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Lieben und geliebt werden

von

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Nach dem Ball

Oscar stürmte die langen Gänge des Anwesens zu ihrem Zimmer entlang und schon auf dem halben Weg begann sie ihr Haar von den kleinen Haarnadel und Haarklemmen zu befreien. Mit Wucht warf sie sie auf den kleinen Tisch in ihrem Salon und schüttelte so lange ihr Haar, bis es sich ganz offen wie ein goldenes Vlies über ihren Rücken ergoss. Sophie eilte ihr nach, denn sie hatte auf sie gewartet, um ihr beim Entkleiden zu helfen. Oscar saß schon auf dem Stuhl, mit überschlagenen Beinen und zerrte ihre Schuhe von ihren Füßen. „Ich werde nie wieder ein Kleid anziehen!“, knurrte sie dabei wütend und schleuderte die ausgezogenen Schuhe in hinterste Ecke, um ihre Worte noch zu unterstreichen.

 

„Aber wieso...“, wollte Sophie erschrocken wissen. Das war unvorstellbar! Es hatte doch so schön alles begonnen und nun sollte ihre Hoffnung zerplatzt sein? „Was ist denn passiert?“

 

Oscar hielte inne, als hätte sie die alte Haushälterin erst jetzt bemerkt. „Nichts ist passiert!“, log sie in ihrer Not. Sie würde Sophie doch niemals von ihren persönlichen Gründen erzählen! „Du hast das Kleid zu fest zugeschnürt und ich bekam kaum Luft! Deswegen bin ich erst gar nicht zum Tanzen auf dem Ball gekommen!“

 

Wenn es nur an dem Kleid lag, dann war Sophie etwas beruhigt und zog ihre Mundwinkel gar leicht nach oben. „Aber Lady Oscar, das ist doch normal so. Alle Frauen tragen das...“

 

„Ich bin aber keine gewöhnliche Frau!“, schnitt Oscar ihr aufbrausend das Wort ab. Das tat ihr sogleich leid und sie versuchte daher etwas milder zu klingen. „Sei so nett und bereite mir lieber ein Zuber mit viel Wasser. Ich möchte gern baden, Sophie...“ Und diesen Schmutz abwaschen, den von Fersens Finger hinterlassen hatten, als er sie im Tanz geführt und gehalten hatte...

 

Sophie wunderte sich, aber tat was Oscar ihr gesagt hatte. Vielleicht würde ein schönes Bad ihre hitzige Laune abkühlen und ihr aufgewühltes Gemüt entspannen. Oscar fühlte sich etwas erleichtert, als Sophie weg war. Jetzt konnte sie etwas aufatmen. Aber das ging in dem Kleid allerdings nicht – es schien ihre Freiheit immer mehr zu beschränken. Zu spät fiel Oscar ein, Sophie darum zu bitten das Korsett aufzuschnüren. Nun musste sie abwarten, bis Sophie zurück war. Das erschien ihr jedoch viel zu lange. Um die Wartezeit etwas zu verkürzen, zog sie derweile ihre Strümpfe aus und warf sie in dieselbe Ecke, nicht weit von ihrem Bett, wo schon ihre Schuhe lagen. Dann hörte sie die Tür in ihrem Salon aufgehen und eilte aus ihrem Schlafzimmer. „Sophie! Kannst du mir bitte die Schnüre von dem Korsett lockern...“ Die Worte verloren sich in dem Raum, wurden nicht mehr von Bedeutung und Oscar selbst verharrte perplex auf der Stelle. Nicht Sophie stand an der Tür zu ihrem Salon, sondern... „André... Du bist es... Entschuldige, ich dachte...“

 

„Schon gut“, äußerte André und verfiel noch mehr dem Anblick Oscars im Kleid. Das offene Haar stand ihr besser, als hochgesteckt. Es war wie Magie, ein Augenblick des Zaubers, der ihn in die Tiefe zog und sein leidvolles Herz noch mehr bluten ließ. Denn ihre äußerliche Erscheinung war nicht für ihn bestimmt. „Ich könnte es auch tun...“, entfuhr es ihm leise. Er ahnte, weshalb sie so aufgebracht war, auch wenn er nicht auf dem Ball dabei sein durfte. „Wenn dich das Kleid so sehr zu schaffen macht...“, fügte er fast schüchtern hinzu. „...und ich schwöre, ich habe keine Absichten etwas Unanständiges dabei zu machen...“

 

Oscar überlegte kurz. Seine letzten Worte ließen sie an jene verhängnisvolle Nacht der Schlägerei denken. Aber sie glaubte ihm – er meinte es eigentlich immer so wie er das sagte. Sie kannte ihn doch, also würde er schon nichts im Schilde führen. „Also gut...“ Oscar kehrte ihm den Rücken zu und hob ihr Haar. „Aber mach es schnell, sonst ersticke ich bald darin...“ Sie spürte seine Annäherung und wie er die Schnüre lockerte kaum. Dennoch breitete sich die Hitze in ihr wieder aus und sie versuchte sie krampfhaft niederzuringen. Schon alleine seine Nähe ließ sie daran denken, wie schön doch seine Berührungen und Küsse in jener Nacht waren...

 

„Fertig“, hörte Oscar ihn sagen und drehte sich um. Sie sahen sich für einen kurzen Wimpernschlag nur an und bei beiden schoss eine gewisse Röte auf den Wangenknochen.

 

„Brauchst du noch etwas, oder kann ich gehen?“ Eigentlich wollte André von ihr erfahren, wie es auf dem Ball war, aber das las er schon von ihrem wütenden Gesichtsausdruck, dass etwas schiefgelaufen war. Und er hatte gesehen, wie niedergeschlagen sie nach dem Ball aussah, als sie von dem Grafen wegrannte...

 

„Du kannst gehen.“ Obwohl Oscar sich gerade wünschte, dass er bei ihr blieb, konnte sie doch vor ihm schlechthin das Kleid ausziehen – sie wollte das lästige Ding so schnell wie möglich loswerden. „Wir sehen uns morgen.“

 

„In Ordnung.“ André wollte nicht gehen, aber er zwang sich. „Du siehst schön aus...“, murmelte er und wandte sich zum Gehen.

 

Oscars Gemüt änderte sich schlagartig. Wie konnte er! Und sie war gerade dabei, sich in seinem Blick zu verlieren! „Willst du etwa sagen, dass ich das Kleid tragen muss?“, rief sie ihm aufgebracht nach. „Bist du auch der gleichen Meinung wie deine Großmutter?“

 

André blieb wie angewurzelt stehen. „Nein! Ich werde niemals von dir verlangen, das zu machen oder zu tragen, was du nicht willst! Aber du siehst wirklich schön aus... Ob in deiner Uniform, oder im Kleid, das macht für mich keinen Unterschied... Ich sehe immer in dir die Frau... ich liebe dich so wie du bist und nicht, was du trägst...“ und damit setzte er seine Füße in Bewegung.

 

Weit kam er aber nicht. Die Tür ging auf und seine Großmutter trat in den Salon. „Was machst du hier?!“, fuhr sie ihn gleich an.

 

„Ich wollte gerade wieder gehen“, meinte André, aber Sophie ließ nicht locker. „Du gehst erst dann, wenn du mir erklärt hast, was du hier wolltest!“

 

„Nichts...“, lag es ihm auf der Zunge und er schaute hilfesuchend zu Oscar.

 

Diese verstand. Er tat ihr noch mehr leid – so verloren und verzweifelt wie er da stand. Dank ihr. Sie strafte ihre Schulter und wenige Schritte war sie schon an seiner Seite. „Ich bat ihn, mir die Korsage aufzuschnüren.“ Oscar drehte sich kurz um die eigene Achse und zeigte Sophie ihren zum Teil entblößten Rücken.

 

Das bewirkte bei Sophie das Gegenteil, als Oscar es beabsichtigte. Die Augen wurden immer größer und sie zog erschrocken die Luft ein. „Aber das schickt sich nicht!“ Und wieder fuhr sie ihren Enkel an. „Und du hast es ausgenutzt, du frecher Lümmel?“ Sie zog ihn heftig am Ohr. „Das durftest du nicht tun!“

 

„Aber Großmutter...“, setzte André an und Oscar schritt wieder ein: „Was ist schon dabei, Sophie?! Das macht mir nichts aus. Wir kennen uns doch seit klein auf...“

 

Sophie ließ verständnislos das Ohr ihres Enkels los. „Ihr seid aber keine Kinder mehr, Lady Oscar!“, schnaufte sie und gab ihrem Schützling keine Möglichkeit, weiter zu sprechen. „Ihr seid eine erwachsene, junge Frau und es ziemt sich nicht für Euch, André deswegen um so etwas zu bitten! Er ist ein Mann! Ihr hättet auf mich warten sollen!“

 

„Dann wäre ich schon längst in diesem verdammten Kleid tot umgefallen!“ Oscar geriet wieder in Rage und wurde immer zorniger: „André war mir eine große Hilfe und hat mich von der Gefahr erlöst! Und hör auf, auf ihn ständig herum zu haken! Er hat schon schwer genug zu tragen, er...“ Oscar sah zu ihrem Freund und stockte. Ihr wurde mit einem Mal bewusst, dass sie gerade dabei war, seine Gefühle zu verraten. Sie atmete tief ein und aus. „Es tut mir leid...“, sagte sie mehr zu André, als zu Sophie. „Es war mein alleiniger Fehler und niemand soll dafür zu Verantwortung gezogen werden... Ich werde mich jetzt zurückziehen...“ Sie verharrte noch einen Moment vor den beiden, als erwartete sie eine Antwort.

 

André nickte ihr dankend zu. „Dann ruh dich aus, Oscar, du hattest einen anstrengenden Tag hinter dir.“

 

„Danke, du auch.“, hauchte Oscar kaum hörbar und André verließ ihren Salon.

 

Oscar sah ihm völlig perplex nach. Wann hörte das bei ihm auf? War etwa seine Liebe zu ihr so unendlich groß? Und was tat sie? Liebte sie ihn genauso? Konnte sie dabei mit ihm mithalten?

 

„Hmpf!“, vernahm sie Sophies verärgerten Laut und löste ihren Blick von der Tür. „Ihr seid einfach zu gut zu ihm“, brummte die alte Frau kopfschüttelnd und da fiel ihr ein, weshalb sie eigentlich zu Lady Oscar gekommen war. „Achja, Euer Bad ist übrigens vorbereitet.“

 

„Danke, Sophie.“ Oscar eilte noch schnell in ihr Schlafzimmer, schnappte ihr Hemd und Hose, und ging mit Sophie in das Badezimmer.

 

 

 

- - -

 

 

 

André unternahm einen kurzen Spaziergang durch den nächtlichen Garten, bevor er ins Haus ging – denn schlafen konnte er so oder so nicht mehr. Er dachte an Oscar und an die Ereignisse von heute Abend. Oscar hatte so ausgesehen, als wolle sie ihm etwas mitteilen, aber konnte es nicht. Was auch immer es war, sie würde das bestimmt mit sich selbst ausmachen.

 

Auf dem Weg zu seinem Zimmer hörte er unerwartet gedämpfte Stimmen. Zwar verstand er nichts, aber er erkannte sie. Das waren Oscar und seine Großmutter. Seine Füße änderten unvermittelt die Richtung. Im untersten Stockwerk – nicht weit von den Zimmern der Bediensteten, befand sich ein großes Badezimmer und von dort erklangen auch die Stimmen.

 

Oscar war also beim Baden und Sophie half ihr dabei. Die Tür stand einen Spaltbreit auf und bestätigte André seine Vorahnung. Oscar saß im Zuber, wusch ihren Oberkörper und Sophie schäumte ihr den Rücken mit einem Stück Seife ein.

 

André überkam ein Schamgefühl, aber trotzdem wandte er sich nicht ab und verharrte gebannt hinter der Tür. Durch den Spalt sah er Oscars nackten Körper von der Seite – von seiner Großmutter sah er nur die geschäftstüchtigen Hände auf ihrem Rücken und dann in ihrem Haar.

 

Als hätte Oscar einen Sinn für seine verborgene Anwesenheit, sah sie scharf zu der Tür. André trat sofort zur Seite und hörte, wie Oscar nach Tüchern zum Abtrocknen verlangte. Wieder wagte André den Blick in das Badezimmer und sah Oscar beim Abtrocknen und Anziehen zu.

 

Oscar zog ihr Hemd und ihre Hose ziemlich schnell an. Dann schlüpfte sie in ihre Hausschuhe, wünschte Sophie eine gute Nacht und ging. André versteckte sich wieder, als Oscar die Tür erreichte. Zu seinem Pech blieb sie unerwartet an der Türschwelle stehen und senkte ihren Kopf. „Dieses eine Mal tue ich so, als hätte ich dich hier nicht ertappt...“

 

Wie peinlich! André konnte nur sich selbst ohrfeigen! „Vergib mir, Oscar... Das war nicht mit Absicht...“

 

„Vergiss, was du gesehen hast...“, erwiderte Oscar dazu knapp: „Gute Nacht...“

 

„Gute Nacht...“, formten seine Lippen tonlos und er ging dann auf sein Zimmer.

 

 

 

Die Gedanken um André sausten Oscar noch lange durch den Kopf, auch als sie schon in ihrem Bett lag. Sie fühlte sich zwar von dem Kleid befreit und nach dem Bad erfrischt, aber ihr Kopf und ihre Seele füllten sich mit plagenden Gewissensbissen gegenüber André – nicht einmal dass er sie beim Baden beobachtet hatte, nahm sie ihm übel. Das war bestimmt ein reiner Zufall und einmalige Sache. Sie konnte einfach nicht auf ihn böse sein. Seit Jahren war er ihr eine große Stütze, ihr treuer Freund und sie hatte ihm bisher nichts dafür geben können, denn sie nahm alles wie selbstverständlich. Wie ungerecht! Und er liebte sie! Warum konnte sie ihm nicht das geben, wonach er sich sehnte und stillschweigend in sich trug?

 

Die Liebe... War sie etwa so kompliziert? Oscar musste sich entscheiden und den Kampf mit ihren Gefühlen schlussendlich beenden! Aber dafür brauchte sie noch etwas mehr Zeit... Nur noch ein bisschen... „Hab etwas Geduld, André... Ich werde dir schon bald eine Antwort geben können... Vergib mir, aber es geht nicht anders...“, flüsterte sie schläfrig und glitt dann doch noch in einen traumlosen Schlaf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  YngvartheViking86
2017-04-03T18:04:39+00:00 03.04.2017 20:04
In diesem Kapitel geht's ja heiß her ;)
Interessant wäre gewesen wenn Sophie nicht herein gekommen wäre.
Den Spanner hätte ich Andre niemals zugetraut, aber mir gefällt es wie du ihn in dieser FF aufbaust.
Mehr Mann als im Anime ;)
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
03.04.2017 20:10
Dankeschön für deinen Kommentar. :-)
Nun, wenn sophie nicht reingekommen wäre, vielleicht hätte was zwischen den beiden passiert oder auch nicht, wer weiß. ;-)
Ja, André hätte nie gespannt, aber ich sage mal so, er war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort und wer würde schon nicht dabei stehenbleiben. :-)
Danke noch einmal und liebe Grüße zurück,
Ira


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