Das Warten
"Ich bin so aufgeregt, Onkel Kakashi!"
"Ja..."
"Endlich ist es soweit!"
"Hm..."
"Bald bin ich ein großer Bruder!"
"..."
"Onkel Kakashi?"
"...hm...Was?"
"Du darfst nicht einschlafen! Du sollst auf mich aufpassen!"
"Ja, ich weiß, aber es ist mitten in der Nacht."
Borutos Augen weiten sich und bekommen ein eigenartiges Funkeln. "Du könntest die Geschichte weitererzählen!"
Erschrocken sieht der ehemalige Hokage den kleinen Jungen an. "Das halte ich für keine gute Idee."
"Aber sie ist spannend und aufregend, da bleiben wir beide auf jeden Fall wach!"
Der Grauhaarige grübelt kurz. "Gut, aber kein Wort zu deinem Vater!"
"Großes-Shinobi-Ehrenwort!"
Die Auseinandersetzung ist hart und schwer. Drei Tage und drei Nächte kämpfen die beiden gegeneinander.
Der ganze Landstrich liegt in Schutt und Asche. Der Geisterwald ist nicht mehr und auch alle Dörfer im Umfeld sind zerstört. Mensch und Tier sind dahingerafft. Feuer, Chakra-Explosionen und schwere Druckwellen haben alles Lebens vernichtet.
Überall lodern Flammen.
Kein Stein oder Baum ist noch an seinem ursprünglichen Platz. Rauch und Gestank breiten sich aus. Der Geruch von verbranntem Fleisch füllt Madaras Lungen.
Der Uchiha ist mit den Kräften am Ende.
Doch auch an Kyuubi ist der Kampf nicht spurlos vorübergegangen. Erschöpft liegt er am Boden. Zähneknirschend hebt er den Kopf. Der Schwarzhaarige liegt einige Meter entfernt. Mit seinen glutroten Augen fixiert der Fuchsgeist den Uchiha. Plötzlich durchzieht ihn ein eigenartiges Gefühl. Als würde ein kurzer, dennoch unglaublich starker Stromstoß durch seine Muskeln hämmern.
Kyuubi ist gelähmt, sein Körper gehorcht ihm nicht mehr.
Was geschieht hier, mit mir?!
"Mensch, Onkel Kakashi", unterbricht Boruto direkt.
Irritiert sieht der Grauhaarige den kleinen Jungen an.
"Du musst schon die Stimme verstellen", erklärt er eindringlich.
Finster funkelt Kakashi den Blonden an und seufzt. Recht hat er ja, eine Geschichte so ohne Stimme verstellen und richtige Betonung ist langweilig. Schließlich gibt er sich geschlagen, machdem er den den Gang des Krankenhauses argwöhnisch begutachtet hat.
"Gut; Was geschieht hier mit mir?!", grollt Kakashi, das einem die Haare zu Berge stehen.
"Toll!" Boruto ist völlig begeistert, die Krankenschwester die gerade aufgetaucht ist nicht. Sie zischt den ehemaligen Hokage an und drückt sich den Finger auf die Lippen und ihm mittzuteilen, dass er leiser machen soll.
Verlegen lächelt der ehemalige Hokage und nickt.
Boruto sieht enttäuscht aus. Das Zwinkern von Kakashi, lässt ihn aber hoffen.
Der Grauhaarige erhebt sich und geht in den leeren Besucherraum. "Hier stören wir keinen."
Aufgeregt lässt sich der Junge auf einem der Sessel nieder, während Kakashi sich auf das Fensterbrett setzt.
Madara erhebt sich Schwerfällig. Er keucht und stützt sich auf einem Felsen zu seiner Rechten ab. Doch sein Blick ist starr auf den Fuchsgeist gerichtet. Sein Sharingan bohrt sich geradezu in die glutroten Augen des Bijuu.
Kyuubi knurrt bedrohlich. Mit aller Kraft versucht er seinen Geist vor der Übernahme durch den Menschen zu schützen. Er hat diesen Fremden definitiv unterschätzt, oder besser, dessen merkwürdiges Kekkei Genkai. Das Bijuu spürt, wie sein Verstand mehr und mehr zurückgedrängt wird. Als würde sein Geist zusammengepresst. Ehe Kyuubi begreift was geschieht, wird alles um ihn herum schwarz.
Tiefe Dunkelheit herrscht - finsteres Nichts.
Schwerfällig öffnet Kyuubi die Augen. Sein Körper fühlt sich unglaublich schwer an. Der Fuchsgeist ist nicht in der Lage sich zu bewegen und auch seine Gedanken scheinen still zu stehen. Die Pupillen weiten sich, versuchen irgendetwas in der Schwärze zu erkennen. Doch sie finden nichts, keinen Anhaltspunkt.
Wo befinde ich mich? Was ist geschehen?
Langsam setzen sich die Gedanken des Bijuu in Bewegung. Die Erinnerungen kommen langsam zurück. Der fremde Mann, das merkwürdige Kekkei Genkai, der Kampf und ... die Niederlage.
Wütend grollt der Neunschwänzige. Kein Echo hallt an diesem dunklen Ort. Das Knurren klingt dumpf und tonlos.
Kyuubi erlangt allmählich die Kontrolle über seinen Körper zurück. In Zeitlupe hebt er den Kopf.
Ist das überhaupt mein Körper? Meine richtige Hülle?
Ein tiefes Brummen verlässt die Kehle des Fuchsgeistes. Genau wie das Knurren klingt es hohl und kraftlos. Die Erkenntnis über seinen 'Zustand' lässt das Bijuu das Gesicht verfinstern. Die roten Augen verengen sich zu Schlitzen, die Lefzen kräuseln sich und legen die scharfen Zähne frei.
Das hier ist nicht sein Körper. Es ist eine behelfsmäßige Hülle, ein Abbild, das geschaffen wurde um seinen Geist in Obhut zu nehmen. Er befindet sich zwar in seinem echten Körper, aber er ist von ihm abgeschnitten.
Was hat der Fremde vor?
Dumpfe Schritte sind zu hören. Wie die Geräusche des Kyuubi sind sie ohne Echo.
Der Bereich um den Fuchsgeist erhellt sich. Erschrocken weiten sich die Augen des Bijuu. Der behelfsmäßige Körper ist an den Boden gefesselt. Schwere Eisen, je vier an der Zahl, heften jeweils einen seiner Vorderläufe an den konturlosen Untergrund. Um seinen Hals hängt eine Kette, jedes Glied so groß wie ein Mensch.
Schwerfällig dreht der Neunschwänzige den Kopf. Auch die Hinterläufe sind an den Boden gefesselt und seine Schweife mit unzähligen Ketten umwunden. Die Enden der Ketten sind im Untergrund verankert.
"Ich sehe du bemerkst deine missliche Lage", ertönt die Stimme des Fremden.
Rasend vor Wut brüllt der Fuchsgeist. Er beginnt an seinen Fesseln zu zerren, ohne Erfolg.
Madara tritt ins Licht, ein hämisches Grinsen umspielt seine Lippen. Das Bijuu wird sich nicht befreien können, dafür hat er gesorgt.
"DU!", grollt Kyuubi außer sich vor Wut.
Die Tür zum Besucherraum fliegt auf. Eine dicke Schwester steht im Türrahmen.
"Was soll das Geschrei?!", raunzt sie wütend. Ihre wischwasserfarbenen Augen fixieren den ehemaligen Hokage, Krähenfüße ziehen tiefe Canyons durch ihr Gesicht.
Zu Tode erschrocken versteckt sich Boruto unter dem Tisch.
Verlegen lacht Kakashi auf und entschuldigt sich.
Schnaufend verschwindet das Ungetüm wieder und knallt die Tür zu.
"Miss Buffalo", flüstert Boruto unter dem Tisch hervor.
Kaum, dass das Echo der Tür verhallt ist, sitzt der Junge wieder auf dem Sessel. Verängstigt begutachtet er noch die Tür. "Die war gruseliger wie deine Geschichte, Onkel Kakashi."
"Da stimme ich dir zu."
"du!", grollt Kyuubi außer sich vor Wut.
"Uchiha Madara", stellt sich der Schwarzhaarige süffisant vor.
Zornig funkelt der Fuchsgeist den Mann an. Er wird sich diesen Namen merken.
"Deine Bemühungen sind sinnlos. Ich habe die Kontrolle über deinen Körper und solange dieser Zustand anhält, wirst du dich nicht von deinen Fesseln lösen können", erklärt Madara selbstgefällig. Er hat Kyuubi no Youko unter seiner Kontrolle. Das Hochgefühl das dieser Umstand auslöst, ist kaum in Worte zu fassen. Er hat nach Antworten gesucht und den Fuchsgeist gefunden. Mehr noch, er hat ihn unter Kontrolle. Das Bijuu ist die Antwort auf alles. Eine Macht, mit der Madara endlich bekommen wird, was er sich ersehnt hat.
Was bildet sich dieses Menschenwesen eigentlich ein? Welch ein Frevel. Ein mächtiges Geschöpf wie mich unter Kontrolle halten zu wollen ... Der Uchiha wird noch sehen, was er davon haben wird.
Finster und hasserfüllt starrt Kyuubi den Menschen an. Er wird ihn in Stücke reißen, wenn sich die Gelegenheit bieten wird.
Madara macht auf dem Absatz kehrt. Während er davon schlendert, umspielt ein finsteres Grinsen seine Lippen.
Dunkles Nichts beginnt Kyuubi zu umschließen. Alle Kraft verlässt ihn schlagartig und der Kopf schlägt hart und dem Boden auf.
Stille hüllt den Bijuu ein.
Weder Zeit noch Raum scheinen zu existieren. Träge tropft das Universum dahin ...
"Träge tropft das Universum … was?!" Boruto ist zu tiefst verwirrt.
"Zeit vergeht", murrt Kakashi mit verschränkten Armen und hochgezogene Augenbraue.
"Ohhh."
Ein Blitz durchzuckt Kyuubi. Seine Augen öffnen sich schlagartig. Etwas geht vor sich. Was kann der Fuchsgeist nicht sagen, aber scheinbar durchströmt Energie das Nichts.
Ein greller Lichtschein durchflutet die Finsternis. Der Neunschwänzige schließt die Augen. Als die Helligkeit fort ist, öffnet er sie vorsichtig wieder.
Argwöhnisch betrachtet er was sich getan hat.
Ein schmaler Riss schwebt vor ihm; quer in der Dunkelheit, kaum breiter als eine Hand. Ein wenig Licht dringt durch den Spalt, es ist kalt und schummrig, wie der Schein des Mondes. Irritiert legt Kyuubi den Kopf schief.
Wieder blitzt es grell.
Kaum die Augen wieder geöffnet erkennt der Neunschwänzige das der Riss breiter geworden ist. Erkenntnis erhellt das Gesicht des Fuchsgeistes.
Die Außenwelt ist jenseits des Spalt und er spürt Energie, einen seichten Chakrafluss der in diese provisorische Hülle fließt. Was auch immer da draußen geschieht, es scheint die Kontrolle des Uchihas über ihn zu schmälern.
Erneut zuckt ein Blitz durch die Finsternis und ein leichtes Beben ist zu spüren.
Mit weit geöffneten Augen starrt Kyuubi vor sich. Der Riss ist erneut gewachsen. Inzwischen ist er gut zweit Meter breit. Der Fuchsgeist erkennt einen ihm unbekannten Mann; dessen lange Haare sind braun und seine Augen schwarz. Er trägt ein Stirnband mit einem eingravierten Symbol, das Kyuubi völlig fremd ist.
"Was für ein Symbol?", fragt der kleine Junge nach.
Kakashi fährt sich mit der Hand durch das Gesicht. "Das Symbol Konohagakures", erklärt er frustriert.
"Ohh. Und was ist das für ein Mann?"
"Hashirama Senju, der erste Hokage."
"Ohh."
Einige Minuten betrachtet der Grauhaarige das Kind. Er ist seinem Vater viel zu ähnlich, so viel steht fest.
Scheinbar kämpft sein Körper gegen diesen Menschen. Mächtiges Geäst wächst aus der Erde und schießt auf den Fuchsgeist zu.
Plötzlich taucht der Uchiha in der Szenerie auf.
Wütend grollt der Neunschwänzige. Das der Mistkerl seinen Körper missbraucht für einen Kampf, schürt noch mehr Hass in dem Bijuu. Doch nun machen die Vorgänge Sinn. Der Kampf des Uchihas gegen Unbekannten sorgt dafür, dass der Bastard langsam die Kontrolle verliert.
Wieder ein Beben und helles Licht.
Der Spalt ist nun eher ein ausgefranstes Fenster. Ein mächtiger Kampf tobt. Der Unbekannte und der Uchiha liefern sich eine unerbittliche Schlacht.
Ein kalter Schauer huscht durch den Neunschwänzigen. Er spürt das Chakra des Uchihas, in seinem Körper. Ein blauer Schleier legt sich über die Bilder, fassungslos weiten sich Kyuubis Augen.
Was bildet sich dieser Bastard eigentlich ein?! Mich mit seinem Chakra zu überziehen!
Wütend grollt der Fuchsgeist.
Der Kampf ist hart. Der Unbekannte ist ein starker Kämpfer, mit mächtigen Jutsus.
Dem Bijuu dämmert, das der Uchiha keine Chance hat. Unruhig reißt der Neunschwänzige an seinen Fesseln.
Was wird mit mir geschehen, wenn die Auseinandersetzung zu Gunsten des Unbekannten ausgeht?
Kyuubi spürt wie ihm das fremde Chakra vom Körper gerissen wird, schmerzerfüllt knurrt er kurz.
Dieser verdammte Uchiha wird dafür bezahlen, was er hier mit meinem Körper anstellt!
Die Hand der riesigen Holzstruktur umschießt das ferngesteuerte Fleisch des Neunschwänzigen.
Fassungslos starrt der Fuchsgeist aus seinen Augen heraus. Die Sicht durch das Fenster ist eingeschränkt, aber die hölzerne Hand legt sich scheinbar auf die Stirn des Bijuu.
Kyuubi keucht, es fühlt sich an, als würde ihm alle Energie auf einmal entzogen. Das Nichts beginnt zu bröckeln, das Fenster reißt auf - vergrößert sich rasant.
Die Fesseln verschwinden und der Fuchsgeist spürt einen Sog.
Er wird von den Füßen gerissen und durch das Fenster gesaugt.
Gleißende Helligkeit umgibt das Bijuu für einen Moment.
Endlich wieder Herr seines Körpers ist es bereits zu spät. Der Neunschwänzige fühlt, das er schon zu viel Energie verloren hat. Er schließt die Augen und fügt sich seinem Schicksal.
