Der erste Tag
Später am Nachmittag kam Professor Banner, um ihnen mitzuteilen, dass sie am nächsten Tag bereits sehr früh im Büro des Kanzlers erscheinen sollten und danach der Unterricht beginnen würde.
Zum Abendessen gingen die Mädchen herunter in den Gemeinschaftsraum und ihre Laune verbesserte sich nicht gerade, als sie das Essen rochen. Und sie blieb auf dem Tiefpunkt, weil alle ihre Teller links liegen ließen und sie anstarrten.
Schweigend nahmen sie ihr Essen ein und versuchten, die Blicke zu ignorieren.
Alle drei wurden etwa zeitgleich fertig und verzogen sich schnell wieder in ihr Zimmer.
«Habt ihr gemerkt, wie blöd die geguckt haben?» Cel knirschte mit den Zähnen. «Dann sind halt mal Mädchen hier. Die führen sich alle auf als kämen wir von einem anderen Planeten oder so!»
«Ja, ich finde das auch nicht gut…» seufzte Becci. «Wir haben doch nichts gemacht! Und mich stört es auch nicht, dass unsere Monster ein wenig schwächer sind als die der Anderen…»
Mayu schwieg. Dann klatschte sie plötzlich in die Hände. «Mädels, wartet mal kurz. Bin gleich wieder da!» und schon war sie aufgesprungen und aus dem Zimmer gestürmt.
Die beiden Verbliebenen sahen sich nur ratlos an. Aber sie warteten wenige Minuten während sie ein wenig Smalltalk hielten, da klopfte es hektisch an der Türe.
«Ich bin wieder daa!» hallte es dumpf von draußen und schnell öffnete Becci die Türe. Und staunte nicht schlecht, als die Blonde noch zwei Jungs neben sich stehen hatte, beide vollbeladen mit Eimern.
Einer davon war Jaden und sie lächelte ihn an, der andere war etwas kleiner, hatte hellblaue Haare und trug eine runde Brille. Und wie alle aus dieser Unterkunft die unverkennbare rote Jacke.
«So, mein Masterplan: Do it Yourself – Uniformen!» Mayu grinste und dirigierte die Jungs in das Zimmer.
«Da abladen bitte.» Cel verfolgte das Geschehen schweigend, meldete sich dann aber doch zu Wort: «Was hattest du denn jetzt für eine zündende Idee? Und wer ist das da?» sie zeigte fragend auf den kleineren Jungen der im Türrahmen stand.
«I-ich bin Syrus Truesdale.» er verbeugte sich ein wenig. «Freut mich, euch kennen zu lernen.»
«Und mein Plan», begann Mayu, «Sieht so aus: Ich hab mir von Dorothee, einer super netten Dame die sich um einen kleinen Shop hier kümmert ein paar Batik-Farben geliehen.»
«Batik-Farben?» Becci zog eine Augenbraue nach oben.
«Oh ja!» Die Blonde strahlte die Mädchen an. «Damit können wir unsere Uniformen ein wenig aufpäppeln. Wenn wir schon von allen als Nieten abgestempelt werden, dann wenigstens Nieten mit Stil!»
Auf Cels Stirn bildete sich ein enorm dicker, imaginärer Tropfen und die beiden Jungs sahen ebenfalls verlegend lächelnd hin und her.
«Wir haben Mayu geholfen, Dorothee zu finden. Und tragen natürlich.» Jaden kratzte sich am Hinterkopf. «Die Idee ist aber eigentlich ganz witzig. Solange die Uniformen irgendwie rot bleiben, wird das schon keinen stören.»
Während er gesprochen hatte, machte Mayu sich schon ans Eimer verteilen und stellte jedem Mädchen einen vor die Füße. «So. Jetzt dürft ihr nur noch kreativ werden, was ihr mit den Uniformen anstellen wollt.»
Becci seufzte. «Also ich finde die ja eigentlich ganz nett so… Obwohl, eine Idee hätte ich.» sie kramte einen blauen Rock hervor. «So. DEN ziehe ich ab morgen zu meiner Uniform an.»
«Und ich färbe meine Uniform Pink!» grinste Mayu, während Cel fast vom Bett viel.
«PINK?» sie fasste sich entsetzt an den Kopf. «Warum ausgerechnet pink?»
Die Blonde sah sie nur verwundert an. «Warum denn nicht? Naja, ich tendiere sowieso eher zu Rosa. Ach, und für dich hab ich auch was!» sie schwenkte ein Farbpulvertütchen auf dem schwarze Buchstaben es mit „Dunkelrot“ beschrifteten. Das Entsetzen wich aus dem Gesicht der Schwarzhaarigen und wandelte sich in Neugierde und schließlich zu einem Grinsen. «Okay Blondie, eins muss ich dir lassen, das ist vielleicht doch gar keine so schlechte Idee.»
Die nächste Stunde verbrachten sie damit, die Farbe richtig zu mischen und die Oberteile der Uniform in den jeweiligen Eimern einzurühren. Dabei lernten sie die Jungs etwas genauer kennen.
«Und, warum seit ihr so hier?» fragte Becci beiläufig und Syrus senkte den Kopf. «Naja, ein schwaches Monster eben…» der Kleine seufzte.
Jaden verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. «Ich war zu spät bei den Einstufungstests und –Duellen… Und dieser eine Lehrer mag mich nicht.»
Cel zog eine Augenbraue nach oben. «Naja, dein Pelzkugel-Monster kann aber auch über Stufe drei nicht weit hinaus sein.» Da tauchten hinter Jaden plötzlich zwei andere Monster auf, die beide mindestens so groß waren wie er. Das eine Monster war großteils grün und besaß riesige, weiße Flügel. Das andere sah sehr weiblich aus und trug einen eng anliegenden, roten Anzug.
Die Mädchen staunten nicht schlecht. «Oh wow!» brach Mayu das Schweigen.
Der Braunhaarige grinste verlegen. «Naja, selbst wenn das Ra Yellow Monster wären, ist mir eigentlich egal in welchem Haus ich bin. Außerdem gefällt es mir hier irgendwie.» Becci sah ihn und seine Monster bewundernd an. Dieser Typ war einfach irgendwie klasse. Alleine, dass er als anscheinend Einziger auf dieser Schule eine neutrale Einstellung ihnen gegenüber gezeigt hatte… Sie lächelte.
In dem Moment sah Jaden sie direkt an und lächelte zurück. Die Braunhaarige war total perplex, wandte schnell ihren Blick ab und wurde rot. Na toll.
Nachdem die Farbe in die Oberteile eingewirkt war, brachten sie die Shirts in den Keller des Slifer Hauses wo mehrere Waschmaschinen standen.
Nach der Wäsche und einem schnellen Gang im Trockner war dann schlafen angesagt. Sie verabschiedeten sich voneinander und die Jungs verzogen sich auf ihr Zimmer.
Mayu grinste zufrieden. «Die werden morgen bestimmt noch blöder gucken als heute. Vielleicht sind sie auch neidisch, weil wir Stilvoller durch die Gegend laufen werden. Rot und rosa gefallen mir Farbtechnisch eigentlich sowieso am besten.» Cel lächelte müde. «Das rosa von deiner Uniform ist glücklicherweise auch gar nicht soo unerträglich.»
«So Mädels, ab ins Bett!» kommandierte Becci, «Morgen haben wir einen harten ersten Tag vor uns!»
Und obwohl alle drei aufgeregt und gespannt auf den neuen Tag waren schafften sie es, früh einzuschlafen.
Am nächsten Morgen durchbrach ein lauter Schrei die friedliche Stille im Zimmer und Cel schreckte hoch, nicht ohne sich dabei den Kopf an dem Hochbett zu stoßen. «Autsch! Was ist denn los?» rief sie verärgert und blinzelte.
«Mädels, wir haben verschlafen!» rief Becci schockiert und stürmte ins anliegende Badezimmer. Ja, in der Tat hatten die Mädchen das einzige Zimmer in Slifer Red bekommen, was sogar ein Badezimmer aufweisen konnte. Da hatte wohl einer der Lehrer mitgedacht, es wäre auch irgendwie schlecht anders möglich gewesen, einige würden ja sogar behaupten ein Badezimmer wäre zu wenig für drei Mädchen. Und in diesem Moment hätte Cel der Person auch zugestimmt, da Becci die Dusche im Bad anwarf und somit das Bad für bestimmt zehn Minuten blockiert war.
Mayu setzte sich langsam im Bett auf und rieb sich die Augen. Offensichtlich waren alle drei Mädchen nicht gerade die geborenen Frühaufsteher.
Circa 30 Minuten später standen alle drei vor dem Zimmer des Schulleiters. Wie in aller Welt sie das so verhältnismäßig schnell geschafft hatten, wusste keine von ihnen, aber sie waren pünktlich da und genau in dem Moment wurde die Türe geöffnet und die Mädchen hereingebeten.
«Guten Morgen!» grüßte der Schulleiter und lächelte die Mädchen fröhlich an… Bis ihm die veränderten Uniformen auffielen und seine Gesichtszüge für wenige Sekunden entgleisten, bevor er sich wieder fing.
Mayu grinste den Mädchen triumphierend zu.
«Nun… Ehm.» Sheppart kratzte sich nachdenklich am Kopf, beschloss dann aber, das die veränderten Uniformen kein großer Verstoß gegen die Schulregeln waren, da sie immer noch das typische rot enthielten. Er räusperte sich und fuhr dann fort: «Weswegen ich euch hierher bestellt habe… Heute beginnt euer erster Schultag. Und damit möchte ich euch zehn Energie-Karten überreichen, ebenso wie diese Duell-Disk.»
Er drehte sich zu seinem Schreibtisch um und nahm einen Stapel durchsichtiger, schimmernder Karten in seine Hände.
Sie hatten etwa die Größe von Spielkarten und glänzten silbrig im Licht. Behutsam zählte der Kanzler die Karten ab und reichte den Mädchen jeweils zehn.
Dann drehte Sheppart sich erneut um und überreichte ihnen die Duell-Disks.
Mayu sah sich ihre genauer an. Es war eine Art Maschine, die man sich anscheinend um sein Handgelenk schnallen konnte und die fünf nebeneinander liegende Flächen bot. Die Blonde nahm an, dass dort die Monster platziert werden konnten.
«Eine meiner Muster-Schülerinnen wird sich heute darum kümmern, euch eine Auskunft in Bezug auf Duell-Disks, Monster und Schulalltag zu geben.»
In dem Moment klopfte es zaghaft an der Tür und ein blondes Mädchen in blauer Uniform trag herein. Sie begrüßte sie alle mit einer leichten Verbeugung und wandte sich dann interessiert an die drei Mädchen.
«Ah Alexis, pünktlich auf die Minute. Das sind unsere neuen Studenten.»
Er wandte sich wieder zu den Mädchen. «Alexis geht schon seit vielen Jahren auf diese Schule und wird euch bei all euren Fragen zur Seite stehen. Sie wird euch auch euren Stundenplan erklären. Nun denn Mädchen, ich wünsche euch ein erfolgreiches Schuljahr!»
Die vier Studentinnen hatten sich gemeinsam in einen Gemeinschaftsraum in der Akademie gesetzt und sprachen über die Tagesordnung und ihre Stundenpläne. Alexis war höflich und freundlich, und ihr kam kein Kommentar bezüglich der Unterkunft der Mädchen über die Lippen.
Es stellte sich heraus, dass alle Studenten aus einem Jahrgang viele Kurse gemeinsam besuchten, einige wenige aber nur innerhalb der Häuser unterrichtet wurden.
Der Besuch in den tieferen Regionen des Waldes war allen Schülern ohne Aufsicht oder Genehmigung eines Lehrers verboten, im vorderen Teil durfte man sich aber aufhalten.
«Möchtet ihr euer erstes Monster denn bereits in eine Karte bannen?» fragte Alexis neugierig.
«Also wenn Luna nichts dagegen hat…» Mayu sah ihr Monster, was neben ihr aufgetaucht war, fragend an, doch Luna lächelte und nickte.
«Okay.» die Obeliskin nickte. «Dann berührt beide die Karte und konzentriert euch.»
Beide folgten den Anweisungen und schlossen ihre Augen. Ein Leuchten ging von der Karte aus und die anderen hielten sich die Hände vor die Augen. «Ist das hell!» Becci musste ihre Auggen zusammenkneifen.
Da verflog das Licht wieder und die Karte war nicht länger durchsichtig, sondern enthielt ein Bild von Mayus Monster. Aus diesem Bild kam nun Luna geschwebt, die selbst ein wenig durchscheinender wirkte als zuvor.
«Yuyu!» sie lächelte und flog um die Mädchen herum.
Cel grinste ihr Monster an, welches grade auf ihrer Schulter aufgetaucht war. «Wollen wir auch, Fuchsfeuer?»
Es war später Nachmittag und die Mädchen hatten den ersten Unterrichtstag hinter sich gebracht. Der Professor der aussah wie eine Frau war ziemlich streng, Professor Banner war als Lehrer recht freundlich und auch sonst war der Tag interessant gewesen.
Sie hatten gelernt, dass sich ihnen noch weitere Monster anschließen konnten, dafür waren Unterrichts-bezogene, regelmäßige Ausflüge in den Wald geplant, in dem viele wilde Monster lebten.
Außerdem konnte man ebenfalls Pflanzen, die Energie gespeichert hatten, in eine Karte aufnehmen um das Monster im Kampf zu unterstützen.
Die drei Mädchen hatten den ganzen Tag eifrig mitgeschrieben um die Prinzipien zu verinnerlichen.
Jetzt waren sie gerade aus dem Hauptgebäude ins Freie getreten und versuchten, die Massen an neuen Informationen zu verarbeiten.
«Oh man, hab ich einen Hunger!» Cel rieb sich den Bauch, der daraufhin zur Bestätigung knurrte.
Mayu lachte, doch dann gab auch ihr Bauch ein Geräusch von sich und sie wurde rot.
Becci dachte nach. «Also… Das Essen in Slifer Red hat mir jetzt nicht unbedingt soo sehr geschmeckt…»
Die Mädchen nickten zur Bestätigung und seufzten synchron.
«… Soll ich den Professor vielleicht fragen, ob ich uns etwas zum Mittagessen kochen kann?»
Mayu und Cel bekamen leuchtende Augen. «Au ja! Alles ist besser als das Zeug was es gestern gab!»
«Hab ich da was von Essen gehört?» Jaden war hinter ihnen aus dem Hauptgebäude gekommen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. «Zu gutem Essen sage ich nie nein!»
Syrus, der hinter dem Braunhaarigen aufgetaucht war, lächelte. «Naja, du sagst eigentlich nie nein wenn es ums Essen geht…»
Die Slifer-Gruppe machte sich also auf dem Weg zu ihrem Gemeinschaftsraum.
Dort angekommen und die Erlaubnis von ihrem Hauslehrer eingeholt, stürmten die fünf die Küche.
«Los geht’s!» Becci bekam leuchtende Augen und man konnte sehen, das sie sich in ihrem Element befand. Die nächste halbe Stunde gab sie den anderen Anweisungen zum Gemüse schneiden, Zutaten organisieren und was ihr noch so einfiel und danach saßen sie alle erschöpft an einem der Tische und warteten darauf, das der Auflauf den sie zubereitet hatten fertig wurde.
«Habt ihr gehört? Morgen findet der erste Ausflug in einen der Wälder statt! Ich bin gespannt ob ich noch ein Monster finde was mein Team ergänzt.» Becci runzelte die Stirn. «Was wäre eigentlich, wenn sich einem von uns ein unheimlich starkes Monster anschließen würde? Würden wir dann die Unterkunft wechseln?»
Syrus lächelte sie traurig an. «Sehr unwahrscheinlich, dass ein starkes Monster überhaupt Interesse an uns zeigt…»
«Und die richtigen Monster befinden sich tiefer im Inseldschungel.» fügte Jaden hinzu, dann grinste er wieder. «Irgendwann suche ich da mal.»
Während des Essens unterhielten sie sich über die verschiedenen Monsterarten und beschlossen dann, etwas nach draußen zu gehen.
«Becci, willst du Banner nicht fragen ob DU in Zukunft kochen kannst?» fragte Mayu mit bittendem Gesichtsausdruck und die Braunhaarige lachte ein wenig.
«So gut?»
«Ja!» schallten ihr vier Stimmen entgegen und sie errötete ein wenig.
«Na schau mal einer an, was ist das denn für eine lustige Gruppe?»
Vor ihnen baute sich plötzlich ein Junge in dunkelblauer Uniformjacke mit schwarzen Haaren und blasser Haut auf.
«Sollten solche Slifer-Nieten wie ihr nicht lieber lernen, um aus dem Drecksloch da rauszukommen?» er grinste herablassend. Alle sahen den Jungen erst einmal relativ sprachlos an, bis Cel passende Worte fand:
«Ehm… Und was für ein Clown bist du?»
Da bildete sich eine pulsierende Ader auf der Stirn des Jungen. «Sag bloß du hast noch nicht von einem der besten Duellanten auf der Insel gehört, Chazz Princeton?»
«Bester Duellant? Einem Großmaul wie dir schließen sich Monster an?» fragte die Schwarzhaarige und zog eine Augenbraue nach oben, was die Pulsader auf der Stirn von Chazz noch weiter wachsen ließ.
«Na warte! Kein Respekt von den Erfahrenen? Dir und deinem schwachen Monster werde ich es zeigen!»
Plötzlich erschien eine weitere Gestalt dessen Gesicht Mayu nur allzu bekannt war.
«Stopp.» sagte Zane ruhig und sah alle kurz an. «Princeton, ich dachte du lässt dich nicht auf dieses Niveau herunter? Und du weißt genau, dass sie keine Chance gegen dich haben. Reite nicht darauf herum, sie sind es selbst schuld das sie nur schwache Monster anziehen.»
Jetzt bildeten sich noch mehr Pulsadern auf den Stirnen der Slifer-Mädchen und Syrus seufzte. Nur Jaden schien das ganze relativ gelassen zu nehmen.
«WAS?» rief Mayu wütend. «Ihr Obelisk-Leute seit alle so unglaublich eingebildet! Was denkt ihr eigentlich über euch?»
Zane runzelte die Stirn und musterte die Blonde. «Nunja, die Monster die sich uns angeschlossen haben sprechen für uns. Den anderen Kommentar ignoriere ich mal.»
Doch das machte Mayu nur noch wütender. «Weißt du was, Zane Truesdale? Ich werde dir dein eingebildetes Grinsen vom Gesicht wischen! Ich fordere dich zu einem Kampf heraus!»
