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Spiel ohne Limit

von

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Nicht eine deiner besten Ideen, Rin

Mit flauem Magen passierte sie den Backstagebereich des zweitgrößten Stadions auf Kaibaland. Ihren letzten Besuch hatte sie nicht so glücklich in Erinnerung - Sieg hin oder her - und dass die Leute so taten, als wäre das letzte Spiel kein von Wahnsinn getriebenes Duell gewesen, machte Rin zudem auch noch wütend.

Die übergröße Sonnenbrille gerichtet, versuchte sie die Unauffällige zu spielen. Wobei sie eher die Unnahbare war - die Unnahbare mit den viel zu hohen Wildlederstiefeln und einem gelben quietschenden Lederrock aus Teenagerzeiten, den sie nicht so kurz in Erinnerung gehabt hatte. Das passierte, wenn man seit Tagen nicht mehr zur Reinigung kam.

Ich bin doch nicht gewachsen - oder…ach, jetzt red' nicht so einen Blödsinn!

Immer wieder zupfte sie in einem unentdeckten Moment an den Enden, zog den Rock herunter, sobald zwei Schritte ihre Oberschenkel aufblitzen ließen.

Ist das da hinten Kaiji…?! Wenn mich einer erkennt, bin ich definitiv geliefert

Nervös spielte sie mit einer Strähne, die nicht in die Spange gesteckt worden war. Die junge Frau hatte die vorderen Partien zusammengenommen und nach hinten gesteckt, dass der Rest ihrer Haare leicht wallend ihren Rücken entlang liefen. Sie wusste, dass sie kynki mit süßem Mädchen von Nebenan kombinierte - eine Konstellation, die sie sonst die Nase rümpfen ließ, aber gerade war sie sowieso auf einen undefinierbaren Selbstfindungstrip, also warum nicht mal was Neues ausprobieren?

Daran ist nur der Schlafentzug schuld

Wenigstens sah sie nicht mehr wie eine Schlägerbraut aus. Durch Makis Hilfe, der so freundlich gewesen war, und Rin einen Besuch abgestattet hatte, um mit ihr über den Look für das letzte Duell zu sprechen, war der blaue Fleck, der mittlerweile einen dominant lilanen Farbton angenommen hatte, fast vollständig verschwunden. Die eckige Sonnenbrille tat ihr Übriges, dass nichts von ihrem Duell gegen Hii Yuta übrig geblieben war.
 

Einer der Security-Männer blickte scharf zu der jungen Frau herüber. Rin schluckte schwer, sie wollte nur ungern die Brille abnehmen. So langsam bekam sie ernsthafte Zweifel, ob sie das wirklich durchziehen sollte. Immerhin war es der letzte Tag vor dem entscheidenden Duell. Genauso gut hätte sie in den Trainingsanlagen der Kaiba Corporation stehen und selbst ein paar virtuelle Duelle bestreiten können. Ihr Deck gegen Yoshi war noch nicht komplett, sie konnte sich einfach nicht zwischen drei Karten entscheiden und so kurz vor dem finalen Ende durfte sie nicht nachlässig werden.
 

"Ausweis", murrte der große Kerl mit dem kantigen Kinn und einer demolierten Nase, die Rin an einen zerbeulten Stoßdämpfer erinnerte. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie am liebsten die Flucht ergriffen hätte. Nicht, weil ihr der Kerl Angst machte. Sobald er Rin erkannt hätte, würde er sich nicht mehr wie ein gefährlicher Schlägertyp verhalten, da war sie sich ziemlich sicher. Dafür kannte sie Kaibas Handlanger zu gut. Diese bösen, dreinblickenden Kerle, die ihr Boss von sonst so aufgegabelt hatte, waren zwar gefährlich, doch wollten sie genauso wenig Ärger machen wie Rin. Vor allem, wenn dieser Ärger Seto Kaiba galt und seine schlechte Laune schon einmal ein paar Köpfe rollen ließ.

Und wenn ich mich einfach vorbeischleiche…okay, ich habe gerade selbst gehört, wie bescheuert das klingt

Innerlich seufzte Rin. Sie wollte es nicht dazu kommen lassen, dass man sie erkannte. Die ersten Zuschauer standen hinter dem Muskelprotz, und wenn die erst einmal mitbekamen, dass sich Rin Yamamori unter das Publikum mischen wollte, wäre es mit der Privatsphäre vorbei.

Den Mist hast du dir selbst eingebrockt, Rin

"Ich", begann die junge Frau und straffte die Schultern. Sie war auf alles gewappnet, und dann wiederum auch nicht. Bevor sie zu einer scheinheiligen Ausrede ansetzen konnte, nahm ihr jemand von hinten das Gespräch ab.

"Dein ernst, Kawakame?!", es war Mokuba Kaiba. Den Schwarzhaarigen würde Rin von überall heraushören und seine Stimme war gerade das Wohlklingendste, was ihre Ohren vernehmen konnten. Er hatte sich neben die junge Frau gestellt. Die Hände in die Hüften gestemmt, blickte er ernst zu der Security hinauf. Dieser zuckte mit den Mundwinkeln, bevor er wortlos Platz machte und sowohl den jungen Kaiba als auch Rin in die erste Reihe lotste.

"Wirklich, Mokuba? Die erste Reihe?", möglichst selbstsicher schritt sie den beiden Kerlen hinterher. Fragende Blicke waren auf die junge Frau gerichtet, doch noch schien sie niemand erkannt zu haben.

Was ein neuer Look schon ausmacht

"Du bist eine von uns, schon vergessen?", Mokuba drehte den Kopf und grinste sie breit an, "natürlich kommst du in die erste Reihe. Was denkst du, wie Seto reagieren würde, wenn er wüsste, dass seine Favoritin irgendwo auf den billigen Plätzen sitzt?"

Seine…Favoritin…?

"Wenn du meinst", murmelte sie peinlich berührt. Rin wollte keine Debatte darüber führen, was Seto Kaiba möglicherweise in ihr sehen könnte und was nicht. Zu viele wenn's, die Rin nicht gebrauchen konnte. Dabei würde sie bloß ihrer besten Freundin in die Karten spielen, und an Lumina zu denken war gerade das Letzte, was sie wollte. Nur aus dem Grund hatte sie Mokuba darum gebeten, ihr eine Karte für das letzte Duell in Gruppe Blau zu besorgen. Die gemeinsame Wohnung war seit Tagen wie ausgestorben, sowohl Rin als auch Lumina bemühten sich, dem jeweils anderen aus dem Weg zu gehen, dass sogar die Badezeiten peinlich durchgetaktet wurden. Wann dieses kindische Verhalten endlich aufhören würde, wusste Rin nicht und im Moment wollte sie einfach nur das kommende Duell im Kopf haben. Aus dem Grund, und keinem anderen, war sie hier.

"Übrigens", warf Mokuba ein, noch bevor sie die erste Reihe erreicht hatten, "du bist nicht die einzige, die sich dieses Duell unbedingt ansehen will. Wenn Jonouchi in die Finalen Spiele einziehen sollte, werden sich seine Freunde diesen Moment nicht entgehen lassen."

"Seine…Freunde?"

"Oh ja", lachte der Jüngere der Kaiba Brüder und drehte den Kopf zurück nach vorne, "Jonouchi hat einen großen Freundeskreis - die Leute sind wie eine Familie. Aber keine Panik. Yugi hat mir versprochen, dass sie dich aufnehmen werden."

"Sie wollen was?!" Rin konnte sich einen entsetzten Ausruf nicht verkneifen. Sie war nicht der Typ, der sich gerne in Gruppen aufhielt. Und neue Freunde wollte sie sich auf Zwang auch nicht zulegen.

Ich bin eindeutig zu alt für diesen Quatsch

Mokuba antwortete ihr nicht, stattdessen hörte sie ihn bloß verschwörerisch kichern.

Mokuba, du…

"Ah, Mokuba! Was geht?"

Rin hatte gar nicht mehr die Zeit, sich über den schwarzhaarigen Wuschel zu beschweren, als der Securitymann auch schon stehen geblieben war, das rote Absperrband zur Seite geschoben hatte und damit Rins Chance auf eine Flucht vertan war. Wer Mokuba als erster begrüßt hatte, wusste Rin nicht. Es war ein überraschend herzlicher Empfang, den Jonouchis Fanclub? an den Tag legte. An vorderster Front stand Yugi Muto, der allein durch seine Haarpracht den anderen die Show stahl. Selbst innerhalb seines Freundeskreises schien er eine Art Fixpunkt zu sein und die Ausstrahlung, die ihn umgab, gab ihm recht.

"Toll, dass ich dich mal außerhalb deiner Duelle kennenlernen darf", sagte der Bunthaarige so liebenswürdig, dass Rin fast schon etwas verlegen war. Sein Lächeln erinnerte an das von Makoto, es lag so viel Unschuld darin, dass sich Rin ein wenig falsch vorkam.

"Ja, finde ich auch", sagte sie und überlegte, ob sie doch die Brille abnehmen sollte.

"Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass wir uns schon einmal begegnet sind", sagte der König der Spiele und kratzte sich am Nacken. Ehe Rin zur Antwort ansetzen konnte, mischte sich Mokuba dazwischen.

"Ich lass' Rin in eurer Obhut, okay?"

Mokuba klingt ja so, als bräuchte ich jemanden, der auf mich aufpasst

Sie wusste nicht, ob ihr die Art von Fürsorge passte. Schließlich war Rin alt genug, um gut auf sich aufzupassen und vor allem Mokuba sollte am besten wissen, dass sie keinen Beistand nötig hatte.

"...mein großer Bruder braucht mich hinter der Bühne und die Kommission…", er verdrehte genervt die Augen, "was die schon wieder alles von mir wollen…aber naja, dir wünsche ich viel Spaß, Rin", grinsend klopfte er ihr sanft auf die Schulter, dann sprintete er nach vorne, auf die Bühne und schließlich verschwand er hinter den Scheinwerfern.

Erwartungsvoll wurde sie von Yugi Muto angesehen, bis sich seine großen runden Augen weiteten und er entschuldigend sagte: "Oh, ja. Das hätte ich fast vergessen. Du kennst die anderen ja noch gar nicht." Er deutete hinter sich auf eine kleine Gruppe Leute. Hauptsächlich Freunde aus Schulzeiten, darunter Ryu Bakura - einer der Finalisten des letzten Worldcups. So ruhig und schüchtern hatte sie sich den Vize Champion nicht vorgestellt, aber es war beruhigend, dass nicht jeder so eine Attitüde an den Tag legte wie Yoshi oder ein paar andere Kandidaten in ihren Kreisen.

"Wir haben schon viel von dir gehört, Rin. Ich darf dich doch Rin nennen, oder?", fragte die Brünette mit dem Longbobschnitt. Anzu Mazaki - Rin hatte schon von den Gerüchten gehört. Dass der König der Spiele eine Fernbeziehung mit einer berühmten Tänzerin aus den Staaten führte, und dass sie sich letzen Winter sogar verlobt haben sollten. Der Ring an ihrem linken Finger war auf alle Fälle keine Antrappe.

"Ja, gerne", entgegnete Rin, die völlig überfordert mit so viel Offenheit und Freundlichkeit war.

"Wow, ich fass' es nicht!", brüllte von irgendwo die Stimme von Katsuya Jonouchi und brachte Rins Belastbarkeit an Überschwenglichkeit an eine harte Grenze. Bevor Rin sich umsehen konnte, war der Blonde auf die Gruppe zugestürmt und hatte Yugi in eine Quetschumarmung verwickelt. Breit grinsend sah Jonouchi sie an, und Rin schenke ihm ein kurzes, unsicherer Lächeln.

"Wolltest dir wohl mal ein Spiel eines echten Profis ansehen, was?" Stolz zeigte er auf sich. "Ich garantier dir: Katsuya Jonouchi wird diesen Sieg einfahren und dann geht's", mit einem Arm ließ er den Kleinen los und machte mit der Hand Flugbewegungen nach, "ab nach Kairo."

"Wenn du so weiter machst, ist dein nächster Aufenthalt das Krankenhaus, weil du Yugi erwürgt hast", entgegnete Hiroto Honda, ein langjähriger Freund von Jonouchi.

"Oh", der Blonde sah auf seinen besten Kumpel hinab, dessen Hautfarbe es mit der seiner Haare aufnehmen konnte.

"Alles okay", hüstelte Yugi und Jonouchi klopfte ihm noch einmal beherzt auf die Schulter.

"Typisch, Jonouchi", entgegnete Anzu und stemmte die Hände in die Hüften, bevor sie von dem Blonden in eine fette Umarmung gedrückt wurde. "Schön, dass du es rechtzeitig geschafft hast", sagte er liebevoll.

"Als ob ich dich bei diesem wichtigen Spiel im Stich lassen würde", meinte sie streng, doch im nächsten Augenblick sah sie ihn mit fürsorglichem Blick an.

"Meine Schwester sollte auch gleich dazustoßen", meinte Jonouchi und schaute sich derweil im Saal um. Dabei kratzte er sich an den Kopf und ließ den Blick hin und her schweifen.

Seine Schwester? Wer kommt denn noch alles?

Sie war es nicht gewohnt inmitten einer so großen Freundesclique zu stecken. Es machte ihr Angst und holte Rin aus ihrer Komfortzone, die lediglich aus ihr und Lumina bestanden hatte.

"Ähm", räusperte sich Yugi. Erst jetzt bemerkte Rin, dass er sie die ganze Zeit angesehen hatte. "Um auf meine Frage zurückkommen-"

"Ja, natürlich", nickte Rin. Sie entschied jetzt doch, die Brille abzunehmen, sie kam sich schon dämlich vor, "du hast recht", bestätigte die junge Frau, "das war vor etwa fünf Jahren. Aus dem Spieleladen deines Großvaters habe ich meine weißen Drachen mit eiskaltem Blick."

"Wusst' ich's doch!", jubelte der König der Spiele und lächelte, "mein Opa hatte sie dir zurücklegen lassen, richtig?"

Rin konnte nicht fassen, dass er sich daran erinnerte. Yugi Muto war damals hinter dem Ladenbereich gewesen, sie hatte ihn nur flüchtig gesehen. Zu der Zeit war Rin eine Mauerblume, hinter ihrem langen Faltenrock und der großen schwarzen Schultasche war sie niemand gewesen, der Beachtung verdient gehabt hätte.

"Mein Großvater war damals überzeugt davon, dass du die Drachen bekommen solltest", erzählte Yugi, als wäre es erst Tage her, "er meinte, du hättest etwas in deinem Blick…" Seine eigenen lilanen Seelenspiegel blickten sie tiefgründig an, und Rin meinte, noch etwas anderes als Unschuld darin zu erblicken.

"Das ist sehr nett von ihm gewesen", versuchte Rin auf das einzugehen, was sie im Moment am wenigsten verwirrte.

"So ist er schon immer gewesen", nickte Yugi, "ein bisschen seltsam, aber das Herz immer am rechten Fleck."

Neben den Gefühlen, die sie wegen des Streits mit Lumina hatte, bekam sie jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre blauäugigen weißen Drachen nicht mehr spielte.

Klasse…
 

Das Gespräch fand ein abruptes Ende. Jonouchi quetschte sich zwischen Yugi und Rin vorbei, um ein weiteres Pärchen zu begrüßen. Wenn man bedachte, dass es nur noch wenige Minuten bis zum Duellstart war, wunderte es Rin, wie entspannt und sorglos der Blonde schien.

Müsste er nicht längst hinter den Kulissen sitzen?

Scheinbar war Katsuya Jonouchi nicht der Typ Spieler, der sich an die Regeln des Worldcups hielt - zumindest, was die Anweisungen des Veranstalters betraf. In dem Fall wollte Rin unter keinen Umständen mit ihm tauschen.

"Oh mein Gott! Rin?" Ihren Namen zu hören, brachte sie dazu, sich langsam nach hinten zu drehen. Keine zwei Meter von ihr entfernt, strahlte sie ein bekanntes Gesicht aus ihrer Vergangenheit an. Rin rutschte die Kinnlade herunter.

"Shizuka", hauchte die junge Frau. Auch wenn ihr die Haare nicht mehr bis zu den Hüften reichte und sie Shorts gegen knielange Glockenröcke getauscht hatte, erkannte sie die junge Frau sofort. Shizuka Kawai schien es ähnlich zu ergehen. Statt eine weitere Reaktion abzuwarten, warf sie sich ihr in die Arme. Derweil konnte Rin nichts anderes tun, als starr geradeaus zu blicken. Erst das Einschalten des DuelMonsters-Thema brachte sie zurück in die Gegenwart. Auch sie legte die Arme um die knapp zehn Zentimeter kleinere Shizuka. Von ihr hatte Rin nur gute Erinnerungen behalten.

"Gut siehst du aus", murmelte Rin in ihr Ohr.

"Danke, du auch. Ich hätte dich fast nicht erkannt, aber mein Cousin meinte…"

Takeshi?!

Sie hörte kaum noch zu. Die Situation wurde immer seltsamer, dass sie vorsichtig von ihr ließ.

"Ich glaube es einfach nicht", Rin schaute der jungen Frau mit den kastanienbraunen Haaren in die Augen, "dann ist dein Bruder-"

"Genau", bestätigte die Jüngere und legte die Hände auf Rins Schultern. Ihre Rehaugen von damals waren noch genauso einnehmend wie früher.

"Hab ich irgendwas verpasst?", die Wiedersehensfreude ließ auch Katsuya Jonouchi verwirrt zurück. Er kratzte sich an den Kopf, sein Blick wechselte zwischen Rin und seiner jüngeren Schwester hin und her.

"Rin und Takeshi waren in der Oberstufe ein Paar. Sie waren einmal zusammen bei uns essen. Sie war es übrigens, der ich alles zu verdanken habe."

"Was?! Wieso mir?", fragte Rin und löste sich von Shizuka. Diese nickte eindringlich. "Erinnerst du dich nicht mehr? Du hast mir damals geraten, mich darauf einzulassen. Meine Gefühle und-", sie wurde ganz rot im Gesicht, "und das habe ich gemacht. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich nie den Schritt gewagt und mich darauf eingelassen."

Langsam erinnerte sich die junge Frau an das Gespräch zurück. Auch wenn sie es ein wenig anders in Erinnerung hatte. Wie aufs Stichwort stellte sich ein schwarzhaariger Kerl neben Shizuka. Den Arm um sie gelegt grinste er Rin an, die nicht glauben konnte, was gerade passierte.

"Ryuji Otogi", sie konnte nicht anders als ihn anzustarren.

"Oh, Kaibas Duell-Ass kennt meinen Namen", entgegnete Otogi, dass Rin nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob er sarkastisch war oder doch leichte Anerkennung mitschwang.

"Dann muss ich mich wohl bei dir bedanken", fuhr er fort, und Rin wäre am liebsten im Erdboden verschwunden, weil sie einfach keine Ahnung hatte, wie sie aus diesem schrägen Traum jemals wieder erwachen sollte.

Ich habe Shizuka mit Ryuji Otogi zusammengebracht

Dem coolsten Spieleerfinder in ganz Domino und obendrein Ladenbesitzer des wohl größten Spielegeschäfts der Welt.

Wenn Lumina das jemals erfahren sollte, wird sie mich killen. Sie ist seit der Mittelstufe in den Kerl verschossen…

Rin schluckte schwer. Das Bild ihrer Freundin legte sich schwer um ihr Herz. Nicht einmal in einem Moment wie diesem konnte sie mit ihrer Freundin reden. Die Welt lief eindeutig aus dem Ruder.

"Zufälle gibt's", hörte sie Katsuya Jonouchis Stimme wie ein Rauschen im Hintergrund. Erst sein langer Arm, der sich einmal kurz um sie gelegt hatte, riss sie aus ihren Gedanken. "Dann sind wir ja sowas wie eine Familie."

"Ähm, nein", brachte Rin voller Scham heraus, "wir sind seit Ewigkeiten getrennt und-"

... einfach nein!

"Wenn ihr dann mit euren Familienangelegenheiten fertig seid", die eiskalte Stimme ließ Rin zusammenzucken. Mechanisch drehte sich ihr Kopf zur Seite. Seto Kaiba blickte genauso drein wie er sich angehört hatte. Am liebsten wäre Rin davongerannt. Heute war eindeutig nicht ihr Tag und von nun an konnte es nur noch schlimmer werden. Die Laune des jungen Firmenchefs war auf dem Tiefpunkt (sofern diese wirklich einen Tiefpunkt erreichen konnte). Die Augen sprühten vor Verachtung, dass Rin am liebsten in Deckung gehen wollte, auch wenn sie genau wusste, dass sein Groll nicht ihr galt. Vielleicht ihrem Rock, den er zweimal mit seinen stählernen Augen abgescannt hatte, aber hauptsächlich galt sie dem Blonden neben Rin. Katsuya Jonouchi erwiderte Kaibas hasserfüllten Blick, indem er ihn einfach anlächelte. Fehlenden Mumm konnte sie ihm eindeutig nicht vorwerfen.

"Hast du nicht ein Duell zu spielen, Jonouchi?", fragte Kaiba. Rin konnte förmlich das Eis zwischen seinen Zähnen knistern hören. "Oder hast du endlich kapiert, wo dein Platz ist?"

"Pah", erwiderte Jonouchi und ballte die linke Hand zur Faust. Sein Lächeln war auf Angriffsmodus übergegangen, die Zähne blitzten gefährlich auf, "von dir lass' ich mir diesen Moment nicht verderben, Kaiba. Ob es dir passt oder nicht, aber ich nehme an diesem Turnier teil und ich werde die Endrunden gewinnen."

"Dann solltest du deinen Hintern in Bewegung setzen und dich hinter die Bühne begeben. Oder ist dein Gehirn so winzig, dass du dir diese eine Regel nicht merken kannst?"

Wenn er fünf Minuten vor Spielbeginn nicht bereit ist, wird er automatisch disqualifiziert

Rin wusste es sehr genau, und auch Jonouchi schien sich zu erinnern. Panisch blickte er auf die digitale Anzeige - zwei Minuten blieben ihm noch.

"Hier", sagte Kaiba und warf etwas Klobiges in Jonouchis Richtung, "vergiss' das nicht."

Ganz selbstverständlich fing der Blonde den Gegenstand auf, den Rin erst jetzt als nagelneue DuelDisc erkennen konnte.

"Was soll ich damit?", entgegnete Jonouchi, "ich hab meine eigene DuelDisc", damit deutete er mit geschwellter Brust auf seinen linken Arm. Die vergilbte DuelDisc leuchtete matt zwischen den Scheinwerfern, auch Rin erinnerte sich an das Gerät.

"Du wirst sie dir umlegen und dann das alte Ding in den Müll werfen, kapiert?", erwiderte Kaiba schroff, dass Rin meinte, seine finstere Aura zu spüren.

"Vergiss' es!", konterte Jonouchi und war kurz davor, die Disc zurück zu ihrem Besitzer zu werfen, als Kaiba plötzlich neben ihm stand. Keiner wusste, wie er so schnell dorthin gekommen war, doch jeder blickte die beiden Sturköpfe mit angehaltenem Atem an. Den etwas Kleineren am Kragen packend fuhr Kaiba mit einem Zischen fort: "Das war keine Bitte! Hast du schon vergessen, was dieses Drecksding angerichtet hat?"

Rin zuckte zusammen. Noch nie hatte sie Kaiba derart in Rage erlebt. Sie hatte ihn schon wütend oder verärgert gesehen - doch in diesem Zustand strahlte er etwas Gefährliches aus.

"Mir ist scheißegal, was aus deinem minderbemittelten Erbsenhirn wird, Jonouchi, aber sollte das alte Ding um deinen Arm noch einmal mein System oder meine Spielerin gefährden, werde ich dich eigenhändig von dieser Bühne zerren und dich dorthin befördern, wo nichtsnützige Schwachmachten wie du hingehören", er zog ihn zu sich heran, es fehlte nicht viel und ihre Nasenspitzen hätten sich berührt. "Hast du das kapiert?"

"Kaiba", knurrte Jonouchi, ebenfalls kurz davor die Fassung zu verlieren.

"Kaiba hat recht", mischte sich Yugi in die Unterhaltung ein, bevor diese zu einer Schlägerei ausarten konnte, "sei vernünftig, Jonouchi. Das ist es einfach nicht wert."

"Yugi hat recht, Alter", bestätigte Honda, "es ist doch bloß eine DuelDisc."

Eine DuelDisc, mit der er viel verband - sogar Rin konnte die Nostalgie hinter Jonouchis Blick erkennen.

"Na schön", murmelte Jonouchi und streifte die Disc von seinem Arm, nachdem er sich schroff von Kaiba gelöst hatte. Es passte ihm nicht, gegen seinen Rivalen klein beizugeben. "Das mach' ich nicht deinetwegen, kapiert?", wandte er sich direkt an den Chef der Kaiba Corporation, "und denk ja nicht", fügte er mit knirschenden Zähnen hinzu, "dass ich mich für die neue DuelDisc bedanken werde, Kaiba!"

"Ich werde dir die Rechnung zuschicken lassen", entgegnete Angesprochener mit einem Wink. Dann setzte er sich in Bewegung, der Mantel flatterte hinterher und im nächsten Augenblick war der junge Firmenchef verschwunden. Auch Jonouchi machte sich bereit. Von allen Seiten gab es Zusprüche, Schulterklopfen und jede Menge Glückwünsche, dass Rin stumm den Freunden zuhörte und Jonouchi auf nonverbale Art alles Gute wünschte. Sie wollte, dass der Blonde gewann. Nicht nur, weil er ein netter Kerl war und seit Jahren auf Anerkennung aus zu sein schien, die ihm eindeutig zustand. Wenn Jonouchi gewann, wäre er in den Finalen Spielen in Kairo dabei und jemand wie ihn könnte Rin in einem fremden Land gut gebrauchen.

Sofern ich es überhaupt bis nach Kairo schaffe

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Herz pochte wie wild, als stünde sie selbst jeden Moment auf der Bühne. In seine Lage versetzen konnte sie sich auf alle Fälle.

"Du schaffst das, großer Bruder!", hörte Rin Shizuka jubeln, als der Blonde auf die Bühne gerufen wurde. Der Applaus war ohrenbetäubend. Rin fragte sich, ob Jonouchi wusste, wie beliebt er eigentlich war. Jemand wie er hatte es nicht mehr nötig, sich zu beweisen.

Überschwänglich winkte Jonouchi seinen Fans zu. Die junge Frau entdeckte sogar einige Mitarbeiter der Pizzeria. Das Logo auf den Basecaps war unverkennbar, dass es Rin ein Schmunzeln entlockte.



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