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Magister Magicae

Magister Magicae 7
von

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„Ah, da seid ihr ja.“

Danny und sein Rettungskommando saßen noch fast zwei weitere Stunden in der alten, baufälligen Lagerhalle fest, weil sie partu keinen Ausgang aus dem Fallen-Bannkreis fanden, der die Tür blockierte. Hilfe rufen konnten sie mangels Handyempfang ebenfalls nicht und Josh´s Genius Intimus konnte auch trotz seiner Röntgen-Augen die Quelle nicht ausfindig machen. Er sah lediglich, daß die magischen Wände einen geschlossenen Käfig bildeten. Es war nicht nur die Tür, die verbarrikadiert war, sondern sie konnten auch nicht durch die Fenster entkommen oder durch die Außenmauern gehen, sofern einer von ihnen die Fähigkeit gehabt hätte, durch Wände zu gehen oder sie einzureißen. Urnue, der auf die Astralebene wechseln konnte, musste bei einem entsprechenden Versuch feststellen, daß man nichtmal auf diesem Wege entkam.

Es war Nyu, die letztlich die rettende Idee hatte. Danach ging alles verhältnismäßig schnell. Ihre Hoffnung, daß die Falle, die sie in der Lagerhalle einsperrte, nur aus Wänden bestand und kein Dach hatte, wurde erfüllt. Nyu und der Steinbeißer, der sich als ein steingrauer, ebenfalls flugfähiger Gargoyl entpuppte, brachen einfach durch die marode Decke der Lagerhalle und trugen ihre Schützlinge und Urnue dann hinaus. Dabei war das Schwierigste an der ganzen Sache eigentlich, die Harpyie und den Gargoyl davon abzuhalten, sich gegenseitig in der Luft zu zerfetzen. Obwohl sie beide Geschöpfe der Nacht waren, konnten sie sich nicht ausstehen. Das war wohl eine uralte, traditionsreiche Fehde zwischen diesen beiden Rassen. Das konnte wirklich noch heiter werden. Danny war jetzt schon ein wenig froh, daß sein Bruder demnächst ausziehen würde, um zu studieren, und seinen Genius mitnahm.
 

Victor zog die Tür auf und ließ Vy herein, die draußen für ihn Späer gespielt hatte. Sie sollte nachsehen, was in der Lagerhalle inzwischen vor sich ging. Wenn sie jetzt schon unangekündigt zurück kam, musste irgendwas passiert sein.

chto?“ [Was ist?], wollte er wissen.

„Dein Komparse hat sich befreit“, erzählte sie, wohlweislich so leise, daß Ruppert im Wohnzimmer es nicht hörte. „Sie sind auf dem Weg hier her.“

„Oh“, meinte der russische Vize zwischen erschrocken und anerkennend. „Das ging schneller als ich dachte“

„Wie weit ist dein Plan gediehen?“

„Es wird reichen, hoffe ich.“ Er winkte der Minotaurin, ihm ins Haus zu folgen. „Komm, lassen wir Ruppert wieder frei. Urnue bringt uns um, wenn er seinen Schützling so findet. Wieviel Zeit haben wir?“

Vy legte beim Nachdenken den Kopf schief. Normalerweise brauchte man für den Weg etwa 15 Minuten im Spaziergang. Urnue hatte es extrem eilig, was angesichts der Situation nachvollziehbar war. Und als Wiesel konnte er verflucht schnell sein. Aber einer der Jungen schien nicht so richtig fit zu sein, darum kam die ganze Gruppe langsamer voran als sie unter anderen Umständen gewesen wären. Nun war die Frage, ob Urnue voraus eilte und sie nachkommen ließ, oder ob er bei den Jungen blieb. „Ich denke, 10 Minuten, wenn sie sich beeilen“, prognostizierte Vy schließlich voller Überzeugung.

Victor enterte abermals das Wohnzimmer und baute sich mit verschränkten Armen vor Ruppert auf, der von Ybi derweile gut bei Laune gehalten worden war, so daß er von der Rückkehr des anderen 'Zwillings' gar nichts mitbekommen hatte. „Okay, nochmal von vorn, towarisch ...“, hob Victor drohend an.
 

Die Haustür öffnete sich ganz von selbst, als Urnue eilig quer über das Grundstück hetzte. Sie mussten nicht erst klingeln, sie waren offensichtlich schon erwartet worden.

„Ah, da seid ihr ja“, meinte der fremde Mann freundlich, der ihnen die Tür öffnete. „Ihr seid spät dran. Kommt rein.“ Er zog die Tür ganz auf und machte eine einladende Geste in den Hausflur hinein. Er war jung, rein von seiner Optik her konnte er kaum 25 Jahre alt sein. In seinem hübschen, harmlosen Gesicht machte sich ein ehrliches Lächeln breit. Er war etwas kleingeraten und von schmächtiger Statur, die er unter einem bodenlangen Ledermantel zu kaschieren versuchte. Lange, schwarze Haare rahmten wie Vorhänge sein jugendliches Gesicht. Er machte einen durch und durch sympatischen, niedlichen Eindruck. Urnue murrte leise, als er an der nett wirkenden, halben Portion vorbei eintrat. Er wusste, daß dieses Milchbubi-Aussehen täuschte. Erheblich täuschte! Er grüßte auch nicht, sondern begnügte sich nur mit einem bitterbösen Blick und ging weiter.

Victor schmunzelte ihm nur amüsiert hinterher. Er konnte Urnues Wut verstehen. Dann wandte er sich Danny und Josh zu, die als nächstes herein kamen. „Hi. Ich bin Victor Dragomir Raspochenko Akomowarov“, stellte er sich den beiden Jungen langsam und betont vor, als wolle er, daß man sich diesen Namen gut merkte. „Aber nennt mich doch Victor, das tun sowieso alle“, fügte er lächelnd an und deutete einladend auf das Wohnzimmer zur linken Seite.

Urnue, der schon voraus geeilt war, sah sich schnell um. Hier war alles so auffallend normal und geordnet, abgesehen von ein paar Sachen, die sich willkürlich auf dem Schreibtisch stapelten. Er hatte erwartet, das Haus in chaotischen Kämpfen verwüstet vorzufinden. Aber nichts deutete auch nur ansatzweise darauf hin. Das einzige was störte, waren Ybi und Vy, die wie Securitys mitten im Raum herumstanden. Das die mit Victor zusammenarbeiteten, hätte Urnue bis gestern beim besten Willen nicht gedacht. Er hatte die zwei seit dem Ende der Motus für freischaffende Gauner gehalten. „Ruppert!“, brachte er erleichtert hervor, als er seinen Schützling missmutig auf dem Sofa sitzen sah. „Gott sei Dank, du bist okay! ... Bist du doch, oder?“

Ruppert grummelte etwas unverständliches in sich hinein.

„Nehmt ruhig Platz!“, lud Victor die anderen ein, während er sich selbst äußerst geschmeidig und wohlbeherrscht in einen Sessel sinken ließ und die Unterarme lose links und rechts auf den Lehnen parkte. Überhaupt wirkte jede seiner Bewegungen bis zur psychologischen Vollendung ausgereift.

„Warum hast du mich weggesperrt?“, platzte es sauer aus Urnue heraus.

„Weil ich dich nicht verletzen wollte“, entgegnete der Vize mild. „Ruppert hätte dich nur in sinnlose Kämpfe mit mir verwickelt. Nimm es nicht persönlich. Ich wollte weder dir noch deinem Schützling etwas tun, ich wollte lediglich in Ruhe mit Ruppert reden können.“

Ruppert zischte leise. 'Reden' nannte der das also. Deshalb gaukelte man seinem Gegenüber auch vor, sämtliche Wertgegenstände zu beschlagnahmen, die Bibliothek niederzubrennen, die Hausangestellten zu missbrauchen und das gesamte Haus zu entsichern. Inzwischen wusste Ruppert, daß Victor nichts davon wirklich getan hatte, sondern alles nur ein einziger, großer Bluff gewesen war. Er hatte in der Bibliothek nachgesehen. Die stand noch. June war unversehrt wieder aufgetaucht. Und ihm war auch versichert worden, daß die magischen Schutzwälle, die das Haus gegen eindringende Wesen auf der Astralebene und gegen magische Übergriffe abschirmten, ebenfalls noch intakt waren. Letzteres konnte Ruppert im Moment selber nicht nachprüfen, weil er kein Bann-Magier war und daher entsprechende Schwingungen nicht wahrnehmen konnte. Dafür hätte er auf die Astralebene wechseln müssen. Dort konnte er solche Energiefelder sehen. Aber seit Victors Erziehungsmaßnahme würde er einen Teufel tun, sich nochmal ohne Urnue dort hin zu wagen und sich von Harpyien angreifen zu lassen. Also glaubte er Victor das einfach mal. Wie auch immer, seine Wirkung hatte es bei Ruppert jedenfalls nicht verfehlt.

Urnue sah weiter mit großen Augen Victor an. Auch wenn er immer noch ein bisschen sauer war, überwog doch langsam die Freude, ihn endlich mal wieder persönlich zu sehen. Alles an ihm war so sanft und ruhig, daß man ihn sich nur schwerlich als mächtigen Kämpfer geschweige denn als Motus-Stammhalter vorstellen konnte. Langsam verstand Urnue den Spruch, daß Victor ein verkappter Führer war. Aufgrund seiner Fähigkeiten hätte er die Motus damals komplett übernehmen und anführen können, wenn er gewollt hätte. Nur sein viel zu sanftes, antiautoritäres Auftreten passte beim besten Willen nicht dazu. Als Befehlshaber nahm man ihn meistens nicht ernst, wenn er nicht gerade vorsätzlich den Bad Guy raushängen ließ. Und das tat er nur im Notfall. Wohl darum war er bis zum Ende immer nur die rechte Hand des Bosses geblieben. Aber die Motus gab es nicht mehr, das war Geschichte. Heute war er sein eigener Boss und ging einem höchst zwielichtigen Gewerbe nach. Ihm wurde immer wieder nachgesagt, magisch begabte Menschen anzugreifen. Victor selbst war ein Genius ohne Schützling. Es kursierten die tollsten Gerüchte, warum er keinen Schützling hatte. Es hieß, der sei bereits tot, teilweise sagte man sogar, Victor selbst habe ihn getötet. Wahrscheinlicher war aber, daß er nie einen Schützling gehabt hatte. Die wenigsten Genii waren zum Genius Intimus geboren, der überwiegende Teil war dann doch ungebunden.
 

Victor sah seinerseits einen Moment verwundert auf Nyu. „Hast du etwa deinen Genius Intimus gefunden, Danny?“, wollte er im Plauderton wissen. Natürlich hatte er sich die Namen der Jungen damals gut gemerkt. Wissen war Macht, vor allem in dem Gewerbe, in dem er unterwegs war. „Ausgerechnet eine Harpyie?“ Das hatte Vy ihm verraten. Er konnte nicht hinter die Maske eines Genius in seiner menschlichen Tarngestalt sehen. Aber das mussten die anderen ja nicht wissen. Er war ein Magister Artificiosus Magicae. Sollten die ihm mal schön eine Menge Fähigkeiten andichten! „Harpyien sind aufbrausend und neigen zu vorschneller Gewaltanwendung. Sie passt gar nicht zu dir.“

„Du erlebst gleich, wie aufbrausend ich sein kann! Urnue zu entführen war dein Todesurteil!“, kreischte Nyu, ihre Stimme schon auf Harpyien-Frequenz umgestellt, und stürzte sich auf den jungen Magister Magicae.

„Nyu, nein!“, keuchte Urnue. Sie durfte nicht einfach kopflos irgendwelche Leute verprügeln, egal wie sauer oder aufbrausend sie war. Das war strafbar! Es war die eine Sache, daß sie Danny in ihrer Panik verletzt hatte. Das konnte man als Unfall deklarieren. Aber Victor anzugreifen, war auf jeden Fall ein Vergehen. Und obendrein noch der pure Selbstmord! Urnue wusste ja nur zu gut, was der Russe drauf hatte. Er wollte sie am Arm zurückhalten, bekam sie aber nicht mehr zu fassen.

Auf den nur knapp 5 Schritten bis zu ihm vollzog sie die Verwandlung in ihre wahre Gestalt komplett. Victor hob mit einem milden Lächeln ruhig eine Hand und Nyu prallte mit einem dumpfen 'Klong' von seiner Schutzbarriere ab wie von einer Glasscheibe. Verwirrt taumelte sie einen Schritt zurück, ehe sie sich wieder fing. Sofort stürzte sich von der anderen Seite Urnue auf den Magier, unvermittelt in seine Wiesel-Gestalt hinüber wechselnd, um einzugreifen bevor Victor Nyu ungespitzt in den Boden rammte. Er wurde aber von einem Feuergebilde zurückgetrieben, das Victor mit seiner anderen Hand wie eine Peitsche um sich herumwirbelte, ohne die schützende Barriere aufzugeben. Victor wollte das ohne Einmischung klären.

Die meisten gafften ihn perplex an. Victor konnte zwei grundverschiedene Zauber zur gleichen Zeit wirken, wobei er sich auf keinen von beiden sonderlich konzentrieren zu müssen schien. Welches Niveau hatte dieser Kerl? Gab es überhaupt noch jemanden, der ihn schlagen konnte?

Nur Nyu war egal, wer oder was dieser Victor war. Wild kreischend warf sie sich immer wieder gegen seinen Schutzzauber, der wie ein Schild vor ihm stand, in der Hoffnung, ihn irgendwie gewaltsam durchbrechen zu können. Dann schleuderte sie ihre Klauen-Angriffe aus zwei Schritten Entfernung auf ihn, wobei sie ihre Fähigkeit der Distanzüberbrückung nutzte.

Victor rollte gespielt genervt mit den Augen, als die auf Distanz übertragenen Energiesalven wie Donner auf seinen Schutzschild krachten, aber natürlich nichts ausrichteten. Er erhob sich aus seinem Sessel zumindest in eine stehende Position.

Vy wollte dazwischen gehen und dem ein Ende bereiten. Aber so wie sie ihre wahre Gestalt eines Minotaurus annahm, stürzten sich schon June, Urnue und Josh´s Dicker auf die Zwillinge, um sie aufzuhalten.

Victor stemmte missmutig eine Hand in die Hüften, die andere hatte er noch gegen Nyu zur Abwehr erhoben. Es war eine Geste, hart an der Grenze, überheblich zu wirken, weil sie so gar nicht zu seinem bisherigen, weichen Auftreten passte.

Nyu deckte ihn wie eine Furie immer weiter mit Schlägen und krachenden Energiesalven ein, ohne dessen müde oder überdrüssig zu werden.

Urnue balgte sich inzwischen mit Ybi herum, die ebenfalls hatte einschreiten wollen, und die für eine menschliche Frau erstaunlich viel Kraft hatte. Josh´s Gargoyl hatte seine wahre Gestalt angenommen und prügelte sich gemeinsam mit ihrem Feen-Hausmädchen June mit ihrem Schutzgeist Vy. Es stoben Funken bei jedem von Junes Flügelschlägen. Kurzum, es war ein unbeschreiblicher Krieg der unterschiedlichsten Fabelwesen, und das Wohnzimmer war binnen weniger Augenblicke ein einziger Trümmerhaufen. Gellende Schreie erfüllten das Chaos, Danny und Josh wollten aus dem Zimmer hasten und sich vor den tieffliegenden Zaubern in Sicherheit bringen, leise untermalt vom verängstigten Wimmern ihres Vaters, der mit einer kostbaren Vase in den Armen hinter einem Sessel kauerte.



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