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Von Kronen und Zofen

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Von Kronen und Zofen

Die Krone saß schief auf ihrem Kopf.
 

Der Goldschmied hatte sie vor einigen Tagen geliefert, und seitdem hatte sie in Alexias Gemächern geduldig darauf gewartet, endlich ihrer Bestimmung nachkommen zu können. Doch bisher hatte die junge Frau sie immer nur kurz angeschaut, nie jedoch auch nur flüchtig berührt – trotz aller Bemühungen ihrer Zofen.
 

„Aber Eure Majestät!“, hatten sie dann immer wieder gesagt, „Ihr müsst doch die Krone tragen! So geziemt es sich doch nun einmal für die Königin!“
 

Königin. Alexia hatte das Wort bisher stets mit einem Seufzen quittiert. Königin. Ja, das war sie jetzt. Sogar die Krönungszeremonie war bereit abgehalten worden. Doch die Krone ihres Vaters – das war nun einmal die Krone ihres Vaters. Es hatte sich nicht richtig angefühlt, sie zu tragen. Selbst in den wenigen Stunden nach der Zeremonie, die ihr wie Tage vorgekommen waren, hatte die Krone schwer auf ihrem Kopf gewogen; und noch schwerer auf ihrem Herzen.
 

Sie konnte sie nicht tragen. Und ein Teil von ihr wollte sie nicht tragen.
 

Der Goldschmied war überrascht, aber auch sehr erfreut darüber gewesen, mit der Anfertigung eines neuen Stücks beauftragt zu werden. Die dafür nötigen Maße waren schnell genommen, und nach vielen Terminen der Abstimmung von Entwürfen schwor der Schmied, dass die Krone der neuen Königin würdig sein würde.
 

Und sie war wunderschön geworden. Daran bestand absolut kein Zweifel. Sie entsprach genau dem Entwurf, der in den vielen, langen Gesprächen entstanden war. Filigran, und doch stabil. Im Vergleich zu der Krone ihres Vaters schlicht, und doch sehr elegant. Sicherlich eines der, wenn nicht sogar das beste Stück, das der Schmied in seinem Leben angefertigt hatte.
 

Alexia wollte sie nicht tragen.
 

Abends rangen ihr die Worte ihrer Zofen noch immer in den Ohren. So geziemte es sich nun einmal für die Königin. Ja, das mochte wohl richtig sein. Aber geziemte es sich für eine 16-Jährige, Königin zu sein? Geziemte es sich für ein so junges Mädchen, Staatsgeschäfte zu machen, mit anderen Reichen zu verhandeln, eine Armee zu führen, Entscheidungen für ein ganzes Volk zu treffen?
 

Geziemte es sich für die Königin, gar nicht Königin sein zu wollen, sondern einfach nur ein junges Mädchen, das seine Eltern zurückhaben wollte?
 

Mit einem Seufzen trat sie an die Kommode heran, auf der die Krone auf einem samtenen Kissen darauf wartete, getragen zu werden. Alexia spürte die Blicke ihrer Zofen im Rücken, während sie zögerlich nach der Krone griff. Sie fühlte sich kalt unter ihren Fingerspitzen an, als Alexia vorsichtig über die feinen Linien strich. Kalt, und vor allem fremd.
 

Wieder dachte sie an die Worte ihrer Zofen. Dachte an den Schmied, der so viel Arbeit und Mühen in dieses Stück investiert haben musste. Dachte an ihre Ratgeber, die sie jeden Morgen, den sie ohne Krone auf dem Kopf erschien, skeptisch musterten. Dachte an das Volk, das von ihr erwartete, dass sie es führte und regierte.
 

Sie dachte an ihren Vater, der auf dem Sterbebett um ihre Vergebung dafür gebeten hatte, dass er all diese Verantwortung jetzt schon an sie weitergeben musste.
 

„Aber Du wirst eine große Königin sein, mein Mädchen. Es wird schwer sein, aber Du hast es in Dir.“
 

Alexia unterdrückte ein weiteres Seufzen, und hob die Krone sachte an. Sie konnte hören, wie ihre Zofen hinter vor Spannung tief einatmeten. Die Krone war leichter, als sie erwartet hatte – und trotzdem kam sie ihr fürchterlich schwer vor, als sie sie in den Händen umherdrehte.
 

Eine Weile lang betrachtete sie das Schmiedewerk, drehte und wandte es von einer Seite zur anderen, so als würde sie es genauestens untersuchen. Alexia wusste, dass sie keinen einzigen Makel an der Krone finden würde; selbst, wenn sie danach suchte. Doch sie drehte und wandte weiter, in dem kläglichen Versuch, das Unvermeidliche herauszuzögern.
 

Ihre Zofen wurden allmählich unruhig, das Rascheln ihrer Kleider immer deutlicher hinter ihr. Für einen nur sehr kurzen Moment dachte Alexia daran, die Krone einfach wieder zurückzulegen. Stattdessen jedoch atmete sie einmal tief ein, die Finger fest um die Krone geschlossen, und trat an den hohen Spiegel neben der Kommode heran.
 

Es musste sein.
 

Alexia hatte unwillkürlich die Augen geschlossen, also sie sie aufgesetzt hatte. Und als sie sich wieder öffnete, um sich im Spiegel zu betrachten, sah ihr ein traurig dreinblickendes, junges Mädchen entgegen, mit Kleidern aus zu viel Stoff und einer viel zu aufwändigen Frisur und einer Krone.
 

Und die Krone saß schief auf ihrem Kopf.
 

Ihr blieb nicht die Zeit, um darüber nachzudenken, denn im nächsten Moment hatten sich ihre Zofen um sie geschart, freudestrahlend und mit lobenden Worten auf den Lippen. Alexia wusste gar nicht, worauf sie als erstes reagieren sollte, als sie plötzlich merkte, wie sich das Gewicht der Krone verlagerte. Im Spiegel sah sie, wie eine ihrer Zofen die Krone auf ihrem Kopf richtete.
 

„Keine Sorge, Eure Majestät.“ Alexia sah, wie ihr das Spiegelbild der Zofe sanft entgegen lächelte. „Wir helfen Euch schon damit.“
 

Alexia drehte den Kopf ein wenig, um in die Runde zu sehen, und das Gewicht der Krone war dabei unangenehm präsent. Doch ihr sahen nur ermutigende, lächelnde Gesichter entgegen. Die erste Zofe schob die Krone noch ein kleines bisschen zurecht, während eine andere ihr eine Haarsträhne richtete.
 

„Seht Ihr, Eure Majestät? Schon viel besser.“
 

Die Zofe nickte zum Spiegel, und Alexia betrachtete wieder ihr Spiegelbild. Sie war sich nicht sicher, ob sie dem zustimmen konnte, doch die Zofe meinte bestimmt:
 

„Ihr seid nicht alleine, Eure Majestät. Wir helfen euch mit der Krone.“
 

Und irgendwie, dachte Alexia da, fühlte sich die Krone dabei nicht mehr ganz so schwer an.



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