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Demonheart

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dante tut mal wieder erstaunlich wenig. Komplett anzeigen

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Akt IX - Leben aus dem Tod: 13-3

13-3: DANTE
 

Dante fühlte sich übergangen. »Hey, nicht so schnell. Was hat er geschrieben? Zeig her.«

Gut erzogen, wie er war, hielt Jin ihm den Zettel hin. Dante nahm ihn, erblickte das japanische Gekritzel und schüttelte den Kopf. »Übersetzen, bitte. Danke.« Er drückte Jin das Papier wieder in die Hand.

»Es ist nichts Unerwartetes«, erklärte Jin. »Er schreibt, dass er schon früh zu Roger gegangen ist, um mit ihm zu sprechen. Verständlich, sie haben sich sehr viel zu erzählen. Ein Wort kann ich nicht lesen; jedenfalls glaube ich, dass es nur ein Wort ist, es könnten auch zwei sein.«

»Ihr macht euch noch tot mit eurer komplizierten Schrift«, war Dantes wenig rühmliches Urteil.

Sie schlenderten den Korridor hinunter in Richtung Speisesaal.

»Wenn es ein traditionelles englisches Frühstück gibt, kommst du klar?«

»Sicher«, murmelte Jin.

»Sind tausend Kalorien auf einen Schlag nicht zu viel für dich?«

»Ich weiß, warum du gehaltvolle Nahrung schätzt«, sagte Jin zu Dantes Überraschung. »Dein Energiebedarf ist höher, deshalb kannst du essen, was immer du willst, Fett und Zucker. Du brauchst das sogar.«

»Gut erkannt.«

»Ich bin nach Devils Ausbrüchen auch immer furchtbar schwach und kurz danach sehr hungrig.«

Dante ertappte sich wieder einmal dabei, dass er Jins Umsicht bewunderte. Das war jemand, der sich seine Gedanken machte, aber weise die Klappe hielt, wenn er nichts zu sagen hatte. Davon könnte man sich hin und wieder eine Scheibe abschneiden.
 

Anderthalb Stunden später – nach Pancakes mit Honig und Blaubeeren, zu denen nicht mal jemand wie Jin Nein sagen konnte – marschierten sie wieder über die gelbgrün bewachsenen Felsen entlang der Küste. Es herrschte unwalisisches Sonnenscheinwetter, kleine weiße Fetzenwolken zogen schnell über ihren Köpfen dahin. Alles sah freundlich aus, selbst die steinige Einöde aus Gras, und der Weg war leicht zu finden. Neben ihnen schlugen die wilden grauen Wellen an die Klippen. Möwen kreisten in der Gischt und jagten sich gegenseitig ihre Fänge ab.

Wieder zog die Kälte von allen Seiten an ihnen und hielt die Wärmeproduktion ihrer Körper in vollem Gange, doch diesmal kamen sie besser damit zurecht, da sie mit frisch gefüllten Treibstofftanks aufgebrochen waren. Heiß und energiegeladen peitschte das Blut durch ihre Adern, während sie kletterten.

»Ich frage mich«, begann Jin, nachdem sie eine Weile schweigend bergauf gegangen waren, »warum Yuri sich so ziert, seine Fusionskräfte einzusetzen. Er hat das nicht einmal getan, seit er hier ist. Warum ist es so belastend für ihn, und warum hat er solche Angst davor?«

»Kannst du dir das nicht denken?« Dantes Meinung nach hatte Yuri diese Gründe mehr als deutlich gemacht. »Bei uns beiden, dir und mir, ist der Teufel ein Teil von uns. Ich bin mit dämonischem Erbgut geboren, du mit irgendwas Ähnlichem. Yuri aber nicht. Er kann diese Verschmelzung zwar herbeiführen, aber sie ist für seinen Körper extrem unnatürlich. Die wenigsten Leute überleben es lange, wenn ein Dämon von ihnen Besitz ergreift. Yuri macht genau das mit Absicht, und dafür muss er seine psychische und physische Abwehr mit Gewalt unterdrücken. Und dann muss er das Vieh auch noch kontrollieren … Will mir nicht ausmalen, wie unglaublich erschöpfend und gefährlich das ist.«

»Aber er hat offenbar auch eine genetische Exposition für diese Fähigkeit. Sein Vater hatte dieselben Kräfte.«

»Und weißt du, was aus seinem Vater wurde?«, versetzte Dante, der nicht verstand, worauf Jin hinauswollte. »Hat er’s uns gesagt? Nein. Aber du bist kurz vor dem Durchdrehen, weil ein Teufel deinen Körper okkupiert – also tu nicht so, als hättest du hier den großen Durchblick. Klar sind bei dem Kerl ein paar Bretter lose, aber bisher hat er seine Teufelskräfte wenigstens immer im Griff. Was man von dir nicht behaupten kann, Kazama.« Dante hatte das nicht aggressiv gesagt, aber ein gewisser herablassender, vorwurfsvoller Ton ließ sich nicht vermeiden. Jedenfalls verfehlte die Zurechtweisung ihre Wirkung nicht, denn Jin sagte nichts. Wie so oft. Jin sagte eine Menge nichts, wenn man mit ihm zusammen war, und wenn er dann mal etwas sagte, waren es meistens kluge und besonnene Worte. Jetzt allerdings … »Eins ist seltsam«, fuhr Dante friedlicher fort. »Yuri ist von uns allen der emotionalste. Er hat seine Gefühle nicht gut im Griff und ist impulsiv … Aber das Böse in sich zu beherrschen, damit hat er keine Probleme. Bei dir ist es genau umgekehrt.«

»Wie du meinst«, erwiderte Jin wenig verbindlich.

»Vielleicht solltest du nicht immer alles runterschlucken, sondern auch mal was rauslassen.«

»Danke für den Rat, sehr hilfreich.« Es klang sarkastisch.

Sie erreichten den Erdspalt, in den sie in der Nacht zuvor eingebrochen waren. Roger hatte ihn nicht zu tarnen versucht; vermutlich bestand keine Gefahr, dass ein Spaziergänge sich in dieser Jahreszeit hierher verirrte.

Dante ging vor dem Eingang auf die Knie und spähte hinunter. »Gibt’s vielleicht eine Möglichkeit, uns diesmal nicht dreckig zu machen?«

»Gute Frage«, seufzte Jin. »Meine saubere Kleidung geht zu Ende. Wie kommt Roger raus und rein?«

Sie hoben beide den Kopf und starrten über die Ebene.

Man könne die Spalte nicht sehen, hatte Roger gesagt, auch bei Tageslicht nicht … Sie sei in einer größeren geologischen Restaurierung geschlossen worden … na schön. Dante stand auf und trottete durch das bleiche Gras. Er stellte sich vor, wie das Land unter einer extremen Kraft aus dem Meer entzwei brach, um das bösartige außerirdische Material entweichen zu lassen, das jahrtausendelang in den Neam-Ruinen unter der Erde geschlummert hatte. Als er sich umdrehte und zur Küste sah, entdeckte er die Stelle schnell, an der der Fels gebröckelt war; auch mit modernsten Mitteln war ein solcher Schaden nicht zu kaschieren. Von dort aus verlief der Spalt irgendwo unter Sand und Rasen. Dante rief sich vor Augen, wie sie in der Nacht dem Trugbild des riesigen Wolfs gefolgt waren, der Yuri zu Roger geführt hatte. Er hatte sich auf dem Spalt bewegt, wie ein Freizeitpark-Boot auf einem Magnetkabel … Dante schaute zu Boden und ging diesen Weg ab, sein Gedächtnis bemühend. Jin, das sah er aus dem Augenwinkel, beobachtete ihn reglos und behielt ihn im Auge. Hier hatte der Wolf angehalten, hier verlief die unsichtbare Trennlinie …

Okay, das war Bullshit. Hier war nur das Loch und sonst nichts.

Als Dante sich umdrehte, war Jin weg. Er entdeckte seine schwarz gekleidete Silhouette mit dem markanten Haarschopf halb auf dem Rückweg den Fels hinauf. Da wurde ihm klar, was Jin vorhatte. Er gab ihm im Geiste einen Daumen hoch und folgte ihm.

Bei Tageslicht erschienen alle Wege viel kürzer als nachts im Dunkeln, und so erreichten sie sehr schnell jene Stelle unterhalb der letzten Anhöhe, an der das kleine Denkmal für den Gottesschlächter stand. Dante umfasste den steinernen Pfeiler mit beiden Händen und lehnte sein Gewicht dagegen; der Pfeiler kippte zurück, und der flache Sockel entpuppte sich als mit Erde und Gras bedeckte Falltür, unter der sich ein Treppenabgang auftat, der mit ebenmäßig gehauenen Stufen in die Tiefe führte.

»Da haben wir Rogers Eingang.« Dante klopfte mit dem Fingerknöchel gegen den umgeklappten Pfeiler, der innen hohl war und damit gerade leicht genug, um sich bewegen zu lassen. »Aber er musste uns ja durch den Dreck kriechen lassen, der Sack.« In Wirklichkeit war ihm Dreck ziemlich egal, er kam in seinem Job mit ganz anderen Arten von Schmutz in Berührung – auch solchen, die unangenehmer rochen und sich schwerer aus der Kleidung waschen ließen.

»Jedenfalls reichen die Tunnel, die er bewohnt, offenbar weiter als erwartet. Hoffentlich verirren wir uns nicht.« Und damit kam Jin Dante zuvor, zog seinen Mantel fest um den Körper und betrat als Erster die sandigen Stufen hinunter ins Gewölbe.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Schönes Restwochenende und danke fürs Lesen! Komplett anzeigen

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