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Mister Liar

von

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~ Family and friends, everyone’s smiles are blooming ~

Yukke atmete tief die frische Luft ein, nachdem er die Tür zur Terrasse zugeschoben hatte. Im Inneren des Hotels, welches sie für ihre Hochzeitsfeierlichkeiten gemietet hatten, herrschte Rauchverbot, und so erstaunte es ihn, dass er gerade allein hier draußen war. Aber er würde sich nicht beschweren, ganz im Gegenteil. Gemächlich schlenderte er über den Boden aus Naturstein, genoss die kühle Nachtluft, die sich nur langsam durch die vielen Lagen Stoff seines Hochzeitsgewands mogelte. Er hätte auf seine Mutter hören und sich für die Feier einen leichten Yukata besorgen sollen, aber in der ganzen Hektik hatte er dies vollkommen vergessen. Wenigstens die Jacke war er früh am Nachmittag bereits losgeworden und nun schob er sich behelfsmäßig auch die Ärmel seines Kimonos nach oben, bevor er sich mit einem leisen Seufzen auf den Lippen gegen das Holzgeländer lehnte, das die Terrasse vom angrenzenden kleinen Garten trennte. Die Sonne war schon vor Stunden untergegangen und die Außenbeleuchtung tauchte die Szenerie vor ihm in gelbliches Licht, ließ seine Umgebung beinahe so unwirklich erscheinen, wie das durchdringende Zirpen der Zikaden. Am Horizont konnte er die Lichtemissionen des entfernten Tokyos in schwachen Grün- und Blautönen erkennen und der Wind hatte deutlich aufgefrischt, wehte ihm seine dunkelbraunen Ponyfransen in die Augen. Noch einmal atmete er tief ein, genoss die Ruhe, die nach der munteren Musik und den vielen Stimmen, die ihn in den letzten Stunden umgeben hatten, richtig guttat. Gerade wollte er sich eine Zigarette anstecken – der eigentliche Grund, weswegen er nach draußen gegangen war – da lenkte ihn das Vibrieren seines Handys ab. Miya hatte ihm eine Videodatei geschickt? Stirnrunzelnd öffnete er den Anhang der Nachricht und schmunzelte, als er erkannte, worum es in dem Video ging.

 

„Na, wenn das nicht eindeutig ist, weiß ich auch nicht“, murmelte er amüsiert und zuckte ein wenig zusammen, als er unverhofft Tatsuros Stimme hinter sich vernahm.    

 

„Da bist du ja.“

Yukke lächelte, als sich Arme von hinten um seine Mitte legten und ein Paar weiche Lippen einen Kuss in seinen Nacken drückten.

„Was machst du?“

 

„Mir den Beweis ansehen, dass ich tatsächlich die Hand oben hatte, als wir die Torte angeschnitten haben.“ Tatsuro schnaubte hinter ihm und drückte seine Hand, die das Handy hielt etwas nach oben, damit er über seine Schulter hinweg auf das Display sehen konnte. Nett wie er war und weil er wollte, dass sein Mann die Wahrheit mit eigenen Augen würde sehen können, startete er das Video neu.

 

Erst war noch alles verwackelt und man hörte nur die Musik und viele Stimmen, die wirr durcheinanderredeten, bis Miya schließlich still hielt, sodass die Hochzeitstorte in der Mitte des Bildes scharf gestellt wurde. Der Leader zoomte an den dreistöckigen, weißen Leckerbissen heran, bis die zwei Figuren obenauf deutlich zu erkennen waren. Tatsuro im Hawaiihemd mit kurzen Hosen und Sandalen und er selbst im typischen Yuketsuko-Outfit, stilecht mit blonder Langhaarperücke und Mundschutz. Ein Geschenk von Gara, der die beiden Figuren aus Zucker extra bei einer Konditorei hatte anfertigen lassen. Die Kamera zoomte wieder zurück, sodass nun auch Tatsuro und er selbst – diesmal die lebendige Variante – im Bild waren und man deutlich mitansehen konnte, wie Tatsue wie immer der Erste sein musste, der irgendwas Interessantes tat. Selbst dann, wenn es darum ging, die Torte anzuschneiden. Und so kam es, wie es kommen musste. Irgendjemand rief ihnen zu, dass sie das gemeinsam machen mussten – jetzt im Nachhinein war er sich sicher, dass es Zero gewesen war, und er machte sich eine mentale Notiz, sich bei Gelegenheit bei seinem großen Bruder dafür zu bedanken. Also hatte Yukke pflichtschuldig die Hand auf die Tatsuros gelegt und damit für alle sichtbar den Beweis erbracht, dass er, Yusuke Fukuno, zukünftig in ihrer Ehe das Sagen haben würde.

 

Die warme Hand seines Mannes verschwand von der seinen und er hörte ein entrüstetes Schnauben hinter sich. Grinsend schaltete er das Video ab und klappte die Schutzhülle des Smartphones zu, bevor er es für den Moment auf die Balustrade legte und sich im Kreise von Tatsuros Armen herumdrehte.

 

„Was denn?“, erkundigte er sich mit einem scheinheiligen Lächeln auf den Lippen, schnappte sich eine der schwarzen Haarsträhnen und zwirbelte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. „Willst du den Videobeweis etwa anzweifeln?“

 

„Pfff. Das Filmchen bestätigt nur, dass du die Hand oben hattest, sonst gar nichts.“

 

„Ach? Und was wäre gewesen, hättest du die Hand oben gehabt?“ Er konnte Tatsues freches Grinsen bereits erahnen, bevor es sich vollends auf seine Lippen legte.

 

„Das wäre dann natürlich etwas ganz anderes gewesen und würde nur die Wahrheit widerspiegeln.“

 

Leise lachend schüttelte Yukke den Kopf, war die Antwort doch einfach nur typisch für seinen Mann.

„Natürlich“, bestätigte er übertrieben verständnisvoll, wühlte beide Hände in Tatsues Mähne und schmiegte sich eng an ihn. Warme Hände fuhren über seinen Rücken und er stellte sich etwas auf die Zehenspitzen, um seine Lippen auf die seines Gegenübers legen zu können. Wie automatisch flatterten seine Lider zu. Durch den ganzen Trubel der Hochzeitsvorbereitungen hatten sie in den letzten Tagen kaum Zeit für sich gehabt und dementsprechend guttat diese zärtliche Berührung nun. Tatsues forschender Zunge gewährte er nur zu gerne Einlass, seufzte zufrieden in seinen Mund und spürte dem seichten Kribbeln nach, dass die Küsse des Sängers selbst nach all der Zeit noch immer in ihm auszulösen vermochten.

 

Eine kleine Ewigkeit blieben sie ungestört, während ihr Kuss zunehmend an Unschuld verlor. Tatsues Hände waren ruhelos über seinen Rücken geglitten, legten sich nun auf seinen Hintern, packten zu und drängten ihre Körpermitten gegeneinander, entlockten ihm damit ein kleines, durchaus genießendes Brummen.

 

„Tatsue“, nuschelte er gegen die fordernden Lippen, haschte nach der unteren und knabberte leicht an ihr. „Wir sollten nicht ... nicht hier …“ Aber sein Mann begann ihn nur noch inniger zu küssen, wühlte eine Hand in sein Haar und hielt ihn so effektiv von weiteren Protesten ab. Und wenn er ehrlich war, wollte er sich gar nicht beschweren, zu sehr verlangte es ihn selbst nach seinem Mann. Für einen kurzen Augenblick spürte er Tatsues triumphierendes Grinsen und rollte mit den Augen, bevor er seine Lider schloss und ihm neckend in die Zunge biss. Der werte Herr brauchte sich gar nichts hierauf einbilden, immerhin war es Tatsuro, der die Finger nicht von ihm lassen konnte. Nachdrücklich wurde er nach hinten gedrängt, bis er mit dem unteren Rücken gegen das Geländer stieß und ihm ein erstes, leises Keuchen entkam, als er spürte, dass ihn die wilden Küsse seines Sängers alles andere als kalt ließen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie gern noch eine ganze Weile so weitermachen können, aber das charakteristische Geräusch, mit dem die Schiebetür zur Terrasse geöffnet wurde, ließ ihn hellhörig werden.

 

„Yusuke?“

 

Spätestens die nur zu deutlich amüsiert klingende Stimme seiner Mutter holte ihn unbarmherzig in die Realität zurück. Murrend löste sich Tatsuro von ihm, schaute ihn mit einem dermaßen unwilligen Ausdruck im Gesicht an, dass er nicht anders konnte, als ihn breit anzugrinsen, bevor er seitlich an ihm vorbei zu seiner Mutter hinüberschaute.

 

„Ja?“ Er spürte, wie sich eine leichte Röte auf seine Wangen legte, als er ihre Belustigung ganz deutlich in ihrem Blick erkennen konnte.

 

„Tut mir leid, dass ich euch gestört habe, aber dein Vater hat ein bisschen zu tief ins Glas geguckt und will euch nun unbedingt noch seine Weisheiten mit auf den Weg geben, bevor ich ihn endlich aufs Zimmer schaffen kann.“

Seine Mutter schüttelte in einer resignierenden Geste den Kopf und Yukke konnte nicht anders, als leise zu lachen.

 

„Das ist so typisch für deinen Paps“, stellte Tatsuro grinsend fest und hatte seinen kleinen Anflug von Unmut  schon wieder vergessen, als nun auch er sich zu seiner Mutter herumdrehte.
 

„Da sagst du was Wahres“, Yukke lächelte seinen Mann an, bevor er an seine Mutter gerichtet weitersprach: „Wir kommen gleich, Mama.“

Mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen verschwand sie wieder im Hotel und noch bevor sie die Tür ganz geschlossen hatte, hatte er Tatsues Mund erneut für einen innigen Kuss in Beschlag genommen.

 „Ich hab später noch eine Überraschung für dich“, raunte er gegen die begehrenswerten Lippen und fuhr mit dem Zeigefinger über Tatsues Hals. „Also überleg dir gut, ob du es meinem alten Herrn gleichtun oder lieber etwas nüchterner bleiben willst.“ Das interessierte Funkeln in den dunklen Augen war ihm Antwort genug. Er griff nach seinem Handy, das zum Glück nicht von der Balustrade gesegelt war, und der Hand seines Mannes und folgte seiner Mutter ins Innere des Hotels.

 

~*~

 

„Na endlich. Ich dachte schon, wir kriegen deinen Vater nie ins Bett.“ Satochi drückte den Rücken durch und streckte sich ausgiebig, während er selbst sich ein Gähnen verkneifen musste.

 

„Danke, dass du mir geholfen hast, ihn aufs Zimmer zu bringen.“ Yukke schenkte Satochi ein dankbares Lächeln und stieß ihn leicht mit der Schulter an.

 

„Keine Ursache. Tatsue und deine Mutter waren eindeutig zu beschäftigt, um sich um deinen alten Herrn zu kümmern.“

 

Yukke konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen und nickte.

„Stimmt auffallend. Und ich bin mir sicher, spätestens nach dem ersten Takt hat Mama es bereut, ihren Schwiegersohn zum Tanz aufgefordert zu haben. Ich hoffe nur, Miya hält das auch wieder schön für die Nachwelt fest, das muss ich mir unbedingt noch sehr, sehr oft ansehen.“

 

„Ugh“, Satochi neben ihm gab ein schmerzvolles Keuchen von sich und reckte seinen Rücken von der einen zur anderen Seite.

 

„Was hast du denn?“

 

„Dein Vater hat sich gerade wirklich nicht sonderlich leicht gemacht. Und dann immer dieses Rumgewackel. Ich muss mir was eingeklemmt haben.“

 

„Tja mein Lieber, jetzt hast du mal am eigenen Leib miterlebt, wie anstrengend es für uns immer ist, dich alte Schnapsleiche ins Bett zu bugsieren. Im Vergleich zu dir war Paps eben wirklich noch harmlos.“ Yukke grinste seinen Freund an und schlug ihm mit Schmackes auf die Schulter. Sato rollte nur mit den Augen und revanchierte sich mit einer Kopfnuss, die seine ohnehin zerzausten Haare gleich noch wilder von seinem Kopf abstehen ließ, aber er grinste nur. „Getretene Hunde bellen“, trällerte er und verschwand im Treppenhaus.

 

„Wo gehst du hin?“, erkundigte sich sein Kumpel, während er schon die ersten Stufen nach oben gestiegen war.

 

„Ich geh kurz aufs Zimmer, was herrichten.“ Er zwinkerte vielsagend, woraufhin Satochi abwehrend die Hände hob.

 

„Zu viel Information, ich will das gar nicht wissen.“

 

„Warum? Ich will doch nur den Champagner kalt stellen, den Whirlpool einschalten, nachsehen ob genügend Gleitgel da ist …“ Satochis lautes und eindeutig warnendes, „Yukke!“, ließ ihn verstummen und nun wirklich sehr breit grinsen. „Was denn?“

 

„Halt die Klappe und troll dich.“

 

„Seit wann bist du denn so prüde?“ Er konnte es nicht lassen und musste den Drummer ärgern, wenn er ihm schon mal die Gelegenheit dafür bot. „Du hältst dich doch mit deinen Weibergeschichten auch nicht zurück.“

 

„Ja. In denen geht es aber auch nicht um Tatsuro.“ Sato verzog das Gesicht und zuckte beinahe entschuldigend mit den Schultern. „Sorry …“ Wieder schüttelte es seinen Freund und er fuhr sich durch die Haare. „Ich geh jetzt lieber und versuch, mein Hirn mit Wodka zu bleichen.“

 

„Na, na, wer wird denn da so eine blühende Vorstellungskraft haben? Herrscht bei dir momentan Flaute oder was ist los?“, redete er neckend weiter und huschte mit einem lauten Lachen die restlichen Stufen hinauf, als sich aus Satochis Kehle lediglich ein unheilvolles Knurren stahl.

 

~*~

 

Sato hätte sich gar nicht so anstellen brauchen, denn bis auf die Sache mit dem Gleitgel hatte er ihm sowieso nicht die Wahrheit gesagt. Um den Champagner und den Whirlpool hatten sich schon längst die Hotelangestellten gekümmert, sodass er nur noch dafür sorgen musste, dass Tatsuro und er früh genug die Feier würden verlassen können, bevor das ganze Eis im Kühler geschmolzen war.

Nein, was er wirklich auf ihrem Zimmer getrieben hatte, würde er seinem Kumpel bestimmt nicht erzählen, denn spätestens dann würde der seine Androhung, sich mit Wodka das Hirn bleichen zu wollen, wahr machen. Und was es heißen würde, wäre er dafür verantwortlich, wenn MUCCs Drummer nicht mehr die geistige Kapazität besitzen würde, sein Instrument auf angemessene Weise spielen zu können, mochte er sich an dieser Stelle lieber nicht ausmalen. Nur so viel – nicht mal sein Freundschaftsbonus würde ihn dann noch vor Miyas Rache bewahren können.

Yukke schüttelte ob seiner wirren Gedanken den Kopf, verließ ihre Suite wieder und schloss die Tür hinter sich. Ein stetiges Kribbeln hatte sich in seinem Magen ausgebreitet, zeugte davon, dass langsam aber sicher eine gewisse Vorfreude in ihm aufkam. Aber nicht nur diese, auch der Funke der Erregung, den Tatsuros Küsse vorhin bereits in ihm entzündet hatte, war nun noch mehr angefacht und ließ ihn mit einer gewissen Ungeduld zurück.

Und, na ja, das Spielzeug, mit dem er seinen Mann überraschen wollte und das nun bei jedem seiner Schritte einen reizvollen Druck auf seine Prostata ausübte, machte die ganze Sache nicht weniger interessant. Den Stufen warf er nur einen langen Blick zu, schüttelte für sich den Kopf und ging die paar Schritte zum Aufzug hinüber. Man wollte ja nichts riskieren.

 

Im Aufzug wandte sich Yukke dem großen Spiegel an der Rückseite der Kabine zu und strich über den schweren Stoff seines Hochzeitsgewands, drehte sich einmal zu jeder Seite, um zu überprüfen, ob wieder alles richtig saß. Nicht zum ersten Mal am heutigen Tag hatte er sich beglückwünscht, im einundzwanzigsten Jahrhundert zu leben, in dem Jeans und Shirt eine angemessene Bekleidung waren, denn allein die Vorstellung, solch ein Gewand Tag ein Tag aus tragen zu müssen, führte zu dezenten Schweißausbrüchen seinerseits. Im Foyer des Hotels lief er seiner Mutter über den Weg, die mit Tante Miyuki und Onkel Satoru gerade den Festsaal verlassen hatte.

 

„Na, du kannst noch laufen, dann scheint Tatsue deine Füße heil gelassen zu haben?“, erkundigte er sich lächelnd, während er auf das kleine Grüppchen zusteuerte. Seine Mutter hob den Kopf, den Zimmerschlüssel, den sie gerade in ihrer kleinen Handtasche gesucht hatte, in den Händen und blickte ihn unergründlich an.

 

„Ich bin leidensfähig“, meinte sie trocken, was nicht nur ihn zu einem leisen Lachen verleitete.

 

„Ich hatte dich gewarnt.“

 

„Natürlich hattest du das“, nuschelte sie, wie ihm schien ein wenig angeheitert, was ihm ein weiteres Grinsen auf die Lippen zauberte. Er verabschiedete sich noch von ihr, seiner Tante und seinem Onkel und stürzte sich dann wieder in den Trubel, welche ihre Hochzeitsfeier war. Ein kurzer Blick über die Versammelten bestätigte ihm, dass sich die meisten von Tatsuros Verwandten auf ihre Zimmer begeben hatten und die, die noch durchhielten, taten das vermutlich nur, weil der Sake sie bei Laune hielt. Apropos Sake, Satochi hatte tatsächlich seine Ankündigung wahr gemacht, hing gefährlich windschief auf einem der Stühle und machte den Anschein, jeden Moment von eben jenem Möbel zu purzeln. Eine erstaunliche Leistung, bedachte man, dass er sich erst vor einer halben Stunde von ihm verabschiedet hatte. Yukke kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was da Satochi zu Füßen lag.

 

„Nee, oder?“, entkam es ihm halb lachend, als das Etwas sich als ihr ach so stoischer Leader entpuppte, der auf dem Fußboden ein Nickerchen hielt. Ob nun mithilfe des Alkohols oder einfach so, blieb ihm vorerst verborgen, wobei Miya zum Schlafen nie einen Anreiz brauchte. Kopfschüttelnd ging er auf die desolaten fünfzig Prozent seiner Band zu, um Schlimmeres vermeiden zu können, oder zumindest hatte er das vorgehabt, bevor sich lange Arme um seine Mitte schlängelten und ihn schwungvoll auf einen Schoß zogen.

 

Seine Augen weiteten sich überrumpelt, auch wenn ihm kaum eine Sekunde später schon aufgegangen war, dass niemand anderer als sein Ehemann so deutlich seine Besitzansprüche klargemacht hatte. Allerdings half ihm diese Erkenntnis nicht über die Tatsache hinweg, dass ihm ein heißer Blitz durch den Unterleib zuckte, weil sich das Spielzeug zielsicher gegen seinen süßen Punkt drängte. Er biss sich fest auf die Innenseite seiner Unterlippe, um das Keuchen zu unterdrücken, das ihm schon im Halse steckte, und blickte zielsicher direkt in Zeros Gesicht, der genau wie Karyu Tatsuro gegenübersaß.

 

Die drei schienen sich gerade prima unterhalten zu haben,und während sein Mann das Gespräch, als wäre nichts gewesen, wieder aufnahm, schaute ihn Zero noch immer so irritierend forschend an. Eine schmale Augenbraue seines Gegenübers wanderte nach oben, während er selbst sich kaum traute, einen stockenden Atemzug zu nehmen. Zeros Kopf neigte sich marginal zur Seite und Yukke begann, unbewusst über seine Unterlippe zu schaben, weil er sich eigenartig durchschaut fühlte. Ein wissendes Schmunzeln zupfte an Zeros Lippen. Für einen Moment senkte er ertappt den Kopf, bevor er erneut den Blick hob und mit den Schultern zuckte, was so viel sagen sollte wie „Du weißt ja, wie das ist.“ Zeros Schmunzeln wurde daraufhin nur noch weiter und er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, nachdem er Yukke das vor ihm stehende Schnapsglas über den Tisch geschoben hatte. Nun schlich sich auch auf seine Lippen ein Grinsen und er nahm den Kurzen, prostete Zero stumm zu und trank den Schnaps in einem Zug. Der Alkohol brannte in seiner Kehle, aber dessen Hitze war ein angenehmer Kontrast zu jener, die sich mehr und mehr in seinem Körper breitmachte.

 

„Wie zum Geier macht ihr das?“

 

Karyus Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er schaute den Großen fragend an.

„Wie zum Geier machen wir was?“

 

„Zero und du. Das war eine komplette Unterhaltung, ohne dass ihr auch nur ein Wort gesagt hättet.“

Erneut zuckte sein Blick zu Zero und fast gleichzeitig fingen sie zu schmunzeln an, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Karyu richteten.

„Das ist unheimlich“, murrte der Große und rückte, wie um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, ein Stück von seinem Sitznachbarn weg.

 

„Das ist nicht unheimlich, das sind Bassisten.“

Tatsuro hinter ihm zuckte mit den Schultern und schüttelte ihn ordentlich durch, als er erneut einen unschuldig an ihnen Vorbeigehenden am Ärmel zu sich zog.

„Stimmt’s, Gara?“

Während der Sänger seinem besten Kumpel also erklärte, wofür er seine Zustimmung haben wollte, starb Yukke erneut tausend Tode. Denn nicht nur, dass ihn Tatsues Aktion eben ordentlich durchgerüttelt hatte, nein, sein Mann konnte sich auch nicht unterhalten, ohne gefühlt seinen ganzen Körper einzusetzen. Der Körper übrigens, auf dem Yukkes Hintern gerade thronte.

Vielen Dank auch.

 

Während sich Gara also zu ihnen gesellte und Tatsuro mit vollster Überzeugung zustimmte: „Klar hat Tetsu das auch drauf, das ist typisch Bassisten“ winkte Yukke einen der Kellner an ihren Tisch und bestellte eine weitere Runde. Er brauchte jetzt noch ein bisschen mehr Alkohol, sonst würde er die nächste Stunde nicht überleben. Zeros teils belustigter, teils mitfühlender Seitenblick streifte ihn noch, bevor er in die Unterhaltung mit einstieg. Nicht jedoch, ohne seinem Gitarristen zuvor noch für einen Moment das Ohr lang zu ziehen, weil er Yukke noch immer wie einen Außerirdischen musterte. Er lächelte und lehnte sich mehr gegen seinen Mann, strich ihm die Haare sanft hinters Ohr, um Hineinzuflüstern: „Wenn du nicht willst, dass mich jeder der Versammelten hier gleich aus vollem Hals stöhnen hört, rate ich dir, dich still zu halten.“

 

Er sah das freche Funkeln, das immer in Tatsuros Augen trat, wenn jemand versuchte, ihm etwas zu verbieten, bis sich  der Sinn seiner eben geäußerten Worte in seine Gehirnwindungen stahl. Wieder zupfte ein Schmunzeln an Yukkes Mundwinkeln und er näherte sich dem Ohr erneut, ließ kurz seine Zungenspitze hervorblitzen und drängte seinen Hintern mit einem kaum hörbaren Keuchen etwas fester gegen Tatsues Oberschenkel. Die Augen seines Mannes wurden erst groß, bevor sich der ihm nur zu Bekannte Ausdruck auf sein Gesicht legte, der so viel sagte wie „Ich würde dich auf dem Tisch nehmen, wären wir allein.“ Yukke erschauerte, obwohl das Gefühl des Triumphs nur zu deutlich in seinem Grinsen zu sehen war. Genau diese Reaktion hatte er sich erhofft, denn wenn er schon solch süße Qualen leiden musste, sollte es Tatsue nicht besser ergehen.

 

~*~

 

„Mh, soll ich dich über die Schwelle tragen?“

 

„Bitte?“

 

„Na, ich dachte, du würdest die Braut mimen, weil du so viel weiß trägst?“ Yukke wedelte, seine theatralischen Worte unterstützend, mit den Händen vor Tatsuros Nase herum und wirkte alles in allem leicht überdreht. Zero grinste und folgte den beiden in gehörigem Sicherheitsabstand, den Sucher seiner Handykamera auf das Paar gerichtet.

 

„Du leidest eindeutig unter Größenwahn. Wenn hier jemand jemanden über die Schwelle trägt, dann bin ich das. Auch wenn es hier nicht mal eine Schwelle gibt.“

 

„Ach, nun zier dich doch nicht so, immerhin hast du auch die langen Haare.“

 

Yukke gluckste albern und machte tatsächlich Anstalten, seinen Angetrauten zu fassen zu bekommen. Zumindest so lange, bis Tatsuro den Spieß umdrehte und sich den kleineren Mann wie einen Mehlsack unzeremoniell über die Schulter wuchtete. Yukke quiekte und hinter sich konnte Zero ein leises Lachen hören, das von niemand anderem als Karyu stammen musste, der nun näher an ihn heranrückte, um in sein Ohr zu flüstern: „Man kann sagen, was man will, aber Yukke weiß, wie er mit Tatsue umzugehen hat. Das war doch reinste Absicht, oder?“

 

Auch Zero schmunzelte, während er sich beeilte, um die Ecke zu schielen und zu filmen, hinter der die beiden gerade verschwunden waren.

 

„Ja, sah jedenfalls so aus“, flüsterte er zurück und musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht laut loszulachen, als erst ein lautes Klatschen und dann Yukkes protestierendes Meckern durch den Flur schallte. „Auch wenn ich denke, dass er damit jetzt nicht gerechnet hat.“ Leider war der Winkel ungünstig gewesen und so hatte die Kamera den tätlichen Angriff auf Yukkes Heckansicht nicht einfangen können, filmte dafür nun sein freches Grinsen, während er noch immer über Tatsues Schulter hing. „Ich nehm’s zurück. Er hat damit gerechnet.“ Während Zero beobachtete, wie Tatsue mit dem Schloss der Zimmertür kämpfte, spürte er Karyus Präsenz in seinem Rücken und kurz darauf einen Arm, der sich um seine Mitte legte.

 

„Ich würde dich ganz romantisch über die Schwelle tragen“, säuselte der Gitarrist leise in sein Ohr. Zur Antwort verdrehte er nur die Augen und zoomte lieber an das Pärchen heran, das sich gerade lieber gegenseitig neckte als endlich in der Hochzeitssuite zu verschwinden.

 

„Und ich würde dir überaus liebevoll in deinen knochigen Hintern treten, würdest du so etwas auch nur versuchen“, wisperte er süßlich zurück und grinste, als die beiden Chaoten endlich die Tür besiegt hatten. Mit einem deutlich angetanen Stöhnen – von dem er sich glücklich schätzte, nicht zu wissen, was dieses verursacht hatte – verabschiedete sich Yukke von der Bildfläche und beendete somit ihr kleines Spionageprojekt. Karyu murrte indes, dass er ja immer ach so gemein zu ihm wäre, verteilte aber dennoch kleine Küsse auf seinem Hals, die ihm eine wohlige Gänsehaut bescherten. Der Gitarrist war wirklich ein Riesenbaby, aber eines, dem er nicht böse sein konnte, und in Momenten wie diesen wünschte er sich beinahe die Zeiten zurück, zu denen er ihm noch hatte widerstehen können. So jedoch kraulten seine Finger bereits durch das blondierte Haar, bevor er überhaupt den Entschluss dazu gefasst hatte. Mit einem unhörbaren Seufzen und einem Augenrollen, das diesmal an ihn selbst gerichtet war, schaltete er das Handy aus und drehte sich zu seinem Freund herum.

 

„Lass uns nach unten gehen, bevor du noch auf dümmere Ideen kommst … oder wir Dinge zu hören bekommen, die wir nicht hören wollen.“ Er warf der Suite noch einen Blick über die Schulter zu, bevor er nach Karyus Hand griff und seinen Worten eigentlich Taten folgen lassen wollte.

 

„Wir könnten aber auch aufs Zimmer gehen“, hörte er es da raunen und fand sich keinen Wimpernschlag später in einem innigen Kuss wieder, der ihm schier den Atem verschlug. Karyus Küsse sollte man verbieten oder wenigstens mit einer ganzen Reihe an Warnhinweisen versehen, stellte er nicht zum ersten Mal fest und seufzte resigniert in den süßen Mund, während er sich auf die Zehenspitzen stellte, um dem Großen noch näher sein zu können.

‚Ich hatte doch noch was trinken wollen …‘, dachte er noch, bevor er erst einmal eine ganze Weile gar nichts mehr dachte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  QueenLuna
2019-11-14T08:40:57+00:00 14.11.2019 09:40
Die ganze Szene auf der Terrasse hat mir beschreibungsmäßig super gefallen... Sie war schön bildmalerisch und es kam eine wunderbare Stimmung auf <3 hach ja...

Der Dialog zwischen Yukke und Satochi war herrlich xD hab mich gut amüsiert. Und die Aussage "... versuche mein Hirn mit Wodka zubleichen" ist echt super xD muss ich mir merken

Die Szene mit Zero, Karyu, Yukke und Tatsurou am Tisch war sehr unterhaltsam und schön beschrieben. Ich mag die Kombi Yukke Zero hier sehr, auch weil Zero hier so toll rüber kommt, wie er diese gedankliche Unterhaltung mit Yukke führt xD

Hätte ja gern gesehen wie Yukke Tatsue über die Schwelle trägt xDDD gerade mit der Begründung dass Tatsurou ja die langen Haare hat xD aber so wie du war es natürlich auch herrlich passend und gab ein super Bild ab ^^

War wieder ein tolles, lustiges und unterhaltsames Kapitel <3

Liebe Grüße
Luna <3
Antwort von:  yamimaru
18.11.2019 18:51
Oh wie schön, dass dir die Stimmung während der Szene auf der Terrasse so gefällt. Ich mochte die beim Schreiben auch echt gerne, weil es nach all der Aufregung aus den vorangegangenen Kapiteln mal so ein schöner Moment der Ruhe ist. ^^

Sato und ich amüsieren doch immer gerne. :D Und hey, wenn ich dir einen neuen Spruch mit Bleiche und Wodka in den Kopf setzen konnte, hab ich mein Ziel erreicht. XD

Ich hab das Gefühl, dass ich mich ständig nur bedanke, aber was soll ich machen, wenn ich so tolle Kommentare von dir bekomme? *lacht* Von daher, toll, dass dir auch die Szenen mit Karyu und Zero gefallen. ^^ Ich mag es total, auf diese kleiner Bruder, großer Bruder Dynamik anzuspielen, die Yukke und Zero ja auch im echten Leben immer mal wieder erwähnen. ^^
Oh ja, ich hätte auch gerne gesehen, wie Yukke Tatsuro über die Schwelle trägt. XD Aber ich glaube, das hätte Tatsuros Ego einfach nicht überlebt. *lacht* und wer will schon sein Ego killen? Hihihi

Danke für deine lieben Worte!
<3
yamimaru
Antwort von:  QueenLuna
18.11.2019 18:54
Ach ich freu mich doch, wenn du dich über die Kommentare freust xD also alles super<3
Ach so zero und Yukke haben auch in real so ein brüderliches Verhältnis? Wie toll*-* dann lieb ich die beiden in Kombination noch mehr <3 was fürn Dreamteam^^


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