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Meine Tage sind gezählt

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Meine Tage sind gezählt

„Aufstehen!" Man brüllt es mir beinahe ins Ohr, während man mich an den Armen hoch und aus dem Schlaf reißt. „Heute wirst du brennen." Worte, die ich nicht hören will und doch reden sie emsig weiter, machen ihre Scherze, während sie mich aus dem Kerker schubsen. Mir ist es egal. Sie können machen wonach ihnen beliebig ist, mich kümmert nur noch mein Tod, das Feuer, der kommende Schmerz und die Ohnmacht.
 

Wie ein Tier zur Schlachtbank führen sie mich vor, schubsen und zerren an mir und lachen, wenn ich fast stolpere und beinahe falle. Elendige Bastarde. Verdammte Dreckssäcke oder sollte ich Marionetten der Kirche sagen? Alles trifft zu und der Gang zum Scheiterhaufen kommt mir unendlich lange vor. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein und sie wollen mich zusätzlich psychisch foltern.
 

Zuzutrauen ist ihnen alles und selbst wenn, ich habe genug gelitten, will es hinter mich bringen und dem Leben abdanken. Wäre ich Wikinger, würde ich sagen, dass ich zu den Göttern und nach Walhalla möchte, um mit ihnen an einer Tafel zu speisen. Ich bin jedoch nur Eric. Ein normaler Junge, den das Schicksal hart getroffen und ins Mittelalter geführt hat.
 

Noch immer glaube ich an einen Alptraum, an irgendwelche Drogen, die mich dieses Martyrium durchleben und nicht aufwachsen lassen. „Weiterlaufen." Wieder schubsen sie mich, reißen mich aus den Gedanken und führen mich auf den Richtplatz. Sofort kneife ich die Augen zusammen. Nicht nur das Tageslicht schmerzt in meinen Augen, auch die vernichtenden Blicke der Schaulustigen, die sich jubelnd um den Scheiterhaufen versammelt haben.
 

„Weiter, na los." Der Tritt ist so fest und unerwartet, dass ich falle, mit dem Gesicht im Dreck lande und weiteres Gelächter stumm ertrage. Schwach wie ich bin, versuche ich mich selbst aufzurappeln, taumle erst nach rechts, dann nach links und sacke erneut in mir zusammen. Bitte, lasst mich jetzt sterben. Ich habe genug, sehe bereits Licht am Ende des Tunnels und doch reißt man mich auf die Beine, treibt mich weiter und direkt zu einem Haufen Holz.
 

Mittig steht ein Pfahl, an den sie mich festbinden, auf der anderen Seite hingegen fesseln sie eine Frau, die noch schwächer wirkt und kaum noch reagiert. Armes Ding, sie scheint noch gebeutelter zu sein. Ich habe Mitleid und flüstere ihr leise zu, dass es gleich vorbei sein wird. Sie versucht zu lächeln und ihr Blick hebt sich gen Himmel. „Gott wird über sie richten. Er sieht alles und, dass wir unschuldig sind."
 

Ich will ihr so gerne glauben, doch ich bin kein gläubiger Mensch. „Gott ist bei uns." Worte die aus meinem Mund wie selbstverständlich kommen und wohl eher aus dem Grund, um ihr die Angst zu nehmen. Auf sie einzugehen hilft auch mir. Ich überhöre die Zurufe, die wüsten Beschimpfungen, die Worte des Urteils und selbst jene, die vom Richter und Vollstrecker kommen. Einzig der Tod interessiert noch, die Krähen, die über meinem Kopf hinwegfliegen und sich in den Bäumen sammeln.
 

„Zündet sie an!"
 

„Lasst sie brennen, die Ketzer!"
 

„Brennen soll die Hure!"
 

Worte, die böse auf meine Ohren treffen, lauter werden und wie ein Echo widerhallen. Die Worte des Priesters nehme ich nicht wahr, denn einzig liegt mein Blick starr auf diesem Baum, auf den schwarzen Vögeln, die sich laut krächzend ihr Gefieder putzen. Ein schlechtes Zeichen, ebenso die schwarze Katze, die man in diesem Zeitalter verteufelt oder sogenannten Hexen zuteilt. Von mir aus, ich mag sie. Sie faszinieren mich und lenken mich von den bitterbösen Zurufen der Bürger ab.
 

„Noch ein paar letzte Worte?" Ich schüttel den Kopf und verneine. Nichts habe ich zu sagen, meine Gedanken sind bei meinen Freunden, meiner Familie und nehmen Abschied. Gesichter lieber Menschen tauchen auf, meine Mutter lächelt mir zu und ich kann es nicht verhindern, dass mir die Tränen kommen. Schwer schlucke ich und erkenne die drohende Gefahr, die brennende Fackel und wie sie ganz langsam in Zeitlupe das Feuer entzündet.
 

Neben mir fängt die Frau an zu weinen. Erst leise, dann wird sie lauter und schließlich beginnt sie das Schreien. Mit gefesselten Händen versuche ich die ihren zu erreichen, berühre sie mit den Fingerspitzen und versuche ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine ist und ich bei ihr bin. Ich kenne sie nicht, doch wir teilen dasselbe Schicksal. Sie soll wissen, dass ich da bin und die Hitze ebenso spüre, die immer weiter an uns hochklettert. Die Luft ist bereits stickig, heiß und Funken fliegen wild um mich herum. Gleich ist es so weit. Ich erwarte Schmerzen, die Ohnmacht und mein Ende.
 

Lass es schnell gehen und mein Bewusstsein ausschalten. Ich will nicht leiden, nur schnell sterben, doch mein Blick klebt an den Flammen, die immer höher schlagen und mein dünnes Hemdchen, welches ich trage, in Brand setzen. Vehement presse ich die Lippen zusammen, will nicht schreien und doch sind die Schmerzen unerträglich, ebenso der Gestank nach menschlichem Fleisch, der sich wie feiner Dunst verbreitet. Mehr und mehr zerrt es an mir, die Ohnmacht ist nahe. Ein letzter Schrei, dann gebe ich auf, erliege dem Feuer und schließe meine Augen.
 

Wie mein Körper von den Flammen bis auf die Knochen verzerrt wird, bekomme ich nicht mehr mit, ebenso die Meute an Menschen, die meine Hinrichtung wie eines der unzähligen Konzerte von Pink feiert. Ich habe verloren, mein Leben gelassen und doch frage ich mich, ob der Tod wirklich das vollkommene Ende ist.



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