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Vis-à-Vis

von

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Metamorphose

Alles überflutender Schmerz zwang ihn in die Knie.

Vincent wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr geben würde.

All die vergangenen Tage, all die weiteren Beinahe-Ausbrüche, hatten ihn soweit geschwächt, dass er die zweite Seele in ihm mehr als nur deutlich durch seinen Körper pulsieren spüren konnte.

Der zweite Herzschlag, all der angestaute Zorn.

Und anders als in der Kristallhöhle, ließ er es einfach geschehen.

Er wehrte sich nicht weiter, denn er wusste, dass es aussichtslos war. Jede weitere Sekunde würde ihn nur unnötig quälen und im Anbetracht des vor ihm wütenden Fleischbergs, war es nicht die falscheste Entscheidung, die Kontrolle an Chaos abzugeben.

Als seine Knie die Plattform berührten und er die Augen schloss, brachen die großen Flügel mit brachialer Gewalt aus seinen Schultern empor und bildeten den Anfang der Metamorphose.

Sein müder Geist verlor sich im Strudel der anderen Seele und sehnte sich nach der süßen Betäubung.

~''Braver Junge. Dein Körper, mein Medium.''~

Das dunkle Lachen begleitete eine weitere Welle heißen Schmerzes, als sich seine Glieder verformten und dem Dämon in ihm die Gestalt verliehen, die seine Seele innehatte.

Halt suchend krallten sich seine Finger in das Gitter im Boden, als der dunkle Parasit ihn fast gänzlich verschluckte, um die volle Kontrolle zu erlangen.

Irgendwo tief in seinem Inneren rief eine Stimme seinen Namen, doch sie war zu leise, als dass sein geschwächter Geist sie hätte hören können.

Jetzt zählte nur noch eines.

Seine Rache.
 

Der metallene Boden ächzte leise unter der plötzlichen Mehrbelastung und erzitterte erneut, als das Monstrum, in welches Hojo sich gewandelt hatte, die schweren Arme darauf niedersausen ließ.

Es stieß einen unartikulierten Schrei aus, als es Chaos erblickte und riss die Extremitäten erneut in die Luft, um anzugreifen.

~''Monster gegen Monster. Es ist mir ein Fest.''~

Langsam löste er die Finger aus dem Gitter und ließ die Klauen emporschnellen, um sie tief in das herannahende Fleisch zu graben und ihn abzuwehren. Kraftvoll zog er sie beiseite und ließ die Arme auf dem Boden aufprallen.

Dann erhob er sich.

Das Wesen ging augenblicklich wieder zum Angriff über und schwang sein ganzes Gewicht in Richtung des Dämonen.

Mit gebleckten Zähnen und einem tiefen Grollen nahm er die Herausforderung an und stürzte sich mit einem kräftigen Flügelschlag auf seinen Feind.

Die Klauen gruben sich tief in die pulsierende Masse und begannen Stück für Stück blutige Fetzen aus der Gestalt zu reißen.

Dunkles Blut spritzte und strömte über ihn hinweg, als seine Finger den offenen Schnitt des Breitschwerts zu fassen bekamen und die sich bereits wieder schließende Wunde weiter aufrissen.

Der abnorme Körper heilte schnell, doch nicht schnell genug für ihn.
 

Ein grelles Kreischen drang an seine Ohren, als das Wesen zur Gegenwehr ansetzte und einen der massigen Arme um den, im Vergleich schmalen, Leib von Chaos zu wickeln und ihn kraftvoll an sich zu pressen.

Vincents Seele stöhnte in seinem Inneren leidvoll auf, als die Luft gewaltsam aus der Lunge des Dämonenkörpers gepresst wurde.

Heißes Blut rauschte wie wildes Wasser in seinen Adern.

Er hatte gehofft die Verwandlung würde ihn dieses Mal ganz verschlingen und von den Qualen befreien, doch sein Geist war, wenn auch tief verborgen, viel zu wach und konnte jede Empfindung viel zu genau spüren.

~''Ah, komm schon. Ohne den süßen Schmerz wäre es doch nur halb so wunderbar.''~

Ein dunkles Lachen durchzog ihn, bevor Chaos sich mit kräftigen Flügelschlägen und dem Einsatz der Klauen aus der unfreiwilligen Umarmung befreite.

Seine eigene arbeitete fast effektiver als die falsche aus Metall, doch beide bohrten sich wieder und wieder unbarmherzig in den Leib, bis sie auf kochendes Blut stießen und es nur allzu willig zu Tage förderten.

Mit dem frischen Blut kam der Gestank.

Süß und faulig strömte es aus den gerissenen Wunden und sammelte sich auf dem Boden unter ihnen zu einer glitschigen Lache. Mit jeder weiteren Bewegung verteilte das Monstrum die verdorbene Körperflüssigkeit und suhlte sie beide darin.
 

~''Wer hätte geahnt, dass unser Schöpfer eines Tages zu einer seiner eigenen Perversitäten verkommen würde.''~

Chaos leckte sich grinsend über die Lippen und verteilte den Geschmack des Blutes in seinem Mund.

Vincent wurde schlecht. Wenn er noch einen letzten Funken Kontrolle besessen hätte, er hätte es augenblicklich wieder ausgespien, doch der Dämon schluckte es in sadistischer Freude.

~''Genießen wir das Henkersmahl!''~

Und noch mit dem letzten Wort, rammte er Zähne und Klauen ein weiteres Mal in den Fleischberg, um sich grabend und beißend einen Weg ins Innere zu bahnen.

Grelle Schreie erfüllten die Luft und das Monstrum wand sich schmerzerfüllt unter der gnadenlosen Attacke.

Es war klar, wer hier der Henker und wer die Mahlzeit war.
 

~
 

''Ihr elendigen Bastarde! Na los doch, Bewegung! Bevor uns hier alles um die Ohren fliegt!''

Eine Gruppe schwer bewaffneter Infanteristen hielt Heidegger und Scarlet geschützt, als sie aus dem Mechakrieger kletterten und den Rückzug antraten.

''Damit kommt ihr nicht davon!''

Ein letztes Mal verschoss die aggressive Blondine ihr Gift, ehe sie im Geleitschutz verschwand.
 

Mit einem kräftigen Ruck zog Cid die Lanze aus der Metallverkleidung des Kampfroboters und ließ sie zu Boden fallen, ehe er selbst eilig nach einer ungefährlichen Abstiegsmöglichkeit suchte.

Er kletterte zur Hüftgelenköffnung und dankte der Leiterin der ShinRa Waffenentwicklung im Stillen dafür, das sie tatsächlich an schmale Sprossen für Wartungsarbeiten gedacht hatte.

So schnell er konnte, stieg er den bebenden Koloss hinab.

''Na los doch! Beeil dich!''

Barett trat ungeduldig auf der Stelle und hielt nach einer geeigneten Fluchtmöglichkeit Ausschau.

Sie hatten es geschafft den Mecha die Straße zurück auf den kleinen Platz zu drängen, ehe Cid die Klappen für die Kabelverteilung und Versorgung der Maschine ausloten konnte. Von einer Feuerleiter an einer Hauswand aus hatte er den Speer geworfen, um sich einen hauchdünnen Ankerpunkt zu schaffen, ehe er auf das Geländer geklettert und schließlich gesprungen war.

Seinem lautstarken Fluchen zu urteilen hatte er selbst nur halb damit gerechnet, dass er es tatsächlich schaffen würde.

Immerhin hatte er genug kühlen Kopf bewahrt, um sich unumwunden dem Verteilerpunkt zu widmen, die Klappe auszuhebeln und alles zu durchtrennen, was irgendwie wichtig aussah.

Dass er dabei einen Kurzschluss verursacht hatte, war zwar nicht geplant und nicht unbedingt die günstigste Variante gewesen, doch immerhin hatte es Scarlet und Heidegger zum sofortigen Abbruch ihrer Attacke gezwungen. Genau im rechten Moment, als die Verstärkung angerückt war.

''Scheiße man, weg hier!''

Mit einem letzten Sprung landete der Pilot auf dem Boden, griff nach seiner Waffe und stürmte auf Barret zu, der jetzt ebenfalls keine Notwendigkeit mehr darin sah, hier länger als nötig zu verweilen.
 

Noch bevor sie die schützende Häuserecke ganz erreichten, erfüllte ein Zischen und monotones Surren die Luft, ehe der erste der beiden Waffenarme barst.

Schlitternd kam Cid hinter Barret an der Hauswand zum Stehen und lehnte sich dicht daran, als eine kleine Druckwelle Metallteile an ihnen vorbei schoss.

''Minerva, das war knapp.''

Mit dem Arm wischte er sich Schweiß von der Stirn und rang hastig nach Luft.

''Aber sowas von.''

Barret ließ das Gehäuse seines Gewehrarms aufspringen und löste einen der Munitionsgurte, um ihn in die Öffnung einzuspeisen.

''Wir sollten keine Zeit verlieren. Vielleicht-''

Eine weitere Explosion schnitt ihm das Wort ab und beförderte größere Stücke des Mechas über das Gebäude hinweg.

''Klar.''

Cid lief los, sobald die Druckwelle vorüber war und steuerte wieder auf die Sister Ray zu, die sie in weiser Voraussicht hinter sich gelassen hatten.

Barret folgte ihm schnell.
 

''Was zum...?''

Angestrengt versuchte Cid auf den oberen Etagen des Gerüsts etwas ausmachen zu können, doch der Lärm der rauschenden Hydraulik und der Makoversorgungsschläuche schluckte fast jedes andere Geräusch und die Hochleistungsstrahler um die Kanone herum ließen die höhergelegenen Bereiche im Dunkeln verschwinden.

Einzig kleine Pfützen dunkler Flüssigkeit bedeckten den untersten Treppenabsatz und den Boden davor.

''Ist das Blut?''

Barret blieb neben ihm stehen, nur um ebenfalls einen Blick nach oben zu vergeuden.

''Sieht fast so aus. Los.''
 

~
 

~Hör auf. Hör auf!~

~''Na was ist denn? Schmeckt dir die Rache nicht so süß wie erhofft?''~

Vincent konnte es nicht mehr ertragen.

Der Gestank von fauligem Blut und viel zu schnell verwesendem Fleisch betäubte seinen Geist, ebenso wie die jammervollen Laute, die das zerfetzte Monstrum von sich gab.

Allein mit seinen, ihren, Klauen und Zähnen hatte Chaos den Feind regelrecht geschlachtet und schien noch immer keine Befriedigung gefunden zu haben, solange noch ein letzter Rest Leben durch die Masse zuckte.

Ein weiteres Mal grub er sich mit den Zähnen in dem Teil fest, der wohl Hals oder Brust gewesen war und biss ein Stück heraus, um es zu schlucken.

~Hör auf.~

Er folterte nicht nur ihren Feind, er folterte auch seinen Wirt und Vincent blieb keine Möglichkeit sich ihm zu entziehen. Vergeblich hatte er versucht seinen Geist in die Ohnmacht zu schicken, doch Chaos hatte ihn vehement daran gehindert.

~''Du wolltest diese Rache auch. War es nicht so?''~

Er wand sich in seinem metaphysischen Gefängnis und versuchte den Geruch und den Geschmack dieser Hinrichtung zu verdrängen.

~Nicht... so.~

Ein dunkles Lachen durchzog ihren Körper.

~''Doch. Genau so.'''~

Kraftlos wand sich das, was von einem der Arme des Monstrums übrig geblieben war um seinen Schenkel und versuchte ihn vergebens zu Fall zu bringen.

Langsam zog Chaos sein Bein aus dem laschen Griff und trat die Extremität zu Boden.

Als er die Klauen spreizte und zu einem weiteren Schlag ansetzte, durchzog ein heftiges Pulsieren die mittlerweile fast zur Unkenntlichkeit zerstückelte Masse.

Argwöhnisch beobachtete er, wie sich die Mutation zurückbildete und den schwerverletzten Körper des Wissenschaftlers wieder preisgab.

Mit einem Röcheln zog er sich die wenigen Schritte zum Computerterminal herüber, um sich mühsam daran emporzustemmen.

Wachsame Augen folgten seinem Weg.

~Was...~

~''Lass es uns besser gar nicht erst herausfinden.''~

Wie automatisch hatten die verbliebenen Finger angefangen etwas auf der Tastatur zu tippen, als Chaos mit einem Flügelschlag über ihm erschien, die Klauen tief in den nun so kleinen Schädel rammten und ihn mit voller Wucht auf das Terminal schlug.

Die Bildschirmanzeige stand bei 96%, als der letzte Herzschlag aus Hojos Körper verschwand.

Missmutig ließ Chaos den Kopf fallen, richtete sich auf und sah zum ersten Mal über die Seite der Plattform.

Ein Paar fluoreszierend grüner Augen blickte ihm entgegen.

~Nein!~

Der Dämon bleckte die Zähne.

~''Oh, kennt er endlich dein kleines Geheimnis.''~

Vincents Seele schrie stumm auf.

Wie viel hatte er gesehen?

Selbst wenn... er brauchte jetzt nur noch eins und eins zusammenzuzählen.
 

Cloud kniete gegen das Geländer gelehnt auf der Stelle, an die Hojos mutierter Körper ihn geschleudert hatte.

Seine Hand umklammerte fest das Metall, um ihm einen Gegenpol zu seinem rasenden Herzschlag zu geben.

Hatte er das wirklich gesehen?

Seine Gedanken hatten in seinem Kopf die offensichtlichen Verbindungen schneller geknüpft, als er mit dem Begreifen eben dieser hinterher kam und doch war er erschrocken über das, was sich nur wenige Meter vor ihm abgespielt hatte.

Die sonderbare Angst in den Augen, die seltsamen Anfälle, die breiten Narben auf den Schultern.

Das Monster aus der Kristallhöhle... es war Vincent selbst.

Er war aus seiner Benommenheit erwacht und das erste, was er gesehen hatte, waren die zwei gewaltigen Schwingen, die aus dem Rücken des Schützen hervorgebrochen waren.

Ihnen folgte der Rest und danach...

Cloud schluckte trocken.

Vincent... das Monster hatte nicht gegen Hojo gekämpft. Es hatte ihn schlicht und ergreifend abgeschlachtet. Wie besessen und... wie es den Anschein machte, mit einer bizarren Freude daran.

Ein Schauer durchfuhr ihn, als sich die scharfen Augen der Bestie auf ihn richteten.

Unweigerlich musste er sich fragen, wie viel von diesem Monster noch Vincent war.

Erkannte er ihn?
 

Aufmerksam musterte Chaos den anderen.

~Tu das... nicht.~

~''Was, willst du mich etwa aufhalten?''~

Ein dunkles, gieriges Lachen versetzte Vincents Seele in alarmierte Unruhe.

Langsam tat er einen Schritt auf Cloud zu.

~''Du hast ihn mir so oft verwehrt und mein Durst ist bei weitem nicht gestillt.''~

Verzweifelt begann Vincent seine letzten, verbliebenen Kräfte zu mobilisieren, doch er musste schnell feststellen, dass nicht mehr viel davon übrig war.

Die Verwandlung dauerte zu lange an, Chaos war zu stark.

~''Du weißt doch, die verbotenen Früchte schmecken am süßesten. Lass mich auch mal kosten.''~
 

Angespannt drückte sich Cloud am Geländer in die Höhe und versuchte verzweifelt auszumachen, ob sein Gegenüber Freund oder Feind war.

Es tobte nicht und war weit ruhiger, als in der Nacht in der Höhle, doch das musste nichts heißen.

Wenn er allerdings ehrlich zu sich war, hoffte er inständig, dass genug von Vincent übriggeblieben war, dass die Situation hier nicht eskalierte.

Dennoch sah er sich hastig um.

Er fand sein Schwert auf halbem Weg zwischen ihnen, ein Stapel Gerüststangen etwas weiter in seiner Nähe.

Im schlimmsten Fall würde er...

''Cloud? Was zum... verdammte Scheiße!''

Irritiert zuckte sein Blick zum Treppenaufgang, auf dem Cid erschien.

''Cloud, was-''

''Bleib weg!''

Er wusste nicht, was er tun sollte. Die wachsamen Augen seines Gegenübers durchbohrten ihn mit einer Intensität die viel zu schnell, viel zu unangenehm wurde, als er dazu ansetzte, das verbliebene Stück Weg zwischen ihnen zu überbrücken.

Seine Gedanken überschlugen sich und rechneten die Chancen einer direkten Konfrontation aus, als er aus dem Augenwinkel etwas aufblitzen sah, just in dem Moment, indem sich die Flügel mit einem Rauschen erhoben und das Biest zum Sprung ansetzte.

''Cloud?!''

Er drehte den Kopf und entdeckte Barret.

''Was... Nein, nicht!''

Im Affekt stieß er sich von der Brüstung ab und schnellte einen Schritt vor, noch bevor er die Sinnlosigkeit seines Handelns begriff.

Mit einer kleinen Stichflamme verließen die Kugeln den Gewehrarm und rissen Chaos in vollem Sprung aus der Luft.

''Vincent!''



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