Zum Inhalt der Seite

Meister-Rune

Magister Magicae 13
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Lösen

Victor begann die Schnallen seines Ledermantels aufzuzurren. "Wir werden uns notgedrungen gegenseitig vertrauen müssen. Ich muss genauso alle magischen Schilde und Schutzzauber ablegen wie du. Je mehr Störfelder es gibt, desto schwerer machen wir es uns. Du trägst auch Schutz-Amulette. Leg sie ab, ja?" Der schmächtige, zu klein geratene Gestaltwandler zog den Ledermantel aus, der mit all der eingewobenen Magie und den ins Futter eingenähten Talismanen eine einzige Rüstung war, und warf ihn achtlos über eine Stuhllehne. Waleri wusste nicht so richtig, was er erwartet hatte. Aber das schmucklose, schwarze, in die Jeanshose gestopfte Baumwoll-T-Shirt enttäuschte ihn insgeheim etwas. Victor fing an, seine Hosentaschen zu leeren. Es kamen mehrere Kristalle, münzenähnliche Amulette und ein Taschenmesser zum Vorschein. Dann zog er zwei Pistolen hinter dem Rücken aus dem Hosenbund und legte sie zu den restlichen Dingen auf den Tisch.

Waleri war erstaunt. Er hatte gewusste, dass Victor immer mit einer Knarre rumrannte. Aber gleich mit zweien? Er hatte nie mehr als eine gezeigt, wenn er in Aktion trat. Offenbar ein heimliches Ass im Ärmel, von dem er vorher keinem etwas erzählte. Waleri selbst streifte sich lediglich das Armband vom Handgelenk.

Victor fummelte in seinem Genick einen Kettenverschluss auf und zog mit spitzen Fingern die filigrane Kette samt Anhänger aus seinem T-Shirt-Ausschnitt. Ein Ring von seiner linken Hand folgte.

Waleri fragte sich insgeheim, was der Gestaltwandler mit dem ganzen Kram anstellte, wenn er akut in eine andere Gestalt wechseln musste. Schmuck und dergleichen machten Verwandlungen für gewöhnlich nicht mit.

Als nächstes gestikulierte Victor einige Zeichen in die Luft, die an Tai Chi erinnerten, woraufhin nacheinander auf seiner Stirn, seiner Brust und seinem Bauch rote Symbole aufglühten und wieder verblassten. Dann fiel so deutlich ein Schutzschild um ihn herum in sich zusammen, dass selbst Waleri es wahrnehmen konnte, obwohl der selbst keine Bannmagie beherrschte.

Mit wenigen, weiteren Bewegungen hob Victor auch noch einen weiteren Schutz auf, den Waleri weniger deutlich aber dennoch spürbar erkannte.

"Meine Fresse. Du bist gut geschützt", konnte Waleri sich nicht verkneifen. Es war sicher ganz schön knifflig, sich mit so viel Magie gleichzeitig zu umgeben. Das hatte Grenzen. Ähnlich wie bei Medikamenten konnte man sich nicht unbegrenzt damit zudröhnen. Man musste Wechselwirkungen und Überdosierungen im Auge behalten.

"Was meinst du, warum ich immer noch lebe und auf freiem Fuß bin?" Victor sagte bewusst nicht dazu, dass er gewisse Schutzzauber natürlich NICHT ablegte. Etwa den, der verhinderte, dass man von einem Hellseher gefunden werden konnte. Bestimmt waren immer noch genug Staatliche hinter ihm her. Hätte er sich hier sichtbar gemacht, wären die vielleicht nicht schnell genug hier gewesen, um Victor noch zu erwischen, aber zumindest Waleri hätten sie hier gefunden. Er wollte sie nicht auf Waleris Spur bringen. "Auf dir liegt auch ein Schutzzauber. Ich werde ihn später wieder erneuern, wenn du willst. Aber jetzt muss er erstmal weg. Jeder Störfaktor ist ein Störfaktor zu viel."

Noch ehe Waleri zustimmen oder ablehnen konnte, fühlte er sich auch schon wie mit kaltem Wasser übergossen. Die Magie verflüchtigte sich aus seiner Aura wie Nebel im Wind.

Victor musterte ihn nachdenklich von oben bis unten und wirkte zufrieden. "Gut. Du solltest dein Hemd noch ausziehen, damit ich ungehindert an die Rune auf deinem Rücken rankomme", bat er. Während der Hühne dem nachkam, zog Victor ein sehr ernstes Gesicht. Er verschränkte die Arme. "Hör zu, wir müssen uns über die Spielregeln einig sein, wenn das hier nicht schiefgehen soll. Ich bitte dich inständig, nicht zu quatschen, und nicht rumzuzappeln. Außer die körperlichen Nebenwirkungen werden wirklich zu massiv, dann darfst du mich das natürlich wissen lassen. Es ist nur so ... wenn ich sage, dass das sogar für mich verdammt komplexe Magie ist, dann meine ich das auch so. Ich will dir ganz bestimmt nicht schaden. Aber um dich vor Schaden zu bewahren, muss ich mich stark konzentrieren."

"Dann will ich mir mal Mühe geben", scherzte Waleri näckisch. "Mit welchen Nebenwirkungen hab ich denn zu rechnen?"

"Das ist bei dir schwer zu sagen, weil die Meister-Rune auf dem Rücken eigentlich nichts zu suchen hat. Es gibt keinen ähnlich gelagerten Fall wie deinen, den man als Vergleich heranziehen könnte. Aber durch die Verbindung zum Nervensystem würde ich sagen, dass alles in Frage kommt, was man gemeinhin als psychosomatisch einstufen würde. Deine Arme und Beine können schmerzen oder taub werden oder unbeweglich steif werden. Du kannst dein Mittagessen wieder ausspeien. Sprach-, Hör- oder Sehverlust würde mich auch nicht wundern. Du kannst Krämpfe oder spastische Zuckungen bekommen. Vielleicht schießt dir das Blut aus der Nase, wenn dein Kreislauf betroffen ist. Hitzewellen und Schweißausbrüche. Schwindelgefühl. Unruhe. ... Lass dich davon nicht aus der Ruhe bringen. Dir muss immer klar sein, dass es nichts gibt, was hinterher nicht wieder behoben werden kann. Aber wenn du das Gefühl hast, dass irgendwas lebensbedrohliches im Gange ist, dass zum Beispiel deine Atmung aussetzt, oder dein Kreislauf ganz zusammenbricht, dann gib mir um Himmels Willen Bescheid."

"Sind ja nette Aussichten ...", brummte Waleri wenig begeistert.

"Ich habe nie gesagt, dass es einfach wird. Natürlich wäre dir vieles davon erspart geblieben, wenn der, der dir die Rune verpasst hat und ihre Bauweise besser kennt als ich, sie auch wieder lösen würde. Aber es hilft nichts. Du bist ein Elasmotherium. Du wirst das schon wegstecken."

"Hast du mal versucht, das an einem Opfer zu testen? Irgendein ehemaliger Motus-Wichser, der dir zufällig in die Finger geraten ist?"

Victor kicherte erheitert auf. "Du wirst lachen, das habe ich tatsächlich erwogen", gab er unverblümt zu. "Aber mir fehlen leider die magischen Begabungen dazu. Ich kann zwar eine Meister-Rune brechen, aber ich kann selber keine erschaffen. Ich konnte also leider kein Opfer mit einer Meister-Rune belegen, um die Auflösung der Rune dann an dem üben zu können."

"Welche magische Begabung braucht man denn noch dafür? Vladislav hat doch selber nichts als Bannmagie beherrscht. Und das nichtmal besonders gut."

"Um jemandem eine Meister-Rune auf Körper und Verstand zu prägen, braucht man Bannmagie, Fluchmagie, Wahrsagerei und Telepathie. Um sie wieder zu lösen, sind aber Banne und Flüche ausreichend."

"So viele Disziplinen beherrscht doch keiner", hielt Waleri ungläubig dagegen.

"Nein. Eine Meister-Rune ist in der Regel eine Teamarbeit mehrerer Magier, die ihr Werk gemeinsam vollbringen."

"Ganz schön viel Aufwand."

"Ja. Kann sich aber sehr lohnen, wenn man damit die richtigen Ziele verfolgt."

Waleri grübelte einen Moment. "Ich weiß nicht recht. Mir fallen keine Magi ein, mit denen Vladislav Hand in Hand gearbeitet haben könnte, um mir diese Rune zu verpassen. Noch dazu ohne, dass ich etwas davon merke."

"Vielleicht hat er eine fertige Rune auf Papier gekauft und sie nur noch auf deinen Körper übertragen. Wahrscheinlich als du geschlafen hast. Da ist deine Gegenwehr am geringsten und dein Verstand am leichtesten zu manipulieren, weil er ausgeschalten ist. ... Na schön. Hoffen wir, dass uns keine Überraschungen erwarten", meinte Victor dann und stellte damit spürbar den Auftakt her.

"Du kannst ja nachlesen, wenn irgendwas ist", hielt Waleri optimistisch dagegen.

"Dazu ist nur begrenzt Zeit. Wenn das Siegel einmal aufgebrochen ist, war´s das. Entweder man kann mit der freigelassenen Magie umgehen, oder es geht katastrophal schief. So, dann schauen wir uns das mal an." Victor hob die Hände, wie bei einer Beschwörung, und holte den Bann-Zauber, der Waleri umgab, auf die optisch sichtbare Ebene. Die Magie zeigte sich als räumliche Konstruktion, die den Großteil der Küche füllte. Sie ähnelte mit den vielen, geraden Kanten dem Lageplan eines großen, mehrstöckigen Hauses.

Waleri konnte sich ein "Woah" nicht verkneifen. "Ich verstehe, was du mit 'komplex' gemeint hast. Die Zauber von Vladislav waren nie mehr als schallplattengroße Scheiben, und vor allem nie dreidimensional."

Der Gestaltwandler gestikulierte eine wischende Bewegung und das gewaltige Gebilde drehte sich, der Bewegung folgend, im gleichen Maße vor ihm, so dass man es von allen Seiten begutachten konnte. "Hm. Die slawische Variante", stellte Victor erkennend fest, konzentriert weiter den Aufbau studierend. "Da war Vladislav nicht sonderlich kreativ."

"Und? Kannst du es lösen?", wollte Waleri wissen. Obwohl er von der gewaltigen Blaupause nur Bahnhof verstand, beäugte er diese äußerst interessiert.

Victor drehte und wendete das magische Konstrukt noch eine Weile hin und her, ehe er etwas frustriert antwortete. "Dieses Ding ist echt grottenschlecht erstellt. Es ist total marode und fällt an mehreren Stellen schon fast von selber in sich zusammen. Das ist tödlich, wenn das unkontrolliert geschieht. Wie eine Lawine. Wenn da einmal was ins Rutschen kommt, stürzt kettenreaktionsartig alles andere hinterher."

"Und dann hab ich ein Problem ..."

"Nicht nur du, Kumpel. Nicht nur du." Seufzend analysierte Victor unablässig weiter den Zauber von allen Seiten. Zwischendurch wandte er sich seinem großen, schweren Buch auf dem Küchentisch zu und blätterte mühsam ein paar Seiten um, um etwas nachzuschlagen. Dabei kostete es ihn sichtliche Anstrengung, die Blaupause in der Zwischenzeit mit einer Hand stabil zu halten. Es war halb Kraft-, halb Balance-Akt.

Ein paar leuchtende Funken rieselten wie bröckeliger Putz aus dem Konstrukt heraus und ließen Waleri erschrocken Luft schnappen, als stünde zu befürchten, dass gleich alles in sich zusammenbrechen würde.

"Da siehst du, was ich meine", kommentierte Victor nüchtern. "Gut, ab jetzt bitte nicht mehr quatschen. Ich muss mich konzentrieren."
 

Waleri konnte schwerlich deuten, was sein Besucher in den nächsten 20 Minuten tat. Victor änderte mit Gesten und fremdsprachigen Worten an dem riesigen Magie-Modell herum, manchmal fluchte er ungeniert in sich hinein, mal sprach er sich selbst kurze Bestätigungen zu, oder dachte laut nach, hin und wieder schien er einfach nur zu beobachten was passierte. Alles in allem wirkte es wie eine Knobelaufgabe. An dem Konstrukt selbst änderte sich indes außer dem Muster wenig. Es wurde nicht kleiner oder schwächer. Trotzdem machten Waleri die körperlichen Nebenwirkungen deutlich zu schaffen. Mal wurde ein Arm taub, mal bekam er Herzrasen und Schnappatmung, mal schoss ihm ein messerscharfer Schmerz die ganze Wirbelsäule hinauf und ließ ihn aufschreien. Victor nahm es jedes Mal nur aus dem Augenwinkel zur Kenntnis und machte ungerührt weiter.

"Jetzt wird es spannend", sprach Victor sich selbst Mut zu. Er war bis zu dem entscheidenden Punkt vorgedrungen, der noch alles zusammenhielt. Nur noch ein Windhauch, und das Siegel würde brechen. Was dann geschah, würde zeigen, ob Victors ganze Vorarbeit umsonst gewesen war oder nicht. Er würde schnell reagieren müssen, denn er wusste nicht, welche Art von Magie ihm entgegengeschossen kommen würde. Oder wieviel davon. Er gab den letzten Anstoß und ... wurde gnadenlos überrollt.

Mit einem erschrockenen "Fuck!" warf Victor sich herum und schlang die Arme schützend um den Kopf. Die Energie tobte sekundenlang wie ein Wirbelsturm über ihn hinweg. Zu heftig, um irgendwelche Gegenschritte einleiten zu können. Der Gestaltwandler war hellauf damit beschäftigt, die Orientierung im Raum und die Kontrolle über seinen Körper nicht zu verlieren. Der entfesselten Magie konnte er nur noch unkontrolliert die Zügel schießen lassen. Um ihn herum ging lautstark die Kücheneinrichtung zu Bruch. Nicht nur Porzellan und Glas, sondern auch die massiveren Holzmöbel.

Doch genauso schlagartig, wie es losgebrochen war, war Victor auch wieder aus dem rasenden Strudel entlassen. Fragend sah er sich um und fand ein Schutzschild aus Bann-Magie zwischen sich und den reißenden Gewalten, das ihn abschirmte. Links und rechts davon tobten die Magiestürme ungehindert weiter und schlugen die Küche kurz und klein. Schnell überblickte er die Lage. Waleri sah er auf dem Fußboden liegen und sich winden. Der Hühne war vom Stuhl gekippt, beide Hände am Hals, gab röchelnde Geräusche von sich, und schien zu ersticken. Trotzdem ignorierte Victor ihn und widmete sich vorrangig wieder dem Schutzschild, das ihm wankelmütige Sicherheit bot. Mit einer Hand verstärkte und stützte er diese magische Barriere, mit der anderen blätterte er hektisch in seinem Buch. Irgendwas lief hier nicht nach Plan. Sein Zeigefinger wanderte suchend über die Zeilen einer Tabelle. Das war wohl doch nicht nur die standardisierte, slawische Variante der Meister-Rune, sondern es war offensichtlich noch etwas Gemeineres und Mächtigeres mit eingeflochten worden. Das kam jetzt grundsätzlich nicht unerwartet, aber wieso ausgerechnet Mond-Magie? Die passte thematisch ja nun gar nicht dazu. So ein Mist. Genau diese Konstellation war im Buch nicht aufgeführt. Also entschied sich Victor intuitiv für das naheliegendste. Durch seine eigene Mondsucht hatte er zum Glück etwas Ahnung von diesem Thema und wusste, wie man dem zur Not auch unabhängig von den Mondphasen beikommen konnte. Ideal war es nicht, würde aber hoffentlich reichen.

Der Gestaltwandler legte sich einen passenden Bann zurecht, trat aus dem Schutz des magischen Schutzschildes heraus, hinter dem er sich immer noch versteckte, und wollte sich zum Zentrum des Sturms vorkämpfen. Seine leichte, schmächtige Statur machte es ihm beinahe unmöglich. Er hatte den Gewalten nichts entgegenzusetzen, zumal er durch die Kräfte, die wild an ihm zerrten, so gut wie blind war. Bis er das Gefühl hatte, eine Hand auf seinem Rücken würde ihn mit Kraft vorwärts schieben. Mit Mühe und letzter Kraft platzierte er seinen Zauber, der diesen ganzen Spuk endlich neutralisieren und beenden sollte. Die reißende, außer Kontrolle geratene Energie entlud sich krachend wie ein Blitz und schleuderte Victor einen Meter weit durch die Küche und zu Boden. Das ersehnte Peitschengeräusch, auf das er gewartet hatte, ging im Tosen fast unter, entging Victor aber nicht. Irgendeine magische Verbindung war gerissen.
 

Victor lag noch einige Augenblicke auf dem Fußboden, lang hingestreckt auf dem Rücken, und rang schwer nach Atem. Als hätte er gerade einen Langstreckenlauf hinter sich. Die Stille war himmlisch. Es war vorbei. Ein ungeniertes, gedehntes "Scheeeeeeiiiiiße!", konnte er ebenfalls nicht unterlassen. Dann kämpfte er sich endlich wieder auf die Knie hoch, brauchte dort noch ein paar weitere Sekunden, und kroch schließlich auf allen Vieren zu Waleri hinüber. "So, Sportsfreund. Lebst du noch?", wollte er von dem reglosen Kraftprotz wissen.

Waleri blinzelte die Augen auf, die er fest zusammengekniffen hatte. "Halbwegs."

"Die Meister-Rune ist gebrochen. Glückwunsch." Victor griff nach Waleris Handgelenk und suchte nach dem Puls. Während er die Herzschläge unter seinen Fingern zählte, zog er mit der anderen Hand nebenbei noch eines von Waleris Augenlidern auf, um die Pupille zu kontrollieren. "Und? Was sagt die Status-Meldung?"

"Ich glaube, meine Beine sind gelähmt. Ich kann sie nicht mehr bewegen ...", presste Waleri in undeutbarem Tonfall hervor. Er klang nicht, als hätte er Schmerzen. Auch nicht, als würde er seinem Helfer Vorwürfe machen. Es war wohl eher Überforderung mit der ganzen Situation.

Victor zählte noch in Ruhe die Pulsfrequenz zu Ende, als würde ihn die Lähmung gar nicht überraschen. Mit dem Puls schien er jedenfalls zufrieden zu sein. Erst dann wandte er sich gelassen den Beinen zu. "Hast du noch Gefühl drin?", hakte er nach und griff derb mit einer Hand in Waleris Oberschenkel und mit einer in Waleris Schienbeinknochen.

"Ja, aua, Mann!", quietschte Waleri protestierend.

"Das andere auch?" Victor wiederholte die fiesen Griffe ungefragt auch am anderen Bein.

"Ja doch! Hör auf damit!"

"Gut", befand der Gestaltwandler. "Das ist nur eine Schockreaktion deines Körpers auf die peitschenartige Energieentladung in deiner Wirbelsäule. Ich hab ja gesagt, dass das passieren kann. In einer Stunde wirst du wieder fröhlich rumlaufen, als wäre nichts gewesen. Versprochen." Er atmete tief durch, wie jemand, der etwas fertiggebracht hatte und nun überlegte, was es noch zu tun gab. "Dein Allgemeinzustand wird allerdings etwas länger brauchen, bis er sich regeneriert hat. Den jahrelangen Energieverlust bis zur völligen Auszehrung wird dein Körper nicht in einer Stunde wettmachen. Nichtmal als Elasmotherium."

"Hätte ich jetzt auch nicht erwartet", ächzte der Muskelprotz und stemmte sich zumindest erstmal wieder in eine sitzende Haltung hoch. Seine Beine blieben dabei ausgestreckt wie Fremdkörper vor ihm liegen. "War das Mond-Magie, sag mal?"

Victor ließ sich müde wieder auf den Hosenboden fallen und bestätigte.

"Wozu das denn bitte?"

"Hm~ Das Konzept ist für jemanden wie dich eigentlich gar nicht so blöd, wenn ich drüber nachdenke. Der Mond ist derart mächtig, dass er einen ganzen Ozean bewegen kann, aber immer nur schön geruhsam im Rhythmus der Natur. Mond-Magie ist deshalb nicht schnell, aber sehr stark und beharrlich. Ihre Stärke macht sich erst auf lange Sicht bemerkbar. Genau das Richtige, wenn man so ein Power-House wie ein Elasmotherium sibiricum über längere Zeit unter Kontrolle halten will."

Waleri seufzte unglücklich und sah sich in der zertrümmerten Küche um. "Ich muss mir was einfallen lassen, wie ich das hier meiner Frau erkläre ..."
 

Als Victor das kleine Häuschen mitten im Nirgendwo wieder verließ, kehrte Urnue von der Astralebene auf die stoffliche Ebene zurück, wodurch er für das gewöhnliche Auge wieder sichtbar wurde, und schloss sich Victor an. Urnue hatte sich geweigert, sich Waleri zu zeigen, obwohl er geahnt hatte, dass er in die ganze Aktion helfend würde eingreifen müssen. Er wollte mit dieser Sache eigentlich nicht in Verbindung gebracht werden.

Der Gestaltwandler lächelte ihn an. "Du hast mir mit deinem Schutzschild echt den Hintern gerettet. Diese Flutwelle an Magie hätte mich plattgemacht, wenn du mir nicht diese paar Sekunden Luft verschafft hättest."

"Was hast du erwartet, bei einer Meister-Rune? Dachtest du, das würde ein Spaziergang werden?", hakte Urnue etwas humorlos nach. Er verstand bis heute nicht, wieso Victor Waleri unbedingt hatte retten wollen, auch auf die Gefahr hin, dabei selber zu Schaden zu kommen. Urnue hatte ihm seine Missbilligung auch im Vorfeld schon mehr als deutlich gemacht. Aber Victor hatte sich trotz aller vernünftigen Zureden nicht davon abbringen lassen. Victor behauptete, die Herausforderung habe ihn gereizt. Aber Urnue vermutete, dass mehr dahinter steckte. Damals in Vladislavs Villa musste irgendwas vorgefallen sein. Victor hatte seither eine unverkennbar andere Haltung zu dessen Schutzgeist.

"Nein, einen Spaziergang hatte ich nicht erwartet. Selbst für mich nicht. Aber das hier hat selbst meine kühnsten Befürchtungen noch bei weitem getoppt.", gestand Victor. "Danke."

"Nichts zu danken. Mach sowas in Zukunft einfach nicht mehr."



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück