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Quidquid agis, prudenter agas

et respice finem
von

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Die Wahrheit

Mit geweiteten Augen blickte Judy auf das Gerät in ihrer Hand, und sie spürte, wie Angst sich als ein Klumpen aus Kälte und Übelkeit in ihrem Magen festsetzte, ein hässliches Geschwür aus all ihren Sorgen und Bedenken, das sich gewaltsam seinen Weg in die Realität gekämpft hatte.

Sie war schwanger.

Einige Minuten saß sie reglos da, während sie begann, diese Wahrheit zu begreifen, bis sie plötzlich aufsprang und den Schwangerschaftstest verzweifelt in den Mülleimer warf. Sie konnte nicht schwanger sein – sie durfte nicht schwanger sein.

Nicht von ihm.
 

„Du lügst.“ Sie konnte den nur mühsam unterdrücken Zorn in der Stimme ihres Gesprächspartners deutlich hören, und nervös rieb sie sich über die Stirn. Ein Telefonat war wohl nicht die beste Wahl gewesen, um ihre freudige Nachricht zu überbringen.

„Es ist die Wahrheit, ob es dir passt oder nicht. Ich bin schwanger, gratuliere zum neuen Elternglück.“ Sarkasmus troff wie heißes Pech aus ihrer Stimme, und ein ungeduldiges Schnauben antwortete ihr.

„Es ist nicht von mir“, eine Antwort, mit der sie gerechnet hatte. Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Du bist der Einzige, mit dem ich in den letzten Monaten Verkehr hatte.“

Ein freudloses Lachen traf sie wie ein Dolch ins Herz. „Meine Güte, Judy Tate. Ich wusste nicht, wie vertrocknet du wirklich bist, als ich mich auf dich eingelassen habe.“ Empört schnappte Judy nach Luft, bereit, ihrem gesamten Frust und ihrer gesamten Verzweiflung in einer Tirade aus Beschimpfungen freien Lauf zu lassen, als ihr Gesprächspartner ihr das Wort abschnitt. „Der Test war fehlerhaft.“ Seine Stimme war inzwischen zu einem bedrohlichen Knurren geworden, und Judy lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie atmete einige Male tief ein und aus, bevor sie weitersprach. „Ich habe das Ergebnis von meinem Frauenarzt bestätigen lassen. Ich bin schwanger, in der siebten Woche. Mit deinem Kind.“ Ihre Stimme war immer flehender geworden, doch sie wusste selbst nicht, was sie sich erhoffte. Dass das Kind in ihr plötzlich verschwinden würde, wenn sie ihm die Wahrheit sagte? Dass er das Kind annehmen und sie unterstützen würde? Dass er eine Lösung für all ihre Probleme parat haben würde?

Das Schweigen, das die Leitung belegte, kam ihr vor wie eine Ewigkeit, und mit jedem weiteren Augenblick spürte sie, wie bittere Tränen sich ihren Weg in die Freiheit kämpften, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt und ihre Verzweiflung sich als Hilferuf befreite.

„Nun sag doch etwas-“

„Mach es weg.“

Mit diesen Worten wurde das Telefonat beendet, und mit bebender Brust saß Judy da, während die unterbrochene Leitung unbarmherzig in ihren Ohren rang. Langsam ließ sie das Telefon sinken, und ein leises Schluchzen drang aus ihrer Kehle.

Sie war schwanger. Von Boris Balkov.

Und er wollte, dass sie ihr Kind tötete.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Jeansa
2016-08-01T16:08:32+00:00 01.08.2016 18:08
Hallo Kradi

Ein toller One Shot von dir es kommen wirklich die Gefühle rüber
in dem kurzen Text alle Achtung.

Aber Judy tut mir Leid wirklich, aber Verhüten hätten sie trotzdem sollen um das du vermeiden
ich meine Boris als Vater? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen muss ich sagen und vor allem
würde er Judy nicht unterstützen, ich denke sie war einfach ein Zeit vertreib.
Krass! Er will das sie abtreibt? Hätte ich mir denken können aber Judy würde das nicht tun hoffen
wir mal.

Jedenfalls wirklich Hut ab tolll und emotional geschrieben. Mach weiter so!
Von: abgemeldet
2016-07-10T20:48:17+00:00 10.07.2016 22:48
Ich weiß ja das du eine Vorliebe für Boris/Judy hast, aber wie zum Geier schaffen es zwei erwachsene Menschen, da nicht zu verhüten? Vor allem in ihren Positionen? Da hat glaub ich die Aspirin gegen die Dummheit versagt... :D!

Als ich angefangen hab zu lesen gab es nur zwei Szenarien, von denen ich hier ausgegangen bin: a) Max' Zeugung b) Judy/Boris... Max erschien mir ohnehin zu langweilig, insofern war ich nicht wirklich überrascht. Das er am Ende auf eine Abtreibung pocht und auflegt... nicht schön. Überhaupt nicht schön. Aber wenn ich ehrlich bin, hab ich von ihm genau das erwartet. Alles andere, wäre mir bei Boris' Charakter unrealistisch erschienen. Insofern: ja, so musste es Enden und es ist schön, das du es so hast enden lassen. So wie ich Judy kenne, fängt sie sich aber wieder und bekommt das Kind natürlich.
Vielleicht auch irgendwo insgeheim.
Die FF ist auf jeden Fall sehr schön, kurz und knackig - und den Charakteren entsprechend aufgebaut. Daumen hoch :)
Antwort von:  KradNibeid
10.07.2016 23:27
Freut mich, dass dir der Anfang bisher gefällt - und es kommt noch raus, warum Judy schwanger wird, denn natürlich ist sie nicht so dumm und hat einfach ungeschützten Sex. ;)
Von:  Puppenspieler
2016-07-02T09:07:23+00:00 02.07.2016 11:07
Wow!
Das ist ein sehr eindrucksvoller Auftakt für eine Geschichte, die zweifelsohne interessant werden wird. Judys Situation hast du sehr glaubhaft dargestellt, ihre Gefühle, Gedanken und Handlungen sind unglaublich gut nachvollziehbar - bei Boris' Reaktion am Telefon ist es kein Wunder, dass sie schon Hemmungen hatte, ihn überhaupt anzurufen. Brrrr...!
Das Telefonat, übrigens, war für mich der Höhepunkt des Kapitels - ich finde es unglaublich gut beschrieben, und ich ziehe meinen Hut vor dir, dass du so viel beidseitiger Emotionen mit hineingebracht hast, trotz der eingeschränkten Erzählperspektive, die ja ganz eindeutig Judys Sicht ist. Es ist großartig, dass du damit nicht gebrochen hast, und man trotzdem perfekt miterleben konnte, wie absolut unwillig und abgeneigt Boris gewesen ist.
Außerdem gefällt mir dein bildhafter Schreibstil hier sehr gut! Sarkasmus troff wie heißes Pech - das ist ganz schön cool!
Es hat mir sehr gefallen, und auch wenn ich schon vor Jahren aus dem Beyblade-Fandom rausgekullert bin, bin ich ausgesprochen neugierig darauf, wie es hier weitergeht - und natürlich, was mit dem armen Kind passiert, denn ich hoffe von ganzem Herzen, dass Judy es behält! Sie wirkt, wie du sie präsentierst, einfach nicht wie jemand, der ein Kind abtreiben würde, selbst wenn sein Vater ein herzloses Monster ist.
Antwort von:  KradNibeid
03.07.2016 19:33
Vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar, es freut mich, dass der FF-Beginn dir so gefällt. :)
Auch dass mein Schreibstil hier dir so gefällt freut mich. >w<
Von:  japanfreak91
2016-06-20T16:13:06+00:00 20.06.2016 18:13
Okay, jetzt verstehe ich ihre Verzweiflung. Am Anfang dachte ich mir: Okay, es ist normal, dass frau erstmal nervös ist, wenn sie erfährt, dass sie schwanger ist... so mit den "normalen" Gedankengängen: Schaffe ich das? Bin ich bereit dafür? Kann ich für das Kind sorgen?
Aber im Verlauf des Kapitels kristallisiert sich ganz klar heraus: Der Kerl ist ein Arschloch! D: Ein mieser und gefühlloser Grobian >.< Man sagt doch einer Frau nicht, dass sie vertrocknet ist Dx Besser so als dass sie die Dorfmatratze ist >__>
Und spätestens bei seiner Forderung wäre ich es gewesen, die den Hörer aufs Telefon geschmissen und den Kerl, sobald das Kind auf der Welt ist, in Grund und Boden klagen würde. Der muss sich ja nicht um das Kind kümmern, aber zahlen darf er dafür >.< Das Kind kann ja nichts dafür, dass sein Vater ein Arsch ist! D:
Ich hoffe sehr, dass sie das Kind behält und sich gegen Boris behauptet, egal welche Intrigen da noch folgen mögen >.<
Antwort von:  KradNibeid
21.06.2016 23:57
Jah, Boris ist nicht unbedingt der Mann, von dem man Kinder möchte. >_<
Danke für deinen Kommentar!
Von:  Phase
2016-06-17T15:55:23+00:00 17.06.2016 17:55
Ein sehr schöner und eindrucksvoller Einstieg in die Geschichte, der sofort Lust macht, weiter zu lesen. :D
Ich mag es sehr, wie du die gedrückte und beklemmende Stimmung rüberbringst. Man kann sich verdammt gut in Judy und ihre äußerst unangenehme Situation hineinversetzen. Und ich liebe die Reaktionen von Boris am Telefon, er kommt einfach wunderbar rüber.
Sowohl inhaltlich, als auch schreiberisch finde ich das Kapitel überaus gut gelungen. Ich bin schon gespannt, wie es weiter geht! :D
Antwort von:  KradNibeid
17.06.2016 18:12
Vielen Dank für diese lieben Worte! <3


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