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Ein Hauch von Nichts

von

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Ein ungeplanter Einkauf

Joanne schenkte Alice einen entgeisterten Blick. „Sicher nicht.“

Alice verschränkte ihre Arme und sah sie herausfordernd an – nicht das es bei Alices zwergenhafter Größe besonders beeindruckend gewesen wäre. Sie reichte ihr gerade einmal bis zur Brust. „Och, komm schon.“

„Nein“, erwiderte Joanne scharf.

„Ich bin mir sicher, es würde dir stehen“, kommentierte Alice hartnäckig. „Denkst du nicht, Murphy?“

Der Junge drehte sich herum. Auch wenn er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, war eine leichte Röte auf seinem Gesicht zu erkennen. „Ganz bestimmt!“

Joanne zog nur eine Augenbraue hoch. „Kid...“

Sie hätte wissen müssen, dass es mit so etwas enden würde. Ach, verhältnismäßig war sie wahrscheinlich noch gut weggekommen – sie traute es Alice genau so gut zu, sie in einem Sexshop zu schleppen. Dennoch: Alice und Murphy zusammen konnte nur so etwas führen.

Natürlich hatte es ganz unschuldig angefangen. Sie waren zusammen ins Einkaufszentrum gegangen. Sie war durch diverse Shops geschleppt worden und hatte den Schabernack, den die beiden Teenager treiben wollten, über sich ergehen lassen. Immerhin war sie es mittlerweile nicht anders gewohnt.

Doch nun standen sie in der Unterwäscheabteilung, während Alice vor der Reizwäsche stand – natürlich nicht für den eigenen Bedarf.

„Ach, jetzt komm schon, Pakhet“, meinte sie grinsend. „Der Doc wird es zu schätzen wissen.“

„Und das kann dir egal sein“, erwiderte Joanne trocken.

„Ich tue dir nur einen Gefallen“, beharrte die Technomancerin. „Glaub mir!“

„Uhum.“

Es wäre ja nicht so gewesen, als hätte Joanne nicht schon einmal darüber nachgedacht. Doch es war nun einmal ein Fakt, dass sie nicht viel hatte, was einen BH in irgendeiner Form benötigt hatte – etwas, worum sie wohlgemerkt dankbar war, immerhin gab es so weniger, das bei Kämpfen im Weg sein konnte.

Dennoch, es war ja nicht so, als hätte sie nicht zumindest ein Set von Reizwäsche – vorrangig aus Zeiten, als die ein oder andere Infiltration es notwendig gemacht hätten. Diese Zeiten mochten für sie vorbei sein, doch sie gab zu, dass sie der Idee sich etwas für Joachim herauszuputzen nicht vollkommen abgeneigt war, zumal er solche Gesten für gewöhnlich zu schätzen wusste.

Das hieß jedoch noch lange nicht, dass Alice davon wissen musste.

„Na gut“, meinte diese nun langgezogen. „Was meinst du dazu?“ Sie zeigte auf einen sehr knappen, schwarzen Triangle-BH mit Trägern, in die offenbar Glasfasern verwebt waren.

„Ha ha“, erwiderte Joanne nur sarkastisch.

„Murphy?“, fragte Alice.

Joanne war sich nicht gänzlich sicher, wen von ihnen Alice gerade eigentlich ärgern wollte. Zwar war der Junge ein guter Schauspieler, aber zumindest ihnen beiden war klar, dass er sich äußerst unwohl fühlte.

„Nein“, erwiderte er jedoch gekonnt. „Einfach nicht ihr Stil. Glaub mir, Alice.“ Er musterte sie. „Diese modernen Sachen... Nein, für Mum würde ich eher etwas Klassisches nehmen.“

Alice musterte Joanne für einen Moment. „Ja, gut, da könntest du Recht haben.“

Natürlich sah Joanne neben ihr tatsächlich sehr konservativ aus. Wie beinahe immer trug sie ein dunkles Tanktop und Jeans. Ihre Haare waren weiterhin kurzgeschoren, während Alices nicht ganz schulterlanges Haar ein bunter Farbmix war – selbst wenn zwischen all den bunten, oft Neonfarbenden Strähnen noch genug zu erkennen war, um sehen zu können, dass auch ihr Haar einmal blond gewesen war. Ihre Kleidung derweil bestand jedoch aus einem kunstvoll zerrissenen Oberteil, sowie einer viel zu kurzen Hose über einer Netzstrumpfhose. Das alles natürlich, ähnlich ihrer Haare, in verschiedensten Farben.

Nun aber sah Alice sich um. Wahrscheinlich hatte sie ein AR-Overlay vor Augen, was für sie als Technomancerin nur zu einfach war. Dann lief sie zu einer anderen Auslage hinüber und winkte Joanne zu sich. „Was meinst du dazu?“

Es war sehr klassisch. Ein komplettes Set – inklusive Strapse – komplett in einem dunkeln Rot gehalten, mit nur einigen schwarzen Elementen.

Joanne antwortete nicht, sondern verschränkte nur die Arme, während Alice ihr es entgegen hielt.

„Murphy?“, kam erneut die Frage der Teenagerin.

Dieser räusperte sich. „Ja, so etwas viel eher. Und einmal etwas Rotes... Ist eine Abwechselung zum ewigen Schwarz, meinst du nicht, Mum?“

„Ich wäre vorsichtig, Kid“, erwiderte sie nur trocken.

„Es ist nicht so, als hätte ich hier etwas zu gewinnen“, murmelte er sardonisch.

Alice grinste. „Ach, wieso denn nicht? Ich bin mir sicher, deine Adoptivmutter wird uns am Ende noch dankbar sein.“

„Sicher“, schnaubte Joanne.

„Na ja, ansonsten zumindest der gute Doc“, fügte Alice dann hinzu.

„Da könntest du schon eher mit Recht haben, Liebes“, erwiderte Murphy charmant.

„Ich würde damit nicht so fest rechnen“, entgegnete Joanne. „Also, können wir das ganze beenden?“

„Aber ich habe doch gerade erst angefangen“, meinte Alice mit gespielter Beleidigung.

„Ja, und ich hatte genug“, grummelte Joanne wiederum. „Und ich kann auch einfach gehen.“

Doch natürlich war es nicht so einfach, wenn man es mit einem Technomancer zu tun hatte. „Sicher?“

„Alice...“ In Murphys Stimme klang eine Spur von Verzweiflung, als er sein Commlink rausholte.

Es reichte ein Blick an ihrem eigenen Körper hinab, damit Joanne verstand, warum. Sie war froh, ihre Kontaktlinsen drin zu haben. Doch offenbar hatte sich Alice einmal wieder einen Spaß erlaubt und kurzerhand ihren AR-Avatar entsprechend umgestaltet, so dass sie nun – für jeden der AR aktiviert hatte – im entsprechenden Unterwäscheset im Laden stand.

„Alice“, knurrte Joanne. Das ging ihr nun wirklich etwas zu weit. Sicher, das Mädchen machte sich nicht viel aus Gesetzen oder der Frage, wessen Eigentum etwas nun war – was Joanne nur zu gut wusste, seit ihr Auto mit ihr sprach – doch es gab immer gewisse Grenzen.

„Was ist denn, Pakhet?“, erwiderte Alice unschuldig.

„Stell meinen Avatar wieder um“, knurrte sie, jede Silbe betonend.

„Oder was?“, fragte die Technomancerin nonchalant.

„Oder ich muss noch einmal darüber nachdenken, ob ich dich nicht doch zur Station mitnehmen sollte“, grummelte sie.

„Das würdest du nicht tun“, flötete Alice. „Und das weißt du.“

Joanne holte tief Luft. Oh, sie hatte gut Lust genau das zu tun. Doch die Wahrheit war, dass sie Alice damit in mehr Probleme bringen würde, als sie es wollte – immerhin war die öffentliche Situation der Technomancer noch immer nicht besonders gut.

„Alice“, grummelte sie nur nachdrücklich. „Mach. Es. Rückgängig.“

„Nur wenn du dir etwas kaufst“, erwiderte das Mädchen, während Murphy sich einfach nur noch abwandte. „Und keinen weiteren Sport-BH“, fügte sie mit Nachdruck hinzu. „Etwas Richtiges!“

„Na gut“, schnaubte Joanne und sah sich kurz um. Dann griff sie in die Auslage zu ihrer Rechten und holte blindlings ein Set hervor, ohne großartig drauf zu schauen. „Ich kaufe das hier, zufrieden?“, fragte sie, während sie den Code einscannte, um es in der richtigen Größe zur Kasse liefern zu lassen.

Alice grinste. „Sehr zufrieden.“

Das AR-Overlay verschwand, was Joanne aufatmen ließ. Erst jetzt warf sie einen genaueren Blick auf den Bügel, dessen Code sie gerade gescannt hatte. Das Set aus BH und Unterhose daran, war dem, was Alice ihr ursprünglich gezeigt hatte nicht unähnlich. Nur mit weniger Stoff – viel weniger. Es war wahrhaftig ein Hauch von Nichts.

Sie seufzte. Vielleicht sollte sie doch noch über einen ernsthaften Einkauf nachdenken...



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