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Raum und Zeit

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Asgard, Palast - 1925

Die Bibliotheksecke war mehr und mehr zu der seinen geworden. Über die Jahrhunderte hatte Loki mehrere Regale in seiner direkten Umgebung neu sortiert. Er hatte sie gefüllt mit den Schriften, die ihn am meisten faszinierten, und die weniger interessanten Bücher entfernt. So war sein Bereich ein Fundus an asgardischen und irdischen Wissenschaften und Theorien geworden, die kaum ein anderer Ase jemals gelesen hatte. Soziologie, Psychologie, Biologie, Theologie… die verschiedensten Richtungen der menschlichen Lehren reihten sich aneinander.

Besonders die neusten europäischen Theorien verschlang Loki, auch wenn einige von ihnen so lächerlich waren, dass er nur den Kopf schütteln konnte.

Seit wann bedurfte es eines aufwändigen Bekenntnisses, um zu erklären, warum das eigene Volk das wichtigste war? War nicht einmal das Teil des natürlichen Menschenverstandes?

„Bist du schon wieder hier drin?“, fragte Thor, aber da es eine rhetorische Frage war, reagierte Loki nicht. Diese Unterhaltung hatten sie in den letzten Jahrhunderten zu häufig geführt, als dass er für Thors Langeweile alles stehen und liegen ließ. Und sein neues Buch war zu fesselnd. Er legte die Finger an die Stelle, die er gerade gelesen hatte, um sie nicht zu verlieren, und schaute dann Thor an.

„Und wann bist du mal freiwillig hier?“ Loki war frohen Mutes, darum lächelte er und fügte hinzu: „Was gibt es?“

„Ich will, dass du mit uns den Sieg von Harokin betrinkst!“

„Schon wieder?“ Loki lachte auf. „Ist Sif inzwischen wieder bei Bewusstsein?“

Thors donnerndes Gelächter schallte durch die Halle und Loki klappte sein Buch zu, nachdem er ein kleines silbernes Messer als Markierung zwischen die Seiten gelegt hatte. Dann stand er auf und lehnte sich mit verschränkten Armen seinem Bruder gegenüber an den Schreibtisch.

Das flammenlose Licht ließ den Staub in der Luft zwischen ihnen leuchten.

„Ich hörte heute Morgen, sie sei noch immer im Rausch. Wirklich beeindruckend, die Schlacht liegt immerhin schon gut zwei Wochen zurück…“

„Das ist wahr. Aber sie hat sich auskuriert und ihre erste Frage war, wie weit die Weinbrenner mit dem Met sind!“ Thor schlug sich in einem Anfall von Übermut mit der Faust auf den Brustpanzer.

Dann bemerkte er die Frontseite des Büchleins, das Loki zuletzt studiert hatte. Es hatte einen dunklen, irdischen Einband, bedruckt mit nur zwei Worten, die das Portrait eines Mannes mit fragwürdiger Frisur umrahmten. Thor hob die Augenbrauen.

„Wer ist der Mann mit dem mickrigen Bärtchen unter der Nase?“

„Nur ein Sterblicher, der glaubt, er sei etwas Besseres als der Rest seines Geschlechts.“ Loki schüttelte abfällig den Kopf und seufzte über so viel Begriffsstutzigkeit. „Als wären sie nicht alle nur… Ameisen.“

Thor schnaubte. „Dafür, dass sie nur Ameisen sind, weißt du inzwischen ganz schön viel über sie, Bruder.“ Er gestikulierte in Richtung von Lokis Sammlung. „So viel, wie du schon von der Erde mitgebracht hast, müsstest du doch inzwischen besser über sie Bescheid wissen als sie selbst, nicht?“

Loki neigte anerkennend den Kopf und sagte schmunzelnd: „Der Gedanke drängt sich auf.“

„Weißt du was“, hob Thor an und grinste waghalsig, „Du solltest Lehrmeister werden. Auf der Erde. Geh runter und lehre an ihren… wie nennen sie es…“

„Universitäten.“

„Richtig. Ich wette mit dir. Wenn du es schaffst, eine Woche als Lehrmeister durchzuhalten, dann…“ Thors Worte verloren sich, während er über einen Einsatz nachdachte.

„Eine Woche? Das ist keine Herausforderung.“ Loki feixte und hatte schon vor Augen, wie er sich das Ganze vorstellte. „Die Sterblichen werden betteln nach meiner Führung, wenn sie sie erst einmal gekostet haben.“

Thor pflichtete ihm seufzend bei: „Gerade nachdem sie sich gegenseitig in jahrelangen Schlachten massakrierten.“

„Bruder, du überraschst mich. Wer hätte gedacht, dass du Acht gibst, wenn Vater und Mutter die Schicksale der Neun Welten bemessen?“

„Du weißt, dass ich den Krieg suche. Dass er mich sucht. Ich bin geschaffen für die Schlacht.“ Thor klopfte mit seinem Hammer auf Lokis Stuhllehne und grinste selbstzufrieden. „Mag wohl daran liegen, dass ich sie immer gewinne.“

„Wohl möglich“, gab Loki zu, „Was soll nun dein Einsatz sein? Für die Wette?“

Thor machte eine vage Bewegung mit den Händen. „Ewiger Ruhm und Ehre?“

„Habe ich schon. Ein schlechter Anreiz, Bruder“, entgegnete Loki, „Aber dennoch verspricht die Idee, ein Vergnügen zu werden…“ Er lächelte selbstgefällig. „Wie wäre es damit? Wenn ich einen ganzen Monat lang unentdeckt bleibe, dann bist du für die nächsten zweihundert Jahre dafür verantwortlich, meine Waffen und Rüstungen zu reinigen, wann immer wir aus einer Schlacht zurückkehren.“

„Das ist Wahnsinn!“, empörte sich Thor, aber Loki wusste schon, dass er gewonnen hatte. Sein Bruder war noch nie gut darin gewesen, seine Gefühle zu verstecken und der Witz sprühte nur so aus ihm.

Wie erwartet lenkte Thor ein: „Aber nur, wenn du es übernimmst, wenn ich gewinne. Und keine Magie!“

„Natürlich nicht“, antwortete Loki beflissen, „Das wird auch nicht notwendig sein.“



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