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Clary, der teuflische Engel 2 - Das Erwachen

Die Zeit ist reif
von

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Die Zeit ist reif

Michael flog voraus, immer weiter durch die Wolken hindurch, die sich wie ein Nebel stark zusammendichteten. Sebastian konnte die Hand vor Augen nicht mehr sehen und hätte auch den Erzengel verloren, hätte dessen Flügel nicht so stark geglänzt. In seinen Armen hing Clary, die unter größten Schmerzen litt. Die Wehen kamen nun rascher als je zuvor. Hätte Sebastian nicht seine schwere Rüstung getragen, so hätte ihr Griff in der Schulter sicherlich geschmerzt.

Plötzlich tauchten vor ihm nebelverhangene Felsketten auf, an dessen Riffkanten zahllose versunkene Schiffe lagen. Moderne Benziner wie altertümliche Segelboote türmten sich gar schon in diesem tödlichen Gewässer.

Letztendlich gelangte er in einen langgezogenen Canyon, in der seine Flugkünste äußerst geprüft wurden. Hier und da verletzte er sich an seinen Schwingen und versuchte Clary zu schützen. Nun erreichte er zahllose massive Berge, und unter ihm erschien schließlich eine schmale Passage, die mit einem übergroßen Torbogen eingerahmt wurde. Diese ließ eine Landung zu. Dahinter erkannte Sebastian schwindelerregend hohe Türme, Villen, Gärten und Flüsse, die mit zahlreichen Ranken beinahe vor seinen Augen verschwanden.

Erstaunt landete er auf dem breiten Steg, der vor der Passage lag. Doch er hatte kaum Zeit sich alles genauestens anzusehen. Engel, die wie altertümliche Boten und Bedienstete gekleidet waren, nahmen ihm Clary vorsichtig aus den Armen und betteten sie auf eine Bambusliege. Mit wenigen Flügelschlägen schwebten sie davon, ehe Sebastian eingreifen konnte. Michael legte beruhigend seine Hand auf dessen Schulter.

»Sie wird gut umsorgt werden, eine Hebamme ist dabei. Nun komm, ich werde dir euer neues Zuhause zeigen!«

Michael spazierte voraus und Sebastian folgte ihm schweigend. Eine Treppe, geformt aus Stein, führte sie aus der Schlucht heraus. Schließlich erreichten sie eine schmale Brücke, auf der Michael stehenblieb. Unter ihnen tummelten sich engelsgleiche Wesen aller Art. Männer, Frauen und Kinder. Sie alle trugen entweder ihre Rüstung oder einfache Kleidung. Manche jedoch auch die moderneren Kleidungsstile, wie Sebastian es von der Erde gewohnt war. Fragend blickte er Michael an. Er fühlte sich unwohl, war er doch hier inmitten unsündiger Wesen, während er bisher in seinem Leben nur Tod und Verderben hereinbrachte.

Michael nickte wissend und sprach ihn an: »Du bist nicht der erste Todesengel. Und auch Engel müssen hin und wieder ein Leben rauben. Sei dir gewiss, dass nur die wenigsten hier so unschuldig sind, wie sie für dich aussehen.«

Sebastian bejahte es mit einem Kopfnicken, fragte aber: »Und warum tragen manche, nun, diese menschliche Kleidung?«

Michael lächelte und führte ihn weiter, als er ihm antwortete: »Wir sind oft unter den Menschen. Denke an Uriel, der Clary beschützt. Oder denk an die zahllosen Schutzengel, die ihre Arbeit nachgehen. Die Menschen dürfen uns jedoch nicht so erblicken, viele Menschen tragen die Schrift der sieben Todsünden in sich. Jesus hat ihnen zwar die Sündenlast genommen, doch sie sammeln derzeit sehr fleißig neue. So dient diese Tarnung auch zu unserem Schutz. Aus diesem Grund ist unser Zuhause auch so versteckt. Geschützt von Magie und von der Natur unseres Vaters. Erzengel Gabriel und andere Engel waren einst leider nicht so sorgsam.«

Michael verstummte und seufzte dann jedoch leise auf.

»Gabriel wurde gefangen genommen? Wie kam es dazu?«, hakte Sebastian nach

»Das erkläre ich ein anderes Mal. Nun komm! Ich zeige dir euer neues Zuhause!«

Michael lief einen breiten Weg hinab, bog einmal links ab und hinter einem kleinen Hügel ragte ein rudimentäres Haus empor. Eine Dienerin öffnete ihnen die Haustür und verneigte sich vor ihnen.

Sebastian staunte. So wirkte zwar das Häuschen von außen klein, jedoch bot sich im Inneren ein ganz anderer Anblick. Ein breiter Flur führte durch eine Tür in ein Esszimmer, dahinter bot sich ihm ein kuscheliges Wohnzimmer mit zahlreichen Decken und einem Kamin an. Durch die gläsernen, kreisrunden Fenster sah er im Hinterhof einen Brunnen und unzählige wachsende Früchte. Eine Treppe hinauf überraschte ihn ein Schlafzimmer mit einem übergroßen, weichen Daunenbett, dessen Gardinen wie ein Himmelbett hinabfielen, während das andere Zimmer eher wie ein Kinderzimmer bereits ausgestattet war. Es wirkte wie ein altertümliches, menschenähnliches Gebäude. Nur die fehlende Elektrizität und fehlende Kerzen zeugten davon, dass die Engel jenes nicht wünschten oder benötigten. Wenngleich sie wohl sich damit bestens auskannten.
 

Sebastian fühlte sich hier eindeutig wohler. Er hatte die unvergleichliche Sorge, dass die Engelswelt so wäre wie auf den Gemälden von Da Vinci oder anderen sakralen Malern. Mit übertriebener Schönheit, weißen Villen oder paradiesischen Gärten. Hier jedoch erkannte man die Naturverbundenheit und die Frömmigkeit, die diese Wesen innehatten.

Plötzlich eilte ein Bote herbei. »Herr, so kommt! Es ist soweit! Schnell!«

»Folg mir, Sebastian!«, reagierte Michael, lief durch die Gartentür hinaus und flog davon. Sebastian raste ihm hinterher, bis er in die Lüfte sprang und mit wenigen Schlägen segelte.

Sie erreichten ein Haus mit einem Flachdach und Sebastian polterte in Windeseile durch die Tür. Clary lag in einem kleinen Bett und hielt das Baby lächelnd in ihren Armen.

»Was ist es?«, rief Sebastian lachend und trat heran, doch die Amme stellte sich ihm besorgt in den Weg.

Clary schluckte sonderbarerweise und blickte Michael flehend an.

Dieser nickte und blieb mit verschränkten Armen an der Tür stehen. Schließlich ließ die Hebamme Sebastian passieren. Überrascht und vorsichtig trat dieser an Clarys Seite und schaute auf das kleine Kind. Es war ein Mädchen. Sie hatte rötlich-blonde Haare und goldene Augen. Ganz wie Jace.
 

Sebastians Mund öffnete sich und Clary rutschte mit dem Kind behütend von ihm ab. Sie hatte panische Angst vor seiner Reaktion, obgleich sie ihn inzwischen über alles liebte.

»Es ist Jaces Kind«, sagte er verwundert und starrte es weiterhin an, »und es ist wunderschön. So wie du, Liebste! Aber wieso? Wie kann?«

Er wandte sich zu Michael. »Du sagtest, dass das Kind ein reiner Engel wird. Bedeutet dies …?«

Michael nickte. »Jace trug Engelsblut in sich. Hätte er auch euer Ritual erlangt, wären die Schattenjäger nicht dazwischengekommen, so wäre auch er jetzt vollkommen. Doch sein Schicksal verlief nicht so glücklich. Doch, wenngleich er dein Rivale um Clarys Herz war, so hat er auch immer in ihrem Wohlwollen gehandelt. Ihr wart alle drei erwählt worden, doch er gab sein Leben für euch.«

»Ich verstehe«, entgegnete Sebastian und hielt Clary liebevoll die Hand hin, »er hat sie um ihretwillen beschützt. Er strotzte immer nur so vor selbstloser Güte. Und er hat sein Leben für mich aufgegeben. Ich war. Ich bin zwar Zeit meines Lebens ein Monster, von meinen Taten her, jedoch habe ich durch ihn gelernt, was Ehre und Respekt bedeutet. Ich werde das Mädchen, meine Liebste, wie mein eigenes Kind aufziehen. Hab da bitte keine Sorge. Ich werde ein besserer Vater als … du weißt schon wer, sein.«

Er setzte sich auf die Bettkante und streichelte liebevoll dem Baby durch das rotblonde Haar. Clary seufzte erleichtert auf und lehnte sich an ihn heran.

»Was hälst du von dem Namen Bethany?«, fragte sie ihn.

»Wunderschön! Es passt.«

Clary war voller Freude, strahlte ihn an und vergaß für einen Moment die Qualen, die sie erlitten hatte. Für sie wurde das größte Geschenk wahr, als Sebastian das Kind als das seine annahm.
 

Sebastian hielt tatsächlich sein Wort und war voller Hingabe bei der Erziehung seiner Stieftochter. Clary wünschte sich, dass Bethany nie erfuhr, dass Sebastian nicht ihr leiblicher Vater war. Das erstaunte, allerdings erfreute ebenfalls Sebastian. Clary sah es als ihre Schuld an, dass es nicht sein Kind war, und entschied es, weil sie eine ganze Familie haben wollte.
 

Bethany wuchs, wie auch schon während der Schwangerschaft, rasend schnell heran. In nur zwei Monaten erreichte sie bereits die Statur und Entwicklung eines dreijährigen Kindes. Sie lernte schnell die Sprachen, die ihr Vater ihr beibrachte. Englisch, Französisch und Italienisch. Von Uriel erlernte sie Latein. Zugleich half sie ihrer Mutter im Garten bei der Ernte und spielte mit Uriel, der wie ein Onkel zu ihr war. Besonders dann, wenn Clary und Sebastian auf der Jagd nach Sündern waren. Sie trugen dabei feine schwarze Rüstungen, die mit wundervollen Ornamenten und Glyphen verziert waren, wenngleich jene Glyphen auch eine magische Schutzfunktion innehielten, ganz ähnlich zu den Runen der Schattenjäger. Dazu trugen sie ein dunkles Cape mit einer schwarzen tiefsitzenden Kapuze, sofern sie diese über sich zogen. Ihre Waffen waren die Schwerter, die sie während ihrer Abenteuer zusammentrugen. Zudem trug Clary am Stiefel den kleinen Engelsdolch, den Sebastian ihr damals in der Dimensionswohnung überreicht hatte. Die Schattenjäger verbannten sie, zumindest diejenigen, die sie erwischten, nach Idris. Wenngleich andere so oder so in Idris ihren Schutz suchten. Ihnen wurde auferlegt niemals wieder ihre Runen zu benutzen. Clarys Schattenjäger-Freunde gingen von sich aus in dieses Exil. Auf Befehl des Allmächtigen hin, durften Magnus und Simon eine zweite Chance erhalten. Magnus, aus Liebe zu Alec, folgte diesem ins Exil der Nephilim. Während Simon jedoch die Erinnerungen geraubt wurden und er schließlich wie früher als normaler junger Mann in die Menschenwelt zurückkehrte und dort sein weiteres Leben verbringen sollte. Die Alternative für beide wäre einzig gewesen hinab in die Hölle zu fallen. Isabelle war damit äußerst unzufrieden, doch hatte sie aus den Augen des Herrn keine zweite Chance und keine Liebe verdient.

Viele Schattenjäger jedoch schlossen sich einer Rebellion an, so auch Maryse und Robert Lightwood. Und wohl gar auch Jocelyn und Luke, denn sie waren für Clary und Sebastian unauffindbar.

Die Dämonen verhielten sich ähnlich zu ihnen und versuchten durch allerlei Schlupflöcher an ihnen vorbeizutauchen. Diejenigen, die sie erwischten, verbrannte Sebastian zu Asche. Es war ein beständiger Kampf zwischen den Engeln, den Nephilim und den Dämonen. Einzig die Menschen, die Mundis, erfuhren nichts über diese transzendalen Geschehnisse um sie herum.
 

Bethany wuchsen wie Sebastian und Clary schwarze Flügel, doch ihr Körper war überseht mit hellweißen Runen, die sich wie Adern auf ihrer Haut abzeichneten. Ihre langen Haaren umschmeichelten ihr zartes Gesicht, das mit ihrer Stupsnase Clary sehr ähnelte.

Im menschlichen Alter von 10 Jahren, in dem sie in einen Zeitraum von 12 Monaten heranwuchs, begann Sebastian sie in der Kampfkunst, auch mit Schwertern, zu unterweisen. Auch Clary lernte sowohl von ihm als auch von Uriel neue Kampftechniken und Kampfstrategien. So wuchsen sie zu einer engen Familie zusammen, die tagsüber sich mit den anderen Engeln trafen und ihr Leben genossen, und nachtens sich auf die Jagd gegen Nephilim und Schattenweltler aufmachten.

Doch auch wenn Bethany schon zu einer jungen und äußerst starken Frau heranwuchs, denn nach 16 Monaten erreichte sie bereits das menschliche Alter von fast 17 Jahren, entschieden ihre Eltern Clary und Sebastian, dass sie sich an der Jagd noch nicht beteiligen durfte. Es war sogar so, dass Sebastian sich darum vielmehr sorgte als Clary.

Denn während der anderthalb Jahre, in denen Bethany jetzt in sein Leben getreten war, schloss er sie sehr in sein Herz und sie erreichte noch viel mehr seine Gefühlswelt als Clary es je tat. Allabendlich brachte er sie ins Bett und las ihr in ihren jüngeren Jahren unentwegt Gute-Nacht-Geschichten vor. Clary spionierte oftmals hinterher, und wenn Bethany eingeschlafen war, so nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn vor der Arbeit mit einem Lächeln oft genug ins eigene Schlafzimmer. Clary versprach aus Liebe zu ihm, ihm ein eigenes Kind zu schenken. Er war einerseits überaus glücklich darüber, dass Clary solche Gedanken im Sinn hatte, andererseits sah er Bethany bereits als sein eigenes Fleisch und Blut an. Doch gegen eine Erweiterung der so jungen Familie hatte er, seitdem sie zusammenlebten, nichts einzuwenden. Eine Familie sein eigen zu nennen, die er über alles liebte, daran hätte er im Entferntesten damals nicht gedacht, als er noch unter der strafenden Obhut seines Vaters war. Allabendlich, bevor er in die Schlacht zog, sinnierte er über die Geschehnisse und zeigte sich froh über die Entwicklung. Doch das Raubtier in ihm, das Dämonenblut, das verlor er nie, es wurde nur durch Clarys und Bethanys Anwesenheit dann und wann gezähmt.
 

Eines Morgens blickte er beim Frühstück auf Bethany, während er das getrocknete Blut von seinem Engelsschwert säuberte. Sie war groß geworden, stellte er fest. Ebenso von schlanker Statur wie ihre Mutter, doch deutlich größer inzwischen mit ihren 1,69 m. Ihre rotblonden Haare, die sie als Baby besaß, wandelten sich zu hellblonden Haaren, die beinahe die gleiche Farbe wie ihre Runen aufwiesen. Ihre schwarzen Federn glänzten in der Morgensonne. Er legte schließlich die Klinge beiseite und faltete die Hände.

»Bethany?«, sagte er tonlos.

»Ja, Vater?«, reagierte sie mit einem aufmerksamen Lächeln und schmierte sich ihr Brötchen nebenher weiter.

Mit einem Grinsen reagierte er: »Was hältst du davon, mit uns heute Abend in einem Restaurant mal wieder auszugehen und danach mit uns auf die Jagd nach Sündern zu gehen?«

Bethany ließ vor Schreck das Messer fallen und starrte ihren Vater an, wohingegen Clary Sebastian nur anfeixte und seine Hand feinfühlig ergriff. Sie wusste, dass das für ihn keine leichte Entscheidung war.

Sebastian runzelte mit einem fragenden Lächeln die Stirn. »Nun?«

Da schob Bethany das Frühstück beiseite, krabbelte über den Tisch und schwang sich auf seinen Schoß. Schließlich drückte sie sich ganz fest an ihn.

»Danke, danke, danke, danke, Vater!«, jauchzte sie lautstark.

Sogleich hüpfte sie wieder fort und rannte die Treppenstufen hinauf und quasselte nur unentwegt: »Was ziehe ich nur an? Was ziehe ich nur an? Mum, hilf mir!«

Clary lachte auf, schob in aller Seelenruhe den Stuhl zurück und gab Sebastian einen langen Kuss. »Das ist lieb, dass du dich endlich überwunden hast!«

Sebastian zog sie auf seine Beine und lehnte sie kopfüber hinunter. Dann strich er über ihre Taille und hielt sie am Oberschenkel fest.

»Ieeh«, tönte es von oben herab. Sebastian wendete den Blick von Clary ab und sah hinauf.

Bethany stand am Treppengeländer und reagierte grinsend: »Reingefallen, das ist doch nicht eklig, ich bin doch schon fast erwachsen! Nun küsst euch endlich und dann kommst du, Mum, bitte hoch!«

Bethany rannte wieder auf ihr Zimmer, während Clary Sebastian einen kurzen Kuss auf seine Lippen gab.

Beim Aufstehen sah sie ihn kurz an, schüttelte lachenderweise den Kopf und fügte schließlich hinzu: »Deine Tochter!«

»Mum!«, raunte es erneut von oben, gedämpft durch die Zimmertür aber nun.

»Ja, Mum, jetzt geh schon! Hilf bei der Kleiderwahl«, neckte Sebastian Clary und gab ihr einen Klaps auf den Hintern.

Clary grinste schief und schrie dann, als sie die ersten Treppenstufen betrat: »Ich komme ja schon!«
 

Er entschied sich für eine feine schwarze Herrenhose mit einem ebenso schicken schwarzen Hemd. Er setzte sich wartend ins Esszimmer und spielte mit einem Dolch auf der Tischplatte herum. Während er hier so wartete, kam er ins Grübeln über die letzten anderthalb Jahre. Er war über sich selbst erstaunt, wie sehr er sich bezüglich Clary und Bethany verändert hatte. Er war sich die erste Zeit nicht sicher, ob ihm die Vaterrolle stehen würde, vor allem, da es Jaces Kind war. Allerdings bemerkte er nun, wie sehr sie ihm am Herzen lag und es erfüllte ihn mit Stolz, wenn sie ihn Vater rief. Auch die bedingungslose Liebe zwischen Clary und ihm, die er sich so eine lange Zeit erhofft hatte, übertraf seinen kühnsten Erwartungen. Wie selbstverständlich gab sie ihm jeden Tag Küsse und schöne Augenblicke. Allesamt auf ihre Art einzigartig und er genoss diese Liebe in seinem Leben. Wenngleich er ebenso sein Schicksal als Todesenggel begehrte. Er genoss es, wenn die Wesen vor Angst erstarrten oder die Flucht ergriffen. Wenn sie wussten, dass ihre Richter gekommen waren. Und er liebte es über alle Maßen, dass auch Clary diese Verantwortung mit ihm trug. Sie hatte die ersten Male gezögert, doch mit der Zeit genoss auch sie ihre neue Kraft und die neuen Talente. Wenngleich, sie im Gegensatz zu ihm vielmehr Güte den Sündern entgegentrug. Jedoch ergänzten sie sich darum umso mehr. So lächelte Sebastian, klappte den Dolch zusammen und steckte ihn in seinen Hosenbund.

Schließlich stolzierte Bethany hinunter, sie trug elfenbeinfarbige Stöckelschuhe, eine enge schwarze Röhrenjeans und dazu ein passendes weißes, schulterfreies Top. Eine kurze schwarzgraue Bolero-Jacke mit einer hellen Kapuze rundete ihr Outfit ab.

»Was sagst du?«, fragte sie ihn und drehte sich einmal im Kreis.

»Es steht dir«, grinste Sebastian und fragte, »wie weit ist denn deine Mum?«

Bethany griente ihn so diabolisch an, dass er erstaunt, aber auch mit Stolz, eine Augenbraue hochzog.

Dann öffnete sich die Schlafzimmertür und Clary trat in roten High-Heels auf die Stufen der Treppe. Sebastian verfolgte mit großen Augen ihre Erscheinung. Sie hatte ein bodenlanges, körperbetonendes rotes Kleid ausgewählt, das mit dünnen Spaghetti-Trägern gehalten wurde. Über ihren Arm hielt sie einen entsprechend langen schwarzen Mantel, der tailliert geschnitten war.

»Du siehst wundervoll sexy aus!«, reagierte er und half ihr in den Mantel.

In diesen Kleidern wollten sie nun Bethanys Einweihung feiern, erst später würden sie sich ihre Rüstungen für die Jagd anziehen.

Nach einer kurzen Teleportation durch Clarys Runenfähigkeit landeten sie direkt in einer Nebenstraße zum gewünschten 5 Sterne Restaurant in New York. Ein breitgefächertes Büffet stand auf der Tageskarte.

Hier angekommen versteckten sie durch Magie ihre Flügel, ganz so, wie es Uriel damals tat, als Clary ihn das erste Mal in Rom getroffen hatte.
 

Sebastian öffnete seinen Mädchen wie ein galanter Gentleman die Tür und ließ sie vortreten. Ein Kellner ließ sich seinen Namen geben und geleitete mit einem Grinsen die Drei zu ihrem Tisch, weit hinten in einer Ecke.

Bethany war selten unter den Menschen und genoss jedoch jedes Mal diese Umgebung. Sie beobachtete jeden Mann, jede Frau, jedes Kind in diesem Lokal und machte sich einen kindlichen Spaß daraus, heute zusammen mit ihrem Vater, aufzudecken, wer wie auf welcher Weise gesündigt hatte. Die drei Todesengel konnten die Sünden der Menschen wie durch einen siebten Sinn wahrnehmen, dafür brauchten sie noch nicht einmal mehr viel Übung.

»Der da hat seine Ehefrau betrogen!«, flüsterte Bethany zu ihrem Vater.

Dieser nickte verschwiegen und breit grinsend.

Clary schüttelte darüber nur den Kopf und ging als erste mit ihrem Teller zum großen Buffet.

»Was hat Mum?«, fragte Bethany Sebastian besorgt, »habe ich etwas Falsches gesagt?«

Sebastian schüttelte den Kopf, nahm die Serviette von seinen Beinen, legte diese auf den Tisch und meinte beim Aufstehen: »Nein, ich rede mal mit ihr! Bleib sitzen, meine Kleine!«

Bethany legte die Hände in ihren Schoß und mit Bekümmern in der Stimme reagierte sie: »Ist gut.«

Sebastian ging zur Salatbar, an der Clary sich aufhielt. Er umarmte sie von hinten und küsste ihren Hals.

»Du bist wunderschön, Liebste!«, flüsterte er ihr ins Ohr, »was ist aber mit dir los?«

»Nichts!«, grummelte Clary erst, dann jedoch fügte sie hinzu, »ich mache mir Sorgen um meinen Engel, um meine Kleine. Ich dachte, ich würde es besser aushalten als du. Aber denkst du wirklich, dass sie schon bereit dafür ist? Oder habe ich dich zu sehr dahin gedrängt?«

»Ja, sie wird bereit sein«, antwortete er mit einer liebevollen Stimme, »und außerdem sind wir ja dabei. Ihr wird nichts geschehen!«
 

Clary erfasste in ihrem Löffel eine Spiegelung und ruckartig drehte sie sich um. Ein Laster raste durch die Schaufenster des Restaurants auf sie zu. Glas klirrte und Menschen schrien lauthals auf, als der LKW kippte und quer durch das Lokal schlidderte. Der Wagen riss viele Menschen mit sich, die unter diesem begraben wurden.

Plötzlich explodierte der Lastkraftwagen und mit ihm das Etablissement. Clary und Sebastian schleuderten hinaus, Glasscherben flogen bis weit auf die Straße und Feuer entbrannte lichterloh im Herzen der Gastwirtschaft.

Sofort sprang Clary panisch auf und schrie: »Bethany?«

Sebastian knurrte wütend auf, sein Herz fühlte sich wie gespalten an, und er lief außerhalb des Feuers auf und ab. Der Qualm und vereinzelte Flammen versperrten ihm die Sicht. Immer wieder rief Clary nach ihrem Kind, doch es war zwecklos. Und immer mehr Schaulustige erreichten die Gefahrenzone.

»Komm«, sagte Sebastian und lief mit Clary um das Gebäude herum, in der Hoffnung, einen Weg hineinzufinden.
 

Bethany rappelte sich in einer Ecke des Restaurants auf. Sie hatte sich den Kopf an der Wand angeschlagen und war für einen kurzen Moment ohnmächtig gewesen.

Sie sah auf das Wrack des Lastwagens und rief nach ihren Eltern. Keine Reaktion. Voller Furcht rief sie erneut nach ihnen. Doch außer der Geruch vom verbrannten Fleisch konnte sie nichts vernehmen. Auf einmal hörte sie Schritte und kniete sich vor Freude trotz Schmerzen in den Fußgelenken hin. Aber statt Clary und Sebastian kamen vier vermummte Männer auf sie zu und der Erste schlug ihr ins Gesicht. Bethany schleuderte zurück zu Boden. Ein weiterer Maskierter nahm schnellstens ihre Handgelenke und legte sie in Fesseln. Sogleich spürte sie wie ihr jegliche magische Macht geraubt wurde. Panisch strampelte sie mit ihren Füßen, aber zwei der Männer hielten diese schließlich fest. Gemeinsam trugen sie Bethany heraus, liefen durch die Küche aus dem Hintereingang heraus und gelangten dort in der Hintergasse an einen Van. Sie öffneten die hinteren Türklappen und warfen Bethany hinein. Dumpf polternd landete sie im Inneren des Fahrzeugs. Die rollende Seitentür wurde aufgezogen und ein weiterer maskierter Mensch knebelte sie und steckte ihren Kopf in einen Sack. Dann stiegen alle zu ihr in den Wagen und brausten davon. Aus der Ferne hörte sie ihren Vater rufen. Er kam zu spät. Sie schluchzte bitterlich und fühlte sich verloren.
 

Sie versuchte sich zu orientieren, ihre Fesseln zu lösen, doch es war nicht mit Erfolg gekrönt.

Plötzlich bremste der Van ruckartig und Bethany rutschte ein gutes Stück vor. Sie hörte Gemurmel vor dem Wagen auf der Straße, das klackende Geräusche der Türen und dann wurde sie angehoben.

»Habt ihr sie?«, tönte es von der einen Seite.

»Natürlich«, von der anderen.

Bethany wurde auf ihre nackten Füße gestellt, ihre Heels hatte sie unterwegs verloren wohl, und die Kapuze von ihrem Kopf genommen. Verwirrt und ängstlich sah sie in die Runde. Die vier maskierten Männer und zwei weitere standen sich gegenüber.

»Ja, das ist sie!«, antwortete einer der beiden.

Auf einmal erschallte ein Schuss und alle Männer sprangen in Deckung hinter dem Van und mehreren Mülltonnen, ließen jedoch Bethany an Ort und Stelle stehen. Sie begann erneut zu weinen, sie war noch nie so weit fort von ihren Eltern, sie wurde doch immer geschützt, wo waren sie nur.

Da erblickte sie einen Mann auf dem Dach stehend, der sie in Augenschein nahm. Bethany wimmerte hilflos und sah sich verängstigt nach einem Versteck um. Allerdings sprang der Mann nun hinunter und ging in aller Seelenruhe in ihre Richtung, obgleich die Verbrecher noch in seiner Nähe waren. Die vier Maskierten zögerten, jedoch die zwei Handelsmänner holten Dolche heraus und liefen auf ihn zu. Der Fremde zog aus seinem Rücken ein Schwert, duckte sich unter den Angriffen hinweg und schlug sie beide mit nur einem Schlag nieder. Die Wucht seiner Bewegung beendete er, indem er sich mit einem Knie auf den Boden hockte. Da hörte Bethany wie der Motor des Vans gestartet wurde und das quietschende Surren des Rückwärtsgangs ertönte.

So ließen sie sie alleine. Mit dem fremden Mann ihr gegenüberstehend. Er schulterte das Schwert wieder und spazierte in aller Seelenruhe zu ihr hin. Vorsichtig zog er ihren Knebel herunter.

»Es ist gut, die werden nicht so bald wiederkommen.«

Bethany nickte zaghaft, die Angst stand ihr auf der Stirn geschrieben.

»Was wollten die von dir?«

Er musterte ihre Fesseln. »Du scheinst ihnen wichtig zu sein, das sind ja magische Fesseln. Wie heißt du?«

Bethany schwieg ihn hilflos an. Sie erinnerte sich daran, was ihre Eltern ihr sagten. Vertraue keinem Fremden.

Schließlich fragte er sie: »Kannst du überhaupt sprechen?«

»Ja«, stotterte sie, »ich weiß nicht, was die wollten. Ich war im Restaurant essen.«

»Hm«, antwortete er, »vielleicht stelle ich mich einfach mal vor. Ich heiße Jace.«

»Bethany«, reagierte sie zögerlich, schaute in seine güldenen Augen und reichte ihm höflich die gefesselte Hand.



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