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The Decisions of Tomorrow

the first duty of love is to listen
von

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Weakness

Kapitel 31: Weakness
 

Der Weg zu Kingsleys Büro glich einem Henkerslauf. Seine Gedanken überschlugen sich und immer wieder erwischte Harry sich dabei, wie er über seine eigenen Füße zu stolpern drohte. Selbst als sie endlich an ihrem Ziel ankamen und er sich in einen der Sessel setzte, konnte er sich nicht konzentrieren.

 

Die Verhandlung hatte ihm jegliche Kraft geraubt. Die Sorge, dass er sich geirrt hatte und Hermine in Gefahr war, vermischte sich mit der Erinnerung an das Gespräch, was Harry in der Eingangshalle belauscht hatte. Das Bedürfnis war unerträglich, hier und jetzt das Zimmer zu verlassen und nach Draco zu suchen, doch die pochende Angst in seinem Inneren ließ ihn zögern. Es fiel ihm schwer, sich auf den Minister und das Stück Papier zu fokussieren, das demonstrativ vor ihm auf dem massiven Eichenholzschreibtisch lag.

 

„Wie meinen Sie das, Sir?“, fragte Harry mit heiserer Stimme.

 

Kingsleys fixierte ihn abschätzend.

 

„Unsere Handlungen ziehen immer Konsequenzen mit sich“, antwortete der Minister mit ruhiger Stimme.

 

Harry hatte die filigrane Handschrift Dracos sofort erkannt und er wusste zu gut, was dort vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Es war der Antrag, den sie ins Ministerium geschmuggelt hatten. In der Hoffnung, sie alle täuschen zu können.

 

In der Hoffnung, endlich frei sein zu dürfen.

 

Sein Körper erschauderte in der Vorstellung, was es bedeutete, dass Kingsley mit ihm über den Antrag sprechen wollte. Eine erneute unausweichliche Konsequenz, die einen weiteren ihm nahe stehenden Menschen mit in den Abgrund ziehen würde.

 

Eigentlich war es ihm unmöglich zu sagen, wie oft sich Harry schon hier in diesem Büro wiedergefunden hatte. Kingsley zeigte sich wie immer geduldig und dennoch wusste er, dass der wartende Blick des Ministers nicht ewig auf ihm ruhen würde. Nervös knibbelte er an dem Leder des furchtbar bequemen Sessels. Kingsley unterbrach jedoch Harrys Versuch mit den Worten zu ringen, indem er tief seufzte und hinter sich einen Zettel von einer Ablage nahm. Er legte ihn vor ihm auf den Tisch.

 

Es war eine Zeitung­­, oder eher ein einzelner Artikel, doch Harry kannte die beiden Personen, die dort mit schwarzer Tinte abgedruckt worden waren. Das Bild bewegte sich nicht, da es wohl ein Entwurf war, und dennoch wirkte sein eigener Ausdruck verträumt. Er selbst schien die Kamera überhaupt nicht zu bemerken und seine volle Aufmerksamkeit war auf den Mann neben ihm gerichtet, der ihn zögerlich anlächelte. Das musste am Bahnhof aufgenommen worden sein, Harry konnte einige der Schilder der Bahngleise im Hintergrund erkennen.

 

Sie sahen ... glücklich aus. Er versuchte, den festen Kloß in seinem Hals runterzuschlucken, doch seine Kehle glich einer Wüste.

 

„Es ist die morgige Ausgabe. Ich werde es nicht mehr verhindern können“, sagte Kingsley und auf eine eigentümliche Art hörte er Trauer in diesen Worten, auch wenn sich Harry nicht ganz sicher war, wie er diese einordnen sollte. Erstarrt sah er zurück auf die großen geschwungenen Buchstaben der Schlagzeile.

 

„Der Auserwählte und der Todesser“, murmelte Harry.

 

„Der Tagesprophet war schon immer dramatisch“

 

„Das können sie nicht tun...“, protestierte er und begann die ersten Zeilen des Artikels zu lesen.

 

„Natürlich können sie das, wenn sie vermuten, dass du mit Todessern sympatisierst und gemeinsame Sache machst“, erklärte Kingsley.

 

Wir können uns nur fragen, was mit einer solchen Macht, die selbst Du-weißt-schon-wen erledigen konnte, passieren würde?“, zitierte Harry und schüttelte den Kopf. „Erneut setzte er sich für die Freilassung eines ehemaligen Todessers ein ...“, las er weiter vor. „Wechselt unser Retter nun zur dunklen Seite...? Ich ...“

 

„Ich habe dich gewarnt“, sagte Kingsley schließlich.

 

Harry schnaubte aufgebracht und blickte verzweifelt zwischen dem Zeitungsartikel und dem Minister hin und her, doch dieser betrachtete ihn nur schweigend.

 

„Sollen sie doch denken was sie wollen“, sagte Harry trotzig und schob den Artikel von sich.

 

Sein Leben war von Schlagzeilen begleitet worden, die er immer sehr gerne verhindert hätte. Für einen kurzen Moment erschien ihm das anonyme Leben bei den Dursleys doch als etwas, was er jetzt gerade begrüßt hätte. Doch es war irgendwie so, dass sein Umfeld dies mehr beschäftigte als ihn selbst. Und dennoch war er nervös. Nervös, was diese Tatsache für Draco und ihre Beziehung bedeuten würde. Es wurde zwar in keinem Wort erwähnt, dass sie ein Paar wären, aber dennoch ...

 

Vermutlich ist das auch einfach zu abwegig, um wahr zu sein, dachte er.

 

„Wusstest du, dass meine Sekretärin seit vier Jahren für mich arbeitet und in all der Zeit nicht ein einziges mal krank war?“, fragte ihn Kingsley plötzlich und nahm den Antrag erneut in die Hand. „Und heute hat sie sich doch tatsächlich urplötzlich das erste mal krank gemeldet, nachdem sie mir diesen Antrag gebracht hatte. Wegen einer Grippe.“ Der Minister fixierte ihn nachdenklich, schien auf seine Reaktion zu achten. „Einfach kein guter Tag, was soll ich sagen. Es hat mich nur so gewundert, da sie selbst mit hohem Fieber zur Arbeit kam und damit die halbe Abteilung ansteckte.“ Er zog eine Augenbraue in die Höhe und in dem Moment wurde es Harry klar, dass Kingsley Bescheid wusste.

 

Er wusste, dass sie gelogen hatten.

 

Was sollte also diese ganze Aktion mit dem Zeitungsartikel? Wenn er nach Askaban musste, hatte das alles keine Bedeutung mehr. Dabei war alles, was er gewollt hatte, doch nur ein Ausweg gewesen.

 

Eine Chance, ein normales Leben zu führen.

 

„Ich wollte ihm helfen...“, hauchte Harry leise.

 

Die kurze Stille, die sich in dem Büro zwischen sie legte, war unerträglich. Doch er wusste einfach nicht, wie er erklären sollte, warum er all das getan hatte. Wie es dazu gekommen war, dass er nun schlussendlich hier auf diesem Sessel saß. Vor der Aussicht, ihre Freiheit zu verlieren. Er konnte nicht deuten, was dort in Kingsleys Blick lag und als der ältere Mann endlich weitersprach, hielt Harry den Atem an.

 

„Ich werde ihn genehmigen“, sagte Kingsley und unterschrieb den Antrag.

 

„Was?“ Fassungslos starrte Harry auf das Stück Papier, welches ihm sogleich gereicht wurde.

 

„Bestimmt hat sie sich in der Cafeteria den Magen verdorben. Unter uns, der Eintopf sieht aus und schmeckt, als wäre er aus dem Hinterteil eines Sumpfkrattlers“, sagte der Minister und lachte erheitert. „Und du, mein lieber Harry, wirst eine öffentliche Ansprache halten, dass du nach deinem Abschluss ein unentgeldliches Praktikum machen willst, um dich für deine Ausbildung als Auror vorzubereiten und dich nunmal in deiner Rolle als Retter mit der Rehabilitation der Todesser beschäftigt hast. Das klingt doch nach einer guten Idee, meinst du nicht auch?“, fragte Kingsley und blickte ihm auffordernd entgegen, als würde er eine zustimmende Antwort erwarten.

 

Harry fehlten die Worte und für wenige Herzschläge starrte er einfach nur den Mann vor ihm entgegen, der ihn gerade auf die womöglich offensichtlicheste Art versuchte zu manipulieren. Es war genau das, was Kingsley immer gewollt hatte. Harry Potter unter der Kontrolle und Einfluss des Ministeriums, damit er keine Dummheiten anstellen konnte. Ein Aushängeschild, das er der Öffentlichkeit präsentieren konnte; eine Zukunft, die er eigentlich schon innerlich für sich selbst ausgeschlossen hatte. Dennoch blieb ihm vermutlich keine andere Wahl, als diesem Erpressungsversuch nachzugeben.

 

Denn die Konsequenz würde er sich niemals verzeihen können.

 

„Natürlich, Sir“, antwortete er.

 

„Gut dann wäre das ja geklärt“, sagte Kingsley zufrieden und stand auf, signalisierte ihm zu gehen. „Die Details schickt dir dann meine Sekretärin. Wir sollten einen guten Moment für die Verkündung aussuchen, damit es den bestmöglichen Eindruck macht“, bestimmte er zufrieden und lächelte.

 

Das Bedürfnis zu flüchten und der Situation zu entgehen, um endlich aufatmen zu können, drängte Harry in Richtung der Tür, als der Minister noch etwas sagte.

 

„Du solltest vielleicht trotzdem überdenken, ob du ihm vertrauen kannst.“ Kingsley sah kurz zur Seite, als würde er über etwas nachdenken, entgegnete jedoch erneut Harrys fragenden Blick. „Eigentlich dürfte ich gar nicht darüber sprechen, aber ... Malfoy hat etwas Merkwürdiges über dich in seiner Anhörung gesagt, als er nach dir gefragt wurde“, sagte Kingsley und Harry trat erneut einige Schritte auf ihn zu.

 

„Etwas Merkwürdiges?“, fragte er skeptisch.

 

„Er nannte dich seine Schwäche. Weißt du was das bedeuten könnte?“

 

Harry schluckte und richtete seine Brille, die unangenehm drückte. Alles fühlte sich taub an. „Ich habe keine Ahnung.“, sagte er schließlich, da ihm keine Erwiderung einfiel.

 

Er wandte sich ab, ohne noch einmal Kingsley anzusehen, und öffnete die Tür. „Bis dann“, murmelte er und verschwand aus dem Büro.

 

 
 

~~~*~~~

 

 

„Eine Schwäche?“, fragte Hermine verwirrt.

 

„Klingt nicht gerade nach etwas Positivem“, kommentierte Ron und trank einen großzügigen Schluck aus seinem Bier.

 

Harrys Seufzen ging in der Musik unter, die aus den Lautsprechern der kleinen Muggelkneipe dröhnte. Im Gegenteil zu seinem letzten Besuch hier war es heute deutlich voller. Sie hatten sich an die Bar zurückgezogen, nachdem Harry vehement verneint hatte tanzen zu wollen.

 

„Ron!“, wies ihn Hermine zurecht, doch Harry winkte mit einer Bewegung seiner Hand ab.

 

Sie hatten gewonnen. Das war doch ein Grund zum Feiern oder etwa nicht?

 

„Lass gut sein, er hat schon recht. Es klingt nicht gerade gut ... ach, keine Ahnung“, sagte Harry und starrte geistesabwesend auf sein Glas, welches er kaum angerührt hatte.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass Kingsley versucht hat, dich zu erpressen. Wir sollten das melden! Er kann dich nicht dazu zwingen, diese Ausbildung zu machen!“, versuchte Hermine auf Harry einzureden, doch es war schwierig, ihr überhaupt zuzuhören. Vermutlich wäre es nötig gewesen, sich über den schamlosen Versuch Kingsleys seinen Willen zu bekommen aufzuregen, doch seine Gedanken waren woanders. Harry dankte Ron innerlich, als dieser an seiner statt antwortete.

 

„Mine, er ist der Minister. Glaubst du ernsthaft, dass wir irgendetwas ausrichten könnten? Außerdem will ich keinen Streit mit denen, wenn ich bald die Ausbildung dort anfange“, erinnerte er sie. Hermine wollte sogleich antworten und ihn zurechtweisen, doch Harry schüttelte den Kopf, worauf sie es bei einem lauten Schnauben beließ.

 

Natürlich war es nicht das gewesen, was Harry sich für sein Leben vorgestellt hatte. Das Opfer erschien ihm jedoch klein, wenn er die Alternative betrachtete. Dann würde er halt eine Weile für das Ministerium die Drecksarbeit erledigen.

 

Ein kleiner Sieg, der nun einmal seinen Preis hatte.

 

„Ich muss mal zur Toilette...“, murmelte Harry und ließ die beiden zurück.

 

Eigentlich sollte er froh sein, dass sie noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen waren. Schließlich waren sie hergekommen, um ihren Sieg zu feiern. Warum verdammt fühlte er sich dann so ... Harry fiel es schwer, dieses Gefühl in Worte zu fassen. Es glich einer Leere, als wenn etwas in ihm ausgehöhlt worden war. Er öffnete die Tür zum Herren-WC und betrat den kleinen Raum. Das Licht der Deckenlampe spiegelte sich dumpf an den dunklen Fliesen und stumm betrachtete Harry sein Gesicht im Spiegel.

 

Seine Befürchtung war bestätigt worden, als er nach seiner Flucht aus dem Büro des Ministers feststellen hatte müssen, dass Draco nicht zum Grimmauldplatz zurückgekehrt war.

 

Die Gnadenfrist ist wohl abgelaufen, dachte er verbittert.

 

Auch wenn Harry inständig gehofft hatte, Draco dort im Wohnzimmer vor dem Kamin vorzufinden, mit einem Buch in der Hand und einem Lächeln auf den Lippen, so würde er sich jetzt verflucht nochmal zusammenreißen müssen. Seine Finger umklammerten krampfhaft das Waschbecken.

 

Doch was, wenn er sich irrte? Was, wenn Harry alles falsch interpretierte und Malfoys plötzliches Verschwinden nach seiner Freilassung keine erneute Zurückweisung bedeutete?

 

Was, wenn ...

 

Sein Spiegelbild verschwamm und er blinzelte, versuchte, seinen eigenen verzerrten Blick zu erwidern, doch es gelang ihm nicht. Wütend auf sich selbst rieb er sich mit dem Ärmel seiner Kapuzenjacke über die Augenlider.

 

Er durfte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Noch hatte er nicht mit Draco geredet. Sicher würde dieser ihm alles erklären können. Wichtige Gründe, weswegen er ihn einfach nach der Verhandlung hatte stehen lassen. Weswegen er mit diesem zwielichtigen Mann mitgegangen war, der ihn des Diebstahls beschuldigt hatte. Der Mann, der deutlich gemacht hatte, dass Draco vor der Hochzeit nicht davon laufen konnte ...

 

„Ich wette, er ist es nicht wert“, echote eine Stimme hinter ihm.

 

Erschrocken wirbelte Harry herum und blickte in das entschuldigende Lächeln des jungen Barmanns, dessen Name ihm einfach partout nicht mehr einfallen wollte.

 

„Oliver“, erinnerte der Blonde und trat einen Schritt auf ihn zu.

 

„Und ich denke, du könntest einen Drink vertragen.“

 

 
 

~~~*~~~

 

 

Die letzten Stunden zogen wie ein Film an ihm vorbei, geprägt von engen Körpern, die auf der Tanzfläche aneinander rieben. Ein sanftes Lächeln und jede Menge hochprozentigen Alkohols. Harrys Sinne schwammen dahin und er erschrak sich regelrecht, als sie die Bar verließen und schließlich in die kalte dunkle Gasse traten. Die Nachtluft war eisig und Harry hörte den Wind durch das Backsteingemäuer pfeifen. Das Klimpern eines Schlüssels unterbrach diesen ungewöhnlichen Moment der plötzlichen Ruhe und Harry drehte sich zu Oliver, der gerade den Laden abschloss.

 

„Harry, Ron und ich werden ... na ja“, begann Hermine neben ihm zu sprechen, doch schien sie sich nicht ganz sicher zu sein, wie sie es formulieren sollte. Ihr Blick glitt rüber zu Oliver.

 

„Willst du mitkommen, ich kann dich mitnehmen. Nun ja, Seite an Seite, du weißt schon ...“, murmelte sie leise in Harrys Richtung, der endlich verstand, was sie eigentlich von ihm wollte.

 

„Ich laufe“, war seine kurze Antwort.

 

Sein Kopf dröhnte und bei der Vorstellung, nun in seinem Zustand zu apparieren, wallte eine regelrechte Übelkeit in ihm auf, dass er den säuerlichen Geschmack in seinem Mund herunter schluckte.

 

„Aber ... Du... Harry, bist du sicher?“ Hermine sah zweifelnd zu Ron und klammerte sich etwas fester an seinen Arm.

 

„Ach komm schon Mine, der Held ist doch wohl alt genug, um nach Hause zu laufen, oder?“, witzelte Ron glucksend und klopfte Harry freundschaftlich auf die Schulter.

 

„Der Held?“, fragte Oliver neugierig und hob eine Augenbraue.

 

„Vergiss es einfach“, zischte Harry und sah Ron vorwurfsvoll an. Schließlich hatte der Barmann keine Ahnung, was sie in Wirklichkeit waren.

 

„Oh...“, sagte Ron stirnrunzelnd.

 

„Harry ist so heldenhaft, er hat mal meine Katze vom Baum gerettet. Krummbein, ein liebes Tier“, erzählte Hermine, was Olivers Verwirrung deutlich zu klären schien. Er lächelte bescheiden und Harry konnte seinen Blick auf sich spüren.

 

„Hör zu, ich kann dich fahren, wenn du willst. Ich bin mit dem Auto hier und hab noch nicht so viel getrunken“, bat ihm Oliver an.

 

„Problem gelöst“, antworte Harry schulterzuckend und war froh über eine Möglichkeit, Hermines erdrückender Sorge zu entkommen.

 

Unbekümmert folgte er dem Mann, den er erst vor kurzem kennengelernt hatte in eine Seitengasse zu einem kleinen Wagen, der definitiv mal in die Werkstatt musste. Der Sitz quietschte, als Harry sich in das tief liegende Polster fallen ließ und ihm ein kleiner Aschenbecher auffiel, der vorne an der Armatur angebracht worden war.

 

„Eine schlechte Angewohnheit“, kommentierte Oliver und startete den Motor, der nach einigem Rattern ruhig zu brummen begann. Harry erklärte ihm in Grundzügen den Weg zu dem kleinen Park in der Nähe des Grimmauldplatzes, wo er ihn rauslassen sollte.

 

Er raucht also, dachte sich Harry und blickte gedankenabwesend aus dem Fenster, als sie aus der Gasse auf die Hauptstraße fuhren. Doch das war nicht alles, was er seit heute über seine Begleitung wusste. Oliver wollte Anwalt werden, studierte Jura und war der jüngste dreier Brüder, die gerne mal untereinander stritten. Eine Geschichte, durch die er Ron sofort auf seine Seite gezogen hatte und doch war die Erkenntnis, wie gut er seine flüchtige Bekanntschaft bereits kannte, irgendwie ernüchternd.

 

Was wusste er eigentlich von Draco? Sein Kopf schmerzte, wieso hatte er überhaupt so viel getrunken?
 

„Er scheint es wohl wert zu sein“, sagte plötzlich Oliver neben ihm und Harry schreckte hoch.
 

„Was?“

 

Doch Oliver antwortete ihm zunächst nicht, fokussierte sich auf den Verkehr. Harry bemerkte, wie er die Finger um das Lenkrad krallte.

 

„Hey, ich versteh schon. Mach dir keinen Kopf, ich hätte selbst darauf kommen können, dass du noch etwas zu verarbeiten hast. Na ja, wegen der Toilette, du weißt schon ..“, sagte er und lächelte ihn gezwungen an.

 

„Hör zu ich ...“, wollte Harry sagen, doch war sein Kopf wie leergefegt. Ein heißer, unangenehmer Schauer rauschte durch seine Adern.

 

Was tue ich hier eigentlich?, dachte er und fokussierte durch das von ihrem Atem beschlagene Fenster den roten Punkt, der wohl zu einer Ampel gehörte.

 

Harry konnte nicht sagen, ob es am Alkohol lag oder aber an der Tatsache, dass selbst dieser seine Gedanken nicht von Draco abringen konnte. Zusammen mit der Realisation, dass es ihm unmöglich sein würde, alles zu vergessen.

 

„Es tut mir leid“, sagte Harry leise und wandte zögernd seinen Blick erneut aus dem Fenster.

 

Sie fuhren eine Weile, in der Harry versuchte, seine verwirrenden Gedanken zu ordnen. Der leise prasselnde Regen war beinahe ohrenbetäubend und untermalte die komische Stille, die im Inneren des Wagens herrschte. Die Regentropfen bildeten am Fenster Schlieren, die sich vom Wind getragen über die Scheibe zogen. Er beobachtete, wie sie teilweise ineinanderflossen, sich verbanden und doch wieder lösten, als ein Geräusch Harry zusammenzucken ließ. Ein lautes Donnern grollte durch den Himmel.

 

„Natürlich muss es jetzt gewittern“, meckerte Oliver und versuchte, in der Dunkelheit zwischen der Reflexion der Lichter etwas zu erkennen.

 

„Jetzt bist du bestimmt froh, nicht gelaufen zu sein“, versuchte er eine Konversation zu starten und lachte kurz auf.

 

Doch Harrys Blick war in den Himmel gerichtet. Er betrachtete die dunklen Wolken, während die Reste des Alkohols in seinem Gehirn summten. Irgendwas an seinen Worten brachte ihn jedoch dazu, seinen Kopf erneut zu ihm zu drehen.

 

„Was hast du gesagt?“, fragte Harry verblüfft.

 

Sie kamen an ihrem Ziel an und Oliver parkte in einer kleinen Parkbucht 100 Meter vom Parkeingang entfernt. Mit einem Ratschen rastete die Handbremse ein, als er sie nach oben zog.

 

„Schon okay“, sagte er und eine Traurigkeit schwang in seiner Stimme.

 

„Ich habe eigentlich nur über das dumme Gewitter geredet. Über das Wetter, na ja du weißt schon“, er rieb sich verlegen über seinen Hinterkopf.

 

Harry wusste nicht ganz, was ihn so aus dem Konzept brachte, doch für wenige Herzschläge, starrte er den blonden Barmann nur an, unfähig sich zu bewegen.

 

„Wir haben am Sonntag nächste Woche übrigens Karaoke“, erzählte Oliver, doch Harry stand abrupt auf und verließ das Auto. Er steckte erneut seinen Kopf in den Fahrerraum.

„Ich muss gehen, danke, dass du mich gefahren hast“, murmelte Harry hastig und schlug die Tür zu.

 

Oliver, der verwirrt von seinem plötzlichen Abgang war, stieg sogleich ebenfalls aus.

 

„Eh, kein Thema. Rufst du mich -“, wollte er sagen, doch Harry bekam es nicht mehr mit.

 

Er rannte.

 

Er rannte, so schnell ihn seine Füße über den aufgeweichten, matschigen Boden tragen konnten, als er schließlich den Eingang des Parks erreichte und mit einem lauten Quietschen das kleine Tor öffnete.

 

Die Nässe des Gewitters hing schwer an seiner Kleidung und in seiner Eile, hatte er sich nicht einmal seine Kapuze über den Kopf gezogen. Doch es war egal. Mit einer Bewegung seiner Hand wischte er sich die triefenden schwarzen Haare von der Stirn und verließ den Parkweg, um durch das Dickicht den kürzesten Weg zu gehen.

 

Es war eine Vermutung. Eine kleine Hoffnung, die seinen Körper dazu veranlasst hatte, einfach loszustürmen. Als er endlich an der Stelle ankam, wo er in der Ferne zwischen den Zweigen die Lichtung erkennen konnte, verlangsamten sich seine Schritte.

 

Doch was ist, wenn er nicht da ist?, schoss es ihm durch den Kopf.

 

War es doch eigentlich so abgesprochen gewesen. Dass sie sich wiedertrafen, auf dieser Lichtung. Um den Trank zu sich zu nehmen und zu Animagi zu werden. Eine Vereinbarung aus einer gefühlt anderen Zeit. Er schloss die Augen. Das Gefühl, was in seinem Inneren pochte, war unangenehm. Es schnürte ihm die Luft ab und sein Körper erschauderte unter der nassen Kleidung, die unangenehm auf seiner Haut lag. Er hatte den Atem angehalten, als er schließlich seine Augen öffnete.

 

Die Lichtung strahlte an diesem Abend eine unheimliche Art der Ruhe aus. Das schwache Mondlicht fiel nur vereinzelnd durch die knöchernen Äste. Einzig mehrere schlammige Fußspuren zerstörten das Bild und zeugten von den Geschehnissen, die sich hier ereignet hatten.
 

Es war schwer, die aufkommenden Bilder zu verdrängen und doch ließ er seinen Blick verzweifelt durch die Dunkelheit gleiten, bis hin zu der kleinen Erhöhung, wo sie die Schatulle mit den Tränken vergraben hatten.

 

Was hab ich eigentlich erwartet?, seufzte er in Gedanken und schloss seine Augenlider etwas. Mit schweren Gliedern ging er den kleinen Hügel hinauf und hockte sich auf die nasse Erde.

 

Man verliebte sich schließlich nicht einfach so in seinen Erzrivalen, der auf der bösen Seite stand. Die Seifenblase, in die sie sich selbst eingeschlossen hatten, war geplatzt und es gab kein Zurück mehr. Denn es stimmte. Er liebte diesen verdammten Mistkerl so sehr, dass er sich selbst dafür verfluchte.

 

Seine Nagelbetten brannten unangenehm, als er die Erde mit den Händen ausgrub, sie zur Seite schaufelte, um das Kästchen freizulegen. Eine flüchtige Erleichterung flammte unter dem pochenden Gefühl in seinem Inneren und er zog es heraus.

 

Harry war bereit gewesen alles für diesen verdammten Mistkerl aufzugeben. Nachdenklich nahm er eine der Phiolen in die Hand und hielt sie in das Mondlicht, doch die Nacht war zu dunkel, um die genaue Farbe zu erkennen. Die Flüssigkeit im Inneren wirkte silbern und doch hatte sie eine merkwürdig milchige Substanz. Die Erinnerung an die schäumende Larve ließ ihn seine Lippe verziehen. Seufzend setzte er sich auf den kalten Waldboden.

 

Sollte er den Trank nehmen?

 

Harry könnte auch ohne Draco ein Animagus werden. Dem Beispiel seines Vaters folgen und sich auf diese Erfahrung einlassen. Es muss unheimlich befreiend gewesen sein, als Hirsch die Ländereien von Hogwarts zu erkunden.

 

Eine Freiheit, die ihm gerade sehr verlockend vorkam.

 

Kingsley hatte den Antrag schließlich genehmigt, auch wenn der Preis dafür hoch gewesen war. Ein Detail, von dem Draco noch gar keine Ahnung hatte.

 

Hör auf über ihn nachzudenken, mahnte er sich und zog den Korken aus der Phiole. Der Regen hatte nachgelassen und auch fühlte er sich nüchterner durch die Kälte, die dank seiner nassen Kleidung an seinem Körper hang.

 

Zögerlich versuchte er, an der Phiole zu riechen, doch konnte er kaum einen Geruch durch seine mittlerweile eiskalte Nase wahrnehmen. Kurz starrte er auf die kleine Öffnung und versuchte Reste der Larve in dem Gebräu zu erkennen, als er dann jedoch die Augen schloss und tief durchatmete.

 

Mit einem Schluck würgte er den Trank herunter und musste sogleich stark husten. Verzweifelt griff Harry sich an seinen Hals, um zu verhindern, dass er ihn nicht sofort wieder erbrechen würde.

 

Das plötzliche Geräusch von Schritten ließ ihn aufhorchen, als er eine Person ausmachen konnte, die aus dem Unterholz auf ihn zukam. Er spürte eine warme Hand an seiner Schulter, die ihm schließlich dreimal sanft auf den Rücken klopfte.

 

„Eigentlich soll man es vorher etwas schütteln, damit es nicht so bitter ist“, sagte die Person neben ihm, welche ihm auffordernd die Hand hinstreckte.

 

Harry hob den Blick und erstarrte.

 

„Malfoy“, hauchte er atemlos.

 

 

 
 

~~~*~~~

Hallo meine Lieben,

ich wollte den Moment nutzen, um euch an dieser Stelle ein besinnliches Fest und frohe Feiertage zu wünschen.

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und ich freue mich wie immer über Feedback.

Bis dann!

Eure Refaye

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  MarrowMoon
2024-01-30T18:17:19+00:00 30.01.2024 19:17
Und schon ist der Moment gekommen, da ich mich in Geduld üben muss bis es weitergeht. Das fällt mir natürlich gar nicht schwer ... T.T Es sind ja auch gar keine spannenden Fragen offen, etwa ob Draco und Harry an ihrem Kommunikationsproblem arbeiten können, welches ihre Animagus-Gestalt sein wird und was sie davon abhalten soll sich irgendwo eine friedliche Existenz aufzubauen, nachdem sie Dracos Mutter gerettet haben, wofür sie sicherlich schon einen wasserdichten Plan haben *träumerei off. Im Ernst ich freue mich darauf wenn es weitergeht. Meine einzige Anregung wäre es, dass im Alltag/ gerenell öfter mal Magie angewandt wird, man also noch ein wenig mehr das Gefühl bekommt in der Zaubererwelt zu sein :)
Von:  KishoOikawa
2024-01-08T08:37:25+00:00 08.01.2024 09:37
Hi :)

Du hast einen Fan mehr gewonnen durch mich
Deine FF ist mega ♡ ich konnte nicht aufhören zu lesen, weil es so spannend ist und man wirklich denkt so geht es in Hogwarts weiter. Die könnten gerne einen Film machen von dem was du schreibst ♡♡
Bin gespannt ob Draco endlich mal bei Harry bleibt und ihm das Glpck schenkt was er so verdient hat TwT
Lg Kisho
Antwort von:  Refaye
30.01.2024 02:05
Hallöchen!
Freut mich, dass es dir gefallen hat. Das mit dem Film höre ich auch zum ersten Mal, haha. Ein sehr schönes Kompliment, danke dafür!
Es wird bald weitergehen, hänge leider derzeit in den Prüfungen.
Liebe Grüße
Refaye
Von:  Kiwilicious
2023-12-28T19:12:46+00:00 28.12.2023 20:12
Hallo,
Ich bin gestern über deine fanfic gestolpert und muss sagen, ich liebe es!! Sehr spannend, man fiebert richtig mit!
Auch schön geschrieben, wie sich langsam etwas entwickelt zwischen Harry und Dray <3
Ganz große Klasse, freu mich schon wenn es weiter geht
LG Kiwi :)
Antwort von:  Refaye
29.12.2023 15:55
Einen schönen guten Tag,
in zwei Tagen diese doch nicht mehr so kurze Fanfiktion zu lesen ist wirklich eine Leistung, ich kenne das aus eigener Erfahrung, wenn ich mich noch einmal reinlesen muss. Umso mehr freue ich mich, dass du es spannend findest. Es dauert ein wenig, bis sich etwas zwischen den beiden entwickelt, allerdings ist das eine ganz bewusste Entscheidung gewesen. Es hätte sich den Umständen entsprechend (nach dem Krieg und alldem was zwischen Harry und Draco vorgefallen ist) nicht wirklich richtig angefühlt, wenn sie es überstürzt hätten. Zu viel steht dem dann doch entgegen.

Es wird bald weiter gehen und ich würde mich freuen, wenn ich noch einmal von dir hören darf.
Danke dass du dir die Zeit genommen hast, ein paar nette Worte hier zu lassen.

Liebe Grüße
Refaye


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