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Vis-à-Vis

von

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Midgars Schatten

Es war alles ganz schnell gegangen, als sie den unmittelbaren Luftraum über Midgar erreicht und über die Notfallleitern auf ein höhergelegenes Gebäude abgesprungen waren.

Yuffie hatte sich tatsächlich von Cid dazu überreden lassen, mit Nanaki auf der Highwind zu bleiben. Dass er der Kleinen sein heißgeliebtes Luftschiff überließ, zeigte, dass er, auch wenn er es nie öffentlich zugeben würde, einen Narren an ihr gefressen hatte. Er war grob zu ihr, das war er zu jedem, aber es schien, als sähe er etwas in ihr, was ihm fehlte.

Auf jeden Fall war es gut zu wissen, dass die Highwind bewacht und für den Notfall einsatzbereit blieb und Yuffie langsam aber sicher über ihre Flugkrankheit gesiegt hatte.

Der Abstieg vom Hochhaus über die Feuertreppe schien sich ins Endlose zu ziehen.

Es war dunkel, vielerorts war die Beleuchtung fast komplett ausgefallen und nur die Scheinwerfer um den Tower und die generelle Notbeleuchtung der Stadt erhellten ersatzweise die abgeschotteten Bereiche. Zwischen den Häusern blitzen immer wieder vereinzelte Lichtkegel auf.

''Sie haben die Infanterie ausgesendet. Wir sollten vorsichtig sein.''

Caith führte sie die Treppe hinab und zwei Häuserblocks weiter, bis sie in einer schmalen Sackgasse zum Stehen kamen.

''Ende, na ganz super.''

Barret brummte seinen Missmut ungedämpft hinaus.

''Nicht, dass uns der ShinRa-Spion in einen Hinterhalt gelockt hat.''

''Barret.''

Tifa stieß ihm in die Seite und schüttelte knapp den Kopf.

''Schon gut. Wir sind nicht ohne Grund hier.''

Die Robokatze blieb stehen und deutete auf eine kleine, gut in die Straße eingepasste Klappe.

''Heidegger hat die Infa losgeschickt. Sie wissen, dass ihr hier seid.''

''Natürlich wissen sie das! Der scheiß Spion hat uns verpfiffen.''

Caith ignorierte den Hünen.

''Wir sollten durch den Untergrund weitergehen. Wenn wir Glück haben, kommen wir ungesehen durch.''

''Gibt es keinen anderen Weg?''

Cloud verschränkte die Arme und musterte die Luke.

''Bedauerlicherweise ist das unsere einzige Chance, wenn wir ShinRa so lange wie möglich aus dem Weg gehen wollen.''

''Na dann.''

Cid war es, der nach der Klappe griff und den Weg in den Untergrund öffnete.

''Sieht gar nicht mal so einladend aus.''
 

Nacheinander kletterten sie die Leiter hinab, bis sie in den Versorgungsschächten Midgars angelangt waren. Überall flackerte die rote Notbeleuchtung und verlieh den engen Tunneln eine bedrückende Atmosphäre. Es war unangenehm warm und stickig, aber das war es in Midgar fast überall.

Cloud richtete seine Handschuhe und tastete prüfend nach dem Griff seines Schwerts.

Jetzt würden sie jederzeit auf einen Kampf vorbereitet sein müssen.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Caith übernahm die Führung der Gruppe und nacheinander folgten sie ihm durch den schmalen Schacht.

Der rote Umhang rauschte als letztes an Cloud vorbei, ehe er den Schluss bildete. Noch immer war ihm ganz sonderbar zumute, wenn er den schweigenden Schützen beobachtete. Seit sie von Midgars Schatten verschlungen worden waren, hatte er kein Wort mehr gesagt, hatte keine einzige Regung das blasse Gesicht gestört. Es war wie eine Maske. Kalt und unbewegt.

Cloud fröstelte. So in sich gekehrt hatte er ihn vermutlich noch nie erlebt. Er war, als er zur Gruppe dazugestoßen war, ein großes, verschlossenes Mysterium gewesen, doch selbst da hatte es schon genug kleine Augenblicke gegeben, in denen seine Züge gebröckelt und anderen Emotionen gewichen waren. Wenn auch nur kurz, doch es war weit mehr Leben in diesem Gesicht gewesen, als es das in den vergangenen Minuten war.

Doch er war sich sicher, dass unter dieser fast leblosen Fassade ein Sturm tobte.

Es musste.

Nach allem, was vorher geschehen war, die Dinge, die er ihm erzählt, diese Augenblicke, auf die er so hingefiebert hatte.

Fieber...

Er dachte wieder an die glühende Haut unter seiner Hand, als er seinen tobenden Freund zurück zur Besinnung bringen musste. Als er fast außer sich war und wirkte, als würde er sich jeden Augenblick in ein wildes Tier verwandeln.

Cloud stockte für einen Moment bei diesem Gedanken, doch das Fadenende, dass zu ergreifen er die Chance gehabt hätte, verflog so schnell wie es gekommen war.

Vincents jetzige Erscheinung stand in absolutem Kontrast zu all den vorangegangenen Tagen. Und es machte ihm Angst.

Der rote Umhang, der in gleichmäßigem Takt vor ihm hin und her waberte, schien fast mit dem roten Licht der Umgebung zu verschmelzen und je länger er auf den, unter dem Stoff verborgenen, Rücken starrte, umso mehr verschwammen auch die Konturen.

Zu gern würde er mit ihm reden.

Ihn aus diesem unheimlichen Zustand reißen.

Doch jedes zusätzliche Geräusch wäre nur eine Gefahr.

Ihre Schritte und die klappernde Ausrüstung waren schon laut genug.

Er beließ es bei einem leisen Seufzen.

~Vincent... was geht in dir vor?~
 

~
 

Am Ende einer gefühlt ewigen Odyssee durch die Versorgungsschächte gelangten sie über eine weitere Leiter in ein Untergrundbahnsystem. Das rote Licht wurde von schmalen, grellgelben Streifen an den Tunnelwänden abgelöst. Hier schien der Strom noch zu fließen.

''Was ist das hier?''

Tifa rieb sich über die Oberarme, um die leichte Gänsehaut zu verstecken. Es war überraschend kühl geworden, obwohl sie sich mitten unter der Stadt befanden. Ihre Schritte hallten von den dunklen Stahlwänden der Tunnel wider und irgendwo in der Ferne plätscherte es leise.

''Das ist ein stillgelegter Teil der vor acht Jahren geplanten Untergrundbahn dieses Sektors. Andere Projekte hatten allerdings Vorrang und so wurde der Bau vorerst eingestellt.''

Caith tappte ein paar Schritte voraus.

''Wenn wir den Schienen in Richtung Sektor drei folgen, sollten wir in der Nähe des Towers wieder an die Oberfläche kommen.''

''Wie weit ist es noch?''

Barret musterte die Robokatze argwöhnisch.

''Es sollte nicht mehr weit sein. Vielleicht zwanzig, dreißig Minuten.''

Sie setzten sich langsam wieder in Bewegung.

''Ich wusste gar nicht, dass es zwischen der Oberseite und den Slums noch so ein massives Untergrund-System gibt.''

Tifa schloss zu Cloud auf und ließ den Blick von einer runden Stahlwand zur nächsten wandern.

''Vollkommen verrückt. Diese ganze Stadt ist ein einziger Wahnsinn.''

Er nickte ihr nur stumm zu. Midgar war nichts weiter als ein riesiges Labyrinth. Ein Labyrinth mit ausgeklügeltem System.

''Wir sollten uns auf Kämpfe einstellen, sobald wir zurück an der Oberfläche sind.''

''Wir?''

Barret schnaufte Caith verächtlich entgegen.

''Mein Fehler. Heidegger hat weitere Infa-Truppen losgeschickt. Sie sind ebenfalls auf dem Weg zur Sister Ray. Mittlerweile wissen wir auch, wer den Hauptrechner übernommen hat. Du solltest hier unten nicht rauchen.''

Cid zögerte einen Moment und ließ die Flamme die Spitze der Zigarette schwärzen.

''Gut möglich, dass es hier zu unvorhergesehenen Gaslecks kommen könnte.''

Das Streichholz erlosch mit einer fixen Handbewegung.

''Nach acht Jahren?''

''Es hat sich niemand um die Tunnel gekümmert. Sie wurden stillgelegt.''

Cid brummte missmutig und schob die Zigarette zurück in seine Brusttasche.

''Du hast gesagt, ihr wisst wer die Kontrolle über die Makokanone hat?''

Ein dumpfes Gefühl durchzog Clouds Brust, als hätte er die Antwort kommen sehen. Es gab nicht viele Möglichkeiten, zumindest keine, die wirklich einen Nutzen von dieser monströsen Maschine haben könnten.

''Hojo. Er will den Nordkrater ein weiteres Mal bombardieren und zwar mit aller Kraft, die er Midgar entziehen kann.''

Cloud sah zu Vincent herüber.

Obwohl der Name gefallen war, zeigte er keine Regung. Unverändert ging er stumm mit etwas Abstand neben der Gruppe her.

Das gefiel ihm nicht.

Da war nichts. Kein kurzes Aufatmen, keine Bewegung die ihm verraten hätte, dass er den Namen überhaupt gehört hatte. Er musste, keine Frage, doch er nahm es unkommentiert hin.

''Das heißt...''

Tifa rieb sich erneut über die Arme, doch dieses Mal nicht vor Kälte.

''Er opfert die gesamte Stadt, wenn ihn niemand aufhält.''

Caith tappte ein Stück vor um sich an einer Gabelung kurz zu orientieren und den weiteren Weg einzuschlagen.

''Das ist doch Wahnsinn. Wie kann so ein Verrückter überhaupt bei ShinRa arbeiten?''

''Er ist ein überaus fähiger Wissenschaftler.''

''Der nichts als Scheiße produziert!''

Cids Stimme hallte laut von den Wänden wider.

''Er hat Fehler gemacht-''

''Er ist wahnsinnig! All die Menschenleben sind ihm egal.''

Tifas Bestürzung war nicht zu überhören. Und sie hatte vollkommen Recht. Erneut ließ Cloud seinen Blick zu dem sacht wehenden roten Umhang wandern.

~Sie sind ihm wirklich egal. Ich will gar nicht wissen, was er damals...~

Er schluckte und ballte die Hand zur Faust. Wenn er so darüber nachdachte, hatte auch er eine Rechnung mit Hojo zu begleichen. Er hatte es so gut es ging verdrängt, all die Erinnerungsfetzen, die falschen und doch echten hatten in seinem Kopf einen fast undurchdringlichen Schleier gebildet und die vergangenen fünf Jahre in den Hintergrund treten lassen. Fünf Jahre... was waren schon fünf Jahre gegen dreißig? Er unterdrückte ein tiefes Seufzen, als er Tifas Finger spürte, die sich um seine harte Faust legten.

''Alles in Ordnung?''

Er entspannte sie augenblicklich und ließ es zu, dass sie für einen Moment seine Hand hielt.

''Ja.''

Braune Augen bedachten ihn mit einem skeptischen Blick, der wusste, dass er nicht die Wahrheit sagte, aber es war nicht wichtig. Nicht für den Moment.

Hier in Midgars Untergrund war überhaupt nichts in Ordnung.
 

~
 

~''Nur noch ein bisschen.''~

Er versuchte die dunkle Stimme zu ignorieren, doch sie redete ohne Unterlass.

~''Ob er sich freuen wird, dich zu sehen?''~

Es war wirklich anstrengend.

~''Oh, ich bin mir ganz sicher. Der verlorene Sohn kehrt nach so vielen Jahren endlich zurück.''~

~Sei endlich ruhig.~

~''Warum sollte ich? Ich bin so gespannt darauf ihm endlich wieder zu begegnen. Und ich weiß, dass du auch nichts anderes willst. Seit 30 Jahren.''~

Vincent presste die Kiefer aufeinander, als Hojos Name fiel. Er musste ruhig bleiben, seine Gefühle kontrollieren, durfte keine Regung zulassen. Jeder noch so kleine Umschwung in dieser mühsam aufgebauten Fassade könnte sie augenblicklich zum Einsturz bringen.

~''Willst du spielen?''~

Ein leises, süffisantes Lachen erfüllte ihn und er konnte den Dämonen die Zähne fletschen spüren.

Alles, nur das nicht.

~''Sieh sie dir an. Sie wären so leichte Beute.''~

~Wag' es dich nicht.~

Klauen kratzten an seinem Inneren.

~''Warum nicht? Was liegt dir an ihnen? Wenn sie wüssten was du wirklich bist, glaubst du, sie hätten dich mitgehen lassen?''~

Das Säuseln der dunklen Zunge versuchte seinen Geist zu vergiften, als er den Blick der blauen Augen auf sich spürte. Ob Cloud sich wieder Gedanken machte? Er verschwendete eindeutig zu viel Zeit damit zu versuchen ihn zu ergründen. Es wäre besser gewesen, er hätte von Anfang an auf ihn gehört und sich ferngehalten. Dieses... etwas... was zwischen ihnen entstanden war...

~''Oh, ist es der Junge? Wir könnten ihn zuerst fressen. Sein Blut war köstlich.''~

Wieder dieses Lachen.

Vincent bemerkte, wie die Konturen der Umgebung langsam an Schärfe verloren.

Diesen Bastard in ihm unter Verschluss zu halten kostete ihn viel zu viel Kraft.

Doch er konnte, durfte nicht schwach werden.

Er würde sie alle in Gefahr bringen, er würde sie alle...

~''Töten? Warum stört es dich hier? Vor dreißig Jahren hat es dich nicht gestört. Nicht einen von ihnen hast du verschont.''~

~Halt dein verdammtes Maul.~

~''Weil ich Recht habe? Komm, lass uns nur ein bisschen spielen.''~

Er spürte das Leder seines Handschuhs knirschen, als er die Rechte krampfhaft ballte.

Wie lang war dieser verdammte Tunnel noch?



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