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Magister Magicae

Magister Magicae 7
von

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„Hast du´s jemals versucht?“

Das hohe, nasale Kichern einer Frau erklang hinter den Kisten. Josh lief ein Schauer über den Rücken. Er wusste, wer das war, noch bevor er sie zu Gesicht bekam. Hinter der Mauer aus Holzcontainern traten zwei Gestalten in grellen Neonfarben hervor, mit denen er schon Bekanntschaft gemacht hatte. „Bitte nicht die Zwillinge“, hauchte Josh überflüssigerweise. Er kannte die beiden Weiber. Diese zwei, eine schlanke, betont sexy gebaute Frau und eine eher stämmige, ihre Genia Intima, waren zwar in keinster Weise verwandt, trugen aber stets ein dermaßen identisches Outfit, daß man sie unweigerlich für Geschwister halten musste. Die zwei waren ein nicht ganz ungefährliches Gangster-Duo. Ihr Vater Ruppert hatte mal mit den beiden zu schaffen gehabt, ohne daß Josh sagen konnte, worum es damals genau gegangen war. Er hielt seine Söhne aus manchen Dingen rigeros heraus, worüber sie auch nicht böse waren.

„Ist das langweilig mit euch, hey“, maulte Ybi, die Magierin, und stämmte die Hände in die Hüften. „Die Genia springt freiwillig in eine Falle ...“, meinte sie mit Deut auf Nyu im Bannkreis, „der Tölpel da geht von selber K.O.“, ihr Fingerzeig schwänkte weiter Richtung Danny, „der hier war auch keine große Nummer ...“, zählte sie weiter auf und zerrte dabei Josh´s gefesselten und geknebelten Genius Intimus hinter den Kisten hervor.

„Ja, Mann, so macht das einfach keinen Spaß!“, stimmte Vy, der Schutzgeist an ihrer Seite, zu und zog ein wesentlich weniger amüsiertes Gesicht als sie.

„Ich hatte ja gehofft, ihr zwei wärt endlich mal zur Vernunft gekommen“, meinte Josh und sah sich hektisch um. Er war ausgeliefert. Seine letzte Chance bestand darin, auf der Stelle diesen Bannkreis aufzulösen, damit Urnue und Nyu wieder aufwachten. „Verstoßt ihr mit solchen Entführungen hier nicht gegen den Codex Geniorum?“

„Pfeif auf den Codex! Wir haben schon ganz andere Gesetze gebrochen als nur den Codex“, hielt Vy dagegen.

„Was zur Hölle wollt ihr denn von uns?“, fragte Josh nach, immer noch fieberhaft auf den Bannkreis starrend, in der Hoffnung irgendeinen Knackpunkt zu finden, an dem er den Bann brechen konnte. Aber er war eben kein Bann-Magier. Wie wahnsinnig war es eigentlich von ihrem Vater gewesen, sie alleine loszuschicken? Und wie wahnsinnig war es erst von ihnen selbst gewesen, so eine Nummer hier auch wirklich alleine in Angriff zu nehmen? Sie hätten einfach zur Polizei gehen sollen! Aber Nyus Drängen hatte sie alle miteinander weich geklopft. Zugegeben, Urnue war ein charismatisches, peppiges und talentiertes Kerlchen. Er verstand, daß 17-jährige Mädchen auf ihn flogen. Aber das war kein Grund für so ein Selbstmordkommando hier.

„Von euch? Gar nichts. Wir wollen nur Urnue. ... Nein, eigentlich wollen wir nichtmal Urnue. Unser Auftrag ist genau genommen schon erfüllt, ihr könnt ihn gern wiederhaben, sofern ihr den Bannkreis auflösen könnt.“

„Vater!“, keuchte Danny. Er lag noch immer zusammengekrümmt am Boden, hatte sich aber inzwischen so weit gefangen, daß er seine Umgebung wieder wahrnahm. „Sie wollen Vater. Es ist gerade kein einziger Genius im Haus, um ihn zu schützen“, würgte er hervor, in dem Wissen, daß ihr Dienstmädchen June um diese Zeit immer voller Euphorie im Garten in ihren geliebten Blumenbeeten herum werkelte.

Ybi und Vy lachten und spazierten los. „Richtig. Die zwei sind ja doch nicht so strohdoof wie ich dachte“, kicherte Ybi. Sie schubste den Steinbeißer zu den anderen in den Bannkreis, wo er auf der Stelle ohnmächtig in sich zusammensank, als habe er ein Nudelholz über den Schädel bekommen. Danny und Josh zogen verängstigt die Köpfe ein, als die Zwillinge direkt auf sie zu kamen, dann aber haarscharf an ihnen vorbeistiefelten und ungerührt zum Ausgang schlenderten. „Einen schönen Tag noch, die Herren. Wir haben einen Zeitplan einzuhalten.“
 

„Wir müssen nach Hause, Vater helfen“, keuchte Danny, versuchte sich hoch zu stemmen, brach aber sofort wieder zusammen und blieb stöhnend am Boden liegen. Er konnte sich nur bäuchlings auf die Ellenbogen stützen, weiter kam er nicht.

„Mach mal halblang, Kumpel, du kannst dir ja nichtmal selber helfen. Was ist überhaupt los, sag mal?“, gab Josh kalt zurück, drehte seinen Bruder radikal auf den Rücken und zog ihm das Hemd hoch. Der Verband darunter war locker geworden und verrutscht, so daß die Wunden Josh in voller Pracht anleuchteten. „Schöne Schande. Das ist böse entzündet. Ein Wunder, daß das keine Blutvergiftung geworden ist! Woher hast du die? Waren die gestern schon da? ... Toll, und Fieber hast du auch noch“, fügte er nach einem prüfenden Griff auf Dannys Stirn hinzu.

Danny sah sich suchend und um Atem ringend um. „Als erstes müssen wir unsere Genii aus diesem Bannkreis rausholen“, meinte er, die Frage seines Bruders demonstrativ ignorierend.

„Der einzige, der wirklich Ahnung von Bannkreisen hat, ist Urnue. Und wie schon gesagt, ich beherrsche keine Bannmagie.“

„Aber ich!“

„Ja, aber du hast noch viel weniger Ahnung davon, selbst wenn du deine magische Fähigkeit jemals trainiert und angewendet hättest.“ Da Danny seinen Genius Intimus ja nie gefunden hatte, hatte er seine Fähigkeit immer möglichst unterdrückt. Ohne einen Schutzgeist war es einfach zu gefährlich, Magie zu wirken. „Und man kann auch nicht einfach lustig an so einem Bannkreis dran rumändern, wenn man nicht weiß, wie er funktioniert. Damit könntest du seine Eigenschaften und seine Wirkung auf unvorhersehbare Weise verändern“, belehrte Josh ihn.

Sein jüngerer Bruder zog ein unglückliches Gesicht und strich sich mit den Fingern den rehbraunen Pony aus den Augen. „Urnue ist ein ziemlich mächtiger Genius. Ich wüsste gern mal, wie die ihn in diesen Kreis reingekriegt haben.“

„Ich wüsste lieber, wie sie in unseren Hochsicherheitstrakt von einem Wohnhaus reingekommen sind, um Urnue rauszuholen und unbemerkt zu entführen“, hielt Josh dagegen. „Aber dieses Gerätsel hilft uns gerade nicht weiter. Frag dich lieber, wie wir ihn jetzt wieder da aus dem Bannkreis raus kriegen.“

Danny überlegte einen Moment. „Ich robbe auf dem Bauch in den Kreis rein, so daß meine Füße noch rausschauen. Dann schnappe ich mir den erstbesten Genius, den ich zu fassen kriege, und du ziehst uns wieder raus.“

„Meinst du nicht, das wäre ein bisschen zu einfach? Das kann nie im Leben klappen. Ich will nicht, daß du auch noch ohnmächtig in diesem Bannkreis landest und ich ganz alleine hier draußen sitze.“

„Dann mach doch 'nen besseren Vorschlag“, hauchte Danny müde und schloss die Augen. Die Schmerzen in seiner Brust ließen zwar langsam wieder nach, der Anfall schien vorüber zu sein, aber er fühlte sich echt fertig.

„Mach ich! Wie wäre es, wenn du mal deine Fähigkeit einsetzt?“

Danny sah fragend auf. Seine magische Begabung war es, die magische Begabung anderer Wesen zu unterbinden. Er konnte, jedenfalls manchmal, verhindern, daß andere einen Zauber wirkten oder ihre Erbfähigkeiten einsetzten. Das glückte ihm nur nicht sonderlich gut, weil seine Begabung aus bekannten Gründen nicht gut trainiert war. „Das kann ich nur bei lebenden Wesen, nicht bei Bannkreisen“, meinte er zögerlich.

„Hast du´s jemals versucht?“

„Ähm ... nein?“

„Dann wird es Zeit“, gebot Josh streng und deutete einladend auf den Kreidekreis.
 

Seufzend raffte sich Danny endlich in eine sitzende Position hoch und konzentrierte sich auf den Bannkreis. Und es geschah ... nichts! Nach endlosen Sekunden des Ringens brach Danny enttäuscht ab und seufzte. „Ich sag doch ...“

„Mach weiter! Nyu hat gezuckt! Der Bann ist ins Schwanken geraten, konzentrier dich stärker!“, verlangte sein Bruder.

„Noch stärker? Mir ist gerade schon fast der Kopf geplatzt“, jammerte Danny, schloss aber gehorsam wieder die Augen und atmete tief durch. Mit reinem Willen und roher Gewalt würde er das nicht schaffen, soviel war ihm jetzt klar. Er musste seine inneren Kräfte freisetzen. Er lauschte in seinen Körper hinein, suchte sein magisches Potential, das wie auf Bahnen durch seinen Körper wanderte, und versuchte, es zu sammeln. Es floss in seiner Körpermitte zusammen wie in einem Becken, das Wasserrinnsale auffing. Als er genug davon gesammelt hatte, lenkte er die Energie kontrolliert durch seinen ganzen Körper, schließlich sogar hinaus. Es war ein unbeschreibliches Gefühl von Ruhe und innerer Ausgeglichenheit, das mit dieser Energie durch seinen gesamten Körper gespült wurde. Vorsichtig lenkte er seine Konzentration nach außen. Behutsam, um seine Magie nicht wieder zusammenbrechen zu lassen. Jetzt fiel es ihm leichter, die Strömungen und Blockaden wahrzunehmen, die von dem Bannkreis ausgingen.

Vor seinem inneren Auge konnte er den Bannkreis fast sehen. Und wischte ihn mit seiner Bannmagie einfach weg. Er hörte die drei Genii im Inneren des Bannkreises müde seufzen, als wären sie kurz aufgewacht, aber der Bannkreis kehrte auf der Stelle zurück, und schon war wieder Ruhe. „Ja, gut so“, hörte er im Unterbewusstsein Josh raunen. Vor seinem inneren Auge sah er die drei Genii im Kreis liegen. Oder zumindest drei leuchtende Gebilde, die wage die Form von Menschen hatten. Ihre Erscheinung flackerte und sie wechselten ein paar Mal schnell zwischen ihren menschlichen und tierischen Gestalten hin und her, bis der Bannkreis sich wieder völlig aufgebaut hatte. Stimmt, seine Fähigkeit, Magie zu unterbinden, nahm den Genii auch die Möglichkeit, ihre menschliche Tarngestalt aufrecht zu erhalten.

Obwohl sich ein immer stärker werdender Kopfschmerz durch sein Gehirn grub und ihm die Konzentration raubte, lenkte Danny seine magische Kraft abermals in den Bannkreis hinein und wischte ihn erneut weg. Nachdrücklicher und grober diesmal. Die Kopfschmerzen explodierten förmlich und ließen Danny fast aufschreien. Wieder regten sich die Genii im Inneren.

„U., komm sofort her!“, bellte Josh neben ihm im Befehlston.

Eine der leuchtenden, in diesem Moment tierischen Gestalten ruckte hoch und machte einen wieseligen Satz nach vorn. Danny verlor den Kontakt zum Bannkreis und dem Bild vor seinem inneren Auge. Dann hatte sich der Bannkreis schon wieder aufgebaut. Das war das Letzte, was er noch sah.

Danny brach seine Bemühungen ab und ließ sich rücklings zu Boden fallen. „Zwecklos. Ich schaff es nicht. Der verfluchte Bannkreis regeneriert sich ständig wieder. Ich finde seine Quelle nicht, um ihn zu deaktivieren“, jappste er und presste sich die zittrigen Hände vor das Gesicht. Er hätte vor Müdigkeit und Kraftlosigkeit einfach nur losheulen wollen. Ihm war speiübel, schwindelig und er fühlte sich entsetzlich ausgekühlt. Er hatte seine untrainierte Begabung eindeutig überstrapaziert, selbst wenn er nicht verwundet gewesen wäre. Die hämmernden Kopfschmerzen blieben auch jetzt noch präsent, wo Danny seine Gabe gar nicht mehr einsetzte. Zusätzlich zu den elenden Wundschmerzen auf seiner Brust. Er war einfach ein Wrack. Was für eine blöde, anstrengende Begabung! Im Kampf oder unter Stress würde ihm das niemals was nützen, weil er gar nicht die nötige Konzentration dafür aufbringen würde.

„Das war gute Arbeit, Brüderchen! Spitze!“, warf Josh im Jubelton von der Seite ein.

Danny sah fragend zur Seite. Sein Bruder lag neben ihm am Boden und rubbelte einem riesigen Wiesel über den Rücken, welches wie eine tote Pelzdecke auf ihm lag. Die Jungen hatten Urnue selten in seiner wahren Gestalt gesehen. Seine Wiesel-Form war mit Schwanz fast 3 Meter lang und auf die Hinterbeine gestellt mannshoch. Sein sandgelbes Fell lud einfach zum Knuddeln ein, weil es so weich war, auch wenn er das nicht mochte. Danny nutzte die Chance, griff herüber und fuhr ebenfalls einmal mit der Hand durch den Pelz des wehrlosen, betäubten Wiesels-Geistes. Auch um sich zu vergewissern, daß Urnue wirklich da war, und nicht nur Einbildung.

„Er hat mich bei seinem Hechtsprung aus dem Bannkreis einfach umgerannt und unter sich begraben“, kommentierte Josh amüsiert. „Aber zumindest haben wir ihn wieder. Da hat es sich doch wenigstens einmal gelohnt, daß er immer und in jeder Situation auf der Stelle gehorcht, ohne nachzudenken. Ich mag Vaters Methoden zwar nicht, aber diesmal scheint es ihm das Leben gerettet zu haben“, fügte er nachdenklich an. „Eine Sekunde später und der Bannkreis hätte ihn wieder in die Ohnmacht geschickt.“ Er schob den Genius seines Vaters vorsichtig von sich herunter und setzte sich wieder auf, während dieser langsam zu sich kam.

„Nyu ist immer noch da drin“, gab Danny etwas traurig zurück.

„Ja, der Dicke auch. Aber hey, dank dir haben wir immerhin U. wieder.“



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