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All You Deliver

von

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On The Verge Of Ruin

 

 

Dem blonden Trottel im Fernsehen wurde keine Chance mehr gelassen, zum Sprechen anzusetzen, da das Programm mit knappem Zappen schon gewechselt wurde.

Zwar konnte man Aomine Daiki nicht gerade als den herzlichsten Soap-Fan bezeichnen, aber in diesem Moment war ihm selbst dieser Schund lieber, als den Lebenserfolg seines früheren Teamkameraden unter die Nase gerieben zu bekommen. Nicht, dass er sich sonderlich mit den Gedanken über sein Leben beschäftigte, aber in Anbetracht dessen, dass es wohl jeder aus der Generation der Wunder zu etwas gebracht hatte – und sei es auch nur eine ordentliche Familie zu gründen – wurde Daiki damit konfrontiert, dass er versagt hatte.

 

Einige Augenblicke lang hielt er es noch aus, mit ausgestelltem Ton die dramatischen Tiefen der Seriencharaktere unverwandt zu verfolgen, da schlich sich auch schon ein müdes Gähnen aus seinem Mund.

Wenn er so die Vergangenheit revuepassieren ließ – er lehnte sich dabei einem Sack Kartoffeln gleich auf der Couch zurück – bekam er fast schon Lust, mal wieder die Oberfläche eines Basketballs an den Fingern zu fühlen, doch allein bei dem Gedanken daran, konnte sich Daiki kein genervtes Seufzen mehr verkneifen. Es müsste schon Jahre her sein, seit er das letzte Mal gespielt hatte. Ein Wunder, dass er körperlich noch ziemlich fit aussah, wenn auch weniger muskulös als früher. Die Ausdauer ließ sicherlich auch zu wünschen übrig.

 

Vielleicht lag es an Akashis Beruf, dass das frühere Ass der Generation der Wunder von den Medien nicht weiter bedrängt wurde. Die große Geheimniskrämerei, was Daikis 34. Lebensjahr anging, war aber in erster Linie auf seinem eigenen Mist gewachsen. Nicht, dass er sich schämte, oder Ähnliches – er hatte bloß keine Lust, sich mit Unterlagen, Interviews und sonstigen Lappalien auseinanderzusetzen. Deswegen hatte er das Ganze schnell unterbunden, als sich ein Reporter bei ihm gemeldet hatte. Dass es da auch nicht viel zu erzählen gab, hatte er allerdings verschwiegen und am Telefon einfach aufgelegt, als der Reporter ihn versuchen wollte, doch noch dafür zu begeistern.

Tja – was hätte Daiki ihm auch erzählen können?

Den Grund, warum er die Oberschule damals abgebrochen hatte? Oder dass er sich mit einem mickrigen Job in einer Pizzeria über Wasser hielt, um seine Miete bezahlen zu können? Oder sollte er lieber erzählen, dass seine nächtliche Geliebte schon jahrelang seine rechte Hand war, weil sie sich nicht darüber beschwerte, dass er zu wenig Zeit fürs Vorspiel nahm? Na ja, und weil er sich nicht die Mühe machen wollte, jemanden aufzureißen …

Darauf wären viele Fragen wie „warum?“ und „weshalb?“ vom Reporter gekommen, aber gerade das war etwas, womit Daiki sich auseinanderzusetzen weigerte.

Er hatte sich noch nie viel im Leben vorgenommen. Damals war er ja doch nur ein Basketballfreak gewesen und wollte eigentlich groß herauskommen, aber diese Ziele scheiterten genauso wie seine groß geschwungenen Reden davon, dass er eines Tages Mai-chan heiraten würde – das Modelidol mit großem Vorbau und Liebe seiner feuchten Träume.

 

Daikis Blick glitt träge durch den Raum und blieb auf dem verstaubten und vermutlich inzwischen schlappgewordenen Basketball hängen, der auf einem Regal den obersten Platz zierte. Gleich neben einer uralten Auszeichnung für ein vortreffliches Match damals in der Oberstufe.

Vielleicht sollte er doch noch mal rausgehen und ein paar Körbe werfen. War doch besser, als hier in kompletter Untätigkeit zu versinken, oder nicht?

Daiki seufzte und erhob sich mühselig von seinem Platz, um nach einer Ballpumpe irgendwo in den Untiefen einer Schublade zu suchen.

 

Man konnte getrost annehmen, dass gerade Kise Ryōta Daiki an dem heutigen Samstag mitten im ausnahmsweise sonnigen November dazu gebracht hatte, sich doch nochmal aufzuraffen, das Haus zu verlassen. Immerhin war dieser Blondschopf früher derjenige gewesen, der ihm hinterhereiferte, stets darauf bedacht, ihn zu übertreffen. Dass es nun überall sonst, außer wahrscheinlich beim Basketball der Fall war, hatte in Daiki irgendeinen unbefriedigend sensiblen Nerv getroffen, der ihm einfach keine Ruhe lassen wollte. Und das nicht einmal, wegen der Tatsache des Erfolges an sich. Nein – viel eher flackerte da dieses eine Treffen auf dem Rummel in Daikis Kopf auf.

Kise war glücklich wie ein Honigkuchenpferd; hatte alles, was man brauchte und dazu auch noch gute Verhältnisse mit Freunden, die er im Gegensatz zu Daiki nicht vernachlässigte. Genauer genommen konnte man nicht einmal sagen, dass Daiki Freunde hatte. Da war vielleicht Satsuki, die sich jedoch ganz ins Familienleben mit Tetsu gestürzt hatte und daher auch nicht mehr die Energie aufbringen konnte, sich um ihren Sandkastenfreund zu kümmern. Er war ihr deshalb auch nicht böse.

Ab und zu besuchte Daiki seine Mutter in der betreuten Wohngemeinschaft, wo es ihr prächtig zu gehen schien. Und dann waren da noch äußerst selten kleine Treffen mit Kagami Taiga, der inzwischen bei seinem Training in der Nationalmannschaft viel zu tun hatte.

Zugegeben – irgendwie hatte Daiki das Gefühl, ziemlich einsam zu sein, auch wenn er wusste, dass er es selbst zu verantworten hatte. Schließlich war er es, der früher wenig Initiative zeigte, mit irgendwem im Kontakt zu bleiben.

 

Jetzt war es wahrscheinlich auch viel zu spät dafür.

 

 

Der Basketballplatz um die Ecke im kleinen Park war nicht besonders herausstechend durch seine Gepflegtheit. Man würde eher sagen, dass er ziemlich verwahrlost war und dringend eine Sanierung gebrauchen könnte. Die Netze waren schon teilweise abgerissen und die Farbe an den Metallbrettern abgerieben. Auch die Linien auf dem Boden waren kaum mehr zu erkennen, aber das würde schon für ein paar Körbe reichen, dachte sich Daiki mit einem matten Seufzen.

Er betrat den Innenraum des peripheren Gitters, stellte seine mitgenommene Trinkflasche an den Rand des Spielfeldes und zog den Reißverschluss seines Sweatshirts auf, um es dann auszuziehen.

Der Platz war nicht leer. Ein paar Kids kickten jubelnd einen Gummiball hin und her, ließen aber noch genügend Raum für ein Streetball-Spiel auf der gegenüberliegenden Seite, wo ein kleiner Junge gerade vergebens versuchte, die Korbstange hinaufzuklettern, um seinen steckengebliebenen Basketball runterzuholen. Mit einem knappen Wurf erledigte Daiki es kurzerhand für den Knirps und der Ball hopste davon, während der von Daiki vom Ring abprallte, um wieder aufgefangen zu werden. Viel mehr Aufmerksamkeit gab es seinerseits allerdings nicht, obwohl der Junge ein „Thanx!“ verlauten ließ, während er die Stange runterrutschte und seinem flüchtenden Spielzeug anschließend hinterherlief.

Daiki konzentrierte sich jetzt auf den Korb, machte ein paar Würfe, von denen jeder selbstverständlich reinging, aber nur so vor Lieblosigkeit strotzte, und stellte dann fest, dass es ihm absolut keinen Spaß machte. Natürlich hatte er es sich auch nicht erhofft, aber dass nicht einmal ein einzelner Funke von Begeisterung in ihm aufblitzte, war schon sehr frustrierend. Deswegen nahm sich Daiki vor, noch zehn Mal zu treffen, ehe er sich auf dem Weg nach Hause irgendwas zu Essen besorgen würde.

Nach sieben Körben wäre ihm sein Vorhaben auch geblieben, wenn da nicht der kleine Junge wieder aufgetaucht wäre, der mit unschlagbarem Ehrgeiz jeden weiteren von Daikis Wurfversuchen vereitelte. Es war, als würde die Rotzgöre absichtlich immer dann werfen, wenn er es tat, und auch exakt so, dass es seinen Ball vom Korb verdrängte.

„Mann!“, brummte der inzwischen ziemlich genervte Daiki unzufrieden in Richtung des kleinen Jungen „Drei Körbe, okay? Ich will diese dämlichen drei Körbe machen, mehr nicht, verdammt nochmal.“ Aber dann bemerkte er das freche Grinsen des Burschen und wusste sofort, dass es tatsächlich dessen Absicht gewesen war.

„Versuch‘ doch trotzdem zu treffen, Onkelchen!“, rief ihm der Junge mit begeisterter Dreistigkeit zu und Daiki fühlte sich dezent verarscht. – Von einem dummen, kleinen Frechdachs, dessen Mama gestern einen Gutenachtkuss zu wenig verteilt haben musste.

„Zieh‘ Leine“, zischte Daiki zur Antwort und setzte wieder zum Wurf an. Allerdings wurde der Korb auch dieses Mal geblockt.

 „Sag mal, hackt’s?! Gleich hast du den Ball in der Fresse, wenn du das noch einmal machst!“ Für seine Vorliebe für kleine Kinder war Daiki alles andere als berüchtigt. Aber noch weniger konnte er es ab, von Kleinkindern auf den Arm genommen zu werden. Nur, dass es auch mit dem nächsten misslungenen Wurf kein Ende nehmen wollte.

„So, jetzt reicht‘s“, sagte Daiki mit kalter, bedrohlicher Stimme. Er war noch nie der Meister großer Geduld, stand aber zu seinem Wort, wenn es sich um eine Drohung handelte. Er holte aus und schmetterte den Ball rücksichtslos (wenn auch nicht so stark, dass es dem Bengel das Gehirn aus der Rübe pusten würde) in Richtung des kleinen Kopfes. Damit, dass der Junge den Ball aber souverän fangen würde, hatte Daiki nicht gerechnet. Zwar musste der Kleine von der Wucht des Wurfes einen Schritt nach hinten machen, aber er hielt den Ball fest und sicher mit beiden Händen auf. Das zum Vorschein kommende Gesicht mit einem fast schon fröhlichen Frechdachsgrinsen ließ eine von Daikis Augenbrauen in die Höhe wandern.

 

War es Zufall, oder erinnerte der kleine Junge ihn an irgendwen?

 

„Wenn du mich loswerden willst, musst du mir erst zeigen, wie du die Dreipunktwürfe machst!“, gab der Kleine rotzfrech von sich und schritt auf einmal vollkommen furchtlos auf Daiki zu, der nicht ganz wusste, was er davon halten sollte.

Völlig überzeugt von sich, blieb der Junge vor ihm stehen und reichte ihm den Ball.

„Nenn mich Hiro“, stellte er sich gleich vor, ohne darauf zu achten, dass sein Gegenüber schon zum „Hey, das interessiert mich nicht!“ angesetzt hatte, und nachdem der Ball sich wieder in Daikis Obhut befand, streckte der Junge doch tatsächlich sein kleines Fäustchen für eine Bro-Fist aus. „So werden mich auch die Leute nennen, wenn ich der größte Basketballer aller Zeiten geworden bin!“

Pause.

 

Was hatte der Junge da gerade gesagt?

 

Und dann konnte Daiki einfach nicht anders, als laut loszulachen und statt die Bro-Fist zu erwidern, Hiro erst einmal ordentlich gegen die Stirn zu schnipsen.

 

Wirklich – er wurde das Gefühl nicht los, als würde er diesen Jungen irgendwoher kennen.

 

„Aua!“ Schmollend rieb sich Hiro die Stirn. „Was ist so witzig daran?“

„Du, Rotzgöre, willst Basketballer werden? Ist dir überhaupt klar, dass du dafür erstmal mindestens anderthalb Meter wachsen musst? Du gehst mir noch nicht mal bis zum Nippel. Wie alt bist du, fünf, sechs?“

„Ich bin zehn! Und ich trinke auch ganz viel Milch! Und meine Korbleger sind einwandfrei!“

„Ja, ja, what ever.“ Daiki wank ab und seufzte theatralisch genervt. „Lass mich meine letzten drei Würfe machen und üb‘ dann deine Korbleger, sonst tust du dir noch weh und bringst deine Mama zum Weinen.“

„Dafür, dass deine Spiele früher echt cool waren, bist du aber echt ein alter, frustrierter Sack geworden!“, sagte Hiro, ohne auf die Beleidigung einzugehen.

Daiki hielt inne. Diese Aussage erzürnte ihn genauso, wie sie ihn überraschte.

„Noch irgendein letzter Wunsch, bevor deine Überreste vom Krankenwagen abgeholt werden?“

„Nö“, antwortete die Kröte trotzig, „von so ‘nem Vollpfosten brauch‘ ich mir nichts zu wünschen. Und ich dachte noch, du wärst cool.“ Damit drehte sich Hiro um und schlug die Richtung zu seinem eigenen Ball ein. Aber für Daiki war es damit nicht gegessen. Viel mehr wallte sich in ihm die Neugierde auf, woher dieser Knirps seine Spiele kennen konnte. Immerhin waren sie schon eine ganze Weile her. Um genau zu sein – verfluchte 15 Jahre! Der Kleine war damals noch nicht einmal auf der Welt!

 

„Du bluffst doch!“ Er ließ seinen Ball auf den Boden fallen und davonrollen.

„Nope – du bist dieser Aomine Daiki. Das Ass der Generation der Wunder. Ich informiere mich eben. “, erwiderte der Junge und man konnte deutliche Enttäuschung in seiner Stimme höre. Daiki hatte zwar schon lange kapituliert, einen Scheiß darauf zu geben, wenn jemand von ihm enttäuscht war, aber das hier ging nicht spurlos an ihm vorbei. Hiro löste wahrlich ein seltsames Gefühl in ihm aus.

„Sag mir nicht, du schaust dir den uralten Teikō-Schund an! Guck lieber die JBA, wenn dich Basketball wirklich interessiert. Oder zumindest den aktuellen Winter Cup.“

„Mach ich ja auch, aber ich werde halt auf die Teikō gehen und da darf ich mich ja wohl mit den Hintergründen beschäftigen.“

„Was denn, Teikō Junior High?“ Ein seltsam nostalgisches Gefühl machte sich in Daiki breit. Der Groll auf den Jungen verflog irgendwie nach und nach.

„Ganz genau. Am Tag der offenen Tür haben sie die Videos gezeigt und seitdem will ich auf jeden Fall dahin.“ Hiro hob seinen eigenen Basketball auf und begann ihn zu dribbeln, ohne noch länger auf Daiki zu achten. Offenbar hatte er den Spaß daran verloren, ihn zu piesacken. Aber entgegen jedweder Erwartung war Daikis Neugierde geweckt. Zumindest ein kleines Bisschen.

„Fehler Nummer eins“, sagte dieser und seufzte dann mit einem gequälten Laut, „glotz‘ nicht die ganze Zeit auf den Ball.“

„Spinnst du? Das weiß ich doch!“, zischte der Junge, aber eher er weiterdribbeln konnte, hatte Daiki ihm den Ball mit Leichtigkeit gestohlen.

„Dann setz‘ das auch um, Idiot“, knurrte er, während er, ohne wirklich hinzusehen, einen Korb warf. Der Ball fegte durchs kaputte Netz und als sich Daiki wieder Hiro zuwandte, sah er, wie sich etwas in dessen Blick aufgehellt hatte.

„Das Dribbeln musst du im Schlaf beherrschen, also üb‘ das jeden Tag von mir aus stundenlang. Und was das Werfen angeht“, fuhr er unbeirrt fort, „ich plane so was nicht. Ich bin kein Stratege“

„Echt?“, fragte Hiro plötzlich wieder unglaublich begeistert.

Daiki verdrehte die Augen. „Du bist eh noch nicht so weit, um groß Körbe zu werfen, wenn du noch nicht einmal die Grundlagen aus‘m Stehgreif beherrschst.“

„Doch! Klar, beherrsche ich die! Ich habe nur nicht damit gerechnet-“, fing der Kleine an, wurde aber von Daiki unterbrochen.

„Pft – glaubst du allen Ernstes, dass im Spiel jemand drauf warten wird, bis du nen Geistesblitz hast?“, erklärte er und fühlte sich irgendwie, wie ein alter, weiser, aber viel zu cool geratener Lehrmeister einer Kampfkunst, dem bloß nur noch der lange, weiße Bart fehlte, den er bedeutungsschwanger zwirbeln konnte.

„Aber-“

„Kein ‚Aber‘ – einfach mal die Klappe halten“, fügte er noch hinzu. „Versuch jetzt mal ‘nen Korb.“

Hiro wollte sich schon in Bewegung setzen, um seinen Ball zu holen, der wieder einmal den Abgang in irgendeine beliebige Richtung gemacht hatte, aber Daiki ließ ihn nicht passieren. Genauso wie beim nächsten und auch dem übernächsten Mal.

„Fehler Nummer zwei – nicht zögern“, kommentierte er und blockte Hiro nach allen Regeln der Kunst. Da er mindestens drei Köpfe größer war als der Junge, war das kein sonderlich schwieriges Unterfangen.

„Ich setze immer auf Geschwindigkeit und Flexibilität, wenn ich spiele. Und das mache ich nicht, indem ich lange rumüberlege, sondern mich auf meine Reflexe verlasse. Deshalb musst du sozusagen mit deiner Umgebung verschmelzen. Jeden Freiraum nutzen.“ Bevor er jedoch groß weiterreden konnte, hatte sich der Kleine prompt geduckt und kroch zwischen Daikis Beinen durch, um schnellstmöglich zum Ball zu gelangen. Etwas verwundert sah er, wie Hiro voller Stolz mit dem Ball und einem zufriedenen Grinsen wieder zu ihm angerannt kam. „Okay, gut.“ Daiki massierte sich genervt die Schläfen mit Zeigefinger und Daumen einer Hand. „Der Gedankengang ist nicht unbedingt verkehrt, die Körpergröße als Bonus zu nutzen, aber wenn du später mal mindestens eins siebzig bist, wirst du das nicht mehr so einfach machen können. Besonders nicht, wenn dich drei Kerle auf einmal decken.“ Hiro war schon dabei, sich für einen Dreier-Wurfversuch aufzustellen, da kam von Daiki bereits das nächste Seufzen.

„Fehler Nummer drei – was ist das denn bitte für ‘ne Ballhaltung? Sind wir hier im Kindergarten, oder was? Bullshit – schon in der Krippe lernt man heute, wie man’s richtig macht. Talentloser Bengel.“

Lustigerweise erwiderte Hiro darauf keineswegs beleidigt, sondern ließ sich von Daiki konzentriert in die richtige Stellung bringen und warf dann den Ball aus der veränderten Position in Richtung Korb. Als er reinging, sprang der Junge vor Freude in die Luft!

„Er war drin, er war drin! Hast du das gesehen?!“

„Ja, ja, mach mal halblang. Im Spiel wird dich keiner erstmal richtig aufstellen, klar? Üb‘ das also, wenn du-“ Bevor Daiki weitersprechen konnte, landete ein weiterer Ball im Korb und als sie beide aufschauten, bemerkten sie, wie eine Gruppe Jugendlicher von geschätzt 16 oder 17 Jahren das Spielfeld betrat.

„Wie rührend, und jetzt verzieht euch, wir wollen mal ein ernsthaftes Spiel spielen“, sagte einer der Ankömmlinge, welcher mittig der siebenköpfigen Bande vorweglief. Seine Kumpels lachten auf und Daiki konnte nicht anders, als wieder genervt zu seufzen. War die Jugend von heute immer so drauf?

„Na los – ihr könnt euer Training ja im Sandkasten fortsetzen. Hier wird jetzt professionell gezockt, klar?“, meldete sich ein anderer Bursche zu Wort.

„Professionell, ja?“ Daiki lachte auf, während er sich so die für Basketballer viel zu schmächtigen Gestalten ansah. „Sicher, dass ihr nicht selbst den Platz verwechselt habt? Die Qigong-Anfänger halten sich im westlichen Teil des Parks auf.“

„Alter, ich sag’s nicht nochmal. Verpisst euch, aber ‘n bisschen plötzlich!“, hörte man wieder den ersten Typen, der jetzt an Daiki herantrat und sich vor ihm aufbaute, ohne Erfolg, größer zu wirken. Hiro stand etwas eingeschüchtert neben seinem selbsternannten Sensei und bekam kein Wort raus. Vermutlich war es nicht das erste Mal, dass diese Jungs hier auftauchten und den Platz mit ihrer übermäßigen Coolness für sich beanspruchten.

„Und was, wenn nicht? Ziehst du dir dann den Stock aus’m Arsch, um mich damit zu verdreschen?“

„Sieh einer an, da versucht ein Opa einen auf cool zu machen! Tse, ich brauch keinen Stock, um dich fertig zu machen!“, knurrte der Typ mit aufsteigender Aggressivität.

„Nicht?“, fragte Daiki scheinheilig, obwohl man aus seiner Tonlage deutlich heraushören konnte, dass ihm die Bezeichnung ‚Opa‘ nicht gefiel. Er war noch lange davon entfernt so alt zu sein, verdammt nochmal! „Dann klären wir das doch mit ‘ner kleinen Partie. Sieben gegen einen – wird für euch, Pro‘s ja nicht so schwer sein, oder?“

In Wirklichkeit war sich Daiki da nicht so sicher, ob er es mit ganzen sieben Typen (auch wenn sie mehr grün hinter den Ohren waren, als alles andere) problemlos aufnehmen könnte, aber irgendetwas reizte ihn daran es einfach zu versuchen. In seiner Blütezeit wäre das ein Kinderspiel gewesen. Jetzt hingegen, nach jahrelanger Pause, wusste Daiki nicht so recht, ob er es noch genauso draufhatte wie früher, und das war der Grund, weshalb es ihn anfing heftig in den Fingern zu jucken.

Schon immer war es so gewesen – Herausforderungen waren ganz sein Ding.

Die Truppe ihm gegenüber lachte ausgiebig über diese schiere Selbstüberschätzung und irgendwas in Daiki schrie geradezu danach, sie ausgerechnet deshalb in Grund und Boden zu stampfen; sich wieder zu beweisen.

„Na, was meint ihr, Jungs – machen wir dieses Großmaul noch fertig, bevor wir loslegen?“

Gegenseitiges Einvernehmen unter den Jugendlichen.

„Nice!“, sagte Daiki mit vorfreudigem Grinsen. „Hiro hier wirft den Tip Off. Ich will ja schließlich, dass es fair bleibt und ihr auch ‘ne Chance habt.“

„Pft, für wen hältst du dich – Michael Jordan, oder was?“

„Weniger reden, mehr spielen, ihr Banausen. Wer zuerst drei Körbe wirft, gewinnt.“ Schon bedeutete Daiki Hiro, seinen guten alten Lederball zu holen und ging selbst zur Mitte des Feldes.

Die Bande positionierte sich um den Herausforderer und der Größte von ihnen stellte sich ihm gegenüber auf. An ihrer Seite stand etwas verschüchtert Hiro mit dem Ball bewaffnet und schien etwas unsicher darüber, ob er ihn überhaupt hoch genug werfen konnte. Aber genauso hatte er das Gefühl, Teil von etwas Spannendem zu sein, weshalb er keine Anstalten machte, den Schwanz einzuziehen.

 

Ja, der Junge erinnerte Daiki definitiv an jemanden.

An jemanden, den er früher ziemlich gut kannte.

 

Nämlich an sich selbst.

 

Mit einer Hand wuschelte er über Hiros Kopf und grinste ihn überlegen an. „Sieh gut zu, Rotzgöre, vielleicht lernst du ja was“, sagte er noch, während er die Hand zurückzog und kaum hatte er es getan, lächelte Hiro aufgeregt, zählte begeistert bis drei, um dann den Ball in die Höhe zu werfen und das Spiel zu starten.

 

 

 

 



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