Zum Inhalt der Seite

Kizuna III

Ewigkeit
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Akt I - Erwachen


 

Eigentlich sollte meine Geschichte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Ende gefunden haben.

 
 


 


 

 
 

...Eigentlich...
 


 

 

 

 

.

.

.

 
 


 


 

Mein Kopf findet keinen festen Gedanken, an dem er sich halten könnte. Er summt, er ruft, er schreit schon gar um Normalität, doch ich bin nicht in der Lage irgendeine in mir verbliebene Konzentration dafür zu suchen. Es ist, als wäre alles fort… Meine Scheitelkrone juckt und ich würde mich gerne kratzen, doch meine Glieder sind schwer, wie Blei und versagen mir ihre Dienste. Selbst das Gefühl zu schlucken, fühlt sich fremd an. Doch der fade, bittere Geschmack in meine Mund verlangt danach, beseitigt zu werden. Mit jeder einzelnen Sekunde, die ich gedanklich durch meinen Körper wandere beginnt mein Herz sich meinen verwirrten, hilflosen Gedanken an zu passen und seinen Takt deutlich zu beschleunigen, bis es so stark schlägt, als dass ich den Eindruck bekomme, gerade einen Marathon gelaufen zu sein. Der Drang mich zu bewegen, mich auf zu richten und umzuschauen bekommt immer mehr Gewicht, doch selbst die bloße Aktion meine Lider zu öffnen, scheint mich absolut zu überfordern.

 

 

Was genau ist eigentlich passiert?

 

 

Mein Kopf arbeitet, doch es kommt absolut nichts Produktives bei raus. Ich erinnere mich einfach nicht.

Ungeduld erfasst mich und treibt mich schnell an den Rand des Wahnsinns. 

Dann ein Flackern, ein kurzer Lichtreiz, der mich daran festhalten lässt, die Kontrolle zurück zu erlangen. Die Geräusche um mich herum werden klarer, hüllen mich etwas in Entspannung, als ich das Gezwitscher der Vögel und das Knistern des Feuers wahrnehme. Meine Nase zieht gierig die Luft und den damit gemischten Duft ein und signalisiert mir, dass ich meine Umgebung kenne, mir eigenartigerweise vertraut scheint. Dann zucken meine Augenlider, unruhig und noch nicht an die helle Umgebung gewöhnt. Dennoch will ich aus einem Impuls heraus sofort aufstehen. 

Der Druck wird unerträglich und füllt meinen Körper mit Schmerz. Mein Kopf dröhnt immer noch, als ich versuche mich zu rühren. Doch sogleich ich auch nur einen Muskel bewege, schüttelt mich mein Magen so heftig, dass ich mich hilfesuchend und sogleich panisch die Augenaufreiße und umblicke. Von irgendwo her wird mir eine Holzschüssel gereicht, in die ich mich würgend übergebe. Mein Körper zittert und ich fühle, wie mein Kreislauf wegsackt. Stöhnend wisch ich mir über den Mund und lasse mich zurückfallen. Erst dann komme ich dazu mich überhaupt genauer umzuschauen, während mich Scharm über meinen plötzlichen Ausbruch ergreift. Das erste, was ich erblicke ist eine holzige Zimmerdecke. 

Nichts Ungewöhnliches. 

Aber dennoch vertraut. 

Mein Kopf neigt sich zur Seite, von der mir die Schüssel zugeschoben wurde. Eine Gestalt schiebt den besagten Gegenstand gerade hinter sich. 

 

„Kaede“ 

 

Meine Stimme hört sich grauenhaft an. 

 

„Willkommen zurück, mein Kind.“ 

 

Aus dem Augenwinkel regt sich etwas und meine Augen huschen nach unten an mein Fußende. 

 

„Wie geht es dir?“ 

 

Seine Augen lassen mich im ersten Moment zusammenzucken, bringen meinen Körper dazu, sich noch eher an das Vergangen zu erinnern, als mein Geist. Szene schießen mir durch meinen mitgenommenen Kopf und ich fasse mir überfordert an die Schläfe. 

„Gut.“, lüge ich, bin noch nicht bereit mich auf ein Gespräch einzulassen. Stattdessen blicke ich mich weiter um. Es ist unverkennbar, dass ich in der Hütte der alten Miko liege. Die besagte Frau verschwindet gerade durch den in die Jahre gekommenen Eingang der Unterkunft. Licht fällt durch die Strohmatte. Im kleinen Kessel über dem Feuer kocht ein Eintopf, der den Raum mit leckerem Duft füllt. Allein ein paar Krüge in der Ecke sind die einzigen Gegenstände, die diese vier Wände noch beinhalten. Das Gesamtbild ist einfach, heimisch und mir mehr als wohl bekannt. Lange habe ich mich danach gesehnt, wieder in dieser Hütte mit meinen Freunden sitzen zu dürfen. An einem sozialen Leben teilhaben zu dürfen, welches mir so lange nicht vergönnt war. 

 

Wieso springe ich also nicht vor Freude in die Luft?

 

Szenen blitzen wieder vor mir auf. 

Und in jeder einzelnen geht es verdammt noch einmal um ihn. 

Kami, wie konnte das alles nur passieren. 

Als mein Kopf mich an meine Tat, den Inhalt des Fläschchens zu trinken, erinnert, halte ich kurz inne, nur um festzustellen, dass der beißende Schmerz verschwunden ist. Allein meine Glieder fühlen sich schwer wie Blei an. Irgendwo scheine ich geblutet zu haben, denn ein Verband umhüllt meine Brust. Als ich mich zögernd aufrichte, vorsichtig darauf bedacht nicht noch einmal meinen Kreislauf zu überfordern spüre ich ein ziehen am Rücken. Ich stöhne schwerfällig darüber und versuche mir die Trägheit aus dem Gesicht zu streichen. Der leichte Schweißfilm fettet meine Finger. 

Himmel, ich muss mich auf jeden Fall waschen.

Inu Yasha reicht mir einen Becher mit Wasser und ich murmle ein kleines “Danke”, bin noch nicht bereit ihm wieder anzusehen. Plötzlich sind seine weißen Haare und goldenen Augen unerträglich für mich. 

Das Wasser tut gut, kommt einer inneren Dusche gleich und lässt mich etwas klarer denken. Erst als ich trinke, spüre ich, wie durstig ich überhaupt war. Inu Yasha schenkt mir sofort nach und auch den zweiten Becher schütte ich gierig hinunter. 

Und plötzlich ist da diese Panik. 

Ich weiß nicht woher sie kommt, aber ich kann keine Sekunde länger hier drinnen bleiben. 

Als ich aufstehen will, hilft mir Inu Yasha dabei und ich bin froh, dass der Schwindel sich in Grenzen hält. Dann eile ich durch die Tür.

 

“Kagome, du solltest nicht-”

 

Doch ich war schon draußen.

Meine nackten Füße treten in das Weiße der Natur und erst, als ich die fast schon schmerzende Kälte wahrnehme erinnere ich mich daran, dass wir noch Winter haben. Erinnere mich daran, dass ich das letzte Mal in diesem Weiß fast umgekommen wäre.

Nachdem sich meine Sicht, geblendet durch die Sonnenstrahlen die vom Schnee reflektiert werden gelichtet hat, schweift mein Blick umher. Durch die Gegebenheiten der Natur ist die Landschaft alles andere als farbenfroh. Bei dem sich stark bildenden Kontrast stechen mir die vielen kleinen Hütten des Dorfes als erstes ins Auge. Die Menschen sind geschützt mit Strohmatten und Hütten und bahnen sich mit schweren Schritten durch die mehrere Centimeter hohe Maße. Ein einfaches, idyllisches Winterbild, welches mein Herz auf schon fast schmerzhafte, viel zu rasante Weise erwärmt und mir die Tränen in die Augen schiesen lässt.

 

„Wie komme ich hierher?“ 

 

Wieso lebe ich überhaupt noch?

 

Inu Yashas Präsens schmiegt sich in meinen Rücken, als wolle er sicher gehen, dass ich alleine stehen kann. 

 

"Ich habe dich hergebracht." 

 

Auch wenn diese Antwort eine der vielen ist, die ich durchaus erwartet hatte, schüttle ich schon fast verständnis- und hilflos mit dem Kopf. Meine Wimpern blinzeln den Tränenschleier fort, während ich tief einatme und das Zittern meiner Brust dabei versuche zu bändigen. 

 

„Ich hätte tot sein müssen.“

 

Er umschließt mich von hinten mit seinem Hakama und schützt mich vor der Kälte. Meine Füße spüre ich schon gar nicht mehr.

 

„Bist du aber nicht und ich habe dir geschworen, dass ich dich beschützen werde.“, er dirigiert mich zurück Richtung Hütte.

 

„Und jetzt geh wieder rein. Sonst bist du bald wirklich tot. So schnell, wie du immer krank wirst.“

 

Ich lasse mich mitziehen und lächle ihn leicht an.

 

„Dann machst du mir doch sicher wieder die Medizin deiner Mutter, oder?“

 

„Hä, hast du eine Ahnung, wie viel Arbeit dahintersteckt?“

 

Doch gleich darauf flüstert er mehr zu sich, als zu mir „Natürlich würde ich das machen“.

Er hält mir den Vorgang beiseite und lässt mich zuerst durch. 

Seitdem ich in dieser verzwickten Lage mit Kizuna geraten war, fasst er mich nur noch mit Samthandschuhen an. Schon im Schloss konnte ich mich auf seine Unterstützung verlassen, wie ein treuer Hund, der einem nicht von der Seite weicht.

Ich schmunzle leicht über diesen offensichtlichen Vergleich. Er errötet prompt und gibt ein gekeiftes „Was?“ von sich.

 

Wie gewonnen, so zerronnen.

 

„Ich habe dich vermisst.“

 

Sein darauf noch dunkler werdendes Gesicht lässt mich nur noch mehr die trüben, nachklingenden Gefühle der letzten Geschehnisse vergessen.

 

 

Zumindest vorerst…

 

 

 

 

 

 

.

 

 

.

 

 

.

 

 

 

 

 

 

„Danke.“

 

Vorsichtig nehme ich der alten Miko die dampfende Schüssel aus der Hand und spüre erst jetzt meinen knurrenden Magen.

 

„Du musst schnell wieder zu Kräften kommen, Kind. Du wirkst mehr als nur erschöpft.“

 

Sie mustert mich von oben bis unten und sieht mir anscheinend die wenigen Kilos an, die ich bei Sesshoumaru verloren habe. In der Nähe einer Horde von Daiyoukais kostet das halt eine Menge Energie.

Ich nicke und nehme, um sie zu beruhigen einen großen Löffel ihres Eintopfes.

Himmel, schmeckt das gut.

 

„Ich bin froh, wieder hier zu sein.“

 

Ich lege mir die Schale in meinen Schoss und genieße die Wärme, die sich von dort aus ausbreitet.

 

„Und wir sind froh, dass du wieder da bist.“

 

Kaede lächelt, was ihre Falten im Gesicht hervorhebt und mir erst jetzt auffällt, wie sehr sie in dem halben Jahr gealtert ist. Doch es steht ihr. Es macht sie ungemein sympathisch und erinnert mich an meinen Großvater, der ebenfalls nun mit den gleichen Facetten gesegnet sein musste. Ich nehme mir kurz die Zeit und betrachte sie etwas genauer. Auch sie hat abgenommen, ist etwas in ihrer Haltung zusammengesackt. Ich kann mir denken, dass sie viel zu tun hat, da ich plötzlich nicht mehr zur Verfügung stand. Ihre Haare sind etwas wirr in ihrem Zopf gebunden, ihre Hände sind gezeichnet von Schnitten und Blasen und ihr Gesicht ist einen Hauch blasser, als sonst.

 

„Kaede.“

 

Ich beuge mich nach vorne und greife nach Ihrer Hand. Sie ist kalt und rau.

 

„Ab morgen werde ich dich hier wieder unterstützen, ja?“

 

„Kagome, erhol dich doch erst einmal.“

 

Ihr Blick geht dabei zu Inu Yasha, welcher wiederum prüfend mich ansieht. Die Sorge rührt mich zwar, doch kann ich sicher keinen Moment länger Kaede mit ihrer Arbeit alleine lassen. Außerdem will ich Beschäftigung, Kami, ich will wieder eine Aufgabe haben. Ja, ich freue mich richtig auf die Pflege der Kranken, Beschaffung nützlicher Wurzeln und Pflanzen und zeremonielle Reinigungen. Zum anderen Teil ist es vor allem eine Ablenkung meiner tristen und melancholischen Gedanken, die mich bei verschriebener Bettruhe hundertprozentig einholen werden.

 

„Mir geht es gut, wirklich. Außerdem gäbe es für mich nichts Schöneres, als dir wieder eine Hilfe sein zu können. Ganz ehrlich.“

 

Ich lächle die Dorfälteste an und nicke den Hanyou auffordernd zu, welcher kurz darauf zustimmend brummt. 

 

„Gut, mein Kind, aber lass mich vorher noch einmal deine Wunden betrachten.”

 

Während Inu Yasha, wie selbstverständlich die Hütte verlässt, entkleide ich mich von dem dünnen weißen Kimono, welcher lediglich als Unterhemd dient. 

Der Verband erstreckt sich über meine gesamte Brust und drückt mir unangenehm die Luft zum Atmen ab. Unangenehm, aber erträglich. 

Der Blick der alten Miko verdunkelt sich minimal, als die ersten Reihen des Stoffes zu Boden gleiten.

Ich folge ihrem Blick. Meine Brüste sind gezeichnet von mehreren dicken Schnitten, dessen Krusten bereits dunkelrot gefärbt sind. Zudem ist meine Haut das reinste Farbenspiel, wessen Ursache die zahlreichen Prellungen und Quetschungen Seitens des -

Ich verkneife mir jeden weiteren Gedanken an das Geschehen, jeden weiteren Gedanken an ihn. 

 

„Du solltest gleich noch etwas Eintopf essen.“, spricht die alte Dame leise und entkräftet, während Ihre faltige Hand meine Rippen ertastet. Ihr Versuch die anderen Blessuren damit in den Schatten zu stellen ist gut gemeint, ist es mir doch selbst unangenehm, dass Sie sieht, wie der Lord mit mir umgesprungen war. Ich, als Neuzeit aufgewachsenes Mädchen, fühle mich dabei mehr, als nur in meinem Stolz und meinen Rechten verletzt…

 

„Die dämonischen Energien haben mir nur sehr stark zu schaffen gemacht. Ich werde im Nu wieder die Alte sein.“

 

Mein Lächeln erreicht ihr Gesicht nicht und ich frage mich direkt, was sie wohl denken mag, was sie sich wohl, all die Zeit für Gedanken um mich gemacht haben muss.

 

„Hätte Inu Yasha nicht behauptet, es würde dir bei ihm gut gehen, wäre ich wahrscheinlich schon vor Kummer gestorben.“, bestätigt sie mir sogleich meine leichte Vorahnung.

Ihr Gesicht zerknirscht sich bei den Worten und macht sie mit ihren Fallen gleich um ein Vielfaches älter. Würde sie mir nicht gerade frische Creme auf die Wunden schmieren, hätte ich sie an mich gedrückt. Doch so bringe ich nur ein gerührtes „Kaede“ über die Lippen und streiche ihren Arm, damit sie nicht dem Drang nachgibt zu weinen. 

 

„Inu Yasha“, rufe ich leise, weil ich weiß, dass er nicht weit weg ist. Prompt öffnet sich der Vorhang und der Hanyou betritt die Hütte. Sein Blick sucht kurz die Dorfälteste und ich spüre, wie sie sich mit stummen Blicken austauschen. 

 

„Kagome”, fängt er an und setzt sich dabei hin. Seine Stimme ließ genau ahnen, was folgen würde. 

 

“Was genau ist passiert?“

 

Der Silberhaarige durchbohrt mich schon fast auf unangenehme weise mit seinem Blick, als wolle er direkt klarstellen, dass er keine Lügen oder Lücken in meiner Erzählung akzeptieren würde.

 

Es ist nicht so, als ob ich das vorhätte, doch werden manche Tatsachen zu berichten, wohl sehr unangenehm werden. Allein, dass die beiden über meine Verletzungen und deren wahrscheinlicher Herkunft Bescheid wissen, stellt mich schon vor ein Problem. Deren Vermutung auch noch zu bestätigen, wird zumindest einen hier in dieser Hütte zur Weißglut bringen…

 

„Solltest du mir nicht eher von dem Angriff auf das Dorf erzählen?“

 

Der Hanyou lehnt sich ruckartig zurück, als wäre ich eine angriffslustige Schlage, die nach ihm geschnappt hat. Ertappt höre ich seinen Kiefer knirschen, während seine gelben Augen versuchen herauszufinden, wieviel ich wohl schon über die Lage wusste. Doch noch bevor ich mein Ablenkungsmanöver als geglückt verbuchen kann, reißt die alte Miko die Aufmerksamkeit an sich:

 

„Mein Kind, vielleicht eines nach dem anderen.“

Ihr Blick kommt der meiner Mutter sehr nahe, wenn sie keinen Widerspruch gelten lassen wollte. Der Hanyou verschränkt abwehrend die Arme und gibt der Miko ein zustimmendes Schnaufen. Ich kann nicht verhindern, wie ich schwer schlucke.

 

„Was bringt es, wenn ich euch davon erzähle?” Meine Schultern zucken von selbst in die Höhe.

 

“Passiert ist passiert…“

 

 

Ich will nicht.

 

Muss ich jetzt wirklich darüber sprechen?

 

 

„Aber-“

 

„Inu Yasha“, unterbricht ihn die Miko sanft und ich würde wahrscheinlich ihren ebenso sanften Blick sehen, wenn mich nicht die Scham ergriffen hätte, die mich ihre Augen meiden lässt.

 

Kurz herrscht eine unangenehme Stille und meine Körper zuckt schon vor Spannung, gerade im Begriff vor dieser Situation die Flucht zu ergreifen, als Kaede einen langen überlegenden Ton von sich gibt und dann abermals das Wort ergreift:

 

„Sag uns doch wenigsten, wieso es dir möglich ist zurück zu kehren?“ 

 

Ich schau sie an, erinnere mich wieder etwas mehr an die Geschehnisse vor meiner Bewusstlosigkeit. Es ist wie eine beschlagene Scheibe, dessen Bild dahinter mit jedem Wisch klarer zu werden scheint.

 

Und-

Oh, Kami...

 

Habe ich wirklich das Richtige getan? Oder war alles ein großer Fehler gewesen?

 

Bei dem Gedanken daran klopft mein Herz wie wild und Tränen sammeln sich in meine Augen, noch bevor ich es überhaupt verhindern kann. 

 

In einer Geste der totalen Unruhe führen ich meine aufeinander gepressten Handflächen zu meinem Gesicht, als würde ich stumm beten und versuche die Gedanken beisammen zu halten. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. 

 

Heilige Scheiße, er wird mich umbringen, wenn ich das nächste Mal auf ihn treffen sollte. Allein seine roten Augen, die ich noch zu gut vor mir sehen kann werden mich die kommenden Nächte verfolgen, werden mich in den Wahnsinn treiben. 

 

Doch mein wild pochendes, schmerzendes Herz macht mich nicht allein auf der Angst in meinem Körper aufmerksam. 

 

Mit meiner Aktion habe ich alles zerstört. Jede Chance auf ein funktionierendes Leben zwischen mir und dem Daiyoukai, habe es damit auf einen Schlag beendet, noch bevor es begonnen zu haben schien. Und auch wenn sein Handeln mich in diesem Moment mit Angst, Zorn und Demütigung gefüllt hat, sind jetzt umso mehr Zweifel über meine Taten in meinen Gedanken. 

 

Nein. Nein. Nein.

 

Dieser Dämon hat mich vergewaltigt. Ich wollte es nicht! Selbst mit Kizunas Einfluss hätte jeder sehen können, dass ich mich gewehrt habe, dass mir so etwas nicht gefallen hat. 

Doch mein Körper zuckt bei der Erinnerung, regt sich auf eine Art und Weise, dessen Ursprung nichts Schmerzhaftes an sich hat. Das Gefühl seines, auf mich krachenden Körpers, diese Mischung von Schmerz und Erregung, lässt meinen Glieder heiß werden.

 

Was?

 

„Kagome“

 

Ein Gewicht legt sich auf meine Schulter und ich zucke aus meiner Starre, lasse die Hände sinken und erblicke nach kurzem Blinzeln die grauen Augen der Miko. Ihre Hand streicht meinen Arm hinab und bestärkt mich dabei, meine Fassung wieder zu erlangen.

 

„Ich“ Gott, mein Mund ist ganz trocken. „habe das Band gekappt.“

 

„Was?“

  

Der Hanyou springt so schnell auf, dass ich zwangsläufig zusammenzucke und meine Augen ihn entgeistert anblicken. Als hätte er seine übereifrige Reaktion erst jetzt begriffen setzt er sich sogleich wieder hin und presst sein Schwert stattdessen an sich. Eine Angewohnheit, die er sich nach und nach bei Unbehagen angeeignet hatte.

 

„Als wir damals von hier aufgebrochen sind, habe ich in einem Dorf einer Frau geholfen.“ 

 

Ich erinnere mich kurz an die Ereignisse, welche nun schon gefühlt eine Ewigkeit her und nur noch verschwommen abrufbar sind. Je mehr ich jedoch die Geschichte reflektiere, desto naiver komme ich mir dabei vor. 

 

„Als Dank gab sie mir etwas zu Essen und ein eigenartiges Fläschchen. Der Zettel der daran hang, machte mir unmissverständlich klar, dass es sich hierbei um ein Heilmittel für Kizuna handeln musste. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht verstehen, wie sie erkennen konnte, dass ich mich in dieser aussichtlosen Lage befand. Das war ein Grund, warum ich so lange gezögert hatte, den Inhalt zu mir zu nehmen…“

 

„Sehr merkwürdig.“, murmelt die Miko, während der Halbdämon tief in Gedanken versunken zu sein scheint. Ungewöhnlich, hätte ich doch schon damit gerechten von ihm eine Standpauke wegen meiner Leichtgläubigkeit zu bekommen.

Dann plötzlich sieht er mich an. 

 

„Und? Wie… fühlst du dich?“

 

Hat es geklappt?, fragen seine Augen. 

 

Kurz lasse ich mir Zeit und wandere gedanklich durch meinen Körper. Der Schmerz ist verebbt. Nur eine leichte Taubheit meiner Glieder gibt Hinweis darauf, dass mein Körper einiges durchmachen musste.  Bei meinen Gefühlen bin ich mir nicht sicher. Mein Kopf scheint immer noch gänzlich überfordert von all den Ereignissen. Ich weiß einfach nicht, wo oben und unten ist, kann immer noch nicht begreifen, dass ich da bin, wo ich jetzt bin. Einfach so.

 

„Ich… weiß nicht. Zumindest habe ich nicht mehr das Gefühl, dass ich auf seine Nähe angewiesen bin.“

 

Das stimmt. Ich kann atmen, ohne dass meine Gedanken, mein Fleisch und Blut nach seinem Wesen schreien. Ein Umstand, der mich geradewegs erleichtert. 

Und gleichzeitig auf mir noch unbekannte weise beängstigt. 

Ich fühle mich plötzlich so ahnungslos und unwissend. 

 

Unfrieden kaue ich mir auf meiner Unterlippe und beschließe vorerst diese Gedanken beiseite zu schieben. Es ist wahrscheinlich eh das Beste, zu beobachten, wie sich alles entwickeln wird. Zudem bleibt mir genau genommen auch nichts anderes übrig, als abzuwarten.

 

"Erzählt mir von dem Angriff.", hole ich mich selbst aus meinen Überlegungen heraus und blicke die beiden auffordern an. Die Mimik des Hanyous versteift sich schlagartig.

 

"Es geschah vor zwei Tagen", beginnt er und greift Tessaiga am Griff, als wenn jeden Moment ein erneuter Angriff bevorstehen könnte.

 

"Sie stürmten am frühen Morgen in der Dämmerung das Dorf. Wir konnten noch rechtzeitig die Kinder in Sicherheit bringen. Und auch die Zahl der Opfer hat sich ungewöhnlich stark in Grenzen gehalten. Es sind mehr Verletzte, als Tote."

 

"Sind Miroku und Sango ok?", falle ich ihm ins Wort, als ich an die Gebetskette denken, die mir Ayaka gegeben hat. Im gleichen Moment bereue ich meine Frage. War ich bereit überhaupt darauf eine Antwort zu hören?

 

"Ja, nur ein paar Schrammen.” Ich spürte erst, dass ich die Luft angehalten hatte, als meine Lungen brennend nach Sauerstoffverlangen. Die Worte waren Balsam für meinen Körper. Währenddessen fuhr der Hanyou fort: “Es war nur eine kleine Horde, die das Dorf überrannt hat. Wären es normale Youkai gewesen, wäre es sicher leichter gewesen, sie auszuschalten."

 

Ich stutze bei diesem Satz. 

 

"Was genau meinst du damit?"

 

"Zuerst habe ich es nur gerochen. Aber als ich dann auf die ersten Dämonen traf, wurde mir bewusst, dass es sich um keine aus unseren Ländereien handeln konnte. Sie kamen von weit her. Und...", er bleckt die Zähne, als wenn er sich bei der Erinnerung selbst gerne gebissen hätte, " Es waren hauptsächlich katzenähnliche Youkai."

 

Was?

Katzen?

 

"Aber würde das nicht bedeuten, dass...", ich traue es mich gar nicht auszusprechen.

 

"Ja, es war dieser verdammte Neko aus dem Osten, der uns diese Plage auf den Hals gehetzt hat."

 

"Das ergibt keinen Sinn."

 

Ich schüttle ungläubig den Kopf. 

 

"Schließlich hat mir die Gefährtin vom Lord des Südens gedroht." 

 

"Ha, würde mich nicht wundern, wenn die sich zusammengetan hätten. Vielleicht hat er auf eigene Faust gehandelt und es hatte gar nichts mit dir zu tun.", murmelt Inu Yasha vor sich hin und verschränkt jetzt wieder die Arme ineinander. So wie es aussieht hat sich seine Aufregung etwas beruhigt. Wo ich gerade schon dabei bin seine Person genauer zu betrachten, fällt mir mal wieder auf, wie wenig ihm anscheinend die Zeit anzuhaben scheint. Er sieht noch genauso aus, wie bei unserer ersten Begegnung. Allein sein Gesicht spricht jetzt etwas mehr Reife, weniger Trotz und Zorn. Er wirkt ausgeglichen und gerade diese Tatsache lässt ihn, wenn überhaupt, erwachsener erscheinen. Ich bin froh, ihn nach so vielen Tagen und auch nach dem Angriff unverwundet vorzufinden. Ich hätte es nicht verkraftet, wenn ihm was zugestoßen wäre. Nicht nach den Geschehnissen der letzten Tage...

 

"Kagome", holt mich seine ungewöhnlich sanfte Stimme aus den Gedanken.

 

"Eh, ja?"

 

"Ich habe dich gefragt, ob du das auch so sehen würdest?"

 

Ich streiche mir verlegen eine Strähne hinters Ohr und wende den Blick peinlich berührt von dem Halbdämon ab. 

 

"Oh, entschuldige, was genau meintest du?", frage ich irgendwie entkräftet und überfordert. Himmel, ich bin auf einmal wieder so müde.

 

"Inu Yasha"

 

Kaede legt mir beruhigend noch einmal die Schüssel mit Eintopf auf den Schoß und streicht mir über die Schulter.

 

"Es wäre das Beste, wenn Kagome jetzt noch eine Kleinigkeit isst und sich dann noch etwas ausruht."

 

Sie wartet kurz auf einen Widerspruch von mir, doch als ich nur stumm den Löffel an die Lippen führe, fährt sie fort:

 

"Ich denke, wir müssen alle erst einmal die Ereignisse der letzten Tage verarbeiten. Dann schauen wir weiter..."

 

Gedanklich mache ich mir eine Notiz:

 

Ab Morgen musst-

Ab Morgen wirst du neu anfangen. 

 

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SUCy
2020-08-22T12:53:13+00:00 22.08.2020 14:53
Die Geschichte wird immer spannender!
Es sind noch so viele Fragen offen.
Was is mit dem Vampir passiert?
Wollte er ihr wirklich nur helfen, oder steckt da eigentnutz dahinter?
Warum hat Sess sie nicht getötet?
Wie kam Inu dahin? ect ect XD
schreib schnell weiter!
Von:  Mitsuki-chan
2020-08-02T14:27:43+00:00 02.08.2020 16:27
Hello :)
Mal wieder ganz schön viel Info in einem Kapitel :) Wie immer mega schön geschrieben. Man fühlt sich direkt in Kagomes Lage als wäre man live dabei. Sie tut mir so leid. Ich wünsche mir für sie, dass sie jetzt mal aufatmen kann.
Bin gespannt wie sich der Angriff auf das Dorf noch entwickelt. Also ob der Süden und die Katze sich tatsächlich verbündet haben oder nicht. Falls ja, wäre das dann Verrat? Wer weiß das schon bei einer Dämonenherrschaft. Aber spannend das heraus zu finden. Hoffentlich ist Sesshomaru im nächsten Kapitel wieder mit von der Partie.
Du hast sicher wieder eine Überraschung parat in Bezug auf ihn und sein Verhalten.
Mach weiter so!

GLG
Antwort von:  Salada
02.08.2020 18:34
Vielen Dank für dein Kommentar ;) ich hoffe dir Infos waren dennoch nicht so viel und gut verständlich;) tu mich bei sowas immer etwas schwer 😩
Antwort von:  Mitsuki-chan
02.08.2020 18:52
Bitte, gerne :) Ich finde es waren nicht zu viele Infos. Obwohl es mich schon überrascht hat das Miroku noch lebt. Sesshomaru hätte wenn er das wusste, Kagome ja einfach darüber aufklären können in einem der vorherigen Kapitel wo das Thema war. Dann hätte er die Arme nicht vergewaltigen müssen und die Situation wäre vielleicht nicht so eskaliert... Aber naja der Stolz von Daiyokai sag ich nur... *kopfschüttel*
Der Twist mit Süden und/oder Katze hat mir in diesem Kapitel besonders gefallen, da das schon wieder ein "neues" Rätsel einleitet :P
Freue mich schon auf Kapitel 3 LG


Zurück