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Vis-à-Vis

von

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Ein Geheimnis

''Cloud.'' Erschrocken fuhr er hoch und blickte in die Richtung, aus der er seinen Namen gehört hatte, als sich langsam eine bekannte Silhouette aus dem Schatten löste. ''Vincent?'' Er blinzelte verwundert, als sich sein Freund neben ihm auf der Bettkante niederließ. Sein roter Umhang und auch sein Rüstungsarm fehlten. Das erklärte, warum er ihn nicht gleich gesehen hatte. Aber... war das Zimmer nicht verschlossen gewesen, als er hergekommen war? Wie war er hier rein gekommen und noch viel wichtiger war... ''Was machst du hier?'' Er musterte ihn eindringlich, als Vincent sich auf seinen Knien abstützte und die Hände faltete. Nur in seinem schwarzen Hemd sah er fast andächtig aus. Die Ärmel waren heruntergekrempelt und an den Manschetten verschlossen, doch völlig zerknittert, weil er sie die meiste Zeit hochgeschlagen trug. Eine dicke, schwarze Strähne rutschte langsam über seine Schulter, als er schließlich leicht seufzte und den Kopf kurz zu ihm drehte. ''Ich muss mich bei dir entschuldigen.'' ''Was?'' Cloud rutschte ein Stück weiter vor zur Kante. ''Ach was. Das ist doch nicht-'' ''Doch, das ist es.'' Er wandte den Kopf wieder um und der Blick seiner roten Augen blieb starr auf den Boden gerichtet, als er weitersprach. ''Ich war zwei Mal kurz davor dich zu töten.'' Cloud schluckte trocken, als die Worte so kühl über seine Lippen kamen. ''Das ist nichts, was unentschuldigt bleiben kann.'' Er ließ den Kopf sinken. ''Ich wollte dich wirklich nicht verletzen, auch das tut mir leid. Aber du schaffst es immer wieder im falschen Moment aufzutauchen.'' ''Vincent, ich-'' ''Ich bitte dich, lass mich einfach in Frieden.'' Cloud atmete erschrocken aus. Meinte er das ernst? Er musterte den blassen Mann und sein regloses Gesicht. Ja. Das tat er. ''Ich kann und will es nicht verantworten, dass es beim nächsten Mal vielleicht nicht so glimpflich ausgeht.'' Das war doch verrückt. Das konnte er nicht ernsthaft von ihm verlangen. Andererseits... warum nicht? Weil er... sich Sorgen um ihn machte? Weil er wissen wollte, was in ihm vorging? Cloud seufzte innerlich und bemerkte, wie idiotisch seine Gedanken waren. Im Prinzip war Vincent ihm doch völlig fremd und er war nicht dazu verpflichtet, für sein Seelenheil zu sorgen. Und doch konnte er sich mit dem Gedanken nicht abfinden. Auf eine sonderbare Art und Weise, lag ihm etwas an dem Schützen. Und er würde sich nicht so einfach abschieben lassen. ''Nein.'' Vincent sah auf. ''Vergiss es gleich wieder. So leid es mir tut, aber du gehörst zur Gruppe und wir lassen niemanden hängen. Du wirst mich nicht so schnell los und so leicht lasse ich mich von dir sicher nicht töten.'' Ein schwaches und kurzes Lächeln huschte über Clouds Lippen, als er bemerkte, wie Vincents Augen verlegen nach einem neuen Ankerpunkt im Zimmer suchten. ''Die Sache mit Hojo macht dir ziemlich zu schaffen. Und du gehst hin und versuchst allein damit klar zu kommen.''

Der schwarze Schopf schüttelte sich langsam und ein stummes Lachen ließ ein leichtes Beben durch den Körper fahren. ''Das sagt mir gerade der Richtige.'' Er wandte den Kopf um und bedachte Cloud mit einem vorwurfsvollen, aber nicht unfreundlichen Blick. ''Hojo ist mein Problem. Nicht deines.'' ''Vincent, bitte. Was ist damals passiert?'' ''Ich werde nicht mit dir darüber reden.'' Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich wieder. ''Aber vielleicht ist das der Weg, um nicht ständig aufs Neue darüber in Raserei zu geraten. Du kapselst dich ab, machst aus allem ein Geheimnis und kommst damit selbst nicht zurecht.'' Vincent hob den Kopf, legte ihn leicht in den Nacken und schwieg für eine Weile. Dann richtete er seine Augen erneut auf den Jüngeren. ''Du weißt, wie lächerlich das klingt, wenn du mir das sagst.'' Cloud wandte den Kopf mit einem verärgerten Schnauben zur Seite. Bedauerlicherweise hatte er nicht Unrecht. Verhielt er sich selbst nicht meist genauso? Vincent wiegte den Kopf leicht hin und her, dann neigte er ihn auf die Schulter. Andererseits... was hatte er schon zu verlieren? Er hatte Cloud auf dem Weg zur Rocket Town bereits ein kleines Stück weit in seine Vergangenheit eintreten lassen. ''Du willst es wirklich wissen?'' Verwundert blickten die blauen Augen auf. ''Es ist keine schöne Geschichte.'' ''Erzähl mir was von schönen Geschichten.'' Richtig. Cloud hatte seine eigene dunkle Vergangenheit. Und Gegenwart. Vincent richtete seinen Oberkörper auf und setzte sich ein Stück zurück. ''Ich hatte dir schon gesagt, dass ich damals als Turk bei Hojo war. Zu seinem und zum Schutz seiner Mitarbeiterin.'' Er schluckte leicht. War er sich sicher, dass er ihm davon erzählen wollte? Es war seine Geschichte, sein eigenes Anliegen. Und er hatte so lange versucht, alles einfach zu vergessen... ''Du meinst Lucrecia?'' Wie ein Stich bohrte sich ihr Name durch seine Ohren und er musste zusammengezuckt sein, denn sein Freund bedachte ihn mit einem vorsichtig fragenden Blick. ''Ja. Es war die Zeit, als Jenova von Shin-Ra aufgelesen wurde und die Experimente mit Mako und ihren Zellen starteten.'' Cloud sah betreten zu Seite. ~Ich weiß... auch deine Vergangenheit liegt ein Stück weit an diesem Ort.~ ''Hojo ist eine miese Ratte. Er war skrupellos und rücksichtslos, auch gegen den Rest des Laborteams. Ich habe das Drama irgendwann nicht mehr ertragen und ihn zur Rede gestellt. Wir hatten eine heftige Auseinandersetzung, daraufhin hat er mich erschossen.'' Cloud keuchte auf und sah erschrocken zu Vincent herüber. ''Erschossen? Aber...'' ''Du erinnerst dich, was ich dir über seine Experimente erzählt habe?'' Er nickte leicht. ''Für die Shin-Ra bin ich im Einsatz verschollen und gelte als tot.'' ''Das heißt, sie wissen nichts von der Angelegenheit?'' Vincent zuckte leicht mit den Schultern. ''Ich weiß es nicht. Vielleicht, vielleicht auch nicht, aber ich habe das Labor danach nicht wieder verlassen.'' ''Was hat er mit dir angestellt?'' Cloud stütze sein Kinn auf seiner Hand auf und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus, wie sich die Knöchel an Vincents Händen weiß färbten. ''Ich weiß es nicht genau, vieles habe ich gar nicht mitbekommen, an anderes erinnere ich mich nur noch schemenhaft. Ich weiß nur, dass ich irgendwann wach geworden bin und...'' ~Und sie gesehen habe...~ Die Erinnerung an ihr Gesicht keimte wie eine unheilvolle Vorahnung in ihm auf. Er sah es noch deutlich vor sich, fast so, als stünde sie direkt vor ihm. Dieses entsetzte Gesicht. Ihre angsterfüllten Augen. ''Vincent?'' Als sie gesehen hatte, was aus ihm geworden war. Als sie dieses Monster gesehen hatte... Ein dunkles Rumoren durchzog seinen Körper. ~''Hast du mich schon vermisst?''~

Ruckartig vergrub Vincent seine Finger im Haaransatz und verbarg sein Gesicht in den Händen. ''Vincent?'' Alarmiert setzte sich Cloud auf. ''Verschwinde...'' Seine Stimme war kaum zu hören. ''Was?'' ~''Aber ich bin doch eben erst aufgewacht.''~

''Verschwinde aus meinem Kopf...'' Er presste die Worte hart zwischen den Zähnen hervor. Cloud blickte ihm verwirrt entgegen. Was ging hier vor? ~''Komm schon, lass mich ein bisschen spielen. Du vermisst sie doch auch, die Schreie?''~

Wieso musste es ausgerechnet jetzt auftauchen?

Eilig erhob er sich und wankte ein paar Schritte in den Raum hinein, ehe das finstere Grollen in seinem Innern ihn wieder in die Knie zwang. Panisch umklammerte er seinen Kopf und versuchte gegen die Stimme anzukämpfen.

~''Erinnerst du dich noch an ihre Gesichter? So voller Ehrfurcht und Angst?''~

''Raus... aus meinem... Kopf...''

~''Du hast ihr Gewinsel doch auch genossen.''~

Die Stimme in ihm säuselte verführerisch. Keuchend stütze er sich mit einer Hand auf dem Boden ab.

Verwirrt und unbeholfen stürzte Cloud zu seinem Freund auf den Teppich und musterte ihn besorgt.

''Vincent? Was ist mit dir?''

~''Erinnere dich an ihr Gesicht! Sie hat deinen Namen gerufen.''~

''Sie... nein...''

~''Du weißt, dass du sie fast getötet hättest. Jetzt hast du noch einmal Gelegenheit dazu!''~ Die Stimme wurde drängender.

''Nein... ich...''

~''Du wolltest es! Für all das, was sie dir angetan hat!''~

''Lucre...cia...'' Cloud ergriff die Hand, die sich zitternd nach ihm ausstreckte. ''Vincent! Hörst du mich?''

~''Vincent, hörst du sie?''~

~*Vincent!*~ Ihre helle, flehende Stimme bohrte sich wie ein Blitz durch seinen Kopf.

''Bist... du...''

~*Vincent! Hör nicht auf ihn!*~ Ihre Hände legten sich sanft auf seine Schultern.

~''Hast du vergessen, wie viel Angst sie vor dir hatte? Wie abstoßend sie dich fand?''~

''Hier...?'' Zaghaft bekamen seine Hände Stoff zu fassen und krallten sich Halt suchend daran fest.

~*Vincent! Sieh mich an! Hör nicht auf ihn!*~ Der Griff um seine Schultern wurde fester und hielt ihn schützend.

~''Worauf wartest du? Du kannst es ihr jetzt heimzahlen!''~

''Warum... hast du...''

~*Sieh mich an! Bitte!*~ Angestrengt hob er den Kopf und blickte in ihre braunen Augen. Ihre sanften, braunen Augen. Der Dämon in ihm schrie auf.

~Los! Töte sie!~ Blickte in ihr besorgtes Gesicht.

''Mich...''

~*Vincent. Es tut mir so leid.*~

Es waren blaue Augen. Es war nicht sie.

''Vincent. Kannst du mich hören?'' Erschöpft zog er sich an den anderen Körper und ließ seinen Kopf auf die Schulter sinken. Es waren nur die Erinnerung an sie gewesen.

''Cloud...'' ''Ja.'' ''Es tut mir leid...''

Die Stimmen in seinem Kopf verstummten. ''Schon gut. Es ist nichts passiert.'' Richtig. Doch es hätte schlimmer ausgehen können... Das Monster in ihm war so sehr auf Rache aus, dass es auch vor anderen keinen Halt mehr machte. Und fast hätte es ihm glaubhaft eingeredet, jemand anderen vor sich zu haben. Aber er hatte ihre Stimme gehört, oder nicht? Langsam löste Vincent seine Finger, die sich fest in das Shirt seines Freundes gekrallt hatten und hob den Kopf von seiner Schulter. ''Aber sag mir, was war das gerade?'' Er sah auf. ''Meine Vergangenheit... die mich eingeholt hat.'' ''Damals ist noch mehr passiert, richtig? Du hast ihren Namen gesagt. Lucrecia. Was hat sie mit der ganzen Sache zu tun?'' Ein betrübtes Seufzen drang über seine Lippen. ''Sie war der Grund für den Streit mit Hojo.'' ''Ich verstehe.'' Cloud nickte kurz. ''Hast du sie geliebt?'' ''Vielleicht.'' Vincent setzte sich auf und ließ sich zurück auf den Boden sinken. Langsam zog er die Knie an und legte die Arme darauf ab. ''Sie hat einen Teil der Experimente geleitet.'' ''Die Jenova-Versuche?'' ''An mir.'' Cloud schreckte ein Stück zurück und schluckte trocken. ''Sie tat es, im Gegensatz zu Hojo, nicht in böser Absicht, doch sie machte alles nur noch schlimmer. Es wäre besser gewesen, ich wäre tot geblieben und nicht wieder aufgewacht. Jetzt trage ich diese Geschichte Tag für Tag mit mir.'' Er seufzte schwer und verschränkte die Arme auf den Beinen. ''Ich kann kaum glauben, was du sagst.'' ''Du kannst es sehen, wenn du möchtest.'' ''Wie bitte?'' Verwirrt blinzelte Cloud ihm entgegen. ''Wie ich sagte.'' Vincent löste eine Hand und zupfte erklärend am Kragen seines Hemdes. Hatte er sich das gut überlegt?

Neugier brannte in Cloud auf. Nach allem, was er erzähl hatte... Er ging auf die Knie und rutschte ein Stück an seinen Freund heran. War es falsch, es sehen zu wollen? Unbehagen mischte sich mit der Neugier. Doch wenn stimmte, was er erzählte... Auch wenn es vielleicht nicht richtig war, doch er musste es einfach sehen. Routiniert hatte Vincent die kleinen, silbernen Knöpfe des zweireihigen Hemdes schnell geöffnet und tauschte einen letzten, fragenden Blick mit dem Jüngeren. Dann raffte er die Leisten und zog den Stoff vorsichtig auseinander.

Vincent wandte den Kopf zur Seite, er wollte sich diesen ersten Anblick ersparen. Zudem kannte er ihn in und auswendig. Cloud zögerte einen Moment, als er es bemerkte, doch seine Neugier war zu groß. Langsam richtete er seinen Blick auf den entblößten Oberkörper und sog kurz erschrocken die Luft ein. Die blasse Haut war von unzähligen Narben übersät. Jetzt wusste er auch, weshalb Vincent seine Hand in der Nacht im Garten aufgehalten hatte. Er hatte Angst gehabt, dass er ihn berührte. Doch je länger er ihn betrachtete, umso stärker wurde das Bedürfnis, genau das zu tun. Vincent ergriff den Kragen des Hemdes, zog es die linke Schulter hinab, öffnete die Manschette und schlüpfte aus dem Ärmel heraus. Auch die Haut an seinem Arm bestand fast vollständig aus Narben. Vorsichtig fuhr er mit dem rechten Zeigefinger über den Arm und drehte ihn zu Cloud. ''Das hier habe ich Hojo zu verdanken.'' Cloud folgte der Geste mit seinem Blick. Eine saubere, schlohweiße Narbe zog sich um das komplette Schultergelenk herum und die Innenseite seines Oberarms hinab und endete in einem Wust abertausender, kleiner Injektionsnarben in der Armbeuge. ''Aber ich dachte, damit hätte er nichts zu tun gehabt? Du meintest doch-'' ''Ich meinte die Rüstung. Du schienst zu glauben, darunter wäre kein Fleisch.'' Vincent lächelte leicht. ''Allerdings ist auch das hier nicht mehr alles menschlich.'' ''Verstehe.'' Clouds Blick wanderte den Arm weiter hinab. Die feinen, sauberen Linien, die augenscheinlich mit medizinischer Präzision gesetzt wurden und der Länge nach bis zur Hand hinabliefen, wurden an vielen Stellen von groben, ausgefransten und wulstigen Narben durchbrochen. Unter ihnen waren noch mehr Narben. ''Ich weiß nicht, wie viele Knochen noch normal sind, aber viele werden es nicht sein.'' ''Was ist mit dem Rest?'' ''Hm?'' Als er Clouds Fingerspitze folgte, merkte er, dass er von den anderen Narben sprach. ''Das war ich.'' Die blauen Augen blickten entsetzt zu ihm auf. ''Als Hojo mir mit seiner überschwänglichen Euphorie erzählte, was er alles mit mir angestellt hatte, bin ich ausgetickt. Ich habe nur einen Bruchteil von dem was er sagte, überhaupt verstanden, doch ich habe gespürt, dass etwas anders war. Mein Körper hat sich fieberhaft gegen die Fremdkörper gewehrt und als ich entdeckte, dass ich keine Schmerzen spürte, bin ich fast wahnsinnig geworden. Mein Arm war praktisch tot und ich habe alles versucht, um das Gefühl wiederzuerlangen und die Dinge, die Hojo mir eingepflanzt hatte, loszuwerden.'' Fast andächtig strich er über seine verunstaltete Haut. Cloud bemerkte, dass sein kompletter linker Arm fast weiß war, obwohl auch seine eigentliche Hautfarbe nur unwesentlich dunkler war. ''Bis heute hat sich nur ein Bruchteil der Nerven regeneriert und Schmerz ist eher eine dumpfe Erinnerung.'' Er strich sich mit dem Daumen über die Fingerkuppen und betrachtete die dunklen Flecken auf seiner Handfläche. Sie waren schon fast wieder völlig verheilt. ''Und die hier sind...?'' Vincent zuckte leicht zusammen, als Clouds Fingerspitzen plötzlich seine Haut berührten und senkte den Blick hinab auf seine Brust, wo die Linke seines Freundes knapp unter den runden, weißen Narben ruhte. ''Ja. Die Einschusslöcher.'' Seine Hand strich kurz über seinen angespannten Bauch, auf dem sich der Rest verteilte. ''Neunzehn Stück. Ein volles Magazin einer Glock Siebzehn C.'' Als er Clouds verwirrten Blick bemerkte lächelte er leicht. ''Entschuldige. Da spricht der Turk aus mir.''

''Hm.'' Cloud nickte nur knapp und betrachtete nachdenklich den Körper vor ihm. Er konnte sich nicht helfen, doch auf eine sonderbare Art und Weise fand er den Anblick, der sich ihm bot, wunderschön. Langsam ließ er seine Finger über die Brust nach unten gleiten und ertastete weitere, hauchdünne Narben auf dem Rippenbogen, ehe sie noch weiter hinab für einen kurzen Moment auf dem Bauch zum Stehen kamen und dann der großen, breiten Narbe in der Körpermitte wieder nach oben folgten. Es sah aus, als hätte ihn jemand der Länge nach aufgeschnitten. Auf seiner Brust, knapp darüber, prangten dunkel die fünf frischen Wunden.

Vincent war still geworden. Sein Atmen ging flach und er hatte den Blick zur Seite abgewandt, als Cloud seine Augen den bloßen Oberkörper hinauf in sein Gesicht wandern ließ. Trotz seines Schweigens, schrie seine Erscheinung deutlich ein einziges Wort: verletzlich.

''Die Wunden sind von gestern Nacht, richtig?'' Es kam keine Antwort, doch es bedurfte auch keiner. Er ließ seine Hand auf der Stelle ruhen. Ein sonderbares Kribbeln durchzog seine Fingerspitzen, als er registrierte, wie nah er seinem Freund gerade war. Da war sie wieder. Diese seltsame Faszination für diesen düsteren Mann. Er hätte nie damit gerechnet, dass sich ein solcher Anblick unter dem roten Umhang verbarg und erneut ließ er seinen Blick über die blasse Haut wandern. All die Narben schienen sie zu einem bizarren, aber auf ihre ganz eigentümliche Art und Weise, schönem Gemälde zu machen.

Völlig in Gedanken versunken, bemerkte er nicht, wie sich sein Gegenüber plötzlich regte und er zuckte leicht zusammen, als Vincent seine Hand ergriff und sie sacht umfasste. Sein Herz machte einen Sprung. Er spürte, wie die kühle Hand, die auf seiner ruhte, langsam die Wärme seiner eigenen annahm und der Daumen kurz und sanft über seine Finger strich. Es war das erste Mal, dass er seine Hand so berührte. Unweigerlich schweiften seine Gedanken zurück zur Nacht im Garten, als sie sich bereits einmal so nah gekommen waren. ''Du findest es nicht schlimm?'' Er brauchte einen Moment, ehe die Worte bis zu ihm durchdrangen. ''Hm?'' ''Ich hatte Angst, du fändest es abstoßend, wenn du es siehst.'' Vincents Hand glitt hinab zum Handgelenk und umfasste es, während sich sein Daumen langsam in seine Handinnenfläche legte. Cloud sah auf. Der stille und

verwundbare Ausdruck auf dem Gesicht des anderen, war einem hauchzarten Lächeln gewichen und die roten Augen bedachten ihn mit einem sonderbaren Blick. Er fühlte, wie das Tempo seines Herzschlags langsam stieg. ''Nein. Überhaupt nicht. Ich...'' Vincent drehte sich ein Stück zu ihm um, als er mit seiner zweiten Hand sanft an Clouds Wange entlang strich, unter seinem Kinn zum Halten kam und es leicht anhob. ''Dann...'' Er beugte sich vor. ''Bin ich beruhigt.''



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