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Frenemies

Freund, Feind, oder beides?
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dieses Kapitel schon als Adult schalten muss. Ich warte mal die Entscheidung der Freischalter ab :'D
Bitte beachtet die Triggerwarnungen für dieses Kapitel! Komplett anzeigen

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Ausbruch

Irgendwie hatte er es geahnt.

Die ganze Woche über hatte Katsuya bereits dieses merkwürdige Gefühl gehabt, dass noch etwas passieren würde. Es war sprichwörtlich wie die Ruhe vor dem Sturm gewesen, als er am Freitagabend aus Kaibas Auto gestiegen war und die Wohnung betreten hatte. Schon beim ersten Schritt in die vier Wände, die sich sein Zuhause schimpften, hatte er sich gefragt, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Er hätte auch einfach das Angebot annehmen können und zum wiederholten Male die Fürsorge des Firmenchefs ausnutzen.

Es wäre einfacher gewesen.

Doch seit wann war er so feige, dass er sich den Weg des geringsten Widerstandes suchte? Sein Weg war schon immer steinig und hart gewesen und jeder Kiesel den er barfuß überwand, machte ihn stärker. Irgend so ein alter Knacker - vermutlich war es Goethe, könnte aber auch Gandhi gewesen sein; die zwei hingen eh immer zusammen rum - hatte mal gesagt: "Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen." So wirklich wusste er noch nicht, was genau er sich aus den ganzen Brocken basteln würde. Aber eines wusste er mit Sicherheit: Es würde das coolste Etwas überhaupt werden! Er würde jeden noch so kleinen Kiesel verwenden, obwohl es sicher Spaß machen würde, so manch einen seinem Besitzer zurück an den Kopf zu werfen.

So kam es also, dass er nicht auf dem Absatz wieder umgedreht war, sondern die Wohnung weiter betreten hatte. Unsicher was er zu erwarten hatte, verhielt er sich still und hoffte für seinen Alten unsichtbar zu sein. Selbst der Samstag verlief im gewissen Rahmen ruhig, was wohl eher dem Umstand zuzuschreiben war, dass er sich so leise wie möglich gab und so tat, als wäre er nicht anwesend. Am Sonntagabend jedoch brach der Sturm über ihn herein. Was er bis jetzt noch nicht so wirklich zu begreifen vermochte war, wie alles so aus dem Ruder laufen konnte. Kaiba hatte ihn wiederholt gewarnt und gebeten vorsichtig zu sein, nicht unnötig zu provozieren. Er hatte es versucht. Wieso also? Hätte er das Wochenende vielleicht doch besser bei dem Brünetten verbringen sollen?

Es wäre einfacher gewesen.

Er hätte sich in ein warmes Bett kuscheln können und seine Sorgen für den Moment vergessen. Das wärmende Gefühl von einem Hauch Familienleben beim gemeinsamen Essen hätte ihn beruhigt und er hätte für wenigstens ein paar Tage so etwas wie glücklich sein können. Mokuba hätte sicher gern etwas mit ihm unternommen, selbst wenn sie nur vor den Konsolen gehangen hätten. Die Unruhe und Anspannung der gesamten Woche wäre vorerst vergessen. Kaiba wäre da gewesen. Vielleicht nicht im selben Zimmer, aber er hätte das Haus zum Arbeiten nicht verlassen. Eventuell hätte er Mokuba sogar dazu anstiften können, dass sie den CEO von seinem Computer wegzerren und etwas unternehmen könnten. Eine Schneeballschlacht im Park oder wenigstens im Garten hätte ihm gefallen. Sogar die Hausaufgaben hätte er in Ruhe lösen können, ohne Angst haben zu müssen, dass sie in einem Anflug von Raserei zerstört werden. Sicherlich hätte er sich sogar viel besser konzentrieren können. Er hätte es so viel einfacher haben können.

Einfacher, als sich nun dem Blick des jungen Mannes stellen zu müssen, der angespannt vor seinem Krankenhausbett stand und offensichtlich zwischen Wut, Unglaube, leiser Verzweiflung und Sorge zu schwanken schien. Keiner von beiden schien die richtigen Worte zu finden um zu beginnen.

"Was war-", als Seto endlich seine Gefühle sortiert zu haben schien um zu fragen wurde ihm jedoch schon das Wort abgeschnitten. "Dad ist tot."

Katsuya hatte seinen Blick abgewandt und nur leise gesprochen. Sein Tonfall war sachlich, als ginge es ihn nichts an. Seto blinzelte irritiert. "Wie bitte?" Er glaubte sich verhört zu haben. Genau beobachtete er die spärliche Mimik und Gestik des Jungen vor ihm.

"Hab ihn mit meinem Handy erschlagen." Die Antwort war zwar etwas leiser jedoch genauso nüchtern wie die vorherige Aussage. Als ob er sich verhört hatte, trat der Firmenchef näher an das Bett heran. "Wie?" angespannt wartete er auf eine Antwort. Nebenbei rasten tausende Gedanken durch seinen Kopf. Wäre Katsuya wirklich dazu fähig? Mit einem Handy als Waffe brauchte es doch eine ganze Menge an Gewaltbereitschaft und Kraft. Hatte der Blonde vielleicht im Affekt gehandelt? Innerlich schon einen passenden Anwalt aus seinen Kontakten suchend nahm Seto die nächste Aussage nur mit halbem Ohr auf.

"Nokia 3310."

Seto brauchte einen Moment um das Gehörte vollends aufzunehmen. Als er die Information noch verarbeitete erhaschte er einen kurzen Blick des Blonden und dann verstand er endlich. "Idiot! Lass die Witze."

Ein schwaches Grinsen zog an den blassen Lippen Katsuyas bevor er leise seufzend nachgab. "Kay. Er ist nicht tot... glaub ich. Dafür hat mein Handy das Zeitliche gesegnet." Langsam und mit einigen Schwierigkeiten regte er sich im Bett und versuchte sich etwas aufzurichten, was kläglich misslang. "Besser das Handy als du." Seto machte eine kleine Pause. Währenddessen schritt er näher, suchte kurz den zuständigen Knopf und richtete mit diesem das Kopfende etwas auf, damit der Blonde ohne weitere Anstrengungen wenigstens einigermaßen sitzen konnte. Danach zog er sich einen der Krankenhaushocker heran und setzte sich neben das Bett. "Erzählst du mir jetzt was passiert ist? Du siehst für deine Verhältnisse echt schrecklich aus."

Der Blonde war ziemlich blass und hatte beide Hände dick einbandagiert, die linke befand sich samt Arm in einer Schlinge. Den steifen und vorsichtigen Bewegungen nach hatten mindestens auch die Rippen etwas abbekommen. Was neben zahlreichen blauen Flecken kaum zu übersehen war, war das sich in einer Schiene befindende rechte Bein. Was genau gebrochen war konnte Seto so nicht ausmachen, aber er würde es wohl noch früh genug erfahren. Der kleine Schlauch der Infusion, der sich zur Nadel in Katsuyas rechten Arm wand und ihn wohl unter anderem mit Schmerzmittel versorgte, war dahingehend schon beinahe leicht zu übersehen. Fakt war jedenfalls, dass Katsuya diesmal nicht so glimpflich davon gekommen war. Trotz allem hatte der Blonde noch die Nerven besessen, blöde Witze zu reißen.

Für einen Augenblick wurden sie von einer Schwester unterbrochen, die kurz nach Katsuyas Werten sah und ihm ein paar Fragen stellte. Da er noch nicht sehr lang wieder bei vollem Bewusstsein war, wollte man einfach sicher gehen. Die Ergebnisse schienen die Schwester zufrieden zu stellen und sie verabschiedete sich für die nächsten Stunden. Wahrscheinlich würde sie erst am Abend wiederkommen.

Mit einem leisen und erleichterten Seufzen sank der Blonde etwas tiefer in seine Kissen. Die ständigen Untersuchungen hatten an seinen Nerven gezehrt. Zwar war er nicht mehr so benommen von den Betäubungsmitteln wie zuvor, doch auch die paar Stunden Schlaf hatten die Erschöpfung nicht vollends vertreiben wollen. Er hasste Krankenhäuser, denn sie konfrontierten ihn jedes Mal mit seiner eigenen Schwäche und Hilflosigkeit. Er wollte alles sein, nur nicht schwach oder hilflos. Innerlich verfluchte er seinen Vater, der ihn in diese Situation gebracht hatte. Flüche halfen ihm allerdings nicht dabei die Fragen des Brünetten neben seinem Bett zu beantworten. Also rutschte sich Katsuya einen Moment zurecht bevor er noch einmal durchatmete und dann langsam zu erzählen begann.
 

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Es war bereits Sonntagabend. Das ganze Wochenende, wenn nicht sogar die komplette Woche, hatte Katsuya wie unter Strom gestanden. Irgendwas war anders, aber es war diese Art von anders auf die man nicht mit dem Finger zeigen, oder sie eindeutig benennen konnte. Es war einfach so ein unwohles Gefühl. Die Ziffern der Uhr verschwanden kurz um nur einen Wimpernschlag später die neue Zeit anzuzeigen. Es war Punkt 9 Uhr. Langsam ließ seine Anspannung nach. Er hatte es fast geschafft. In drei Stunden wäre der Tag und somit der Spuk der vergangenen Woche endlich vorüber. Sicher hatte er sich umsonst gesorgt und dieses miese Rumoren in seiner Magengegend einen anderen Ursprung. Vielleicht hätte er es doch riskieren sollen zwischendurch etwas zu essen? Jedenfalls konnte er in wenigen Stunden damit abschließen. Was sollte jetzt, mitten in der Nacht, denn noch passieren? Sicher schlief sein alter Herr schon.

Langsam raffte er sich von seinem Bett auf. Die ganze Zeit über hatte er sich so leise wie möglich verhalten und so getan als wäre er nicht da. Er sollte dringend noch etwas essen sonst wäre er morgen verhungert. Für den Fall, dass er spontan aus der Wohnung flüchten musste, steckte er sich sein Handy in die Tasche seines Kapuzenpullovers. Er hatte es sich mühsam erspart und auch nur das billigste Modell genommen, dass er finden konnte. Er brauchte keinen übermäßigen Schnickschnack. Telefonie und SMS reichten ihm vollkommen aus. Katsuya nutzte es ohnehin nur in Notfällen, oder um bei seinem Nebenjob anzurufen. Allerdings war es auch seine einzige Verbindung zu seiner Schwester. Seit Battle City hatten sie sich nicht mehr gesehen und waren auf kurze Telefonate oder SMS angewiesen. Er liebte die kleinen Nachrichten die Shizuka ihm fast täglich schickte. Mal erzählte sie von belanglosen Dingen, zum Beispiel welches Eis sie gerade wo aß und ob es gut schmeckte; mal waren die SMS gefüllt mit ihren Gedanken und Sorgen. Auf letztere versuchte er so gut es ging mit seinem wenigen Guthaben zu antworten. Was wäre er sonst für ein großer Bruder, wenn er sich nicht um seine kleine Schwester kümmerte, wenn sie Sorgen hatte und sich nicht traute mit ihrer Mutter darüber zu reden. So wie Shizuka ihm Kraft gab, so versuchte Katsuya auch ihr Kraft zu geben und er wusste, dass sie sich über jedes noch so kleine Wort von ihm freute.

Bevor er seine Zimmertür nun öffnete, lauschte er angespannt nach irgendwelchen Lebenszeichen seines Vaters. Katsuya war in keinster Weise scharf darauf ihm jetzt noch über den Weg zu laufen. Im Verlauf der letzten zwei Tage war sein Vater immer wieder durch die Wohnung gewütet und hatte nach ihm geschrien und wie es klang, diverse Flaschen und andere Gegenstände zerstört. Jedes Mal war der Blonde in seinem Zimmer zusammengezuckt, hatte sich in eine Ecke verkrochen und gebetet, dass sein Erzeuger nicht auf die Idee kam genauer nachzusehen. Er hatte Glück gehabt.

In der Wohnung war es nun still.

So leise wie nur möglich schlüpfte Katsuya durch seine Zimmertür und schlich in die Küche. Dort suchte er sich flink und so geräuschlos wie möglich etwas essbares zusammen. Es war ihm egal ob es nur trockenes Brot und etwas Wasser war. Hauptsache er bekam etwas zu beißen. Zu lange wollte er sich nicht in der Küche aufhalten. Wer wusste schon, ob sein Vater nicht doch noch wach war. Bereits auf einem Stück der Backware herumkauend, lugte der Blonde vorsichtig um die Ecke und zur Haustür. Die Schuhe seines alten Herren fehlten. Vielleicht war er ja doch nochmal in eine seiner Bars gegangen. Vorsicht war jedenfalls besser als Nachsicht und so machte sich der Oberschüler wieder auf den Weg in sein kleines Reich. Leider hatte er Mutter Natur bei seinem Plan nicht mit eingerechnet und so kam es, dass seine Blase sich schon bald zu Wort meldete. Bis morgen in der Schule würde er es sicher nicht aushalten.

Nervös biss Katsuya sich auf die Lippe und wiegelte ab, ob er es wirklich wagen sollte sein Zimmer noch einmal zu verlassen. Es war bereits spät und die Chance seinem Erzeuger zu begegnen war gering. Zumal dessen Schuhe auch zu fehlen schienen. Sicher könnte er es wagen, kurz ins Bad zu huschen. Er wollte ja nur kurz auf die Toilette und sich etwas frisch machen. Dann müsste er zumindest nicht morgen vor der Schule noch einmal zwingend das Risiko eingehen. Falls sein Vater sich bis dahin vollends beruhigt hatte, könnte er eventuell nach der Schule sogar duschen. Sollte es nicht so sein, dann blieb ihm immer noch die Möglichkeit seinen unter ihnen wohnenden Nachbarn zu fragen. Dieser war meist zwar etwas grummelig, half dem Blonden in solchen Situationen für ein wenig Kleingeld als Kompensation aber oft aus. Katsuya war ihm dafür mehr als dankbar und entschuldigte sich auch immer wieder wegen des regelmäßigen Lärms, den sein Vater verursachte. Diesmal würde der Blonde es wohl nicht bei einer einfachen Entschuldigung belassen, sondern irgendetwas kleines zur Entschädigung besorgen. Sein werter Herr war dieses Wochenende wirklich ziemlich über die Norm hinausgeschossen.

Mit dem gefassten Plan im Hinterkopf lauschte Katsuya nun also erneut nach verräterischen Geräuschen in der Wohnung. Es war noch immer so still wie zuvor. Kurz atmete er tief durch und verließ dann auf leisen Sohlen erneut sein heiliges Reich. Kurz lugte er am Wohnzimmer um die Ecke, konnte dort allerdings nichts verdächtiges erspähen. Es lagen nur einige Flaschen auf dem Boden herum, teils in Scherben und teilweise noch ganz. So ging der Herr also mit dem wertvollen Pfandgeld um. Allgemein herrschte im Wohnzimmer eine ziemliche Unordnung. Die stetigen Wutanfälle in den letzten Tagen hatten ihre Spuren hinterlassen. Sein Vater schien allerdings wirklich nicht da zu sein. Das hieß jedoch nicht, dass dieser Zustand lange anhalten würde, betrachtete man die aktuelle Uhrzeit.

Katsuya betrat leise das Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Langsam stieß er die Luft aus, die er wohl unbewusst angehalten haben musste. Wenigstens das Badezimmer war einigermaßen ordentlich. Zügig verrichtete er seine Notdurft und ärgerte sich im Stillen über die verräterische Lautstärke der Toilettenspülung. Dann schritt der Blonde ans Waschbecken, entkleidete sich und wusch sich mit einem Waschlappen. Das Wasser war eiskalt, da die Rechnung wohl auch schon eine Weile nicht mehr bezahlt wurde. Doch auch diesem Umstand konnte Katsuya etwas Gutes abverlangen. Seine Blessuren von Freitag, die teils noch immer etwas geschwollen waren, hatten so wenigstens etwas Linderung erfahren können. Nachdem er sich soweit gereinigt hatte, rieb er sich die restliche Feuchtigkeit vom Körper bevor er wieder in seine Kleidung schlüpfte. Zwar fror er jetzt, doch fühlte er sich wenigstens sauber und einigermaßen präsentabel für den morgigen Schultag. Da sein Erzeuger nicht da zu sein schien, konnte er es vielleicht sogar riskieren noch kurz das Licht in seinem Zimmer einzuschalten und ein paar der Hausaufgaben zu erledigen. Vielleicht regnete es dann nicht wieder schlechte Noten für vergessene Aufgaben. Davon hatte der Oberschüler so langsam echt die Nase voll. Schnell putzte er noch seine Zähne und verließ dann wieder das Badezimmer. Mit leicht gesenktem Blick und in Gedanken trottete er zu seinem Zimmer. Plötzlich ging das Licht im bisher in Dunkelheit liegenden Flur an.

Erschrocken blieb er stehen, hob den Blick und wurde mit der leicht zusammen gesunkenen Gestalt seines Vaters vor ihm konfrontiert. Dieser musste sich im Schlafzimmer befunden haben, denn dessen Tür stand hinter ihm offen. Seit wann schnarchte der Kerl nicht wie eine Armee Holzfäller? War er vielleicht die ganze Zeit über wach gewesen? Gerade nach Hause gekommen konnte er nicht sein, denn das hätte Katsuya vom Bad aus mehr als deutlich gehört. Wollte er eventuell gerade weg? Für eine Kneipe war es allerdings schon recht spät, zumindest für die normalen Verhältnisse. Tausend Gedanken rasten durch den Kopf des Oberschülers, der wie paralysiert mitten im Flur stand. Wie konnte er nur so unvorsichtig sein! Er hatte seine Umgebung für einen kurzen Moment völlig ausgeblendet und so nicht bemerkt, dass er seinem Erzeuger praktisch in die Arme gelaufen war. Blöderweise war ihm nun der Weg zu seinem Zimmer abgeschnitten.

Jounouchi Senior schien einen Moment zu benötigen um seinen Sohn zu erkennen, doch nachdem dies geschehen war sah man förmlich die Zahnräder einrasten und das Licht über dem Kopf erstrahlen. Diese kurze Zeitspanne konnte der Jüngere lediglich nutzen um einen Schritt rückwärts zu tun und so den Abstand etwas zu vergrößern. Das Rumoren in seinem Magen meldete sich schlagartig und unangenehm stark zurück. Er hätte es wissen sollen. Es war nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen. Sein Herz pochte jetzt schon schmerzhaft und das Adrenalin schoss durch seine Adern.

Und dann brach der Sturm über ihn herein.

"Wo hast de dich rumgetriebn, scheiß Bastard?", grollte ihm die tiefe Stimme seines Erzeugers entgegen. Man konnte ein leichtes und doch deutliches Lallen vernehmen. Er war also nicht komplett nüchtern. Ob das nun gut oder schlecht war, würde sich wohl erst noch zeigen. Noch zu perplex um eine klare Antwort zu formen, konnte Katsuya lediglich nach Luft schnappen.

"Dacht ich hätt dir beigebracht zu antwortn, wenn de was gefragt wirst", grollte es wieder und um einiges lauter und aggressiver. Mittlerweile hatte der Ältere sich aus seiner Haltung aufgerichtet und schritt auf seinen Sohn zu, baute sich regelrecht vor ihm auf. Dieser hörte seinen Herzschlag bereits in seinen Ohren und versuchte angestrengt eine Antwort über seine Lippen zu bringen: "Zu... zu..Hause. Ich.. ich war -" Weiter kam er nicht mehr, denn der rechte Haken seines Erzeugers brachte ihn auf mehr als unangenehme Art und Weise zum Schweigen und ließ ihn Blut schmecken. Hinzukommend verlor er das Gleichgewicht und stolperte gegen die Wand des Flurs.

"Wie oft hab'sch dir gesagt, dass de nich stottern sollst", die Lautstärke hob sich stetig, "und wie oft hab'sch dir gesagt, dass de zu kommen hast, wenn'sch dich ruf?" Es war nicht wirklich eine Frage. Katsuya wusste auch, dass keine Antwort erwartet wurde. Ihm saß ohnehin ein fetter Kloß im Hals, der auch das herunterwürgen des Blutes nicht gerade einfacher machte. Auf den Teppich zu spucken wäre das dümmste, dass er jetzt machen könnte. Unterwürfig hielt er den Kopf gesenkt und hoffte so davon kommen zu können. Wenn er jetzt die Arme heben würde, um seinen Kopf zu schützen, dann würde sein Vater erst recht zuschlagen.

"Muss dir wohl ma wieder n paar Maniern beibring, damit de das näschte ma auch kommst. Wegn dir Ratte is nix zu trinkn mehr da!" Der letzte Teil wurde nun nur noch gebrüllt und schlagartig wurde Katsuya blass. Shit! Er hatte die Situation unterschätzt. Doch bevor er reagieren konnte um sich zu schützen, traf ihn bereits ein erneuter Schlag. Das blonde Haupt kollidierte unsanft mit der Wand hinter ihm und für einen Augenblick sah Katsuya nur noch Schwarz und verlor das Gleichgewicht. Lange hatte er jedoch nicht, um sich zu sammeln. Noch während sein Verstand durch den Schmerz vernebelt war, zog er seine Arme schützend über den Kopf um wenigstens dort weiteren Schaden zu verhindern. Die Wand in seinem Rücken nutze er als Stütze, um auf den Beinen zu bleiben. Bloß nicht in die Knie gehen. Er hörte nur noch das Blut in seinen Ohren rauschen und dumpf dahinter das wütende Gebrüll seines Vaters. So musste er weitere Prügel ertragen bis ihm schließlich ein halbwegs gezielter Schlag auf den Solarplexus für einen Moment die Luft aus den Lungen trieb. Er strauchelte, konnte sich nicht mehr länger auf den Beinen halten als die Welt sich um ihn zu drehen begann. Diesmal ging er bewusstlos zu Boden.

Ein heftiger und stechender Schmerz in seiner Magengegend weckte ihn, ließ ihn röchelnd in sich zusammenrollen. Er wusste nicht wie lang er weg gewesen war. Sehr lang konnte es nicht gewesen sein. Mühevoll versuchte er seine Augen zu öffnen und etwas zu erkennen. Sein Kopf dröhnte und seine Sicht war ziemlich verschwommen, aber er konnte ein Paar Beine ausmachen, Füße die in Armeestiefeln steckten. Wie durch Watte hörte er wütendes Gebrüll. Er konnte den Inhalt kaum verstehen. Wieso konnte es nicht einfach schon vorbei sein?

Langsam wurde das Gebrüll deutlicher. Zwischen einem Haufen wüster Beschimpfungen tauchte immer wieder eine Frage auf. Doch bis er deren Inhalt richtig verstanden hatte, hatte sein Vater schon die Geduld verloren. Grob wurde er an den Haaren gepackt und auf die Beine gezogen. Katsuya zischte unter den Schmerzen leise auf. Etwas wurde ihm vor die Nase gehalten. Es war ein kleiner Gegenstand, der locker in eine Hosentasche passte. "Wo haste des her, Ratte?", grollte ihm sein Vater entgegen. Angestrengt blinzelte der Oberschüler und versuchte zu erkennen um was es sich handelte. In der Pranke seines Erzeugers war ein kleines Gerät mit mehreren Tasten und einem Display. Hier und da waren ein paar Kratzer. Das Licht des Displays leuchtete ihm schwach entgegen. An der oberen linken Ecke baumelte an einem Bändchen eine unförmige grüne Kugel mit Augen. Es war das Lieblingsmaskottchen seiner Schwester. Katsuyas Augen weiteten sich, als Erkenntnis sich in ihm breit machte. Sein Handy! Es musste ihm aus der Tasche gefallen sein.

Rabiat wurde sein Kopf mit einem Ruck nach hinten gezogen und wieder schoss ein stechender Schmerz durch seinen sonst schon rumorenden Kopf. "Isch hab disch was gefragt, Bengel!" Der faulige und alkoholgetränkte Mundgeruch seines Erzeugers schlug ihm entgegen. Es war widerlich und würde Katsuya gerade nicht in so einer misslichen Lage stecken und wäre es nicht sein Vater, der ihm da gegenüber stand, er würde einen spitzen Kommentar hören lassen. Aber leider war das da vor ihm nun mal sein Dad und er hatte Kaiba versprechen müssen ihn nicht unnötig zu provozieren. Als ob er das nicht selbst wüsste.

Bevor sein Alter jetzt aber noch einmal die Geduld verlor, sollte er wohl besser eine Antwort geben. "Gekauft", presste er also zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Das folgende trockene Lachen ließ ihn leicht zusammenzucken. "Gekauft? Lüg nich! Von welchm Geld denn?" Katsuya hielt seinen Blick starr auf das Handy fixiert. Der kleine Anhänger zappelte unruhig hin und her. "Isch werd dir ma sagn was isch denk.", wieder zerrte er an Katsuyas Haaren und zog so den Blick seines Sohnes auf sich, "Isch denk, dass de das geklaut hast." Es war keine Frage. Sein Vater schien fest davon überzeugt zu sein. "Und isch denk de weißt, was passiert wenn de klaust."

"Ich hab nicht", weiter kam Katsuya nicht. Mit einem wütenden Schrei wurde er weggestoßen und strauchelte. Wieder suchte er an der Wand nach Halt, fand ihn auch. Doch noch fast im gleichen Augenblick stand sein Vater wieder vor ihm und schlug zu. Die geballte Faust traf seine Wange, riss seinen Kopf herum und brachte ihn erneut ins Stolpern. Wieder ging er zu Boden.

"Isch hab gesacht, dass de nich lügn sollst!", schmetterte ihm die Stimme entgegen. Dann spürte er sie, die verhasste Stahlkappe. So abgetragen wie die Schuhe seines Vaters auch waren, sie fielen auch nach über 20 Jahren einfach nicht auseinander. Generell warb man damit, dass man diese Stiefel fürs Leben kaufte. Wer auch immer auf dieses miese Wortspiel gekommen war hat sie wohl nie zu spüren bekommen. Im Stillen hatte Katsuya das Militär schon öfter für ihre gute Qualität und Langlebigkeit verdammt. Für ihn waren diese Schuhe nichts weiter als eine permanente Bedrohung. Denn diese sagenhafte Qualität rammte sich gerade mehrfach in seinen Körper und machte ihm das Leben zur Hölle. Röchelnd rang er nach Luft und rollte sich so gut es ging zusammen, dabei seinen Kopf schützend. Der Nachteil an der Sache war, dass er nicht seinen gesamten Körper auf einmal schützen konnte und so bekamen unter anderem seine Rippen mehr als nur einen Tritt ab. Zwischendurch glaubte Katsuya zu spüren wie die zwei bereits angeschlagenen Rippen nachgaben und nun komplett brachen. Vielleicht hatte er sich aber auch geirrt. Unter den permanenten Schmerzen war es schwer etwas Bestimmtes ausmachen zu können.

Als die Welt um ihn herum wieder zu verschwimmen begann und er kurz davor war das Bewusstsein erneut zu verlieren, stoppten die Tritte. Sein Vater entfernte sich sogar wenige Schritte von ihm. Wahrscheinlich begutachtete er sein Werk. Für einen kleinen Moment erlaubte sich Katsuya etwas zu entspannen, zumindest so gut es in seiner aktuellen Lage ging.

Etwas landete mit einem dumpfen Knall vor ihm auf dem Boden. Mit zusammengebissenen Zähnen lugte er zwischen seinen Armen hervor. Er wollte nicht schon wieder unangenehm überrascht werden. Vor den Füßen seines Vaters, etwa eine Armlänge von Katsuya entfernt, lag sein Handy. Das kleine, grüne Maskottchen blickte unschuldig lächelnd zu ihm hinüber. "Damit wa uns verstehn. De hast gefälligs nich zu klaun. Is des kla?" Das tiefe Grollen war beunruhigend ruhig und kontrolliert. Verkrampft rang sich Katsuya ein Nicken ab. "Hab nischt gehört, Bengel!" Der Tonfall wurde fordernder. Zitternd sog der Schüler Luft in seine Lungen und krächzte ein "Ja". Das ging jedoch fast in einem Hustenanfall unter. Noch immer lächelte das kleine grüne Ding an seinem Handy ihm entgegen. Was gab es an dieser beschissenen Situation bitteschön so dämlich zu grinsen? Aber Shizuka lächelte auch oft so und da störte es ihn nicht im Geringsten. Langsam streckte er eine Hand nach dem Telefon aus. Nur mit halbem Ohr nahm er die nächsten Worte seines Erzeugers wahr: "Und wenn de noch einma auf de Idee kommst dein altn Herrn anzulügn, dann weißte gleich was nächstsma mit dir passiert." Noch bevor Katsuya das Telefon erreicht hatte, kam von oben der Stiefel seines Vaters herabgefahren und zerstampfte das kleine Gerät. Das Geräusch von splitterndem Plastik und das Knirschen des brechenden Displays fuhr ihm durch Mark und Bein. Vor ihm wurde sein wertvollster Besitz und sein letzter Kontakt zu seiner Schwester brutalst in hunderte von Teilen zerschmettert. Selbst der Anhänger blieb nicht verschont und das kleine lächelnde Ding war nunmehr auf einen undefinierten Haufen Matsch und Plastiksplitter reduziert. Jetzt war ihm das Lächeln wohl vergangen.

Kraftlos sank Katsuyas Hand auf den Boden. Doch kaum hatte Jounouchi Senior sich abgewendet, ballte sie sich zur Faust und zitterte vor Anspannung. Es war vorbei. Alles.
 

"Arschloch"


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sorry für den Kliffhänger ;D Ich dachte mir, dass ich das Kapitel teile, damit ihr es schneller lesen könnt und es nicht so viel auf einmal wird. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  solty004
2016-10-30T07:51:33+00:00 30.10.2016 08:51
Hei,
Das war eine echt Hammer Kapitel und auch das letzte. Mit der rückblende in die Kindheit der beiden Jugendlichen.
Und dieses wo unser kleiner Speisen muss. Hoffe das Seto es Schaft seine. Freund aus die er Hölle raus zu holen.

Bin schon gespannt wie es weiter geht mit, Neugier halt durch bis zum nächsten Kapitel.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty
Von:  Onlyknow3
2016-10-29T20:47:06+00:00 29.10.2016 22:47
Heftig das ganze, Katsuya tut mir leid. Mir lief es eben eiskalt den Rücken runter bei der Szene wo sein Vater das Handy hat und es dann auch noch zerstört. Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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