Der Ton, für dich zuhause dem Feuer nah
Sorgenlos das Wetter genießen, während man den frischen Duft der Frühlingssaat in halbwarmen Temperaturen bei einer kleinen Runde Shogi gegen sich selbst am üblichen Ort bemerkt und nur für den Augenblick inne hält, die Augen schließt. Im nächsten Moment bannten die kleinen Narzissen mit den weißen Blüten und der orangenen Mitte seinen Blick, da sie ihn durch die farbliche Struktur an das Laster seinen alten Sensei erinnerten, dem Aussehen einer Zigarette. Gedanklich prohezierte Shikamaru zwar oft das Bild eines lächelnden Asumas, doch die Blumen ließen ihn schmunzeln. Selbst so etwas erinnerte ihn schon daran, wie nervig. „Schatz?“
Shikamaru horchte auf, erwachte aus dem Fluss der Erinnerungen und stand gemächlich aus dem Schneidersitz vom Holzdielenboden auf. Sein Shogispiel musste wohl warten. Genervt kratze seine Hand am minimal kraus wirkenden Bart, während er langsam den zum Garten offenen Flur des japanischen Hauses entlang schlenderte, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Was sie wohl wieder wollte? Shikamaru seufzte vorausschauend. Lieber hätte er weiter Shogi gespielt und der Brise des so friedlichen Frühlings gelauscht, im Wechsel von Sonne und Wolken, von Stille wie Spannung. Von weitem vernahm man die belebte Stimmung der Stadtmitte. Immerhin war heute Wochenende, kein Wunder also. Schlurzend bog unser mittlerweile bald dreizig Jährige, dafür aber immer noch miesepetrige Yonin um die Ecke in den Rumpelraum des Hauses.
„Was gibt's Temari? Ist was passiert oder so? Sag bloß nicht, dass da wieder eine Spinne ist, sonst rufe ich Shino an, der holt dann alle auf einmal raus.“
Sarkastisches Witzeln gehörte natürlich trotzalledem immer noch zum Standardrepertoire des Strategen. Seine Frau Temari entließ ein gekünsteltes, aber doch irgendwie amüsiertes lachen.
„Ach Nein. Sieh mal hier, was ich ganz hinten in der letzten Ecke gefunden habe. Schau mal.“
Shikamaru pfiff erstaunt über den überraschenden Fund. Die blonde Schönheit hielt ihm eine alte, leicht eingestaubte hellhölzernde Westerngitarre unter die Nase, woraufhin Shikamaru einmal niesen musste wegen des aufgewirbelten Drecks.
„Wem die wohl gehörte? Zumindest fällt mir auf Anhieb Niemand bestimmtes ein.“ Ihm traf der Gedanke wie ein Blitz. Hatte nicht früher Asuma mal erzählt, dass er mal den Versuch wagte ein Musikinstrument zu lernen, jedoch nach einer Woche bereits aufgab? Shikamaru lächelte, welch Zufall. Vorsichtig nahm er seiner Ehefrau das schon bei Berührung Töne erzeugende Werkzeug aus den Händen und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, was sie verwundernd erröten ließ.
„Mich nervt zwar dein dauerndes Geputze, doch dieses Mal war es doch ganz nützlich. Hab Dank.“
Er wuschelte ihr nach dem Kuss einmal durch das offen liegende Haar, welche ihm nebenbei so viel besser gefielen als ihre vier klassischen Zöpfe.
„Du kleiner Sittenstrolch willst doch nur wieder extra viel Essen heute Abend.“
„Du kommst wohl langsam hinter meine Tricks, echt schade.“
Temari seufzte schmunzelnd.
„Bist wohl doch nicht so schlau wie du denkst, was?“
Shikamaru lachte amüsiert und machte eine Kehrtwendung zum Gang zurück, die Gitarre dabei fest im Griff und mit der anderen Hand Temari sowohl 'bis später' als auch ein 'jaja' wünschte.
„Wenn du meinst, ich freu mich schon aufs Abendessen. ~“
Temari verzog nur das Gesicht zu einem Ausdruck, dass er sich wohl nie ändern würde, denn genau war er genau der, den sie liebt. Jeden Tag aufs Neue, Shikamaru ebenso. Manchmal nervte es ihn sogar garnicht, verheiratet zu sein! Bei dem Gedanken kicherte sie leise für sich selbst, einen Moment der Liebe ihrer Seele.
Shikamaru nahm wieder beim Shogispiel Platz, sein neues Instrument gründlich betrachtend.
„Sieht noch spielbar aus...“
Wie ein Rehkitz seine ersten Schritte torkelt, so zupfte Shikamaru zimperlich alle Saiten durch, was sehr gewöhnungsbedürftig klang zum Anfang. Zumindest musste er nichts nachstimmen, welch Glück. Bis ihm einer der mittleren Töne auffiel, leicht verzogen und tief kratzend. Er lachte. Er lachte laut wie seit langem nicht mehr. Temari kam ebenfalls dazu, als sie das Gelächter wahrnahm, denn das kam selten vor.
„Was ist so witzig? Dass du so lachst, da muss der Hokage ja in Shorts am Fahnenmast hängen.“
Bevor der weiterhin lachende Gatte antworten konnte, musste dieser sich erst eine Träne aus dem Gesicht wischen, die von der Belustigung sowie der Erinnerung gleichzeitig stammt.
„Hör mal...“
Ein weiteres Mal zupfte Shikamaru an der verzogenen Saite und lachte wieder, doch Temari verstand den Sinn nicht
„Das versteh ich nicht. Was belustigt dich an dem Ton?“
Wegen eines Tones? Shikamaru amüsierte keinesfalls der Ton allgemein, nein. Eher das Gefühl, dass ihn begleitete.
„Nun ja, stimmt. Du kanntest Asuma ja nicht so gut wie Ich. Dieser Ton, er... er klingt einfach genau wie er, weißt du. Nicht zu hoch, anders als alle anderen und mit einem rauchigen Nachhall, genau wie in meiner Erinnerung. Noch nie hatte ich das Gefühl, ihm seit seinem Tod wieder so nahe zu sein...“
Temari kannte die 'alten Wunden' seiner Seele, weshalb sie einen Shogistein bewegte, um ihn wieder aufzumuntern.
„Wie wärs, wenn du lernst, es zu spielen?“
Keine schlechte Idee, Shikamaru machte große Augen. Ihm gefiel die Idee. Wenn sein Sohn irgendwann von der Schule käme, würde er dann etwa solchen sentimalen Unsinn sagen wie diesen zu ihr.
„Das werde ich machen. Weißt du, mir gefällt die Vorstellung. Dass mich dieser rauchige Ton darauf brachte, es spielen lernen zu wollen. Später dann bringe ich es meinem Sohn bei und so erhält Asuma über den Tod hinaus einen neuen Einzug in meine Familie. Verdammt, das klingt rührselig, beinahe nervig.“
Sentimentale Zukunftsvorstellungen gehörten ebenfalls zu dem Teil, den Temari an ihm so liebte. Nur wenige Shinobi konnten so romantisch denken.
„Er wäre bestimmt sehr stolz auf dich, wenn er das hören könnte. Wie's aussieht, koche ich heute Abend wohl doch extra viel. Wollen wir naher noch sein Grab besuchen? “
Shikamaru spielte eine kurze schön klingende Melodie, begleitet vom Zwitschern der Vögel und dem rauchigen Hall inzwischen einer luftig milden Brise. Kein schlechter Anfang, er lächelte Temari breit entgegen.
„Nein, heute noch nicht. Ich will erst etwas üben und ihn dann mit einer coolen Performance überraschen. Außerdem steht sie mir, oder?“
Er lachte verschmitzt über seinen eigenen kleinen Jucks.
„Huuh, Männer...“
Temari verschwand lieber abwinkend zurück an ihre Arbeit, dem alljährlichen Frühlingsputz und Shikamaru übte weiter und sprach weiter leise für sich selbst.
„Damals hat er mir immer vom Feuer erzählt, vom wirklichen König des Volkes. Sachen, die ich nie vergessen werde. Wenn ich einen Song kreiere, dann sollte er zeigen, dass die Inspiration dazu sein Verdienst war.“
Jede Sekunde, die er länger auf der Gitarre klimperte, brachte ihm mehr Spaß, ließ ihn sicherer spielen. Sein Verstand begriff schnell einige Handgriffe und lächelnd lief ihm nochmals, die Augen geschlossen sowie den Tönen lauschend, eine weitere Träne der Freude hinab, als ihm das erste kurze Solo über die Finger glitt, während sich der eigentlich schiefe rauchige Ton perfekt in die Symphonie der friedlichen Umgebung miteinspielte.
Solo über Solo erfolgte, Temari summte schon leise die Melodien nach. Diesen Song...
„Diesen Song... Ich nenne ihn '"Der Ton, für dich zuhause dem Feuer nah'.“