem Satz, "Guck, Herrchen, was schöne Hufeisen!" zu dem nächsten Hufschmied gezerrt. Marialle überdachte die gesagten Worte. Irgendwie schien es ihr plausibel, immerhin waren die beiden Frauen über einen Tag zusammen in der Kajüte gewesen. Sie seufzte resignierend und ließ den Kopf hängen. Ein Grund mehr...
 

Die dunkle Elfe stiefelte schnurstracks auf das große Haupthaus, das ungefähr in der Mitte der Stadt, an einer Klippe stand, zu. Natürlich fror sie, sie hätte ihr ihren Umhang anbieten sollen. Auf ein neues wurde sie, von den Wirren ihrer Gefühle eingespannt. Sie rief sich selbst zur Ordnung und sprach den untoten Wachposten an, der an den Säulen, neben dem Eingang, des imponierenden Gebäudes stand. Wie die meisten Untoten hier, die keine Apotheker waren, war er in eine spärliche Plattenrüstung gekleidet und trug einen großen Speer, der ihn um einige Köpfe überragte, was seiner gedrungenen Haltung zu schulden war. Er blickte grimmig drein. Seine Augen schweiften ziellos über den Vorplatz, von dem die dunkle Elfe auf ihn zu trat und fanden schließlich die hochgewachsene Gestalt, auf der seine toten Augen nun ruhten, während sie an ihn heran trat.

"Wen muss man hier ansprechen, um Informationen über die umliegenden Gebiete zu bekommen?", fragte sie direkt und kalt. Der Wachmann bedachte sie eines abschätzigen Blickes.

"Hochexekutor Anselm, will ich meinen, Todesritterin. Geht hindurch, er verweilt in seinem Audienzzimmer.", gab der Verlassene ungerührt zurück. Sie schritt an ihm vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen und gelangte in einen großen Raum, der von der großen Öffnung zum Balkon, hell erleuchtet wurde. In dem Gebäude sah es nicht groß anders aus als draußen. Tristess und eine karge Ausstattung machte die Einrichtung aus. Die Eingangshalle und kurzen Gänge waren nur spärlich beleuchtet, mehr als genug für Dolettes scharfe Elfenaugen. In der Mitte, des Audienzzimmers, ein runder, massiver Holztisch, mit einer Karte darauf. An den Seiten, Bücherregale die bis zur Decke reichten. Auf dem Balkon stand ein Verlassener, in der gewohnt gedrungenen Haltung. Als er sich umdrehte, war Dolette überrascht sein Gesicht im Ganzen erblicken zu können. Gut gekleidet, in einer reich verzierten Stoffrobe. Dennoch war er offensichtlich kein Apotheker. Bürokrat. Die Nase der Todesritterin kräuselte sich leicht. Sein Blick jagte der Elfe einen Ekel durch den Körper, den nicht einmal die fleischfressenden Würmer des Dämmerwalds in ihr ausgelöst hatten.

"Seid gegrüßt, Hochexekutor.", ließ sich die dunkle Elfe, deutlich vernehmen.

"Ihr ebenso, Todesritterin. Was wollt ihr?", fragte er und betrachtete die schlanke Gestalt der untoten Schönheit, forschend.

"Euren Rat, bezüglich meiner Weiterreise, Mylord.", brachte sie es rasch auf den Punkt, bemüht ihr Unwohlsein zu verbergen.

"Was bekomme ich dafür?", fragte er ohne Umschweife und ein mehrdeutiges Grinsen erschien auf seinem aschfahlen Gesicht. Das war zu erwarten gewesen.

"Was wollt ihr denn dafür?", erklang Dolettes Stimme, nun ohne sein Grinsen zu beachten und so kalt, dass ihm jeder prekäre Gedanke, sofort aus dem Kopf gefegt wurde. Ihre blauen Augen funkelten dazu bedrohlich. Genüsslich registrierte sie wie er leicht zu zittern begann.

"Nun wenn ihr mich so fragt, wäre es mehr eine Bitte. Unten auf dem Schlachtfeld in der Blutkamm, bekämpfen die Dunkelläuferin Lyana und Todespirscher Razael wohl noch immer die Überlebenden, oder wie man das Nennen will, der Nordflotte. Ich brauche dringend einen Bericht von dort. Würdet ihr mir diese Gefälligkeit erweisen, Lady...?" Sie trat auf den Balkon und sah südlich am Strand herab, ihre scharfen Elfenaugen erspähten in einiger Entfernung und durch den, am Strand, aufgewirbelten Nebel ein gekentertes Schiff und davor eine tobende Schlacht. Der Weg war nicht allzu weit, darum antwortete sie ihm ruhig.

"Glutklinge. Ich breche sofort auf." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ließ sie sich einfach von der Brüstung fallen und rutschte elegant den Abhang hinunter. Unten angekommen tobte das grau aufgeschäumte Meer in ohrenbetäubendem Lautstärke. Möwen krächzten laut gegenan und einige riesige Krabben krochen vom Wasser auf den Strand. Das Klackern ihrer Scheren wollte so gar nicht in das Bild der Geräuschkulisse passen.

Dolette begann zu laufen. Ihren langen Beinen und dem atemberaubenden Tempo, war es zu verdanken, dass sie ihr Ziel bald erreichte. Der Kampf tobte tatsächlich. Die Todesritterin konnte es riechen und die Vibrationen im Boden spüren. Sie zog ihr riesiges Runenschwert und hielt es vor sich, als die ersten Kämpfer der Nordflotte auf sie zu stürmten. Ein gieriges Lächeln glitt über ihre blutleeren Lippen, als die roten Runen hell aufleuchteten und sie ihr Schwert kraftvoll schwang. Blutrünstig schaute sie den zerschlagenen Körpern zu, wie sie auseinander flogen und neigte ihren Kopf gen Himmel. Befreit sah sie hinauf und schloss für einige Herzschläge die Augen, sog den Duft des Todes ein, um dann gestärkt die Augen aufzureißen und sich durch die Reihen der Nordflotte, bis hin zu Lyana und Razael zu schlagen. Es dauerte nicht lange, ihrer entfesselten Macht, vermochte keiner lange Stand zu halten und so erreichte sie die Dunkelläuferin.

"Der Hochexekutor schickt mich, Lady Lyana. Er wünscht einen Bericht.", sprach sie gepresst zu der untoten Elfe, während sie mehrere Gegner zurückschlug.

"Sagt ihm, mit Verstärkung wäre diese Schlacht schon längst beendet, so dauert es sicher noch bis morgen!", stieß sie ebenfalls atemlos hervor und streckte zwei Feinde mit Pfeilen nieder, die Dolette von hinten erschlagen wollten. Die Todesritterin nickte der Dunkelläuferin dankend zu und wandte sich um. Mit einem gewaltigen Satz erhob sie sich in die Lüfte und übersprang das halbe Schlachtfeld. Wieder festen Boden unter ihren Füßen spürend, begann sie erneut zu rennen, zurück zum Hafen der Vergeltung.
 

"Gefällt euch der, Mylady?", fragte Plagg und versuchte es erneut mit einem Lächeln. Sie mochte den Untoten ja irgendwie, doch an sein Gesicht würde sie sich so schnell nicht gewöhnen. Die Übelkeit verdrängend, schaute sie sich den hellen Ledermantel an, den er ihr hinhielt.

"Lasst ihn mich anprobieren, wenn er passt nehmen wir den.", antwortete sie bemüht leichtfertig. Sie spürte die Wärme augenblicklich, als sie den Mantel übergestreift hatte. Er saß perfekt und betonte jeden Aspekt ihrer wohlgeformten Figur. Sie nickte entschlossen.

"Ja, den nehmen wir." Der Hexenmeister nickte erleichtert und wandte sich an den Verkäufer, des kleinen Gemischtwarenstandes. Dieser schien aus seinen Gedanken hochgeschreckt, als er angesprochen wurde. Er hatte die Hohepriesterin die ganze Zeit schon missgünstig beäugt. Selbst wenn das Bündnis zwischen Horde und Allianz von Bestand sein würde, zwischen Untoten und Menschen würde das Verhältnis wohl noch eine ganze Weile gereizt bleiben. Plagg bedankte sich und die drei gingen wieder zurück in die Mitte der kleinen Stadt, um dort auf Dolette zu warten.

Zu ihrer Überraschung kam sie Augenblicke später aus dem großen Haupthaus hinter ihnen und trat an die kleine Gruppe heran.

"Ich habe mit dem Hochexekutor der Stadt gesprochen und er riet mir, durch die Grizzlyhügel und dann durch Zul'Drak zu ziehen. Die untoten Trolle der Drakkari sind zwar gefährlich, aber was uns in der Drachenöde erwartet, unter Umständen noch viel mehr. Also kommen wir seinem Rat nach.", verkündete die Todesritterin. Sie machte einen erholten Eindruck, als hätte sie sich die ganze Zeit ausgeruht, was Marialle verwunderte. So sah sie bei ihrer Ankunft im Hafen der Vergeltung doch noch immer recht erschöpft und ausgelaugt aus. Ob Plagg recht hatte? War die Präsenz der Priesterin eine Qual für die Elfe? Die Sukkubus riss sie aus ihren Gedanken.

"Herrin Dolli, jetzt bei Susi bleiben?" Die dunkle Ritterin verzog das Gesicht, doch sagte sie diesmal nichts dazu, stattdessen nickte sie ihren Gefährten nur in Richtung der Stadttore zu.

"Kommt, wir haben noch einen halben Tag.", befahl sie und alle gehorchten.
 

Die Zeit verstrich und niemand sagte ein Wort, während sie durch das karge, kalte Land marschierten, auf dem hie und da eine einsame Tanne stand. Die Pflanzen brauchten sicher mehrere Jahre um auf dem unwirtlichen Boden zu ihrer vollen Größe heran zu wachsen. Der Himmel war die ganze Zeit grau und der Nebel hing tief, erschwerte die Sicht in die Ferne.

Die Gefährten staunten, als sie schließlich an eine steile Felswand kamen, die auch hinter den Wolken, kein Ende zu nehmen schien.

"Und jetzt?", ließ sich der Verlassene vernehmen.

"Anselm sagte, dass es hier irgendwo eine Vorrichtung geben muss, ähnlich einem Flaschenzug, wir müssen also nur der Felswand folgen.", gab Dolette bereitwillig Auskunft. Die Elfe wirkte noch immer gelöst, obwohl sie so wie alle, die ganze Zeit nicht gesprochen hatte.

"Schlagen wir hier unser Lager auf, morgen schauen wir, dass wir diese Vorrichtung finden. Ich sehe zu, dass ich was Essbares organisiere.", fügte sie noch hinzu. Herzschläge später war sie im Nebel verschwunden und Plagg und Marialle schickten sich an, das Lager aufzuschlagen.

"Susi, hol uns etwas Holz.", befahl der Hexenmeister seiner Dienerin, die Unverständliches murmelnd, wie die Todesritterin zuvor, in den Nebeln verschwand.

"Es scheint ihr besser zu gehen, oder was meint ihr, Meister Plagg?", fragte die Hohepriesterin, bemüht beiläufig. Er schätzte sie kurz ab, bevor er Antwort gab.

"Mhm, da habt ihr recht. Ich weiß allerdings nicht, was sie in der Zeit gemacht hat, als wir unser Gepäck aufgefüllt haben."

"Na sie hat mit diesem Hochexekutor gesprochen, hat sie doch gesagt." Sie sah den Untoten verwirrt an und er überlegte einen Moment.

"So lange? Ich denke sie hat noch was anderes gemacht, Mylady." Nun war ihre Neugierde geweckt und unverhohlen starrte sie ihn an, bevor sie weiter fragte:

"Und was könnte das sein, Meister Plagg?"

"Davon ausgehend, dass ihr schlechtes Befinden, doch nicht mit eurer Anwesenheit in Zusammenhang stünde, würde ich meinen sie..."

"Da ist mir direkt ein junges Reh vor die Klinge gelaufen. Da haben wir ein paar Tage was von.", erklang es einige Körperlängen glockenklar und verhältnismäßig gut gelaunt aus dem Nebel und kurz darauf trat die ehemalige Paladin an die beiden heran, die das Lager bereits fertiggestellt hatten.

"Jetzt fehlt ja nur noch das Feuerholz! Susiiii, wo bleibst du denn?", kam es erfreut von dem Verlassenen.

"Meisterchen! Susanne Holz!", rief sie gepresst aus der anderen Richtung der Nebelwand. Die Dämonin hielt einen Stapel Holzscheite vor ihrer Brust, der sie um einige Köpfe überragte und bedrohlich wackelte. Sie schaute an dem Stapel vorbei, warf das Holz hoch in die Luft und rannte an die Seite der Todesritterin. Einer der Scheite traf Plagg, zielsicher auf den Kopf, was ihm einen jämmerlichen Schmerzenslaut entlockte.

"Herrin Dolli, ganz allein leckeres Reh gefangen?", flötete sie ihr fröhlich entgegen.

"Ehhh...Kinnab, gehts?",wollte Dolette doch tatsächlich schmunzelnd wissen. Der Angesprochene rieb sich den schmerzenden Kopf und linste gereizt zu seiner Dienerin.

"Danke Mylady, nichts was die Lady Hohepriesterin nicht mit Handauflegen bereinigen könnte. Susanne, wir beide sprechen uns nachher noch!" Der Todesritterin huschte erneut ein verspieltes Lächeln über die vollen Lippen was ihr diesen unnachahmlichen, jugendlichen Ausdruck verlieh. Marialles Herz machte einen kleinen Hüpfer. Als der Untote sein Haupt, theatralisch auf dem Schoß der Priesterin bettete, konnte auch sie sich eines Lächelns nicht länger erwehren. Tatsächlich hatte er eine kleine Platzwunde, die sie schnell und routiniert verschloss.

"Ein Pochen wird aber bleiben, Meister Plagg, verzeiht.", sprach sie, so sanft es seine widerwärtige Gestalt erlaubte, zu ihm hinab. Er richtete sich wieder auf und auf einen bestimmenden Blick der Elfe, empfing ihn die Sukkubus mit offenen Armen.

"Ahh Susi, ja so muss das sein und jetzt such mir einen Teich, oder See, oder Fluss. Das kühle Nass wird Linderung bringen."

"Meisterchen baden? Susanne auch?", fragte die Sukkubus leise und irgendwie verführerisch, doch die beiden schmunzelnden Frauen konnten es nicht überhören.

"Ja, ja Susi. Klar du auch, nun komm." Sie hob ihn hoch und so verschwanden die beiden im Nebel.

Marialle hielt sich amüsiert die Hand vor den Mund, doch fühlte sie jäh den vertrauten, forschenden Blick, den sie so sehr liebte und Wehmut stieg unerbittlich in ihr auf. Sie senkte ihre Augen, genau wissend, würde sie jetzt aufschauen, würde sie in diesem Blick drohen zu versinken. Auch wenn diese blau, leuchtenden Augen jegliche Wärme verloren zu haben schienen, so war dieser unnachahmliche Blick geblieben.

"Gibt es da unten etwas von Bedeutung?", fragte die Todesritterin amüsiert. Offenbar hatte sie da genau den richtigen Riecher, so wie sie fragte.

"Was? Nein! Nein gar nicht ich überlege nur wie ich mich am besten zum Schlafen legen werde.", log die Priesterin. Nicht besonders gut, das war klar. Lügen war einfach nicht in ihrer Natur.
 

Dolette erhob sich und ging ein paar Schritte auf sie zu, amüsiert erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf die rosanen Wangen der Menschenfrau. Sie bückte sich, um die drei Holzscheite aufzuheben, die vor Marialle gelandet waren. Diese schreckte kaum merklich zurück.

"Was hast du denn, Marialle?" Nun lag Verwunderung im Gesicht der dunklen Elfe, sollte sie der Hohepriesterin, plötzlich etwa Angst einjagen?

"Ach nichts, kümmer dich doch einfach nicht um mich.", gab die Menschenfrau gereizt zurück. Dolette musterte sie ausgiebig, was ihr immer unangenehmer zu werden schien und die rosa Verfärbung wurde etwas dunkler.

Nachdem die Todesritterin den Rest vom Holz zusammen gesammelt und ein Feuer entfacht hatte, erhob sie erneut das Wort.

"Sag mal mache ich dir Angst?", fragte sie nun ganz direkt, denn von der heiteren Stimmung, die sie noch bis eben hatte, war alles verschwunden.

"Was? Blödsinn, überschätz dich nicht, du finstere Untote.", versuchte die Priesterin, ihre Unsicherheit mit einem Scherz zu überspielen. Aber die Elfe sah mehr und knurrte leise resignierend vor sich hin. Marialle war sich dem offenbar auch völlig bewusst, dennoch schwieg sie sich aus. Währenddessen hatte Dolette das Reh ausgenommen und die Haut abgezogen, ihre Hände waren voller Blut.

"Sicher?" Ging sie auf den vorangegangenen Witz ein und erhob fuchtelnd, die Hände. Doch die erhoffte Reaktion blieb aus.

"Wärst du so lieb?", fragte sie nun und reichte Marialle den Wasserschlauch, diese nickte nur schwach.

"Nun sag mir, was in dir vor geht, ich kann es nicht erkennen.", bat die Todesritterin ungewohnt sanft, während sie sich unter dem Wasser, was die Menschenfrau hinab laufen ließ, die Hände wusch. Urplötzlich drang der betörende Duft der Hohepriesterin in ihre Nase und sie drohte, sich für einige Herzschläge, zu verlieren, bis ihre Stimme deutlich an ihre Ohren drang:

"Dir scheint es wieder besser zu gehen, mh? Pass auf du hast deine Hände gar nicht mehr unter dem Wasser!", ermahnte Marialle und dabei entwich ihr ein unterdrücktes Kichern. Das goldene Schimmern in der Elfe, war sofort wieder entfacht und so wusch sie sich schnell ihre Hände zu Ende, bevor sie zu einer Antwort auf die, ursprünglich gestellte Frage ansetzte.

"Vielleicht habe ich die Höhe einfach nicht vertragen, ich weiß es nicht, aber jetzt geht es mir wieder gut, das ist doch das wichtigste.", log sie bei diesem Thema erneut. Es war wirklich nicht nötig der Priesterin, ein noch schlechteres Gefühl zu vermitteln. Wenn sie die Pforte des Zorns wieder verlassen würden, bräuchte sie sich mit dieser Frage nicht mehr weiter zu quälen.

"Aber wo wir grade bei dem Thema sind, heute Nacht auf dem Luftschiff hast du mir nicht die Wahrheit gesagt, als ich dich dasselbe fragte. Kann das sein?", lenkte sie rasch das Thema von sich ab. Mit Erfolg. Der Gesichtsausdruck der Hohepriesterin veränderte sich, ein trauriger Schatten glitt darüber.

"Warum willst du das Wissen, Dole?" War die Gegenfrage mit der ungewohnt intimen ansprach, die der dunklen Ritterin einen Schauer über den Rücken jagte. Ihr wurde wieder bewusst wie nah sie sich grade waren und der Duft stieg abermals in ihre feine Nase.

"Naja, ist das so verwunderlich für dich, dass ich mich frage, wie es dir geht, nachdem du deinen Bruder und die, die du liebtest, an einem Tag verloren hast? Ich sah doch deine Maske, keck und wortgewandt wie du warst, bis..." Sie beendete den Satz nicht, wissend dass Marialle auch so verstand.

"Bis in Putress Labor die Fassade zu bröckeln begann.", beendete sie ihn anders, als ursprünglich erdacht, da die Menschenfrau keine Anstalten machte zu reagieren.

"Bis zu Therez' Tod.", schloss Marialle, leise fast flüsternd, für sie.

"Ja. Du sagtest, sie umgab dich wie ein Schild, ließ dich deinen Schmerz vergessen." Ein bitteres Lachen entfuhr der Hohepriesterin.

"Vergessen, das wäre zu schön gewesen, aber sie vermochte es ihn tief genug wegzusperren, damit ich mein Lächeln wieder fand.", erklärte sie nun wieder ruhig, doch Tränen funkelten in ihren Augen und spiegelten darin das Feuer.

"Und wie ist es jetzt?", drängte Dolette weiter, so behutsam es ihr möglich war.

"Sag du es mir! Du durchschaust mich doch so oft. Aber selber verlierst du kein Wort darüber wie es dir, mit dem Wissen, um das was wir hatten, was wir hätten haben können, geht. Die unnahbare, eiskalte Todesritterin, die keinen Einblick in ihr Innerstes gewährt." Die Elfe riss die Augen auf, in diese Richtung wollte sie das Gespräch wahrlich nicht lenken. Doch sie hielt es einfach, wie es ihre Art war. Auch wenn sie noch nicht wusste wie sie dieser Vereinbarung, die sich grade in ihrem Verstand festsetzte, Zugeständnisse machen sollte.

"Also gut, du erzählst mir von deinem Schmerz und ich dir von meinem!", erklärte sie ernst und hielt Marialle ihre Hand hin, die nach kurzem Zögern auch ergriffen wurde. Das sanfte, goldene und silberne Schimmern leuchtete auf und zum ersten mal, an diesem Tag trafen sich die Blicke der beiden Frauen, wodurch sie in die wunderschönen, traurigen Augen der Priesterin schauen konnte, die im Schein des Feuers golden glommen. Die Priesterin nickte schwach.

"Abgemacht!"



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