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Szenen einer Ehe

~ Weihnachtsedition ~
von

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~*~ Szene 5 ~*~

„Ah, warte, ich hab da noch was.“

 

Yukke huschte zurück ins Wohnzimmer und bekam nicht mit, dass Tatsuro ihm hinterher sah, die Finger an den Schnürsenkeln seiner Winterschuhe und ein amüsiertes Schmunzeln auf den Lippen. Das Päckchen war schnell ausfindig gemacht, auch wenn sein Mann während des nachträglichen Schmückens ihres Bäumchens einiges verschoben hatte. Seine Beute in beiden Händen haltend ging er zurück in den Flur, wo Tatsuro mittlerweile dick in seinen roten Parka eingepackt auf ihn wartete.

 

„Hier.“ Er reichte ihm das festlich eingewickelte Päckchen. „Den Rest machen wir erst morgen auf, aber nachdem du mir auch schon etwas geschenkt hast und du das hier jetzt gut gebrauchen kannst, kriegst du es eben gleich.“ Tatsuros Augen funkelten, als er begann, das Geschenkpapier aufzureißen.

‚Ungeduldig wie ein kleiner Junge‘, dachte Yukke, mit einem liebevollen Lächeln im Gesicht und beobachtete die Reaktion seines Mannes, als er den Schal ausgepackt hatte.

 

„Von wegen, du strickst einen Pullover für deine kleine Nichte.“ Der Blick, der ihm nun zugeworfen wurde, war beinahe tadelnd, aber Tatsuro entschärfte seine Worte mit einem kleinen Kuss auf seine Lippen.

 

„Irgendwas musste ich doch sagen, sonst wärst du mir nie von der Pelle gerückt. Wir wissen beide, wie neugierig du sein kannst.“

 

„Wenn du das sagst.“ Sein Mann zuckte mit den Schultern, bevor seine volle Aufmerksamkeit wieder auf dem Schal in seinen Händen ruhte. „Der ist echt schön und so weich.“ Er rieb seine Wange katzengleich gegen den schwarzen Wollschal, auf dem sich rote Sterne tummelten, und legte ihn sich um den Hals.

 

„Ich hab extra Kunstgarn genommen, weil ich weiß, dass du echte Wolle nicht erträgst.“

 

„Mmmh, perfekt.“

 

„Gefällt er dir?“

 

„Und wie.“ Erneut küsste Tatsuro seine Lippen, aber statt gleich wieder auf Abstand zu gehen, ließ er sich von Yukke ohne Widerstand näherziehen und ihren Kuss vertiefen. „Danke“, murmelte er eine ganze Weile später.

 

„Ich hoffe doch mal sehr, dass du ab jetzt zweimal nachdenkst, bevor du mich auslachst, weil ich im Tourbus stricke.“

 

Für einen Moment erwiderte Tatsuro seinen Blick ernst, bevor er erst grinste und dann leise zu lachen begann.

 

„Das kann ich dir nicht versprechen.“ Yukke zog eine Schnute, was seinen Mann nur noch mehr amüsierte. „Tut mir leid, aber du erinnerst mich einfach immer an meine Großtante Aiko, wenn du das tust.“

 

Yukke streckte ihm die Zunge heraus, schnaubte und zog sich endlich seine winterfeste Kleidung an. Sein Mann war und blieb ein Kindskopf, egal wie alt er wurde. Aber, wenn er ehrlich war, wollte er ihn auch gar nicht anders haben. Dennoch schnappte er nach Tatsuros Ohrläppchen und zog es mahnend ein wenig lang, während er ihre Wohnung verließ und den Fahrstuhl rief.

 

„Au, au, au“, jammerte Tatsue übertrieben wehleidig und trottete ihm hinterher.

 

„Ich rate dir, netter zu mir zu sein, sonst überlege ich mir noch, dich heute auf dem Sofa schlafen zu lassen.“ Yukke grinste, als das anhaltende Gejammer abrupt verstummte und er aus großen Augen überrumpelt angeschaut wurde.

 

„Ich hab gekocht und den ganzen Weihnachtskitsch ertragen, das würdest du nicht wirklich tun?“

 

„Willst du es herausfinden?“ Er zog seine Hand zurück, aber nicht bevor er seinem Mann über die Wange streichelte. Tatsuro tat so, als würde er scharf nachdenken müssen, lächelte jedoch keinen Augenblick später, legte ihm einen Arm um die Schultern und küsste seine Schläfe.

 

„Ich werde ein perfekter Gentleman sein.“

 

„Na, da bin ich gespannt.“

 

„Traust du mir das etwa nicht zu?“

 

„Mh, ist es schlimm, wenn ich eher skeptisch bin?“

 

„Bitte, was? Das ist ein Grund, eingeschnappt zu sein, ich hoffe, du weißt das.“

 

„Ich bin nur ehrlich.“ Yukke versuchte sich an einem Unschuldsblick, aber so sehr, wie seine Mundwinkel zuckten, weil sie kaum noch das Grinsen zurückhalten konnten, war er sich fast sicher, dass er nicht sehr überzeugend war.

 

Für einen langen Augenblick schaute ihn Tatsuro nur nachdenklich an, bevor sich auf seine Lippen ein nicht ganz vertrauenserweckendes Lächeln schlich.

 

„Jetzt fühle ich mich angespornt, dich von meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Das hast du nun davon.“

 

„Oje“, murmelte er nicht ganz ernst gemeint und seufzte glücklich, als er noch stärker gegen Tatsuros Seite gezogen wurde. Mit einem hellen Pingen kündigte der Aufzug sein Eintreffen an und kaum hatten sich die Türen geöffnet, waren sie auch schon eingestiegen. Die Fahrt ins Erdgeschoss verlief schweigend und erst, als sie im Freien standen, ergriff Tatsue erneut das Wort, nur um beinahe empört festzustellen, dass es eiskalt geworden war.

 

„Sei froh, so bleibt der Schnee wenigstens liegen und wir müssen nicht durch den Matsch laufen.“

 

„Mh, trotzdem kalt.“

 

Schmunzelnd behielt Yukke seine Gedanken für sich, die sowieso nur wieder einmal feststellen wollten, wie niedlich der andere sein konnte, während sie sich in Bewegung setzten. Die Straßen ihrer Wohngegend waren meist ruhig, aber heute schien keine Menschenseele außer ihnen unterwegs zu sein. So gönnte er es sich, den Arm um seinen Mann zu legen und zufrieden auszuatmen, als Tatsuro diese Geste ohne Zögern erwiderte.

 

„Wollen wir durch den Park laufen?“, erkundigte er sich, hatte aber schon den Weg dorthin eingeschlagen.

 

 

„Eigentlich könnten wir das doch zu einer Tradition machen, oder?“ Tatsuros leise Stimme durchbrach die Stille, die sie in den letzten Minuten umgeben hatte. Es hatte erneut zu schneien begonnen, während sie langsam über die verlassenen Kieswege des Parks gingen. „Auf das Kochen kann ich zwar die nächsten Jahre gut und gern verzichten, aber das hier …“ Er redete nicht weiter, streckte stattdessen eine Hand aus und fing eine dicke, weiße Flocke ein, die einen kurzen Moment ihre Form behielt, bevor sie zu Wasser wurde und an der warmen Haut hinabrann. Yukke folgte dem kleinen Tropfen mit Blicken, bevor er den Kopf hob und direkt in die dunklen Augen seines Mannes sah.

 

„In den letzten Jahren hatten wir zu Weihnachten immer eine Show. Da könnte es schwierig werden, die Ruhe für einen Spaziergang wie diesen zu finden.“

 

„Glaub ich nicht. Fällt sicherlich keinem auf, wenn wir uns während der After-Show-Party einfach mal verziehen. Oder höre ich mich wie ein alter Mann an, wenn ich sage, dass ich lieber mit dir irgendwo herumlaufe, statt mich zu betrinken?“

 

„Ich hab vollstes Vertrauen in dich, dass du dich auch danach noch betrinken kannst. Außerdem passt du als alter Mann dann zu meiner Personifizierung von Großtante Aiko.“

 

Tatsuros prustendes Lachen war in der winterlichen Ruhe beinahe erschreckend laut, aber Yukkes Herz machte schlichtweg einen Hüpfer und genoss die Freude, die in Wellen von seinem Mann auszugehen schien.

 

„So ein wenig erinnert mich dieser Plan an früher, als wir die Abstellkammern sämtlicher Konzerthallen besser kannten als die Bühnen“, murmelte Yukke und stellte erst verspätet fest, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte.

 

Tatsuro verstummte, aber zu dem breiten Grinsen auf seinem Gesicht hatte sich noch ein vielsagendes Funkeln in seine Augen geschlichen.

 

„Mh, noch etwas, was wir wieder einführen könnten.“

 

„Vergiss es. Unser Katz-und-Maus-Spiel hat mir damals schon die ersten grauen Haare verpasst. Ich bin zu alt für solche Sperenzchen.“

 

„Nun tu nicht so, als hätte dich die Möglichkeit, erwischt zu werden, nicht genau so angemacht wie mich.“

 

„Ich hatte zu der Zeit eher damit zu kämpfen, nicht in Panik zu verfallen, dass dir unsere Scharade irgendwann zu blöd werden würde und du mich deswegen fallenlässt.“

 

Schlagartig wurde Tatsuro ernst und der Halt um seine Schultern verstärkte sich. Sie waren an dem kleinen See in der Mitte des Parks angekommen und für lange Minuten sprach keiner von ihnen ein Wort. Yukke sah über das Wasser, das an den Rändern bereits gefroren war, in der Mitte jedoch die Schneeflocken willkommen hieß, die sich auf den sachten Wellen niederließen, nur um selbst erneut zu Wasser zu werden.

 

„Tut mir leid, dass ich diese alten Kamellen aufgewärmt habe“, murmelte er irgendwann, hauchte einen zarten Kuss auf Tatsuros Wange und vergrub sein Gesicht halb an seiner Halsbeuge.

 

„Schon gut, wir wissen ja beide, dass diese Zeiten lange vorbei sind.“ Aus dem Augenwinkel heraus sah er Tatsuros Lächeln, das ein wenig traurig zu sein schien, bevor er Yukkes Hand hob und einen Kuss auf den Ring drückte, der dort seinen unverrückbaren Platz gefunden hatte. „Heute müssten wir uns nur noch Sorgen darüber machen, irgendwem einen Herzinfarkt zu verpassen, würden wir erwischt werden.“

 

Yukke versteckte sein Lachen in der Flut schwarzen Haars, das im schwachen Licht einer nahe stehenden Laterne wie mit Goldstaub bestreut, glänzte.

 

„Sing noch einmal für mich“, bat er und seufzte, als Tatsuro ihn nun richtig in seine Arme zog und einen Kuss auf seinen bemützten Schopf drückte.

 

„Ganz schön fordernd, der Herr.“

 

„Ich kann auch in anderen Aspekten fordernd sein.“ Yukke nippte an der dünnen Haut über Tatsuros Kieferknochen, suchte sich einen Weg weiter nach oben, bis er in sein Ohr wisperte: „Aber das zeig ich dir erst, wenn wir wieder zu Hause sind. Und jetzt halt mich bei Laune und sing.“

 

Tatsuro brummte zustimmend – ein Laut, der ihm einen wohligen Schauer über den Rücken schickte, bis sein Gesang diesen mit einer handfesten Gänsehaut verjagte. Himmel, er liebte Tatsuros Stimme, aber die Momente, in denen sein Mann ausschließlich für ihn sang, er der einzige Mensch auf der Welt war, der ihn hören konnte, waren unbezahlbar.

 

Marry you“, flüsterte er kaum hörbar, als er das Lied erkannte und schloss genießend die Augen.

 

 

„Manchmal wünschte ich mir, ich könnte dich einfach noch einmal heiraten“, murmelte Tatsuro eine ganze Weile, nachdem die letzte Note verklungen war. Yukkes Füße waren mittlerweile kalt geworden und hin und wieder spürte er einen Schauer durch den Körper seines Mannes jagen, aber bislang hatten sie beide es nicht übers Herz gebracht, ihr perfektes Fleckchen Zweisamkeit wieder zu verlassen.

 

„Ich glaube, noch einmal würde ich das nicht überleben.“

 

„Nein?“

 

„Nee, wirklich nicht. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie nervös ich war. Vermutlich bin ich allein an dem Tag um zehn Jahre gealtert.“

 

„Opa Yukke, darum auch das Stricken, ich versteh schon.“ Tatsuro lachte, als er ihm entrüstet in die Seite boxte und eine Schnute zog. „Schau nicht so. Wenn du mir immer solche Steilvorlagen lieferst, muss ich die einfach ausnutzen.“

 

„Klar musst du das, kannst gar nichts dagegen tun.“

 

„Ganz genau.“ Ein langer Finger legte sich unter sein Kinn, drückte es nach oben, bis er wieder in Tatsuros verschmitzt glänzende Augen sehen konnte. „Lass uns wieder nach Hause gehen, mh? Ich hab gehört, wir hätten da noch etwas vor.“

 

Yukke wusste nicht, ob sich die Hitze in seinem Magen wegen des innigen Kusses ausbreitete, mit dem Tatsuro nun seine Lippen für sich vereinnahmte, oder ob seine Worte eine größere Rolle spielten. Aber was auch immer der Grund dafür sein mochte, er genoss jede Sekunde dieses Gefühls in vollen Zügen. Doch viel zu früh endete ihr Kuss und zu Yukkes Missmut nicht nur ehr, sondern auch ihre Umarmung. Sein Mann entfernte sich einige Schritte von ihm, aber noch bevor Yukke etwas sagen konnte, hatte er sich erneut umgedreht und streckte nun eine Hand nach ihm aus.

 

„Komm.“ Tatsuro schenkte ihm ein Lächeln, das er wie automatisch zu erwidern begann. „Dein kitschiges Weihnachten ist noch nicht zu Ende.“ Er lachte, als er nach Tatsuros Hand griff und sogleich hinter ihm hergezogen wurde. Sie rannten über die verlassenen Wege, als müssten sie wie früher ihre Zuneigung vor der Welt verbergen, während der anhaltende Schneefall ihre Fußspuren unter einer Decke aus weiß begrub.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
hiermit wäre also auch diese Story beendet. Ich überlasse es mal meinen Musen, ob sie bis Weihnachten noch Lust auf ein kleines Smut-Bonuskapitel haben. J Versprechen tue ich allerdings nichts und wünsche euch deswegen an dieser Stelle schon einmal ein wunderschönes Weihnachtsfest und dass das neue Jahr besser wird, als 2020. Haltet die Ohren steif, passt auf euch auf und bleibt gesund. Komplett anzeigen

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