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Reifeprüfung

Entscheidungen, die das Leben beeinflussen
von

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Verständnis

Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte heil anzukommen, ohne zu Zersplintern. Seine Gedanken flogen kreuz und quer und er konnte sich kaum konzentrieren. Das Adrenalin rauschte durch seine Adern, als er im St. Mungo ankam und die Empfangsdame ziemlich unfreundlich anpflaumte, wo er jemanden finden würde, wenn diese eine Schwangerschaftsabbruch durchführen ließ. Verstört sagte sie etwas vom dritten Stock. Schnell nahm er seine Beine in die Hand und drückte wie wild auf den Fahrstuhlknopf.
 

Als er oben ankam, war er erst verwirrt, weil er in der Abteilung für Vergiftungen stand. Aber als er an diesem Empfangsschalter ankam und ein Schild daneben war, auf dem er „allgemeine Gynäkologie“ las, wusste er, dass er hier richtig sein musste.
 

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte die junge Frau vor ihm und sah ihn eindringlich an.
 

Auch hier verzichtete er auf Höflichkeiten.
 

„Ich will zu Katie Bell. Sie ist hier wohlmöglich Patientin.“
 

„Sind Sie in irgendeiner Weise verwandt mit ihr?“, fragte sie, während sie schon in Akten herumblätterte.
 

„Nein.“, gab er knirschend von sich, „Aber sie ist meine Freun-“, sagte er in Windeseile, wurde jedoch direkt unterbrochen.
 

„Dann kann ich Ihnen auch keine Auskunft geben.“, sagte sie abweisend und schlug die Akte sofort wieder zu.
 

„Ist sie wenigstens hier?! Können Sie mir das sagen?!“
 

„Nein, ausgeschlossen.“
 

Marcus verlor die Beherrschung. Mit Wucht knallte er seine Faust auf den Tresen, so dass die Dame sichtlich zusammenzuckte.
 

„Kommen Sie! Es geht hier um Leben und Tod! Sie ist dabei unser Kind abzutreiben! Sie müssen das verhindern!“
 

Er war fast am durchdrehen. Jetzt war er schon so weit gekommen und kam doch nicht an sie heran. Dabei zählte jede Sekunde. Wenn er dem Gemälde des Gryffindorturms Glauben schenken konnte, war sie mindestens schon zwei Stunden aus Hogwarts verschwunden. Eigentlich schon fast unmöglich, dass er irgendetwas noch retten konnte.
 

Hätte er sich doch bloß nicht so in seine eigene Welt zurückgezogen! Ihm war dabei völlig die Zeit abhanden gekommen. Hatte kein Gefühl mehr dafür. Alles in seinem Kopf war nur voll von Rechnungen, Lebensunterhalt und diese abscheulichen Gedanken, dass er in die Geschäfte seines Vaters einsteigen musste. Was ihm so schwer im Magen lag, dass er versucht hatte einen anderen Weg zu finden.
 

Denn mal angenommen, auch wenn er ziemlich sicher war, dass sein Vater ihn nehmen würde. Wäre er über die ungeplante Fortpflanzung mehr als erbost darüber gewesen. Er wusste, wie sein Vater tickte. Er würde ein uneheliches Kind nie akzeptieren. Für ihn würde das bedeuten, dass er gezwungen wäre, Katie zu heiraten. Noch bevor es zur Welt kommen würde. Aber das wollte er nicht. Nicht so zumindest. Aus Liebe, ja. Aber nicht, wenn er dazu genötigt wurde.
 

Und... da gab es leider noch einen weiteren kleinen Haken. Ihm war bewusst, was diese Beziehung mit der Dunkelblonden für ihn bedeuteten könnte. Selbst ohne das Kind, würde das hier unter keinem guten Stern stehen. Marcus wusste, auf was er sich eingelassen hatte, als er mit Katie zusammenkam.
 

Um es auf genaustens auf den Punkt zu bringen: Er gehörte mit seiner Familie unter den sogenannten „Unantastbaren Achtundzwanzig“, was insofern bedeutete, dass seine Blutlinie die einzigen waren, unter weiteren 27, die durch und durch reinblütig waren. Seit Anbeginn der Zeitrechnung.
 

Katie jedoch war in zwei verschiedenen Welten großgeworden. Halbblut eben.

Er hasste diese Rassentrennung, gerade wenn sein Vater darüber sprach. Er würde vielleicht nie einer Hochzeit zustimmen, was ihn gar nicht so interessieren würde, wäre da nicht dieses Kind, das er unabsichtlich gezeugt hatte und das Erbe auf der anderen Seite, was ihm irgendwann einmal voll zustehen würde.
 

Was könnte er ihr schon bieten, wenn er enterbt werden würde, aufgrund dessen weil er ein Halbblut liebte und sich nun auch schon Gefühle für sein Ungeborenes eingeschlichen hatten... ?!
 

„Entschuldigung,...“, kam es sehr vorsichtig von seiner linken und er sah irritiert auf.
 

Vor ihm stand eine junge Frau, in dem typischen blauen Gewand, wie sie alle Heiler hier trugen. Er sah kurz von ihr ab, um zur Stationsschwester zu schauen. Diese hatte ihn wohl schon längst ignoriert und sortierte nun einige andere Akten. Wieder sah er zurück zu der Frau, die ihn angesprochen hatte.
 

„Ich hab zufällig mitbekommen...“, begann sie leise, änderte jedoch ihren anfänglichen Satz, „Sie suchen Katie, richtig?“
 

Bei Merlin, sein Herz pumpte so laut durch seine Adern, als er ihren Namen hörte und zugleich wurde er erneut ziemlich unruhig.
 

„Ja! Ja! Sie kennen sie? Bitte, ich muss zu ihr! Muss sie davon abhalten-“
 

Sie nickte wissentlich, legte eine Hand sanft auf sein rechtes Schulterblatt, drückte ihn somit vom Tresen weg und schob ihn zurück zum Fahrstuhl. Direkt stemmte er sich dagegen und wandte sich zu ihr herum.
 

„Ich geh hier keinen Zentimeter weiter, bevor ich nicht mit ihr gesprochen habe!“
 

Er wusste instinktiv, was sie vor hatte. Sie wollten ihn hier nicht haben. Wahrscheinlich weil er hier nichts verloren hatte, aber sie irrten sich! Er würde nicht aufgeben und für seine kleine Familie kämpfen. Das war er Katie wenigstens schuldig.
 

„Lassen wir die Siezerei.“, sagte sie auf einmal lächelnd, „Ich bin Dara und du?“
 

Lange starrte er sie nur an. Konnte den verwirrten Kontext plötzlich nicht mehr so richtig folgen. Sie hielt ihm eine Hand hin. Immer noch freundlich gesinnt.
 

„Marcus.“, hauchte er dann, nicht wissend, was sie überhaupt von ihm wollte.
 

Wollte sie jetzt, das er ging? Aber wieso besaß die Frau dann nur so eine positive Ausstrahlung? Als würde alles gut werden.
 

„Marcus.“, wiederholte sie seinen Namen, „Schön dich kennenzulernen.“
 

Der Schwarzhaarige wusste nicht, was er darauf sagen sollte, also nahm er eher unbewusst ihre Hand entgegen, die sie auch kurz, doch sanft schüttelte. Nachdem sie losließ und wieder ihre linke Hand auf seine Schulter platzierte, begann sie von Neuem und es nahm ihm jeden Wind aus den Segeln.
 

„Komm,... ich bring dich zu deiner Freundin.“
 

Wie in Trance ließ er sich von der Heilerin führen. Zurück in den Aufzug. Keine Ahnung, was er hier mit sich machen ließ. Vielleicht sollte es auch nur ein Trick sein, um ihn aus dem Gebäude zu werfen. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung und sie fuhren einen Stockwerk wieder herunter. Als sie ausstieg, wandte sie sich lächelnd zu ihm um.
 

„Na los. Oder willst du doch wieder umkehren?“
 

Er schüttelte den Kopf sofort, als die Worte ihn erreichten und trat aus dem Aufzug. Er ließ sie vorgehen. Durchquerten fast die gesamte Station, bis sie an einer Zimmertür links von ihm stehen blieb. Sie nahm schon den Henkel der Tür in die Hand, bevor sie sich noch einmal zu ihm umdrehte.
 

„Bitte erschreck dich nicht. Ich musste sie sedieren.“
 

„W-was... bedeutet das?“, fragte er endlich, als er die Worte wiederfand.
 

„Sie schläft. Wahrscheinlich noch sehr lange. Aber sie braucht die Ruhe und den Schlaf jetzt ganz dringend.“
 

Marcus nickte vorsichtig und endlich öffnete sie die Tür zu dem Krankenzimmer. Kaum ließ sie ihn diesmal vortreten, rutschte sein Herz in seine Kniekehlen, als er sie, nach so langer Zeit endlich wieder sah. Kleine Schritte ging er, bis er an der rechten Seite ihres Bettes stand und das ganze Ausmaß, erst so richtig bewusst wurde.
 

Überall waren Geräte aufgestellt, die er nicht kannte. Viele Schnüre, eher Kabel, die an ihr befestigt wurden. Eine Schnur führte von ihrer linken Handoberfläche, direkt in einen Infusionsbeutel. Das Ding kannte er wenigstens. Doch... Katie sah furchterregend aus. Tiefe Augenringe, ein eingefallenes Gesicht und ihre dunkelblonden Haare glänzten nicht mehr so, wie er es kannte. Immerhin schien sie wohl traumlos zu schlafen, denn außer ihre Atmung, konnte man keine Bewegung feststellen.
 

Er wusste gar nicht, wo ihm der Kopf stand. So viele Fragen brannten sich in sein Gehirn. Die einzige wichtige Frage dabei, ob sie nun... es getan hatte, brachte er nicht mal ansatzweise über die Lippen.
 

Er hoffte in diesem Moment so sehr, dass sie es nicht getan hatte, aber andererseits... Weswegen war sie sonst auf einer anderen Station? Höchstwahrscheinlich kam er zu spät. Sie musste den Eingriff durchgezogen haben. Was für eine andere Lösung gäbe es sonst?
 

Er schüttelte innerlich die grausamen Gedanken beiseite und sah zu Dara auf. Sie kam nämlich gerade zu ihrer linken Seite und überprüfte wohl etwas, bevor sie einen Regler am Infusionsbeutel betätigte.
 

„Was ist da drin?“, fragte er dann doch erst einmal, eine relativ harmlose Frage.
 

„Flüssige Nahrung, die wir ihr direkt zugeben.“
 

„Nahrung?“
 

„Ihr Gewicht liegt deutlich unter dem Durchschnitt, für die 8. Schwangerschaftswoche.“
 

„Heißt, dass...!?“, flüsterte er eher zu sich, doch als die braunhaarige Frau zu ihm aufsah und auch nur minimal nickte, fiel ihm ein weiterer, großer Stein vom Herzen.
 

„Katie hat sich umentschieden.“, sagte sie leise und verstaute ihre Hände, in ihre Vordertaschen der Heiler Uniform, „Wir haben sie erst einmal Stationär aufgenommen, um die großen Defizite unter Kontrolle zu bekommen.“, sagte sie und ging um das Bett herum, bis sie neben ihm stehen blieb, „Sie hat einen großen Eisenmangel, was daran liegt, dass sie in den letzten Wochen kaum was gegessen hat. Was wiederum an dem häufigen Erbrechen lag. Passiert häufiger. Ist nicht dramatisch.“, winkte sie ab, als er nur kurz zu ihr sah, „Oh warte, ich hol dir einen Stuhl.“, sagte sie dann eilend und schritt kurz zu ihrer Rechten.
 

An der Wand, vor dem Krankenbett, stand ein kleiner Besuchertisch, mit zwei Stühlen. Einen davon zog sie zu ihm hinüber und deutete dann darauf.
 

„Setz dich ruhig, bevor du mir auch noch umkippst.“
 

Ohne Worte setzte er sich. Irritiert von so vielem Input. Aber trotzdem war er unendlich erleichtert, dass sie es offenbar doch nicht getan hatte. Bei allen Geistern von Hogwarts, er hätte sich das nie verzeihen können, wenn der Fall eingetreten wäre. Ganz zu Schweigen davon, wenn sie erst erfuhr, dass er nie vorgehabt hatte, sie sitzen zu lassen.
 

Er atmete tief durch und langsam hob er seinen rechten Arm und wollte schon ihre Linke berühren, als er innehielt.
 

„Kann... ehm... kann ich-“
 

„Oh, ja klar. Sie wird nicht davon wach. Schläft tief und fest. Wie gesagt, es wird noch eine Weile brauchen, bis sie wieder zu Bewusstsein kommt. Rechne mal so mit... drei, vier Stunden.“, sagte sie lächelnd.
 

Keine Sekunde wartete er und umfasste ihre Hand. Wie er das vermisst hatte, schoss es ihm durch den Kopf, als er ihre Hand hielt und ihre Wärme, auf ihn übertrug. Ohne lange zu überlegen, nahm er noch seine zweite Hand dazu und hielt ihre nun zwischen seinen zweien. Marcus ließ seine Stirn zusätzlich darauf fallen.
 

Doch nach einigen stillen Minuten, kam ihm eine weitere Frage in den Sinn, die er auch der Heilerin im nu stellte.
 

„Wieso... sagen Sie mir das eigentlich alles? Die Frau am Tresen wollte mir nicht einmal sagen, dass sie hier ist.“
 

„Ich hab doch gesagt, lass das Siezen.“, räusperte sie sich, bevor Dara antwortete, „Mach dir keine Sorgen.“, sagte sie dann nach einer Pause, „Ich hab mir schon gedacht, dass du irgendwann hier aufschlägst, also hab ich mir direkt eine Einverständniserklärung ihrer Mutter geben lassen, dass ich dich über den Schwangerschaftsverlauf informieren darf.“
 

„Ihre Mutter?!“
 

Jetzt war er komplett von der Rolle. Er kannte die Frau nicht mal, oder sie ihn. Wahrscheinlich... wenn Katie die ganze Zeit davon ausging, dass er sie mit Kind nicht haben wollte, würde ihre Mutter doch mit Sicherheit im Bilde darüber sein, oder? Wie konnte sie dann so viel Verständnis für ihn haben, dass er etwas über sie erfuhr?
 

Wenn er hier liegen würde, würden seine Eltern Katie völlig im Dunkeln lassen. Eher wahrscheinlich war es, dass sie sogar Hausverbot bekam, wenn sie auch nur den Versuch starten würde, zu ihm zu kommen.
 

„Mrs. Bell ist im übrigen noch im Haus. Hat noch Schicht, aber sie wird wohl nach Feierabend noch einmal hier vorbei kommen.“
 

„Inwiefern... sie arbeitet hier?“, fragte er verwirrt.
 

„Ja, Sie ist Oberheilerin im 4. Stock. Auf der Station für Fluchschäden und Zauberunfälle.“
 

Marcus stockte. Etwas was er nicht gewusst hatte. Aber, wie hätte er auch. Ein halbes Jahr Beziehung war nicht gerade lange und er hatte mit Katie nie über ihre Eltern gesprochen. Wer tat das auch schon?! Er hatte es immerhin eh vermieden, das Thema anzufangen, da sie sicherlich dann auch nach seinen gefragt hätte. Was wiederum für ihn ein Wunderpunkt war.
 

„Magst du was zum Trinken? Wasser, Tee...“, fragte sie und setzte ein, „... trinkst du Kaffee?“, hinterher.
 

„Ehm... Kaffee wäre ganz gut.“, antwortete er und schaute kurz dankend zu Dara auf.
 

„Milch, Zucker?“
 

„Schwarz, bitte.“
 

„Hol ich dir.“, lächelte sie, bevor sie das Zimmer, in normaler Geschwindigkeit verließ.
 

x-x-x
 

Alles war merkwürdig und so surreal, als Marcus eine halbe Stunde später einer Frau gegenüberstand, die er gerne unter anderen Bedingungen kennengelernt hätte.
 

Marcus wollte sich nur kurz die Beine vertreten, als er Katies Mutter aus dem Fahrstuhl heraustreten sah. Auch wenn er die Frau nicht persönlich kannte, wusste er direkt dass es nur sie sein konnte. Katie sah ihrer Mutter nämlich zum Verwechseln ähnlich.
 

Im nu fand er sich mit ihr in einem kleinen Schwesternzimmer wieder. Erneut bekam er eine Tasse Kaffee vor die Nase gestellt, während sie sich ihm gegenüber setzte. Marcus Blick hatte sich auf das Innere der Tasse beschränkt. Mit beiden Händen hatte er diese fest im Griff, jedoch war seine Atmung alles andere als ruhig. Die Frau sagte ebenso nichts, was ihn nur noch mehr nervös machte. Vielleicht dachte sie, er würde das Gespräch beginnen wollen, doch er wusste einfach nicht, wie er all das anfangen sollte. Wie begann man ein Gespräch, mit der Mutter der eigenen Freundin, wenn diese vor allem, vor ein paar Stunden zuvor den Plan gehegt hatte, ein Kind abzutreiben?
 

Ganz knifflige Sache... Der Schwarzhaarige wollte ja auch nichts Falsches sagen. Das würde alles nur komplizierter machen, als es ohnehin schon war.
 

Salazar, sicherlich würde sie ihn für komplett behindert halten und dass er nicht gut genug für ihre Tochter wäre. Dass er unverantwortlich war überhaupt etwas mit einer 16-jähirgen anzufangen. Obwohl die Altersdifferenz zwischen ihnen nicht wirklich groß war, aber Katie war eher noch kindlich im Geiste. Was auf gar keinen Fall abwertend gemeint war. Er schätzt das an ihr, dass sie die Welt noch so sah und sich kaum Gedanken um die Zukunft machte. Sie war immer positiv gewesen, egal wie dunkel der Weg auch scheinen mochte. So a lá: „Es würde alles schon werden.“
 

Merlin, jetzt im Nachhinein betrachtet hatte er sie mit seiner Abwesenheit in diese Zukunft Frage hineingedrängt, ohne es zu wollen. Marcus wollte nicht wissen, wie sie damit zu kämpfen hatte. Von der seelenruhigen, süße, liebliche Welt, in eine verkorkste und harte Ja oder Nein Entscheidung, die – egal wie sie sich entscheiden würde – Konsequenzen mit sich tragen würde. Sinnlich gesehen, hatte er sie damit in ein schwarzes Loch geschubst, welches vorher ihre heile Welt verschlungen hatte.
 

„Gib dir nicht die Schuld.“, hörte er plötzlich die Frau vor ihm sagen und er schaute irritiert auf.
 

Katies Mutter schob ihre Kaffeetasse zwischen ihren Händen hin und zurück, bevor sie diese in die eine Hand nahm und einen Schluck daraus nahm. Als sie wieder absetzte, sah sie wieder zu ihm.
 

„Ich gebe dir zumindest keine. Ich bin viel eher froh, dass du hier bist.“
 

„W-was?“, keuchte er leise und mit zu vielen Fragezeichen in seinem Kopf.
 

Wie fing sie denn das Gespräch an?! Das war ja noch bescheuerter, als seine Gedanken zuvor. Zu was sollte er sich nicht die Schuld geben? Daran, dass Katies Welt aus den Fugen geraten war? Oder dass er sie unabsichtlich im Stich gelassen hatte? Dass er von dieser Wechselwirkung noch niemals gehört hatte? Was insofern fast logisch war. Er kannte sich kein bisschen mit den Gebräuchen der Muggel aus. War ihm alles zu kompliziert. Vielleicht hätte er sich besser mal damit auseinandergesetzt, Katie zu Liebe. Dann wären sie vielleicht auf dieses Thema von selbst gekommen und man hätte diesen Verlauf der Geschichte verhindern können.
 

„Du konntest das nicht wissen und Katie hat sich nie mit der Heilkunde, und alles was damit zusammenhing, beschäftigt. Es hat sie auch nie interessiert, wenn ich ehrlich bin.“, sagte sie erneut, ohne dass er nochmal etwas zu ihr gesagt hatte.
 

„Ehm... ich... worüber reden wir hier?!“, traute er sich dann doch endlich mal einen vollständigen Satz zu erfragen.
 

Denn Marcus war nun komplett verwirrt.
 

„Oh.“, räusperte sie sich und ihre Finger spielten am Griff der Tasse herum, „Deine Gedanken sind so laut, dass ich gedacht habe, du würdest mit mir direkt sprechen.“, lächelte sie, „Entschuldige.“
 

„Sie haben meine Gedanken gelesen?!“, zischte er nun aus der Haut fahrend.
 

„Nicht mit Absicht.“, versuchte sie sich direkt zu verteidigen, „Ich gehe eigentlich sehr bewusst mit dieser Fähigkeit um, aber wie gesagt... deine Gedanken sind so extrem realistisch, dass ich davon fast Kopfschmerzen bekomme.“, sagte sie weiter, „Da verselbstständig sich das.“
 

Hä? Marcus verstand kein Wort, was sie erzählte. Wollte sie damit sagen, dass sie den Gedankenzauber an ihm angewandt hatte?! Kurz sah er sich sie genauer an. Wo hatte sie überhaupt ihren Zauberstab? Er sah keinen. Stablose Magie vielleicht? Immerhin war sie Oberheilerin. In so einer Position war sie sicherlich jemand, der mit der Magie perfekt umgehen konnte.
 

„Weder das eine, noch das andere.“, sagte sie und schaute ihn nun wieder direkt an, „Ich bin Legilimentorin. Eine ziemlich Penetrante, um es genau zu sagen. Was auch was Gutes hat, so können mir die Patienten keinen Scheiß erzählen.“
 

Marcus sah verdattert zu ihr rüber.
 

„Es tut mir Leid, dass ich es nicht aufhalten konnte. Ich denke, in der Hinsicht war der Mutterinstinkt einfach stärker, als auf eine gesittete Art, dieses Gespräch aufzubauen.“
 

„Ehm...“, räusperte er sich nun, doch seine Gedanken waren nun völlig durcheinander.
 

Doch er versuchte sie gar nicht erst zu ordnen. Würde sowieso keinen Sinn machen. Wäre vielleicht einfach am besten, die Dinge nachdem anderen rauszuballern, als sie gezielt zu erfragen. Die Tatsache, dass sie seine Gedanken nun kannte, da sie die Erbfähigkeit des Gedankenlesens besaß, ignorierte er daher gekonnt. Fürs erste.
 

„Wieso sind Sie so freundlich zu mir?“
 

„Wie meinst du?“
 

Marcus schnaubte laut aus und nahm seine Hände von der Kaffeetasse, um sie press auf den Tisch zu legen.
 

„Wenn ich in einem Krankenhaus liegen würde, hätten meine Eltern keinen zu mir durchgelassen, aber Sie... lassen das zu und... erteilen der Heilerin sogar die Erlaubnis, mich zu informieren, obwohl ich derjenige war, der ihre Tochter erst hier hin gedrängt hatte.“, sagte er ernsthaft und hatte sich sogar zu ihr gelehnt.
 

„Nicht bewusst und das ist der Unterschied.“, sagte sie hingegen ruhig und schon wieder lächelte sie, „Ich dachte, ich gebe dir die Chance.“
 

„Sie kennen mich nicht mal!“
 

„Ich weiß, wer du bist und in welchem Twist du stehst. Ich kenne mich leider viel zu gut aus und weiß was es heißt, unter so einem Druck zu stehen.“
 

Marcus stockte und lehnte sich zeitgleich langsam wieder in die Lehne seines Stuhls zurück.
 

„Ich hab das auch durch, weißt du...“, sagte sie und sah von ihm ab, um in ihre braune Flüssigkeit hineinzublicken.
 

„Ich... kann Ihnen nicht folgen.“
 

Das konnte er wirklich nicht. Marcus starrte sie lange an, bis sie ungefragt seine wirren Gedanken entknotete... Stück für Stück.
 

„Ich bin eine geborene Shafiq.“, sagte sie leise, „Und auch wie du, gehörten wir zu den Unantastbaren. Ich mochte diese Bezeichnung noch nie so wirklich, denn egal wo ich mich aufhielt, man wurde immer anders behandelt. Damals noch auffälliger, als heutzutage.“, seufzte sie.
 

„Shafiq? Noch nie gehört...“, erwiderte Marcus unglaubwürdig.
 

„Kein Wunder.“, lächelte sie abermals und sah zu ihm auf, „Die reine Blutlinie ging mit mir unter. Das schwarze Schaf der Familie.“, lachte sie trocken, „Meine Eltern wollten mich ins Ausland schicken, als sie herausgefunden haben, dass ich mich in einen Muggel verliebt habe. Sie haben alles daran gesetzt, diese Bindung zu brechen und sind dennoch kläglich gescheitert.“, erzählte sie ruhig, „Ich bin mit 17 von Zuhause ausgerissen, als ich erfahren hatte, dass ich schwanger war. Es war die einzige Lösung, mein Leben zu leben und nicht das ihre.“
 

Marcus schluckte langsam. Er wusste zwar, dass Katies Mutter eine Hexe war, und demnach ihr Vater nicht magisch, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ein Reinblut war. Bisher war er immer davon ausgegangen, dass die Mutter seiner Freundin eher ebenfalls ein Halbblut wäre.
 

„Den Kontakt habe ich vollständig eingestellt. Sie haben auch nicht nach mir gesucht. Wie üblich, haben sie meine Existenz nach meiner Flucht verleugnet. Daher... habe ich sie nie wiedergesehen.“, wurde ihre Stimme leiser, „Ich war nicht einmal auf ihrer Beerdigung. Für mich waren sie... nur eine Erinnerung, die ich hinter mir lassen wollte.“, hauchte sie nun nur noch, „Das ist jetzt 17 Jahre her und ich habe es keinen einzigen Moment bereut.“
 

„Wieso erzählen Sie mir das alles?“, fragte er ebenso leise.
 

„Um dir aufzuzeigen, dass es geht. Der Weg kann holprig und schwer sein. Manchmal auch überwältigend furchterregend, wenn man von heut auf morgen, mit allem Bricht, was man bis dato gekannt hatte.“, sagte sie wieder lächelnd zu ihm, „Ich kenne deine Gedanken, um die Zukunft und dass du Angst vor der Reaktion deiner Eltern hast. Aber du bist damit nicht alleine, Marcus.“, sagte sie und lehnte sich etwas vor, „Leb dein Leben, wie du es möchtest und lass dir nie irgendetwas anderes einreden.“
 

Kaum geendet, begann sie vom Tisch aufzustehen und Anstalten zu machen, den Raum zu verlassen. Marcus sah ihr irritiert hinterher.
 

„Wo gehen Sie-“
 

Sie wandte sich zu ihm um und lächelte erneut.
 

„Ich werde jetzt nach Hause gehen und hol Katie ein paar frische Sachen. Du kannst gerne bleiben. Ich habe ein zweites Bett, in ihrem Zimmer beordert. Dann ist sie nicht alleine, wenn sie wach werden sollte.“
 

„Sie wird mich zum Teufel jagen, wenn sie mich sieht.“, murmelte er eher für sich, doch offenbar laut genug, für die ältere Hexe.
 

„Das denke ich nicht. Auch wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder unzählige Sachen nach mit werfen wird, wenn sie erfährt, dass ich auch in ihren Gedanken gewütet habe, hängt sie viel zu sehr an dir, um dich zum Teufel zu jagen.“, zitierte sie lächelnd.
 

Als sie sich erneut abwandten wollte, blieb sie kurz noch einmal stehen und drehte nur ihren Kopf halb zu ihm um.
 

„Im übrigen...“, begann sie, „Nenn mich doch Sophia.“, sagte sie freundlich und verschwand dann aus dem Raum.



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